Romane & Erzählungen
Elsa - Im Bann der Lilith 1

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"Elsa - Im Bann der Lilith 1"
Veröffentlicht am 13. Juli 2015, 56 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Elsa - Im Bann der Lilith 1

Elsa - Im Bann der Lilith 1


Trösten ist eine Kunst des Herzens. Sie besteht oft nur darin, liebevoll zu schweigen und schweigend mitzuleiden


Ich, Elsa, stehe vor der riesigen Glasfront unseres Hauses und schaue hinaus in den Garten. Ich schaue zu wie sich die Koniferen im Wind wiegen. Ein leichtes Rauschen dringt bis zu mir in die Wohnstube. So richtig beruhigen kann ich mich aber nicht.

Mein Mann, ein Architekt im Auslandseinsatz, kommt heute heim und möchte etwas mit mir besprechen. Wenn ich nur wüsste was? Am Telefon hat er sich sehr ernst angehört.

Ich selbst habe meinen Beruf, nach der Geburt meiner Tochter, aufgegeben. Damals war ich als Fondsmanagerin in

einer großen Bank angestellt. Nach einem Jahr Erziehungsurlaub, war ich ganz einfach weg vom Fenster, sollte absteigen und in die Beratung gehen. Mein Stolz verbat es mir.
Noch immer stehe ich dort am Fenster und in meiner Hand halte ich ein Glas Wein. Schon den frühen Morgen begrüße ich mit einem guten Schluck Wein und den Abend verabschiede ich mit diesem. Mein Mann mochte es nie leiden.
Ich stehe dort und merke nicht, dass Merle, meine kleine Tochter, sich von hinten anschleicht. Merle der kleine Sonnenschein, die mir sehr ähnlich ist. Die dunklen lockigen Haare, der schlanke Wuchs und die schönen braunen

Augen. Vielleicht liegt es daran, dass ich Merle nicht das geben kann, was sie am meisten braucht - Wärme, Liebe und Geborgenheit. Hier im Haus regiert die Kälte. Ich weiß einfach nichts mit meinem Kind anzufangen. Es war noch nie anders.
Merle fasst mich an die Hand und schaut mit mirr in den Garten. Wir wechseln kein Wort miteinander und starren einfach in den Garten, die kleine Pforte im Blick. Merle wartet so sehr auf ihren Papi. Der Papi, der ihr das gibt, was sie so sehr braucht und von mir nei bekommen wird. Ihr Blick ist genauso leer, wie der Meine, trotzt ihrer gerade mal 6 Jahre. Sie hat so sehr gewartet,

aber der Vater kommt nicht. Langsam legt sich der Abend über das Land und Merle muss ins Bett, ohne ihren Papi zu sehen. 


 Am späten Abend erscheint er dann doch noch. Ich empfange ihn wie immer mit einem Glas Wein. Heute aber stelle ich es ab, laufe ihm entgegen und will ihm um den Hals fallen. Ich freue mich so auf seine Überraschung, worüber er mit mir reden möchte. Und was tut er? Er weist mich kühl ab.
"Elsa, wir müssen reden!", beginnt er das Gespräch.
Ich jedoch reagiere auf das soeben Geschehene gereizt und schmettere ihm

lautstark ein, "Na dann schieß mal los.", entgegen
"Ich weiß garnicht, wie ich anfangen soll, nach all den Jahren", erklärt er mir mit gesenktem Blick.
"Nach all den Jahren?", schaue ich ihn fragend an.
"Ja, nach all den Jahren.", flüstert er fast unhörbar.
"Was willst Du hier?", will ich wissen.
"Die Scheidung!", sagt er mir mitten ins Gesicht, meinem Blick standhaltend.
Ich springe wie von Sinnen auf und gehe auf ihn los. Mit meinen Fäusten will ich auf ihn einschlagen, doch er hat sie fest im Griff.
"Scheidung - Scheidung - Scheidung",

schreie ich immer wieder.
"Wieso?" und "Was war so falsch an unserer Ehe?", will ich von ihm wissen.
"Du weißt es und zwar ganz genau!", antwortete er nun auch ziemlich lautstark.
"Ich weiß es? Nichts weiß ich!", behaupte ich einfach mal.
"Dein ewiges Getrinke, hat unsere Ehe zerstört. Du liebst den Wein mehr, als mich und Merle.", schreit er mich an, "Und Du willst nicht wissen worum es geht?"
Ich ringe nach Luft, ich weiß was für mich auf dem Spiel steht. Aber wie nur wie konnte ich ihn zurück gewinnen.
"Das kann ich ändern, ab morgen trinke

ich keinen Wein mehr." behaupte ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
"Es ist zu spät,", konnte er darauf nur erwiedern, ich habe eine andere Frau."
Ich werde leichenblass.
"Eine andere Frau?", schreie ich jetzt wie von Sinnen.
"Was hat sie, was ich nicht habe?", schreie ich mit tränenerstickter Stimme.
"Sie hat Format!", sagt er ganz ruhig.
"Ach und ich habe keines?", bin ich weiter am keifen.
"Du hattest mal eines, welches im Laufe der Jahre ersoffen ist.", brüllte er mich an.
"Du bist doch im Bann der Lilith!", setzte er noch

hinzu.
"Hier sind die Scheidungspapiere,", welche er wutentbrannt auf den Tisch knallt, "schicke diese bitte unterschrieben an die angegebene Adresse!".
Ich sitze schreiend und zugleich schluchzend auf dem Sofa.
Er hat sich das Gespräch so ganz anders vorgestellt und ist enttäuscht, dass alles so gekommen ist.
Nach all den Jahren, nun solch eine Trennung.
Er möchte sie so gern noch einmal in den Arm nehmen.
Warum ist diese Frau nur so?
Er steht wortlos auf und geht aus dem

Raum.
Meine Gedanken schlagen Purzelbaum.
Jetzt wird er wohl zu Merle gehen und sich von ihr verabschieden.
Ich bin nicht im Stande ihm zu folgen.
Noch einmal schaut er in die Wohnstube hinein und sagt ganz leise und gedrückt: "Ich hab Euch schon eine kleine Wohnung besorgt. Ich lass sie noch renovieren und richte sie auch ein für Euch. Die ersten paar Monate zahle ich noch die Miete für Euch, dann wirst Du ja sicher eine Arbeit gefunden haben. Ich melde  mich wenn der Umzug vonstatten geht."

Das waren die letzten Worte, die ich an diesem Abend von ihm

hörte.
Und dann beginne ich laut und hemmungslos zu weinen.
Ich starre die Papiere an und möchte sie am liebsten zerreißen.
Mein Herz pocht - als wolle es mir zerspringen.


Mein Mann jedoch schleicht leise in Richtung Merles Zimmer.
Merle liegt in ihrem Bettchen und hat alles mitgehört. Sie weint, weil sie nicht möchte, dass das wir uns trennen.
Dann sieht sie einen kleinen Lichtschein in ihr Zimmer dringen. In diesem Lichtschein bewegt sich ein riesen Schatten auf sie zu und Merle schließt

ihre Augen. Ihr Papi braucht nicht zu wissen, dass sie alles mitgehört hat. Als der Schatten vor ihrem Bett steht, verhällt sie sich ganz ruhig, obwohl sie ihrem Papi so gern um den Hals fallen möchte. Ihr Papi beugt sich zu ihr herrunter, sie spürt seinen warmen Atem über ihrem Gesicht und dann gibt er ihr einen Kuss auf die Wange. "Verzeih mir mein Schatz, aber es geht nicht anders.", sind seine  Worte, die er an sie richtet, dann dreht er sich um und geht. Merle weiß, das es ihm weh tut, sehr sogar, denn seine Haltung ist gebückt, als er ihr Zimmer verlässt. Das kann sie im Lichtschein erkennen. Dann wird es wieder dunkel in ihrem Zimmer.


Heute Nacht kann Merle nicht schlafen. Diese vielen Worte schwirren ihr durch den Kopf.
- Wer ist nur diese Lilith, mit der ihre Mutter im Bann ist? -

Müde wälzt sie sich im Bett und kann einfach nicht einschlafen. Unser lauter Streit quält sie. Ihr Tränenfluss ist versiegt und ihre Augen rot geweint. Dann steht sie auf, nimmt ihr Kuschelkissen und tappst zu mir.


Auch ich liege wach in meinem Bett, mit verweinten und verquollenen Augen. Lautlos krabbelt sie in das Bett zu mir.

Sie fragt nichts, sie kuschelt sich einfach nur an. Und wir Zwei scheinen es zu genießen. Die Nähe zueinander, die wir vorher nich kannten.

*

Am anderen Morgen, als ich erwache, schleiche ich müde ins Bad. Ich schaue in den Spiegel und erschrecke. Soll dieses verquollene Etwas dort, was mir entgegenschaut, etwa ich sein. Ich habe keine Lust mich fertig zu machen und schleiche zurück in mein Schlafzimmer. Die kleine Merle schläft noch immer und ihre Wangen glühen ganz rot. Für einen kleinen Moment genieße ich diesen Anblick, dann drehe ich mich um und gehe wieder fort. Ich lasse Merle einfach weiterschlafen und trinke während dessen ein Glas Wein.

Müde schleiche ich, im Morgenmantel

und meinen Plüschpuschen, durch das Haus und nehme leise Abschied von alldem was mir lieb und teuer ist.
Was nur soll ich für mich mitnehmen?

Alles ist mir lieb und teuer.
"Aber vielleicht ändert sich ja doch noch etwas?", denke ich und schenke mir ein zweites Glas Wein nach.
Auf was anderes habe ich einfach keinen Appetit.
Als Merle dann angestapft kommt, springt ich auf und hole ihr Milch aus dem Kühlschrank und gieße diese in ein Glas. Ich mochte diese warme Milch nie. Wenn ich schon an die Haut denke, welche sich immer auf der gekochten Milch bildete. Wenn ich keinen Appetit

habe, wird es meinem Kind wohl auch so gehen. Schließlich ist sie genau so traurig wie ich.
Merle sitzt ganz ruhig am Tisch, auf dem Schoß ihr Kuscheltier, welches sie ganz eng an sich drückt. Sie spürt die Kälte, die sich langsam wieder um sie ausbreitet, woran nicht nur die kalte Milch schuld ist.
Und schon wieder schenkt ich mir ein Glas Wein nach. An mein Kind denke sie nicht.

Leise krabbelt Merle von ihrem Stuhl und geht in ihr Zimmer. Sie weiß es lohnt sich nicht nach einem weiteren Gals Milch zu fragen, geschweige denn

nach ihrem heißgeliebten Nutellabrötchen. Sie weiß, dass ihre Mama traurig und mit sich selbst beschäftigt ist.

Ich starre nur vor mich hin. Höre und sehe nichts um mich herum. Ich nehme die Flasche Wein und mein nochmals gut gefülltes Glas und gehe in das Wohnzimmer. Nun stehe ich wieder vor der großen Glasfront und schaue hinaus. Einfach nur hinaus. Hinaus auf die Gartenpforte. Zu der Gartenpforte, wo mein Mann gestern aufrechten Ganges herreingeschritten kam. Dieses Bild zeigt sich nun wieder vor meinem inneren Auge. Ich spüre wie in meinen Augen die

Tränen aufsteigen, welche schon bald über meine Wangen kullern.


Warum nur?
Was hat sie nur falsch gemacht?
Haben sie sich nicht einmal geliebt?
Und wer zum Teufel ist diese Frau, Namens Lilith?

Plötzlich durchdringt mich ein warmer Schauer. Merle steht plötzlich ganz leise neben mir und hat meine Hand ergriffen. Traurig schaut sie zu mir auf und legt ihr kleines Lockenköpfchen an meinen Körper. Langsam ganz langsam wird der Druck unserer beiden Hände immer stärker. Wir fühlen uns innerlich

verbunden. Ein Gefühl nach dem wir Beide gerade lechzten. Und wir fühlen uns wohl dabei.
Und als dann noch unsere Mägen im Gleichklang zu knurren beginnen, laufen wir zum Kühlschrank und holen uns zwei Becher Schokoladenpudding heraus. Wir schlingen diesen in uns hinein.
Merle ist zufrieden, doch mich quält noch immer der Hunger. Aber ich fühle mich so kraftlos. So kraftlos wie nie zuvor. Ich bin nicht im Stande, mir und Merle ein leckres Mittagsmahl zuzurichten. Nein, ich trinke lieber noch ein Gläschen Wein. Und schon schenke ich mir mein Glas wieder randvoll. Auf der Couch sitzend, beginne ich

hysterisch zu lachen und Merle, welche sich an mich kuschelt und meine gerade noch vorhandene Wärme genießt, zuckt förmlich zusammen und schleicht zurück in ihr Zimmer. Ich trinke mein letztes Glas  und mache mich sogleich auf den Weg nach einer neuen Flasche.

Was war das nur für ein Tag?

Merle hat die Tür zu ihrem Zimmer nur angelehnt und immer und immer wieder hört sie mein fürchterliche Lachen. Sie kann nichts tun - zu groß ist ihre Furcht. Denn so kennt sie mich nicht. Ich bin zwar kühl und scheine sie, Merle, nicht zu mögen. Mein kleiner Schatz spürt

jedoch, das ich ihre Umarmung und ihren Trost brauche. Aber sie traut sich nicht an mich heran. Zu sehr erinnere ich Merle an ein wildes Tier. So verschreckt wie sie immer schaut.
Für sie sah ich immer so schön aus, doch heute konnte sie nichts schönes an mir entdecken. Meine Haare hatten keinen Glanz und sie lagen ganz zerzaust um meinen Kopf herum und die Augen waren rot geweint. Dann dieses Lachen. Wenn meine Augen und der Mund weit aufgerissen waren, ich meine großen weißen, aber egalen Zähne zeigte. Nein da traute sich Merle nicht herran und ich kann es verstehen. Obwohl ich dieses Bild nicht vor mir sehe, aber Merle

macht es Angst.

Immer wieder zuckt sie zusammen, wenn sie mich lachen hört. So schleicht sie nur in die Küche um sich einen weiteren Schokoladenpudding aus dem Kühlschrank zu holen, welchen sie wiederum nur in sich hineinschlingt.
Dann geht sie wieder in ihr Zimmer und kuschelt sich in eine Ecke ihres Bettes und drückt Schäfchen, ihr Lieblingskuscheltier, das sie schon seit ihrer Geburt besitzt, ganz dicht an sich. So wie sie es immer tut, wenn sie Sorgen hat. Ihr Schäfchen hat ihr immer die Wärme gegeben, welche ich ihr nie geben wollte oder

konnte.
Und Schäfchen erzählt sie nun all ihre Sorgen.
"Warum nur will mein Papa uns nun nicht mehr sehen", beginnt sie das Gespräch und wartet auf eine Antwort. Doch Schäfchen hört nur zu.
"Er hat meine Mama zu einem Monster gemacht.", fährt sie fort.
"Wenn sie mich auch noch nie gemocht hat und es um mich herum immer so kalt war, so habe ich sie doch geliebt. Und ich glaube - auch sie liebt mich, sie kann es nur nicht so zeigen.", erzählt sie ihrem Schäfchen, es immerfort streichelnd.
"Doch jetzt, jetzt kann sie keine Liebe

mehr zeigen und ich fürchte mich so vor ihr.", sagt sie Schäfchen, als ihr auch schon dicke Tränen über das Gesicht kullern.
Sie streichelt und streichelt ihr Schäfchen, aber es sagt nichts. Wie immer ist Merle ganz allein mit ihren Sorgen. Aber es tut gut über all die Sorgen, die sie plagen zu reden. Und schon wieder beginnt es im Inneren ihres Bauches zu knurren und ein flaues Gefühl macht sich in ihr breit.

Wieder macht sie sich auf die Suche nach mir.
Im Wohnzimmer erwartet Merle ein göttliches Bild. Ich liege, wie ein

Embryo zusammengekauert auf der Couch und schlafe. Neben mir schon drei leere Flaschen Wein stehen habend. Merle setzt sich, noch immer in ihrem Nachthemd - wie ich auch, neben die Couch, auf den kalten Fliesenboden. Sie streichelt mich, sie ruckelt an mirr, doch ich schlafe einfach weiter. Zu sehr hat mich das alles mitgenommen. Ich brauche einfach diese Ruhe und denke dabei nicht an mein Kind.
Merle beginnt leise zu weinen und brummelt immer wieder vor sich hin: "Ich hab ja solchen Hunger."
Doch was sollte sie tun? Sie mochte keinen Schokoladenpudding mehr. Der macht so garnicht satt. Immer weiter

ruckelt sie an mir herum und wird immer energischer in ihrem Tun.
Endlich, endlich öffne ich meine Augen. Sie schauen so leer und unter ihren Liedern haben sich dunkle Schatten gebildet. Ich scheine um mich herum nichts mitzubekommen. Merle nimmt meine Hand und sagt ganz leise aber bestimmt: "Mama ich hab ja so einen Hunger."
Nur schwer kann ich mich erheben. Mein Kopf ist so schwer und in ihm scheint sich alles zu drehen und doch nehme ich mein Kind an die Hand und bewege mich schwankend mit Merle an der Hand in die Küche. Dort möchte ich Merle ein schönes Nutellabrötchen schmieren, doch

Merle protestiert lautstark: "Ich möchte kein Nutellabrötchen und auch keinen Schokoladenpudding, ich möchte ein Butterbrot mit Wurst!". Ich tue wie mir geheißen und Merle verschlingt mit einem Heißhunger zwei ganze Schnitten.
Jetzt erst wird mir bewusst, dass ich schon den ganzen Tag vergammelt habe, ohne an mein Kind zu denken.  Jetzt bin ich schließlich ganz allein für sie verantwortlich.

Merle weiß jetzt wie es geht und bestimmt sogleich: "Und jetzt gehen wir beide raus vor die Tür. Raus in den Park auf meinen Lieblingsspielplatz!" Sie weiß, dass das auch mir gut tun würde.

Doch mir passt dies überhaupt nicht. Ich fühlte mich überhaupt nicht und doch ziehe ich mich schweigend zurück um mich anzukleiden. Merle hüpft fröhlich in ihr Zimmer und zieht sich auch an. Als wir uns in der großen Diele des Hauses treffen, fasst Merle mich an die Hand und wir Zwei treten gemeinsam vor die Tür.
Es ist ein wunderschöner Sonnentag, der mir so völlig entgangen ist, vor lauter Sorgen. Eine Sonnenbrille versteckt meine verquollenen Augen und die tief dunklen Augenringe.
Direkten Weges gehen wir in den nahegelegenen Park. Ich setze mich auf eine Bank und genieße die letzten

Sonnenstrahlen, welche meinen Körper zart umspielen. Merle tobt sich so richtig mit vielen kleinen Freunden aus. Ich jedoch ziehe mich weiter von allem Geschehen zurück. Ich habe Schwierigkeiten mich zu den anderen Müttern zu setzen.

Was würden diese dann wohl denken?

Also bleibe ich auf meiner Bank alleine sitzen und warte bis die Sonne am Horizont untergeht. Als es dann kühler wird, rufe ich Merle zu mir und begebe mich mit ihr auf den Heimweg.
Und die anderen Mütter schauen uns nach. Dem kleinen fröhlichen Kind und

mir, der schwankenden Mutter.

Mir geht es inzwischen schon etwas besser und ich mache zum Abendessen einen leckeren Salat. Dieser Tag ging doch noch für uns Beide richtig schön aus und Merle kann beruhigt zu Bett gehen.
Ich jedoch hänge weiter meinen Gedanken nach und trinke noch eine Flasche Wein, um dann auch geschafft ins Bett zu fallen
Ich bekomme mein Leben, welches mir nur durch Wein trinken attraktiv erscheint, nicht mehr selbst in den Griff.
Ein trauriges, graues Leben beginnt für uns Beide, mit vielen Tiefen, aber auch

Höhen

*

Am Ende des Monats steht mein Mann unerwartet vor unserer Tür, ein paar Umzugskartons in seinen Händen haltend. Mit traurigen Augen sagt er zu mir: "Elsa, es ist soweit - die Wohnung ist fertig renoviert und auch möbliert. Packe bitte die Sachen zusammen, die ihr braucht, am Wochenende kommt der Möbelwagen und transportiert alles in Euer neues Domizil." Er steht vor mirr und wartet auf irgendeine Reaktion von mir. Doch nichts dergleichen geschieht. Ich sacke nur in mich zusammen. Meine Schultern fallen nach vorn und ich sehe aus wie ein kleines Häufchen Elend.

Traurig und ganz leise dreht er sich um und geht.
Ach wie gern hätte er sie doch noch einmal in den Arm genommen - all die Jahre kann man doch nicht einfach so wegwischen.
Merle steht jetzt auch in der Tür und ruft ganz weinerlich ein "Papa" hinterher. Als er sich umdreht und seine Hand zum Winken hebt, da schiebe ich die kleine Merle beiseite und knalle die Tür mit einem lauten Rumps zu.

Schlimmer konnte so eine Ehe nicht auseinandergehen. Hatte er ihr nicht immer und immer wieder erklärt, dass sie das Trinken sein lassen

sollte.
War er es nicht, der immer das Gespräch suchte?
Warum nur konnte sie jetzt nicht mit den Kosequenzen leben?
Er der immer nur das Beste für seine Familie wollte, der steht jetzt da, als der große Buhmann, der seine Familie einfach so fallen lässt. Warm rinnen nicht nur ihm die Tränen über die Wangen.
Auch ich habe mit mir zu kämpfen, versuche die starke Mutter vor meinem Kind zu spielen. Das will mir nicht so recht gelingen und ich greife gleich wieder zu meinem

Seelentröster.

Merle sitzt wieder in ihrem Zimmer, mit ihrem Schäfchen in der Bettecke und weint leise vor sich hin. Heute mag sie nicht sprechen - sie hofft, Schäfchen versteht ihre Sorgen auch so. Ihr Zimmer darf mit in die neue Wohnung, das freut sie sehr. Als ihr Tränenfluss versiegt ist, klettert sie aus ihrem Bettchen und beginnt schon einmal die ihr am liebsten gewordenen Sachen in eine Ecke zu packen. Diese müsssen unbedingt mit. Merle packt und packt.

Und ich sitze noch immer da, nach Luft ringend. Ich kann es einfach nicht

fassen, einfach so vor die Tür gesetzt zu werden. Ich könnte mich selbst ohrfeigen - dafür, dass ich nichts von alldem gemerkt habe. Man selbst ist ja bekanntlich immer der Letzte.
Ich, die 7 Jahre lang an seiner Seite war und ihm immer den Rücken stärkte, ich soll nun Platz machen für eine andere Frau und einfach so in eine Wohnung - wer weiß wo - abgeschoben werden. Alles grübeln nützt nichts, auch ich muss langsam ans Packen denken. Wieder schleiche ich durch die Wohnung und überlege, was ich mitnehmen soll. Zuersteinmal werde ich meine vielen Bücher einpacken. Ein wenig Geschirr und andere Sachen, die man zum Kochen

braucht. Lieblingsstücke, die ich einmal geschenkt bekam. Meinen kostbaren Schmuck. Nichts werde ich dieser Person lassen.
Langsam ganz langsam füllen sich die Umzugskisten mit allem möglichen Hausrat und Andenken. Meine Kleidung werde ich am Samstag dann in Säcken verstauen. Auch die Tiffany Lampe kommt in einen Karton. Die, woran auch er so sehr hängt. Soll er sich doch grün und blau ärgern, die Lampe kommt mit.
Nach dieser Aktion bin ich echt geschafft. Ich hätte selbst nicht gedacht, das es so schnell gehen würde. Sicher werde ich noch einige Kleinigkeiten später einpacken müssen, aber ein

Großteil ist geschafft.

Auch Merle hat schon alles gut verstaut in ihrem riesen Karton. Aber igendwie reicht der Platz nicht. Alles soll mit und der Karton ist schon übervoll.
Ich nehme Merle in den Arm und sage zu ihr: "Von ein paar Sachen wirst Du Dich wohl trennen müssen."
Merle jedoch schüttelt mit dem Kopf. Sie möchte doch alles mitnehmen. Die schöne warme Kuscheldecke, ihre Kuscheltiere, ihre vielen Bücher und all ihr schönes Spielzeug.
Warme Tränen rinnen ihr über die Wangen.
Sie schaut ihre Mama an und fragt sie:

"Warum macht Papa das mit uns?"
Ich schaue sie mit einem leeren Blick an und kann nur mit den Schultern zucken.
Mit den Worten - "Wir werden das schon schaffen!" - versuche ich Merle zu trösten und streichele ihr über die Wange.
Merle kuschelt sich ganz eng an mich und genießt dieses Gefühl überaus.

Ich merke erst jetzt wozu ich alles in der Lage bin und genieße diese Situation auch, bevor die Kälte mein Herz wieder erstarren lässt. Die Kälte vor der ich mich ja auch immer so fürchte, aber gegen die ich nichts ausrichten kann, wenn sie wieder von mir Besitz

ergreift.
Warum nur kann ich meine Gefühle nicht so zeigen wie all die anderen um mich herum. Ich bin nicht so kühl, wie alle von mir denken. Das ist nur zum Schutz - eine äußere Hülle, die ich auch ab und an mal ablege und das dann genieße. Nur lange hält es nie an, dann verstecke ich mich wieder hinter dieser Hülle. Und heute noch mehr denn je.
Angst macht sich wieder in imir breit. Langsam schiebe ich Merle von mir. Ich will es nicht - es geschieht einfach so, aus mir heraus. Ich will nicht das meine kleine Merle die Anspannung in mir spürt. Ich jedoch spüre wie meinee Sehnen sich wie Drahtseile durch meinen

Körper schlengeln und meine Muskeln in mir erhärten.
Wortlos erhebe ich mich von der Couch und versuche noch weitere Liebhaberstücke in die Kartons zu verpacken. Doch so recht will es mir nicht gelingen. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Mit jedem Stück was durch meine Hände geht sind ja auch Erinnerungen verbunden. Schöne Erinnerungen, die sich mit den bösen vermischen.
Ich bin dem Zusammenbruch nahe. Als mirr auch noch die Fotoalben in die Hände fallen ist es ganz vorbei. Ich kniee mitten in der Stube und weine bitterlich, dabei in den Alben blätternd.

Ich zittere am ganzen Leib und verkrampfe mehr und mehr. Wieder rinnen mirr dicke Tränen über die Wangen. Ich will Merle meine Tränen nicht zeigen und will sie hinter meinen Händen verbergen, die ich vor mein Gesicht drücke. Dann sinke ich zusammen und verharre in der Kindhaltung.
Merle sitzt in die Couchecke gedrückt, mit weit geöffneten Augen. Ihre Beinchen zieht sie ganz eng an ihren Körper und umklammert sie mit ihren Ärmchen. Sie möchte mir gern helfen, ist aber unfähig dazu. Wie gelähmt schaut sie dem Treiben zu.


Was nur kann sie tun?

Doch dann springe ich unvermittelt auf und lache hysterisch auf. Ich schaue Merle an und sage mit einer Stimme, die Merle erschaudern lässt: "Bitteschön, wenn Dein Vater ein neues Leben haben möchte, soll er es auch haben. Wir beide nehmen das alte mit." Aus meinen Augen scheinen Funken zu sprühen.
Merle schaut fassungslos zu, als ich die Alben nach und nach vor meinen Busen drücke und sie in die Umzugskatons verfrachte.

Nach diesem Kraftakt schleppe ich mich

kraftlos in die Küche, wo ich schon wieder einen Seelentröster versteckt habe. Ganz hinten in der Spüle, damit Merle ja nichts mitbekommt. Ich selbst bekomme nicht mit, das ich immer tiefer in einen Sumpf abgleitet, aus dem es kein Entkommen mehr gibt.
Als Merle etwas später in die Küche kommt und ihre trinkende, entkräftete Mutter sieht - macht sie sogleich kehrt und zieht sich in ihr Zimmer zurück.

Auch die nächsten Tage verlaufen nicht viel anders. Das Packen geht nur ganz langsam voran.


Wie nur sollten wir es bis zum

Wochenende schaffen?

Und das Wochenende kommt schnell - viel zu schnell.

Samstag um 8 Uhr soll also der Umzugswagen vor der Tür stehen, erfahre ich von einem Telefonat mit meinem Nochehemann.
Er hat einfach keine Lust mehr vorbeizuschauen - keine Lust auf den ewigen Zoff.
Schon wieder hat er es gespürt, dieses wütend sein auf ihn, als ich nach dem kurzen Gespräch den Hörer aufknalle.

Er versinkt in seinen

Gedanken.
Warum nur?
Was hat er ihr nur getan?
Auch er ist nicht zufrieden mit der momentanen Situation. Viel lieber wäre er mit Elsa in Freundschaft auseinandergegangen.
Er kann ihre Aggressivität einfach nicht begreifen.
War dies alles nicht schon lange abzusehen?
Hatten sie sich nicht schon lange auseinandergelebt?
Merle ist 6 Jahre alt.
7 Jahre hat die Ehe gedauert.
Und 3 Jahre vorher kannten sie sich

schon.
Die letzten 4 Jahre der Ehe versuchte er durch reden, Elsa wieder auf den rechten Weg zu bringen.
Sie wollte einfach nicht - war stur wie ein Esel.
Er verstand sie ja auch irgendwie.
Sie war ja von ihm abhängig, so ohne Arbeit.
Er verdiente genug um seine kleine Familie zu ernähren, und wollte vielleicht auch nicht, dass sie wieder arbeitete.
Sie jedoch fand Trost im Wein und merkte garnicht wie sie immer weiter abglitt.
Er selber konnte diese Situation nicht

ertragen.
Gespräche führten nicht weiter, also zog er sich zurück.
Da er geschäftlich viel unterwegs war, konnte man es ihm nicht verdenken, dass er Trost bei anderen Frauen suchte.
Was heißt hier andere Frauen?
Bei der einen, die er nach der Scheidung dann auch heiraten wird.

Sie versteht ihn, kann ihn trösten und steht ihm jetzt gerade auch bei als er grübelnd auf dem Sofa sitzt.
Er kann mit ihr über alles reden und wenn nicht, versteht sie ihn wortlos und nimmt ihn in den Arm.
Wie warm sich das anfühlt, wenn jemand

dem anderen seine Wärme schenkt. Dieses Gefühl hat er erst mit ihr kennengelernt und will es nicht wieder missen.
Er hat auch gern seine Wärme verschenkt. Aber wenn dies nur einseitig geschieht, behält man irgendwann den zu verschenkenden Teil für sich zurück.
Nur seine kleine Merle bereitet ihm Kopfzerbrechen. Auch ihr hat er seine Wärme geschenkt und von ihr auch einen Teil zurückbekommen.
So wie seine Elsa reagiert hat, wird sie wohl darum kämpfen, dass er sie nie wieder sehen wird.
Das bricht ihm schon jetzt das Herz.
Aber wird sie auch damit durchkommen?

Er kuschelt sich an seine neue Frau und beginnt hemmungslos zu weinen. Obwohl sie in seiner Nähe ist lässt er seinen Tränen freien Lauf, denn er weiß, dass er sich derer nicht zu schämen braucht. Und sie hält ihn ganz fest umschlungen und gibt ihm den Halt, den er jetzt so nötig braucht.
Hat das alles wirklich etwas mit dem verflixten 7. Jahr zu tun?
Er hätte wohl auch nachfragen sollen, ob sie die Scheidungspapiere schon unterschrieben hat.
Mist wenn sie es unnötig hinauszögerte?

Seine Gedanken beginnen sich mehr und

mehr im Kreis zu drehen.
Es nützt nichts - er muss wohl am Samstag zur Wohnung fahren und mit Elsa reden.
Wenn sie es zulässt und nicht wieder so gereit reagiert

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