Vorwort
Mozarts Musik KV 131 entdeckte ich im letzten Winter, als draussen Schnee lag. Dazu versuchte ich etwas schreiben, doch es gelang mir einfach nicht. Ich empfand, dass die Melodie nicht mit dem Winter harmoniert. Als ich dann im Internet darüber nachlas, wurden meine Gefühle bestätigt. Mozart hat dieses Stück tatsächlich in der warmen Jahreszeit, im Juni 1772, geschrieben. (16-jährig)
Nun, da es Sommer ist, fühle ich den Puls von damals wieder …
Bild:
Claude Monet, Frau mit Sonnenschirm http://entertainment.howstuffworks.com/arts/artwork/claude-monet-giverny-paintings3.htm
Musik:
Wolfgang Amadeus Mozart KV 131 zweiter Satz http://www.mozart-archiv.de/
lizenzfrei
Sommererinnerung
Lange bevor ich geboren wurde, ereignete sich dieser Sommertag. Dennoch erinnere ich mich bis ins kleinste Detail, was damals geschah. Mir wurde die Aufgabe erteilt, den Tag nutzbringend zu begleiten. – Das wollte ich besonders gut machen!
Ohne lange zu überlegen, erkannte ich das Ertragreichste, und schon ging es los. Eifrig suchte ich möglichst viele Menschen auf, modellierte ihre Mundwinkel sanft nach oben und schrieb Liebe in die Herzen. Das war gar nicht so einfach; tatsächlich gab es doch
solche, die sich in ihrer Befangenheit regelrecht dagegen sträubten. Da musste ich schon etwas Nachdruck verleihen, was mir einiges abverlangte.
Die Luft flimmerte in der sengenden Nachmittagshitze. Den Zenit schon weit überschritten, neigte sich die Sonne bereits Westen zu. Die Turmuhr schlug gerade vier, als ich mich erschöpft im kühlenden Schatten einer alten Buche niederliess und an den Stamm lehnte. Alles um mich herum war in Frieden gehüllt. Es roch herrlich nach frischem Heu. Die Bauern nutzten das schöne Wetter, samt ihren ganzen Familien waren sie fleissig bei der Arbeit. Grosse
Leiterwagen wurden beladen und Pferde trotteten mit den riesigen Fuhren zurück zu den Scheunen.
Während ich dasass und über die beschwerliche Arbeit der Menschen nachdachte, kam eine Frau des Weges. Von weitem sah ich sie und beabsichtigte unverzüglich, auch ihr Fröhlichkeit zu schenken. Sie trug einen runden Strohhut und hielt einen Sonnenschirm in der rechten Hand. Volles langes Haar zierte ihre süssen Wangen. Bezaubernd sah sie aus, im langen weissen Sommerkleid. Mein Vorhaben war überflüssig, denn sie blieb vor mir stehen und lächelte mich an.
Darauf folgte ein himmlisches: „Hallo.“ Geradewegs schmiegten sich die entzückenden braunen Augen in mein Herz. Verzaubert grüsste ich zurück und fragte erstaunt: „Wie ist es möglich, dass du mich siehst?“ Dies liess ihre Wangen erröten. Verlegen senkte sie den Blick und meinte: „Und wie kann es sein, dass du mit mir sprichst?“ Ihre Worte brachten mich durcheinander. Anstatt zu antworten, fragte ich: „Was machst du? Wer bist du?“
Nun schmunzelte sie übers ganze Gesicht und begann zu erzählen: „Heute erhielt
ich den Auftrag, dem Tag Erfolg zu
verleihen. Mein ganzes Sein habe ich eingesetzt, um alles mustergültig zu gestalten. Ich säte Liebe in die Herzen und formte den Menschen behutsam freundliche Mundwinkel. Das war kein leichtes Unterfangen; es gab wirklich welche, die grossen Widerstand leisteten.“
Sie kicherte: „Es hat mich ganz schön beansprucht – aber gelohnt hat es sich allemal!“
„Komm setz dich zu mir“, lud ich sie ein.
Vier Mundwinkel huschten noch weiter
nach oben – als sie sowieso schon waren
– und wie vom Blitz getroffen, überkam uns ein gigantisches Feuerwerk aus Gefühlen, das unsere Seelenverwandtschaft offenbarte; die Liebe, die ohne Anfang und Ende Geschöpfe untrennbar für immer vereint!
In inniger Zweisamkeit verweilten wir schweigend nebeneinander und schauten zur Baumkrone hinauf. Wir lauschten den Blättern, die im leisen Nachmittagswind Geschichten erzählten.
Unerwartet erhob sie zaghaft ihre feine Stimme: „Glaubst du, wir werden auch einmal auf Erden unsere Wege gehen?“
„Dann wünsche ich, dass wir ein Paar
sind!“, sprudelte es unbedacht aus mir
heraus. Nie werde ich ihr Strahlen vergessen, das sie meiner Antwort schenkte, und wie sie sich anschliessend an mich kuschelte.
Tief einfallendes Sonnenlicht tauchte die weiten Kornfelder bereits in rötliches Gold. Noch lange haben wir zusammen geflachst und die wundervollsten Pläne für eine gemeinsame Zukunft geschmiedet, bis um uns herum in sternklarer Nacht das ganze Universum funkelte.
Über 88‘700 Mal ist die Sonne seither unter- und wieder aufgegangen.
Irgendwie bin ich tatsächlich auf die Erde gelangt und gehe meinen Weg. Ich
habe sie gesucht. Einige Male glaubte ich, fündig geworden zu sein, doch es war nur Windhauch.
Am Stamm meiner Lieblingsbuche lehnend, hebe ich den Kopf und blicke ins Blätterdach: „Wo magst du jetzt gerade sein?“ Heute bleibst du mir verborgen, aber spüren kann ich dich wohl. Deine Saat in meinem Herzen wächst und gedeiht prachtvoll. Mag die Sonne auch noch Millionen Male entschwinden und wieder aufsteigen, irgendwann, irgendwo werden wir wieder zusammengeführt –
unsere Pläne warten nur darauf, verwirklicht zu werden.