Ferienbericht oder ich war ein Fleischer
Schön waren die Tage nach dem Schuljahr, wenn die Ferien begannen. Mal alle Fünfe gerade sein lassen – super.
Aber die Freude war von kurzer Dauer.
Oft wurden wir im Doppelpakt zur Arbeit „delegiert“, aber ich war auch schon mal allein fällig, denn mein Bruder war ja später nach Suhl ausgewandert.
Also begann mein Solojob in der Fleischerei Ilmenau an einem Montag.
Mitten in Ilmenau, an dem Bach, der vom Ilmwehr am Bahnhof Bad zur
Hansemühle ging, da lag die KONSUM Fleischerei, wo unser Vater später Chef war.
Erst mal wurde ich eingekleidet und bekam einen Spind. Alle äugten nach mir und wollten wissen, wer der magere Knabe ist.
Und dann ging es rund. Ich war im Speckkeller beim Trolli, durfte jeden Morgen eine Riesenmulde Schweineköpfe auslösen und später durch die Schneidemaschine jagen. Daraus wurde ein schmackhafter Presskopf. Überall konnte ich „rein riechen“, ob beim Abbinden oder Wurst auffädeln. Überall gab es auch Kostproben und zum Frühstück konnte man kräftig
zulangen.
Nach dem Frühstück ging’s zum Massieren. In der Kochwurst musste das Fett verteilt werden, das während des Kochvorganges nach oben geschwommen war.
Mit der flachen Rückhand sollte unter gleichzeitiger Drehung die fettige Masse relativ homogen werden.
Meine Rückhand war zu straff, die Wurst platzte und der Rohertrag sank und gleichzeitiger Zunahme der Ausschussquote.
Deshalb fand man einen neuen Job für mich.
Fleisch und Wurst ausfahren. Eine leichte Arbeit. Alles war in Mulden und
ab und an galt es ein halbes Schwein um den Hals zu legen und in die Verkaufstelle (Vst) zu schleppen.
In Suhl, vor dem Konsum Warenhaus, sagte der Kollege Jahn, ich solle mal die weiße Kühlhausjacke überziehen und rückwärts an die Ladeklappe kommen. Er hätte was mit den Bandscheiben und könne nicht so schwer tragen…
Ich zog die Jacke über und ging zur Bordwand. Mit den Händen über den Kopf erfasste ich einen starken Knochen, den Oberschenkel eines Rinderviertels und wollte in den Laden gehen. Da das Gewicht des Viertels aber wesentlich größer war als mein Eigengewicht, drückte es mich aus der beabsichtigten
Bahn und ich taumelte erst rechts, dann links – und schoss dann kerzengerade in die VST. Unter Rufen, wie „Platz da!!!!!!“ sprang die werte Kundschaft zur Seite und ich kam kurz vor der Waage zum Stehen. An die Waage schaffte ich es nicht, das Monster war eben glücklich bis hierher gelangt und weiter - weiter nicht mit mir.
Vor dem Laden schmokte ich erst ein „Karo“, um wieder zu Kräften zu kommen und das leichte Zittern zu überwinden.
Der nächste Tag war wieder ein neues Abenteuer, im Namen der Sicherung der
Volksversorgung.
2008-12-23 jfw