„Diese elenden Hundstage“, meinte von Hausverbot Schweiß gebadet, kurz nachdem Hinkelstein ihr gemeinsames Büro betreten hatte.
„Gebe ich dir ausnahmsweise mal Recht. Meine Güte, ist das stickig hier“, sofort schnappte sich Kommissar Hinkelstein eine Mappe und wedelte sich damit Luft zu.
„Da hilft kein Wedeln und Fächern, die Luft bleibt stickig! Hoffen wir, dass endlich diese unfähigen Techniker es schaffen, die Klimaanlage zu kalibrieren“, konnte ihm gerade Hauptkommissar von Hausverbot noch antworten, als laut polternd der Azubi, Emil Krönung ins Dienstzimmer herein platzte.
„Haben Sie schon die neuesten Nachrichten gehört?“, brüllte er los. „Tock, da ist schon wieder der Jäger der Nacht unterwegs, diesmal macht er zusätzlich einen auf Sadomaso und haut den Opfern die Knochen zu Brei!“
„Mein lieber Herr Krönung, wenn man in ein
Büro platzt, sagt man als erstes die Tageszeit und brüllt nicht. Außerdem zieh Dir mal die Hose hoch, nacktes Fleisch und deine Nikolaus Short sind sichtbar. Nicht besonders ansehnlich!“, rügte ihn von Hausverbot.
„Er meint deinen Hintern“, fügte Hinkelstein grinsend hinzu.
„Tock, das ist in, ich bin noch kein Grufti“, ereiferte sich Emil Krönung, dem seine hoch gegelten Haare borstig abstanden.
„Wir auch nicht, aber wir wissen, wie man sich klei…“, von Hausverbot wollte gerade loslegen, doch Kommissar Hinkelstein fiel ihm ins Wort.
„Übrigens Emil, deine neuen, sogenannten Nachrichten sind uns bereits seit gestern Abend bekannt, du kannst mitkommen.“
„Wohin?“, wollte Emil jetzt wissen.
„Zum Tatorts, wir kollaborieren zwar sehr gut mit der Spurensicherung, aber die eigenen Eindrücke sind immer die Besten.“
„Wer ist kollabiert, etwa der Jäger?“, wollte
jetzt Emil wissen.
„Niemand, ist kollabiert! Kollabiert und kollaborieren sind übrigens zweierlei Paar Schuh. Soll ich dir die Bedeutung erklären?“, mit einem schelmischen Grinsen antwortete ihm von Hausverbot.
„Danke, ich kenne den Unterschied“, meinte Emil, da er noch von der letzten endlosen Erklärung die Nase voll hatte.
Kommissar von Hausverbot hatte sich am Vorabend eine Luxation am rechten Knöchel zugezogen, als sie eigentlich den Tatort besichtigen wollten, und war im Krankenhaus gelandet. Daher schnappte er sich seine grüngelb gestreifte Gehhilfe zum Aufstehen.
„Los kommt, ich gehe hier ein! Vielleicht gibt es dort eine funktionstüchtige Klimaanlage."
„Tock, sieht die Krücke geil aus“, versuchte der Azubi Krönung von Hausverbot zu besänftigen.
„Siehste, ich bin immer noch topaktuell“,
konterte von Hausverbot.
Während der Fahrt saß Emil Krönung im Fond und googelte mit seinem Handy nach der Bedeutung von kollaborieren. Die kleine Boutique, in der der Mord verübt worden war, lag an einem kleinen malerischen Platz, umgeben von vielen kleinen, aber wunderschön restaurierten Fachwerkhäusern.
„Ich müsste mal austreten“, sagte von Hausverbot, nachdem sie den Wagen verlassen hatten. Als Hinkelstein feststellte, dass sein Kollege die angestrebte Eisdiele betreten hatte, instruierte er Emil Krönung, er solle auf gar keinen Fall irgendetwas anfassen, wenn er nicht einen Hieb von der Gehhilfe erleiden möchte.
Einige Minuten später kehrte von Hausverbot zurück und öffnete die Boutique. Enttäuscht stellten sie sofort fest, dass es keine
Klimaanlage gab, trotz allem war es in dem Raum angenehm kühl. Die beiden Kommissare sahen sich im Verkaufsraum um, tauschten Blicke und gingen schließlich ins Hinterzimmer. Emil Krönung lief ihnen wie ein braves Hündchen hinterher und beobachtete sie still. Mit der Zeit wurde es ihm langweilig. Sein Augenmerk fiel auf einen kleinen verschnörkelten Leuchter. Als er den Leuchter anheben wollte, brüllte ihn Hinkelstein an.
„Ich will hier drinnen kein Gewitter!“
Von dem Moment an wurde der Azubi zur Statue, der das Veredeln mittels Pech und Schwefel, nicht über sich ergehen lassen wollte. Die beiden Kommissare sprachen wenig und Emil Krönung wurde es immer langweiliger. Plötzlich hörten sie einen leisen Gong und eine weibliche Stimme schallte aus dem Verkaufsraum herüber.
„Hallo, ist da jemand?"
Kommissar Hinkelstein und Emil gingen raschen Schrittes in den Verkaufsraum, während von Hausverbot mehr humpelte als ging.
Dort stand eine sehr sommerlich gekleidete Dame, die ihre Reize spielen ließ. Neben ihr saß ein mittelgroßer schwarzer Hund.
„Was ist jetzt mit Canis Major?“, fragte sie.
„Guten Tag, können wir etwas für sie tun?“, antwortete ihr von Hausverbot höflich, der sie nicht wie die beiden anderen verzückt anstarrte.
„Was ist jetzt mit Canis Major?“, wiederholte sie ihre Frage, auf den Hund zeigend.
„Was ist mit dem Hund?“ sprudelte es aus Hinkelstein, leicht verwirrt.
„Er gehörte ihr. Ihre Kollegen sagten gestern, sie würden ihn übernehmen. Ich kann ihn nicht behalten, ich fahre weg“, dabei ließ sie die Leine fallen, drehte sich um, riss die Tür hektisch auf und rannte hinaus. Der Hund machte keinerlei Anstalten ihr zu folgen, sondern legte sich vor die Füße des
Hauptkommissars.
„Halt, bleiben Sie stehen“, rief Hinkelstein ihr nach, doch sie dachte gar nicht daran. Hinkelstein nahm seine Beine in die Hand und spurtete los. Emil Krönung hinterher.
Noch während er noch über den Platz lief, stieg sie bereits in einen kleinen schwarzen Wagen und brauste los.
„Haste das Kennzeichen?“, fragte Hinkelstein nach Luft japsend.
„Nur die Zahlen 0815 und MS.“
„Die kriegen wir.“
„Und jetzt?“
„Wir gehen zurück und wringen uns aus!“
Während Kommissar Hinkelstein und Emil Krönung hinter der hübschen Dame her rannten, die eiskalt in der Boutique den schwarzen Hund abgeladen hatte, setzte sich Hauptkommissar von Hausverbot, denn seine Luxation machte ihm zu schaffen. Nachdem sich die Türe hinter
Hinkelstein und Emil geschlossen hatte,
bewegte sich der Hund rasch auf einen Schrank zu. Dort stupste er mit seiner Schnauze die Schranktür gekonnt auf, im nächsten Augenblick war er auch schon aus dem Sichtfeld vom Hauptkommissar verschwunden. Sekundenlang starrte er diesen Schrank an, dann begab sich dort hin, um ihn zu öffnen.
„Was machst du denn? Ohne Handschuhe den Schrank zur Seite schieben, bist du noch ganz da oder haben dir die Hundstage das Gehirn geschmolzen?“, rief Kommissar Hinkelstein, der nach seiner erfolglosen Jagd, die Eingangstür der Boutique geöffnet hatte.
„Der Hund!“, keuchte von Hausverbot.
„Was ist mit dem Hund?“, will jetzt Hinkelstein wissen.
„Der Hund ist durch die Rückwand verschwunden!“
Gemeinsam schoben sie nun den Schrank zur
Seite, fanden eine Wandöffnung, die zu einem weiteren Raum führte. Als Erstes fanden sie den schwarzen Hund, der in einem Korb lag. Er begann sofort mit seiner Rute zu wedeln, als er sie erblickte, doch sein Knochen interessierte ihn mehr.
Emil interessierte der Hund nicht, denn er hatte andere Sachen entdeckt.
„Mann, geil! Was sind das denn für Sachen dort an dem Haken und erst recht auf dem Regal?“ rief er entzückt aus.
„Noch nie Sachen für Sadomaso – Spielchen gesehen?“ fragte Hinkelstein ungläubig.
„Nee, darauf stehe ich ja nicht.“
„Wieso? Schon mal ausprobiert?“
„Nein, hab ich was verpasst?“
„Vielleicht! Ich hab`s auch nicht ausprobiert“, grinste ihn Hinkelstein an. Währenddessen hatte sich Kommissar von Hausverbot seine Einmalhandschuhe übergestreift, da er in der linken Ecke des Raumes unter einer bunt
gemusterten Decke menschliche Konturen erblickte. Vorsichtig hob er die Decke an.
„Wir brauchen die Spurensicherung“, meinte er.
„Wieso?“, wollte Emil Krönung wissen und lief zu ihm, dabei zog er sich vorsichtshalber auch seine Handschuhe über. Als er die Leiche erblickte, drehte sich ihm augenblicklich der Magen um. Seine Gesichtsfarbe wechselte in Sekundenschnelle und er begann zu würgen.
„Die Toilette ist rechts hinten“, meinte von Hausverbot.
„Hoffentlich schafft er es, sonst darf er auch noch die Sauerei wegwischen“, hoffte Hinkelstein, der inzwischen ebenfalls die Leiche betrachtete, dann fuhr er fort:
„Was war das nur für ein Schweinehund, sieh dir bloß mal die Verletzungen an.“
„Gibst du es bitte an die Spurensicherung und den Obermeister durch? Ich muss mal nach dem Kleinen schauen“, bat von Hausverbot, hinaus humpelnd.
„Solch ein nacktes Fleisch, so zerfetzt und ver …“, wollte Emil Krönung gerade sagen, doch von Hausverbot beendete für ihn den Satz, „ …haben sie euch in den Lehrfilmen nicht gezeigt, nicht wahr?.“ Gleichzeitig versuchte er, ihn ein wenig zu beruhigen.
„Komm, wir gehen ein wenig an die frische Luft.“
„Die Spurensicherung ist informiert und ist sicher in einigen Minuten hier“, meinte Hinkelstein der sich zu ihnen gesellte hatte. Neben ihm lag den Hund, den er vorsichtshalber mitgebracht hatte.
Emil Krönung starrte die ganze Zeit auf ein Rosenbeet. Wie aus heiterem Himmel meinte er plötzlich: „Das Veredeln der Rosen ist hier vorzüglich gelungen. Seht sie euch mal genau an, sind sie nicht Schönheiten?“
„Ja du hast recht“, pflichtete ihm von Hausverbot bei.
Lange brauchten sie nicht zu warten, von
Hausverbot humpelte nochmals mit ihnen in die Boutique, nach einer Weile kam er zurück und meinte:
„Lasst uns zurück zum Präsidium fahren, die Berichte sollen alle da sein."
„Was machen wir mit dem Hund?“, wollte Hinkelstein wissen.
„Den nehmen wir mit, darum kümmern wir uns später.“
„Sollen wir dich heimfahren?“, fragte von Hausverbot fürsorglich während der Rückfahrt.
„Nein danke, es geht schon wieder“, entgegnete Emil Krönung, der immer noch kreidebleich war. Kurz vor Erreichen des Präsidiums kam Hinkelstein die Klimaanlage wieder in den Sinn und sprach zu von Hausverbot. „Meinste, dass diese unfähigen Techniker es schafften, die Klimaanlage instand zu setzen!“
„Ich hoffe es, sonst jage ich Ihnen Canis Major auf den Pelz!"
Just in dem Moment, als die Kommissare mit dem Hund im Schlepptau das Präsidium betreten wollten, schoss Lenchen, die Enkelin des Hauptkommissars von Hinkelstein um die Ecke.
„Opa, seit wann habt ihr denn einen Polizeihund? Der ist aber süß! Mama, so einen will ich haben“, rief sie begeistert.
„Ja, der ist lieb und süß, nicht wahr. Er gehört aber nicht zur Truppe“, antwortete ihr Hinkelstein. Von Hausverbot sprach mit seiner Tochter, während Lenchen mit dem Hund spielte. Nach dem kurzen
Gespräch meinte Lenchens Mutter: „Komm Lenchen und bring Canis Major mit, wir werden ihn einige Tage in Pflege nehmen.“
Da die Ergebnisse der Spurensicherung vom Vorabend eingetroffen sein sollten, sahen sie diese sofort ein.
„Mensch, sie haben sogar direkt einen Suchlauf der Fingerabdrücke und auf die Bestimmung der
DNS angefordert“, meinte Hinkelstein grinsend.
„Hoffentlich ist das Ergebnis nicht schon wieder dieser Gynäkologe“, war die trockene Antwort von Hausverbot.
„Warte, das Ergebnis liegt auch vor, ziemlich weit unten!“
„Und?“
„Das glaube ich jetzt nicht!“
„Wieso?“
„Schon wieder hat der Rechner den gleichen Typ ausgeworfen!“
„Gibt es nur einen Gynäkologen in der Stadt?“
„Alle Fälle, die unserem Jäger der Nacht zugeschrieben werden, laufen auf diesen Arzt zu, da stimmt doch was nicht“, fasste Hinkelstein zusammen, „Lass uns den mal genauer unter die Lupe nehmen!“
Einige Tage später, da platzte Lenchen mit Canis Major ins Büro. Dort vernahmen gerade die beiden Kommissare den Gynäkologen.
Sofort stellten sich die Haare von Canis Major zu Berge und er fletschte die Zähne. Schützend baute er sich direkt vor Lenchen auf und begann zu knurren.
„Was soll die Töle aus der Boutique hier?“, fragte in diesem Augenblick der Gynäkologe entsetzt.
„Das ist keine Töle“, rief Lenchen erbost.
„Lenchen, warte bitte einen Moment draußen“, bat von Hausverbot seine Enkelin liebevoll. Lenchen wollte hinausgehen, aber der Hund blieb stehen und knurrte weiter. Lenchen begann ihn zu Kraulen. Schließlich schaffte sie es, mit ihm den Raum zu verlassen.
„Waren sie jemals am Braumer Platz 34?“, fragte ihn Hinkelstein, nachdem sich hinter Lenchen die Tür geschlossen hatte.
„Nein.“
„Am Lichtenfelder Wehr 45?“
„Nein.“
„Am Mondschein 76?“
„Nein.“
„An der Brücke 27?“
„Nein, haben sie noch weitere Fragen oder kann ich endlich gehen?“, antwortete ihm der Gynäkologe, bei dem man sichtlich erkennen konnte, dass er in seinem sommerlichen Trenchcoat schwitzte und seine Melone während der Fragerei ziemlich nervös an der Hutkrempe drehte.
„Wie oft setzen sie eigentlich Diaphragmas ein?“, schaltete sich nun von Hausverbot ein.
„Nicht sehr oft.“
„Bei wem setzten sie es ein und wann das letzte Mal?“, bohrte von Hausverbot weiter.
„Ärztliche Schweigepflicht.“
„Ich will wissen bei wem, ansonsten fordere ich eine Hausdurchsuchung an!“, mischte sich nun Hinkelstein dazwischen.
„Sie haben einen Knall!“„Das ist
Beamtenbeleidigung“
„Von mir aus, was werfen sie mir eigentlich vor?“, da wurde der Gynäkologe ziemlich grantig.
„Mord in einigen Fällen!“
„Sie spinnen!“
Von Hausverbot überging die Bemerkung, stattdessen fuhr er fort: „ Bei allen Fällen sind Sie angeblich der Gynäkologe des Opfers, seltsam nicht?“
„Nein, warum. Was kann ich für die Bett – Junkies!“
„Wieso Bett – Junkies?“ fragte Hinkelstein.
„Die sind doch alle keinen Pfifferling wert, Abschaum!“
„Aber Sie?“
„Ich, ja! Ich säubere!“
„Ach, Sie säubern?“
„Von was säubern Sie uns?“, wollte von Hausverbot wissen.
„Diese Drecks - Tussies, die immer nur
Diaphragmas wollen, scheiß drauf, sie haben es verdient!“, erklärte der Gynäkologe eiskalt.
„Was verdient?“ schob Hinkelstein nach.
„Eliminiert zu werden!“
„Von wem?“
„Von mir, du kleinkarierter … .“
„Danke, das wollte ich hören!“
„Was wollten Sie hören?“, rief erbost der Arzt.
„Ihr Geständnis!“
„Welches Geständnis?
„Ihres!“
„Ich habe nichts gestanden.“
„Soll ich Ihnen die Tonbandaufnahme vorspielen?“
„Jetzt reicht`s“, ruckartig stand der Gynäkologe auf und wollte hinaus laufen. Doch als er die Tür aufriss, stand dort Canis Major. Er knurrte ihn gefährlich an.
„Setzen Sie sich wieder“, befahl von Hausverbot, während Hinkelstein telefonierte. Keine zwei Minuten später wurde er in
Gewahrsam genommen.
„Danke dir Lenchen, dass du uns mit Canis Major besucht hast", meinte von Hausverbot.
„Wir konnten einen bösen Buben überführen. Übrigens ich habe mit deinen Eltern gesprochen, Canis Major hat ein neues Zuhause gefunden.“
Lenchen schaute ihn ganz traurig an, Tränen füllten ihre Augen und ganz fest umklammerte sie den Hund.
„Ach Lenchen, sei nicht traurig, sein neues Frauchen bist du!“