Fantasy & Horror
Xanya - Komplettfassung (1-6)

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"Du weißt, dass du aus einem ganz anderen Grund zu den Valdir gekommen bist."
Veröffentlicht am 28. Juni 2015, 204 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Wie soll ich sagen? Ich bin 29 Jahre alt und liebe Fantasybücher. Ich schreibe gerne, allerdings nur hobbymäßig. Mein Kopf steckt voller Fantasie und jede Geschichte wartet nur darauf niedergeschrieben zu werden. Man kann aber auch nur durch Kritik besser werden und so freu ich mich über jeden erdenklichen Hinweis auf Rechtschreibung oder Grammatik, sowie Satzbau oder Zeitfehler. Oder einfach nur eure persönliche Meinung über die Geschichte! :)
Du weißt, dass du aus einem ganz anderen Grund zu den Valdir gekommen bist.

Xanya - Komplettfassung (1-6)

Xanya

Da mein Buch schon einige Kapitel hat, hab ich mich entschieden, eine Komplettfassung, von den Teilen, die ich schon geschrieben habe, zu veröffentlichen, um das Lesen für neue Leser einfacher zu machen. So muss man nicht alle Kapitel zusammen suchen, sondern kann hier sofort alles lesen.

Natürlich werden dann die neuen Teile dann auch hier editiert.

Ich hoffe, dass ist zu allen Gunsten und freue mich auf neue Leser und zahlreiches kritisches und positives Feedback!

Viel Spaß beim Lesen! :)

|| prolog ||

Ein neuer Auftrag. Wieder eine unschuldige Seele in den Himmel schicken. Wieder mein Herz verschließen und das Böse gewinnen lassen. Wieder mein Herz verschließen und seine Bettelversuche überhören. Wieder die Frage „Warum?“ in die letzte Ecke meines Gehirns verbannen. Wieder mein gutes Herz verschließen. Ein neuer Auftrag. Wieder und wieder.

|| eins ||

„Warum tust du mir das an?“, winselte der Typ vor mir immer wieder. Ich war die Frage leid. Einerseits, weil ich sie jedes Mal hörte, wenn ich mitten in meiner Tortur, den Mann zu töten, war und andererseits, weil ich, auch wenn ich wollte, keine Antwort auf diese Frage hatte. Mir war egal, was er war, wie er hieß oder was er gemacht hatte. Es war allein mein Auftrag ihn zu töten. Wie? Das war egal. Wo? Das war egal. Warum? Das war egal. Wann? Sofort! Keine Fragen zu stellen war meine Aufgabe,

jedoch wollte ich auch keine stellen. Je weniger ich wusste, desto leichter würde es mir fallen den Mann zu töten. „Du bist eine Zarisma, ich erkenn es an deinen Fähigkeiten“, redete er, blutüberströmt im Gesicht, weiter. Er saß auf einem Stuhl, die Hände hinter seinem Rücken gebunden und die Füße breitbeinig an den Füßen des Sessel gefesselt. Wir waren in seinem Haus. In seinem Teil des Landes und mir wurde das ganze Spiel eindeutig schon zu langatmig. Er sollte eindeutig die richtigen Dinge los werden, bevor er mich zu sehr ärgerte und ich ihm das Leben auslöschte. Also gab ich ihm das was er wollte. „Es stimmt. Ich bin eine Zarisma“, bestätigte

ich mit gelangweilten Ton seine Aussage. „Du bist Abschaum!“, spukte er mir direkt ins Gesicht. Angeekelt wischte ich mir mit den Handrücken meine Wangen ab. War das wirklich sein ernst? Nicht ich bin es, die an einen Sessel gefesselt auf den Tod wartete, sondern er. Mit solchen Aussagen tickte für ihn die Uhr des Todes nur noch schneller. „Dein Volk ist nichts wert und wir stehen um einiges über euch in der Landeshirachie“, redete er gequält von seinen Wunden weiter und ritt somit endgültig in meine Falle. Ich ging gemächlich einige Schritte auf ihn zu, benetzte mir die Lippen und verpasste ihm einen Blick, dass ihm die Haare zu Berge stehen ließ. Er war töricht zu glauben, dass

die Ranghirachie in meinem Spiel nur irgendeine Rolle spielte. Mein Befehl war es zu töten. Noch dichter kam ich an den Mann heran, legte ruhig meine Hände in korrekter Position, um ihm den Hals umzudrehen, um sein Gesicht und blickte ihm stichgerade in die Augen. Regelrecht sah ich, wie ihm das smaragdgrüne in meinen Augen, in seinen weh tat und wie die letzten Momente an ihm vorüber gingen. Todeshungrig lächelte ich ihn noch am Ende an. „Und jetzt stehe ich über dir!“, zischte ich und ließ es knacken.

~*~

„Was bildest du dir überhaupt ein, diesen Mann ohne jegliche Informationen zu töten!“,

schrie mich mein Auftraggeber und Anführer der Karroris an. Genervt über seinen Wutausbruch stand ich ihm gegenüber und verdrehte ab und zu meine Augen. Sicherlich war er mein Chef und ich musste seine Befehle ausüben, jedoch ließ ich mich von einem Lipafme sicher nicht als Abschaum beschimpfen. „Immer wieder dasselbe Spiel mit dir, Xanya. Du bist zu hitzköpfig. Du bist extrem gut, aber zu unprofessionell“, wütete der Anführer weiter. Das war mir eindeutig zu viel. „Ich und unprofessionell?“, fragte ich unglaubwürdig, „Ich erfülle alle meine Aufträge mit Präzession und Engagement. Niemand würde bei meinen Morden auch nur

ansatzweise vermuten, dass sie Morde waren. Und das nennen Sie unprofessionell?“ Aggressiv ließ ich ein Fauchen von mir und blickte meinen Gegenüber stichgerade an. Wenn er es nicht anders wollte, könnte ich ihn in 5 Sekunden um die Strecke bringen. Kam es mir in meinen Gedanken. Allerdings fiel mir dann ein, dass ich, außer die Tatsache, dass er der Anführer der Karroris war und mein Jobgeber, nicht viel von ihm wusste. Er könnte, wenn er wollte mir einfach mein Essen vergiften und niemand würde Fragen stellen. Er könnte einen anderen Valdir auf mich hetzen und mich umbringen lassen. Okay, er könnte so ziemlich alles machen. Er war der Anführer der Karroris. Der Anführer in der Hierarchie des Landes.

„Na gut, vielleicht war ich bei dieser einen Person etwas unprofessionell, jedoch muss ich zu meiner Verteidigung sagen, dass er mich auf die Palme gebracht hat“, bestätigte ich nun seinen Einwand, da mir die Konsequenzen eines Streites mit ihm durch den Kopf geschossen waren. Er sah mich nur mit einem bösartigen Grinsen an. Wahrscheinlich wusste er genau, dass ich mir das Widersprechen überlegt hatte. „Xanya, du bist einer der besten Auftragsmörder, die ich in meinem Kreis habe, jedoch musst du deinen eigenen Willen um einiges im Zaum halten“, sprach der Anführer, drehte sich um und verließ den

großen Trainingsraum der Valdir. Ich schnaufte noch einmal fest und lange durch. Meinen eigenen Willen im Zaum halten? Wie konnte man das, es war doch der eigene Wille. Sicherlich ließ ich mir nicht von anderen eine Meinung aufbrummen, die mir nicht gefiel. Verdammt, ich war eine Valdir. Ich entschied, wer lebte und wer starb. Langsam drehte ich mich um, um das Zimmer, indem ich stand, zu betrachten. Es war unsere Spielhöhle. Auf einer Seite des Raumes befanden sich Schwerter und Messer, auf der anderen Seite Schlagstöcke und längere Stöcke. In der Mitte des Raumes waren Boxringe für Kämpfe aufgebaut. Ja, wir lernten hier von jeder Fraktion des Landes ihre Fähigkeiten. Den Kampf mit

bloßen Fäusten von den Zarisma. Den Stockkampf von den Mosumi. Den Kampf mit Schwert und Messern von den Sawarejo. Und draußen konnte man auch noch das Geschick mit Pfeil und Bogen von den Lipafme erlernen. Ein Privileg, dass einzig und allein nur den Valdir zustand. „Da musstest du dir ja gewaltig was anhören, Schönheit“, kam es wie aus dem Nichts. „Lass mich in Ruhe Gahoff“, fauchte ich nur zurück. „Ach komm Liebes, du wirst doch nicht gleich zickig werden“, versuchte der stämmige, blondhaarige Mann es weiter. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, raste ich auf ihn zu, schnappte ihn am

Kragen seines halboffenen weißen Hemdes, welches etwas verschwitzt vom Training war und ließ das Grün in meinen Augen aufblitzen. Nie ein gutes Zeichen. „Ich kann dich mit einem Schlag an gewissen Stellen sofort angriffsunfähig machen oder dich sogar töten. Willst du das?“, bellte ich ihn an zog meine Augenbrauen zusammen. „Du bist so sexy, wenn du wütend wirst“, lachte mein Gegner nur. Kopfschüttelnd ließ ich ihn wieder los. Er war Zeitverschwendung und ihn zu töten würde mir nur mehr Ärger einhandeln. „Lass uns lieber trainieren“, sagte ich nun, da ich wusste, dass ich von seinen Sawarejo-Fähigkeiten noch vieles lernen konnte. Auch wenn es jetzt etwas schwachsinnig

klang. Er war mein bester Freund hier bei den Valdir. Wenn man als Valdir überhaupt Freunde haben konnte. Gahoff war ein großer muskulöser Mann, mit Augen so blau wie der Ozean und blonden etwas längerem Haar, das ihn allerdings bei den Kämpfen nie störte. Da ich lange dunkelbraune Haare hatte und mir diese, wenn sie offen waren, immer ins Gesicht fielen, band ich sie stets seitlich zu einem geflochtenen Zopf zusammen. Er brachte mir alles über den Schwertkampf bei und nun waren wir bei Übungen mit dem Messer angelangt. „Wie du wünscht meine Göttin!“, war er mit meinen Vorschlag einverstanden. „Hör auf

damit!“ „Mit was?“ „Mit den Kosenamen!“ „Warum?“, belächelte er meine Aussage, „Du bist schön, intelligent, großartig, ausgezeichnet in allen Fähigkeiten und …“ „Nicht interessiert!“, beendete ich seinen Satz, „Gahoff wir sind Freunde. Keinem einzigen Valdir vertraue ich, außer dir.“ „Vertraue niemandem, Schätzchen“, flüsterte er mir regelrecht zu, „Wir sind Auftragskiller, ohne eigenem Willen, wenn ich den Befehl bekommen würde, dich zu töten, würde ich es tun!“ „Ohne mit der Wimper zu zucken?“, fragte ich unglaubwürdig. „Sicherlich, würde es dir nicht so ergehen?“,

stellte er mir die Gegenfrage. Ich lachte auf und benetzte meine Lippen, nicht ohne ihn dabei geradewegs anzusehen. „Du würdest in 5 Sekunden tot sein“, war meine Antwort. Wieder dieser eigene Wille. Anscheinend hatte man ihn als Valdir wirklich nicht. Was war verdammt noch mal mit mir los?

Wir schritten auf den Stand mit den Messern zu. Um uns befanden sich noch andere Valdir im Training. Unter ihnen erblickte ich Sera. Eine schlanke, aber durchtrainierte Blondine, mit wallendem langem Haar, das nur grob zusammen gebunden war. Außerdem hatte sie leuchtende Augen des Saphirs. So blau, dass es schöner nicht ging. Ich hasste

sie. Als sie mich erwischte, wie ich sie regelrecht anstarrte, empfand sie es eher als Aufforderung auf mich zu zu gehen. Ihr Gang war so grazil und stark. Kein Wunder das wir Feindinnen waren und das jeder immer besser als die andere sein wollte. „Gahoff, Xanya“ begrüßte sie uns bittersüß, als sie bei uns angekommen war. Auch warf sie einen extrem lasziven Blick auf meinen Freund, was mich dazu brachte die Augen zu überdrehen, jedoch Gahoff den Verstand verdrehte. Anscheinend glaubte sie, dass es mir etwas ausmachen würde, wenn sich der Blondhaarige mehr für sie interessierte als für

mich. Ich wusste, dass das nie der Fall sein würde. „Sera“, kam es gleichzeitig aus Gahoffs und meinem Mund. Sie war etwas älter als ich und darum auch schon länger bei den Valdirs. Ich hielt echt viel von ihr, aber dennoch auch nichts. Wie sollte es auch sein, dass die schönste Frau, die ich jemals gesehen hatte, nichtsdestotrotz die gefährlichste aller Valdir war. „Wie ich gehört hatte, hast du einen nicht so erfolgreichen Auftrag hinter dich gebracht“, unverkennbar konnte man die Genugtuung aus ihrer Stimme heraus erkennen. „Der Job war es ihn zu töten. Das habe ich ausgeführt!“, konterte ich und stellte mich in

Kampfposition. Es gab einen Grund, warum Valdirs unter sich keine Freundschaften schlossen. Sie waren alle kampfsüchtig. Sie wollten alle Blut sehen. Sie wollten alle töten. „Der Job war es aus ihm Informationen raus zu pressen und ihn dann zu töten“, blaffte Sera mich an. Vorsichtig nahm sie ein Messer von dem Stand und drehte es gekonnt in ihrer Hand. Ihre Fähigkeiten mit dem Messer waren bei allen bekannt, auch wenn sie eine Lipafme war und hervorragend mit Pfeil und Bogen umgehen konnte. „Woher weißt du, was mein Job war?“, wollte ich nun von ihr wissen, griff natürlich auch zu einem Messer und machte mich auf den Weg

zu einem der freien Boxringe. Normalerweise, wusste keiner, außer der Auftraggeber und der dafür zuständige Valdir über das Attentat Bescheid. „Vielleicht erhalte ich mehr Privilegien vom Anführer als du, honey!“, war ihre Antwort auf meine Frage, folgte mir aber gelassen zum Ring. Unausgesprochen hatte ich sie herausgefordert. Zugleich freute ich mich schon so auf den Kampf, auch wenn ich wusste, wie gefährlich sie war. Ich war auch gefährlich. Ich war die Beste, nicht sie. „Vielleicht erhältst du das Privileg in sein Schlafzimmer zu kommen.“ Dicht neben meinem Ohr durchbrach ein

Gegenstand die Luft und blieb in einer der Säulen des Boxringes stecken. Gahoff holte tief Luft und stand mit zusammengekniffenem Gesicht noch immer neben dem Tisch mit den Messern darauf, als ich mich umdrehte, um meiner Attentäterin in die Augen zu sehen. Das Saphir funkelte nur so in ihren Augen. „Anscheinend verträgt hier jemand die Wahrheit nicht!“, stachelte ich sie nur noch mehr an. Ich war so böse, jedoch liebte ich dieses Spiel. Seras Messerausrutscher hatte nun die ganze Aufmerksamkeit des Trainingsraumes auf uns gezogen. Alle hielten inne, um den Zwischenfall mit zu verfolgen. Neugierde war schon etwas Eigenartiges.

„Die Wahrheit ist, dass ich dich jeden Moment umbringen könnte“, zischte nun Sera kaltherzig. „Dieser Versuch würde deinen Tod bedeuten, Sera“, ließ ich mich von ihr nicht unter Druck setzen. Ohne von irgendwem aufgefordert zu werden, hatte sich die Menge von Valdirs in zwei Lager gespalten, die einen standen auf meiner Seite und die anderen hinter Seras. Die Anzahl war ziemlich ausgeglichen. Mich beruhigte die Tatsache, dass dieses Spiel, sich gegenseitig anzusticheln, von den Valdirs immer und immer wieder gespielt wurde. Erst vor zwei Tagen hatte sich ein Valdir vom Teil aus Mosumi mit einem

Sawarejo gestritten. Man musste zwar sehr viel Blut aufwischen, dennoch hatte der Mosumi gewonnen. Komisch war, dass sie jetzt nur mehr zusammen abhingen. Das würde wohl hier nicht passieren. „Du bist doch nur eine niederträchtige Zarisma, die keiner braucht“, schleuderte die Blondine mir an den Kopf. Wut stieg schon wieder in mir auf. Abermals bezeichnete mich wer als nicht gut genug. Wann kapierten sie endlich, dass ich mehr konnte als nur zu kämpfen? Wann kapierten sie, dass ich eine erhebliche Bedrohung für sie war? Wann kapierten sie, dass ich verdammt noch einmal bösartig war? Ich stieg in den Ring, ohne auch nur auf ihren

Vorwurf einzugehen. Das Messer fest in der Hand, hoffte ich, dass es mir alle Fähigkeiten einfach so übertrug und dass mein Talent mich nicht in Stich lassen würde. „Nimm dein Messer und kämpfen wir!“, nun war die Herausforderung ausgesprochen und Sera konnte nicht mehr zurück ziehen. Selbstverständlich würde sie auch niemals zurück ziehen. Hier ging es um ihre Ehre, um ihren Rang speziell unter den Valdirs und um die Genugtuung mich zu besiegen. Mit einem selbstgefälligen Lächeln schnappte sie sich ihre Waffe, die fester als geglaubt in der Säule steckte und stieg die Treppen zum Ring hoch. Um uns füllten sich die Reihen der Schaulustigen. Da in mir immer mehr der Zustand eines Blutrausches hochkam, war es

mir egal, wie viele Seras Tod mitbekommen sollten. „Du bist mir, seid du hier hergekommen bist, ein Dorn im Auge!“, knurrte sie mir entgegen. „Weil ich schon damals besser war als du!“, fauchte ich zurück. Wir fingen an uns zu umkreisen, das Messer fest in unseren Händen und zu aufmerksam, um auch nur zu zwinkern. Ein Bein nach dem anderen wurde der Kreis immer enger. Gefährlicher unsere Haltungen und das blitzen unserer Farben in unseren Augen immer heftiger. Alles in allem war der Raum so von unseren Gemütern erhitzt, dass mir langsam der Schweiß auf der Stirn stand. Allerdings war ich in diesem Moment so kampflustig, dass

mich nichts und niemand davon abhalten konnte mein Messer an ihre Gurgel zu setzen. Ein Schnitt. Ein präziser und schneller Schnitt. Direkt an der Kehle. Warum kam mir das gerade in den Sinn? Bis jetzt hatte ich noch wenig mit Messern zu tun gehabt. „Du weißt, dass du wegen einem ganz anderen Grund zu den Valdirs gekommen bist oder?“ Sera hatte die Frage nicht einmal ganz ausgesprochen, als ich schon auf sie zugeflogen kam. Die Gemüter gingen mit mir durch und die magischen Sinne der Valdirs brachten mich dazu Dinge zu tun, die nur

eine ausgebildete Auftragsmörderin machte. Hingegen hatte ich vergessen, dass mein Gegenüber auch eine ausgebildete Valdir war. Schnell ließ sie sich zur Seite fallen, rollte sich über den Boden und hievte sich im selben Moment wieder auf. Der nächste Schritt kam von ihr, als sie sich nochmals einmal um sich selbst drehte, in die Knie ging und mit dem Messer voraus auf mich zuflog. Ich benutzte meine linke Hand, um ihr Handgelenk, dass das Messer umfasste, zu umfassen, sie in gegengesetzter Richtung zu drehen und sie dadurch wieder zu Boden zwingen. Sera konterte meinen Angriff, indem sie mir die Füße vom Boden riss und ich seitlich auf den Untergrund

fiel. Immer wieder wurden unsere Auseinandersetzungen mit Beifall und Jubelstoße belohnt. Jetzt war ich wieder dran und ich würde meinen abschließenden Konter ausführen. Ich vollzog einen Purzelbaum, ließ das Messer in die Höhe schnellen und wollte zu stechen, als mich plötzlich der scharfe Gegenstand an der Wange streifte. Diesmal hatte das Messer nicht haarscharf an mir vorbei geschwirrt. Blut floss meine Wange herunter. Das Gefühl, dass mich jemand getroffen hatte, versetzte mich nur noch weiter in den Blutrausch. Sofort wollte ich einfach nur auf sie einstechen. Ihr weh tun. Ihr alle Eingeweide rausreißen und sie leiden

sehen. „Aufhören!“, hörte ich die Stimme unseres Anführers nur dumpf an mein Ohr kommen, „Schafft sie weg von Sera. Augenblicklich.“ Ich spürte wie mich Gahoff umklammerte und mich aus dem Boxring zerrte. Ich wehrte mich bitterlich, doch wegen seiner starken Arme hatte ich keine Chance. Irgendjemand hatte mir das Messer abgenommen. Aber ich hatte Sera doch noch gar nicht verwunden können. Sie durfte mir weh tun, ich aber nicht sie töten. Das war unfair. Ich wollte sie töten. Gahoff verschaffte mich ganz aus dem Trainingsraum und raus in die frische Luft, wo mein Gehirn endlich wieder ein bisschen zu

arbeiten anfing.

|| zwei ||

Der Vorfall vor einigen Tagen war wie weggeblasen. Ich hatte ein paar Tage frei bekommen, was mir auch sicherlich gut tat. Es war ein Freitagmorgen. Markttag. Der Tag an dem man die Armut im Land am besten sah. Alle Bewohner des Landes strömten an diesem Tag in den Marktbereich im Teil der Karrori. Säuberlich getrennt von der eigentlichen Stadt der Reichen. Am heutigen Tag wurde, wie an jedem Freitag, das Essen verteilt, das eigentlich von den Käufern selbst geerntet worden war. Jedoch hatten die Karroris einzig und allein

den Anspruch auf die Ernte der jeweiligen Teile. Sie bestimmten, wie viel Geld sie dafür zahlten und dadurch auch die Armut oder den Reichtum einer Fraktion. Die Zarisma waren die Ärmsten und darum hatten sie auch kein Ansehen bei den anderen Gruppen. Sie waren wie gewöhnliche Bauern, nicht so wie die Lipafme, die auf Jagd gingen und kostbares Fleisch den Karroris bieten konnten oder die Sawarejo, die für den Fisch verantwortlich waren. Sogar die Mosumi konnten mit wertvolleren Produkten aufwarten, Obst und Früchte, aus denen man köstlichen Wein machen konnte oder einfach nur seine süße Lust stillte. Einmal einer Kaste zugeordnet, konnte man

nicht mehr entfliehen. Einzige Lösung. Gewalt, Aufstand, Tod, Morde. Genau um solche Dinge zu vermeiden, genau um diese Hierarchie, diesen Kreislauf, weiterfließen zu lassen, wurden wir Valdir eingesetzt. Zettelte wer einen Aufstand an, wurde er umgebracht. Verfolgte wer einen Plan, um eine andere Gruppe zu stürzen, wurde er umgebracht. Hörte man auch nur eine Kleinigkeit, die dazu veranlasste, dem Menschen nicht mehr zu vertrauen, dass er seiner Fraktion treu blieb, wurde er umgebracht. Nur so konnte der Frieden gewahrt werden. Ich saß auf der hohen Mauer, die den Marktteil von der Stadt trennte. Mein Haar

wurde durch den leichten Wind zurück geweht und so sah ich zu, wie die armen Bewohner durch ein Tor auf den Platz strömten. Ich wusste genau, welche Menschen zu welcher Gruppe gehörten. Innerlich fragte ich mich, warum ich überhaupt hier her gekommen war? Damit ich sah, wie es anderen schlecht ging? Damit ich mich daran amüsieren konnte, wie zerrissen ihre Kleidung war und welch schöne Robe ich anhatte? Damit ich die Familienmitglieder meiner Mordopfer und ihre traurigen Gesichter sehen konnte, weil ich wusste, dass ich mit meinen Attentaten Schuld an dieser Traurigkeit war? Langsam griff ich zu der Außentasche meiner hellbraunen Jacke. Sie war schwer und

klimperte beim Gehen. Natürlich wusste ich warum ich da war. Doch eigentlich hätten es, als Valdir, die anderen Gründe sein müssen. „Xanya! Xanya!“, rief eine kindliche weibliche Stimme nach mir. Sofort sprang ich von der Mauer, in den Teil wo das Essen verkauft wurde, duckte mich und versteckte mich hinter dem nächstgelegenen leeren Stand. Die Frage, warum nicht alle mit holzverkleideten Anrichten mit Essen aufgefüllt waren, kam mir erst gar nicht in den Sinn. Meine Gedanken füllten sich mit etwas anderem. Ich hatte meine Familie schon länger nicht mehr gesehen und war geschockt, dass meine kleine Schwester mich immer noch auf

Anhieb erkannte. Jelia war jetzt 12 Jahre alt und erst 5, als ich die Familie verlassen hatte, um das Training bei den Valdirs zu starten. Von meinem Beruf wussten sie nichts. Ich musste ohne irgendeinen Abschied, Zarisma bei Nacht auf der Stelle verlassen. „Xanya?“, die großen braunen Rehaugen sahen um die Ecke des Standes. „Verschwinde!“, befahl ich ihr sofort ohne sie auch nur anzublicken. Ich wusste nicht was ich hier tat und auf der Stelle kam mir mein Vorhaben sofort falsch vor. Eine Valdir half den armen Menschen nicht. Eine Valdir dachte nicht an die Familie und eine Valdir hatte keine Freunde. „Du hast auf uns gewartet. Ich hab deinen Blick durch die Menge schweifen sehen“,

redete Jelia trotzdem weiter und ich war so überwältigt von ihrer Intelligenz und ihrem Mut. „Ich dürfte nicht hier sein“, erwiderte ich nur. „Dich wird keiner sehen. Hier sind wir geschützt.“ Ich belächelte ihre Aussage. Es war töricht, dass sie das glaubte. Jelia kam näher auf mich zu, was mich veranlasste sie scharf anzusehen. Meine Augen verengten sich und das Smaragd fing an zu Funkeln. Ich unterdrückte meinen Instinkt sie anzufallen und sie zu verletzten. „Komm nicht näher!“, fauchte ich sofort, um sie vor mir zu schützen. „Warum nicht? Ich habe dich schon lange

nicht mehr gesehen“, verstand sie meinen Einwand nicht, „Hast du uns nicht vermisst?“ „Nein!“, kam es direkt aus meinen Mund. Sie blieb stehen. Ich sah wie Tränen in ihren Augen hochstiegen. Ich war ihr Vorbild gewesen, als ich noch zu Hause war. Ich war ihre große Schwester, die sie vor alles beschützt hatte und jetzt war ich eiskalt. Fern von allen geschwisterlichen Emotionen. Sie unterdrückte ein Schluchzen und blieb stark. Das bewunderte ich. „Uns wird es schon bald besser gehen, Xanya. Koro sorgt dafür. Er hat schon Pläne, wie wir…“ „Schweig!“, unterbrach ich ihren Redewall. Ich konnte es nicht. Ich konnte ihr nicht zu hören, wie sie von zu Hause berichtete. Wie

sie unseren Bruder Koro erwähnte, der 3 Jahre älter war als ich und dem das Privileg ein Valdir zu werden, nicht gestatten worden war. Gahoff hatte mir das von seinem Antrag bei den Auftragsmördern erzählt. Warum er nicht genommen worden war, war für mich noch immer ein Rätsel. „Du bist so anders“, entgegnete meine kleine Schwester mir leise. „Ich bin böse, Jelia!“ „Das bist du nicht!“ „Doch, das bin ich! Ich mache Dinge, die… Nein. Ich will Dinge machen, die man nicht für gut hält. Es liegt in meiner Bestimmung“, erklärte ich ihr und wusste genau, dass sie es nicht verstehen würde. Niemand verstand, dass man das Bedürfnis

hatte, jemanden zu verletzten oder sogar zu töten. Dass man Blut liebte und dafür alles tat, um es fließen zu sehen. Ich war böse und ich liebte es. „Ist Mutter auch da?“, wollte ich die Unterhaltung wieder auf einen anderen Punkt steuern und griff automatisch zu meiner Jackentasche. „Ja, sie stellt sich schon an der Gemüsereihe an“, antwortete Jelia mir. Sie blickte zur Seite und lehnte sich an dem Holz des Standes an. Ich hatte auch die Mauer vor uns im Visier. Irgendwie wollte ich, dass ich meine Mutter sah, doch im gleichen Moment kam in mir dieses Egal-Gefühl wieder hoch. „Habt ihr viel geerntet?“, blieb ich bei dem

Smalltalk. „Die Dürre macht uns zu schaffen. Wir haben nicht genug Wasser, dass wir die ganzen Felder hätten bewässern können und darum haben wir diesmal auch sehr viel weniger Geld für unsere Arbeit bekommen. Mutter macht sich sorgen, dass wir nicht genug haben, um Essen für die ganze Woche zu kaufen. Schon wieder“, erzählte meine Schwester einfach aus dem Bauch heraus. „Schon wieder?“, dieses Gefühl, dass man Mitgefühl nannte, brannte in meiner Magengegend. Ich hasste es so zu fühlen und schüttelte heftig meinen Kopf, um es los zu werden. „Schon die Woche davor hatten wir damit kämpfen

müssen.“ Das wurde mir alles zu viel. Es war genug, was ich über meine Familie gehört hatte. Normalerweise sollte ich gar nichts wissen, sollte ich mich gar nicht interessieren. Ruckartig steckte ich meine Hand in die Jackentasche und holte ein Bündel voller Geld hervor. Ich schmiss es Jelia vor die Füße. „Nimm!“, forderte ich sie auf. „Nur vom hinsehen, weiß ich, dass das viel zu viel ist. Es wird ihnen auffallen.“ Sie hatte Recht. Wenn sie mit zu viel Essen zu Hause ankommen würden, würden sie überfallen werden, vielleicht sogar getötet. Auch wenn ich kurz darüber nachdachte, war es mir im Endeffekt egal. Ich tat was Gutes

und es machte mich fertig. Vielleicht war ein Tod durch meine Hilfsbereitschaft genau der passende Ausgleich. „Du bist intelligent, dir wird schon etwas einfallen!“, sagte ich zum Abschluss, hüpfte auf die Mauer und verschwand auf die andere Seite.

Meine Gedanken drehten sich. Immer wieder dachte ich daran, dass Jelia bildhübsch geworden war. Ihre langen braunen Haare, dazu ihre kindlichen großen rehbraunen Augen. Ich stellte sie mir im Dreck auf den Feldern vor. Wie sie ihr Gesicht schmutzig machte, Kartoffeln ausgrub und Tomatenpflanzen setzte. Das war nicht richtig. Sie war zu hübsch dazu. Zu intelligent. Zu sehr meine Schwester.

Ich musste dringend diese Gedanken von mir verbannen. Ich musste mich dringend ablenken. Allerdings kam mir die Mauer an der ich lehnte so gemütlich vor, als ob sie wollte, dass ich da blieb. Vor mir waren Gebüsche, die höher waren als ich, die dicht zusammen wuchsen und ihre Zweige kreuzten. Sofern ich es erkennen konnte, war ich in den hinteren Teil eines Gartens gehüpft und die Sträucher trennten das Grundstück von der Mauer. Plötzlich kam mir das Gefühl, dass ich nicht alleine war und auch im selben Moment hörte ich eine ganz bekannte Stimme. „Gut, dass wir uns treffen können“, erkannte ich Gahoffs

Stimme. „Bist du dir sicher, dass wir hier außer Gefahr sind?“, fragte eine andere männliche Stimme darauf. Sie war kraftvoll und mutig. Ich verstand nicht, wie er so ruhig bleiben konnte, wenn er einem Valdir gegenüber stand, der ihn sofort töten konnte. Von meinen Instinkten getrieben, blieb ich in Deckung und belauschte weiter das Gespräch. „Das Haus ist seit Jahren verlassen und die Aufmerksamkeit gilt jetzt dem Markttag. Uns wird niemand Beachtung schenken“, antwortete Gahoff. Ich hatte mich auf den Boden gesetzt, meine Hände auf die Erde gelegt, um den Standort der beiden zu bestimmen. Dafür mussten sie

sich jedoch bewegen. Die Blätter der Sträucher waren leider zu verwachsen, um hindurch zu sehen. Überraschend konnte ich dann doch eine Vibration spüren. Sie war leicht und geschmeidig. Die Person hatte nur ein paar Schritte gemacht, allerdings sehr vorsichtig. Soweit mich meine Sinne nicht täuschten, standen sie keine 10 Meter von mir entfernt. Ich wusste wie Gahoffs Bewegungen vibrierten und diese kamen eindeutig vom anderen Mann. „Das ist auch gut so. Es gibt viele Entwicklungen in dieser Sache und langsam wird es Zeit sie zu verschärfen“, berichtete die fremde Person. „Denkst du, dass ihr schon soweit seid?“, in

der Stimme meines Freundes war noch Unglaubwürdigkeit zu hören. „Gahoff, du kennst mich. Wir sind zusammen aufgewachsen. Wir sind Freunde.“ „Das ist keine Antwort auf meine Frage.“ „Das ist die Antwort.“ Gahoff lachte. Wieso lachte er? Ich verstand es nicht. Wieder konnte ich spüren, dass sich jemand bewegte. Jetzt definitiv Gahoff. Er hatte sich zu alle Seiten umgedreht. Warum das? Sofort bekam ich meine Antwort. „Du glaubst noch immer, dass wir hier nicht sicher sind oder?“ „Das ist Karrori. Hier laufen Dinge, die für niemanden sicher sind.“ Ich kapierte es einfach nicht. Wieso traf sich mein Freund mit diesem Mann? Was waren

seine Beweggründe? Und um was soll es bei diesem Treffen überhaupt gehen? Warum sollte Karrori nicht sicher sein? Alle Valdir lebten hier. „Da hast du wahrscheinlich recht!“, bestätigte jetzt mein blondhaariger Freund die Vermutung seines Gegenübers, „Wir sollten uns ziemlich kurz halten.“ „Glorreiche Idee, mein Freund!“, sagte der Fremde eher sarkastisch, „Und ich bin mir sicher, dass du nicht nach unseren Fortschritten fragen wolltest.“ „Da hast du vollkommen Recht. Hast du in letzter Zeit von Mamori gehört?“, wollte Gahoff von seinem Freund wissen. Mamori, der Name kam mir sehr bekannt vor. In meinem Gehirn ratterte ich die Personen

ab, die ich jemals zu Gesicht bekommen hatte. Mamori. Groß. Schwarzhaarig. Sessel. Abschaum. Tod. Sie redeten über die Person, die ich vor ein paar Tagen umgebracht hatte. Jedoch, woher wusste Gahoff von dieser Person. Alle Aufträge waren doch immer geheim. Außerdem war mir die Verbindung von dieser Person und meinem Freund überhaupt nicht klar. Gahoff war ein gebürtiger Sawarejo und Mamori ein Lipafme. Die beiden konnten sich gar nicht kennen. Oder etwa doch? „Schon länger nicht mehr, dabei war er dabei noch ein paar Mitglieder zu mobilisieren“, antwortete der Fremde. Er klang etwas in gedankenversunken.

Natürlich hatte er nicht mehr von ihm hören können. Er war mausetot. Vergraben in seinem Garten. Offensichtlich hatte ihm Gahoff einen viel versprechenden Blick oder eine Geste zugeworfen, denn hastig trat die Person von einem Fuß auf den anderen. „Du willst mir damit sagen, dass er die Karotten von unten sieht?“, fragte der Mann geschockt. Wie Recht er mit seiner Aussage hatte, dachte ich mir und musste ein Grinsen unterdrücken. „Ja.“ „Oh nein! Das heißt, er weiß alles!“ „Nicht so voreilig“, beruhigte Gahoff seinen Freund, „Der Valdir, der ihn ausquetschen

hätte sollen, hat zu voreilig gehandelt und ihn ohne jegliche Information umgebracht.“ „Ich sollte ihm oder ihr meinen Dank aussprechen.“ Mich überraschte, dass er so überhaupt nicht traurig war, dass einer von ihnen ermordet worden war. Sofort kam es mir in den Sinn, dass er sicher nur eine kleine Rolle in dieser Verschwörung gespielt hatte. Natürlich ging es hier um eine Verschwörung. Wenn ich mich daran erinnerte, welche Aufgabe ich bei diesem Auftrag hatte, dann wurde mir immer mehr klar, dass auch unser Anführer wusste, dass etwas im Dunklen lauern musste. Jemand hatte Mamori bei den Karroris angeschwärzt. Dieses nach Mitgliedern suchen, wurde zwar anders formuliert,

allerdings war es für unseren Chef klar, dass er beseitigt werden musste, egal nach was er suchte. „Die Sache ist noch nicht geplatzt, aber wir müssen so vorsichtig, wie noch nie sein“, machte Gahoff seinem Freund klar, „Der Anführer hat eine Spur und dem Valdir wird es nicht noch einmal passieren, dass er einen Auftrag nicht vollständig ausführt.“ „Du hast Recht, Gahoff. Darum freue ich mich dir mitzuteilen, dass unsere Reihen gefüllt sind und das wir dabei sind, unseren Plan zu perfektionieren. Hierbei darf nichts schief gehen“, erzählte der Mann. Wieder mit festem Stand blieb er auf der Stelle stehen. Alarmglocken durchzuckten meinen

Kopf. Mitglieder suchen. Plan schmieden. Verschwörung. Wenn ich den Mann nur sehen könnte, wenn Gahoff nur einmal seinen Namen nennen würde. Gahoff. Wie kam es nur einem Valdir in den Sinn, bei soetwas mit zu machen. Wir halfen nicht. Wir töteten. Wir schmiedeten keine Pläne, außer den Plan jemanden umzubringen. Ich kannte Gahoff. Er war ein Musterbeispiel eines Valdir. Immer bereit jemanden zur Strecke zu bringen. Immer bereit, ohne freiem Willen zu handeln. Freier Wille? Er war mit freien Willen zu diesem Treffen gekommen, doch hatte er

nicht vor einigen Tagen noch selbst gesagt, dass ein Valdir keinen freien Willen hat? Was war hier zum Teufel noch mal los? Wieso übte Gahoff mutwillig Verrat aus? Dann kam mir auf einmal in den Sinn, dass auch ich aus freien Willen hier hergekommen war, um meine Familie zu sehen und ihnen Geld zu geben. Jedoch hatte ich nicht vor einen Aufstand anzustacheln. Ich vereinbarte mit meinem Gewissen, dass ich nur meiner Familie half und dass das kein Verrat gegenüber unserem Anführer war. Auf keinen Fall. Doch Gahoff tat das. Ich musste etwas tun. Allerdings wenn ich mich einfach so aus dem Gebüsch stürzen würde, würde ich ohne Auftrag handeln, ich würde die zwei

Personen, wovon eine ein Valdir war, töten und mich dafür rechtfertigen müssen. Und niemand würde es verstehen, weil ich keine Zeugen hatte, die dieses Gespräch gehört hatten. Ganz zu schweigen davon, dass es noch nie einen Auftrag gegeben hatte einen Valdir zu töten. „Du solltest bei unserem nächsten Treffen dabei sein“, forderte der Fremde Gahoff auf. „Vielleicht solltest du deine Geheimwaffe erst später präsentieren“, ich hörte die Nervosität in Gahoffs Stimme. Diesmal lachte der andere Mann. Schon wieder verstand ich es nicht, was ihn so amüsierte. „Sollen wir wieder, wie in unserer Kindheit,

darum kämpfen wer stärker ist?“, fragte Gahoffs Freund belustigend. „Besser nicht.“ Ich schüttelte den Kopf. Wie konnte diese Tatsache Gahoff Freude bereiten? Er verriet den Anführer, die Valdirs und sich selbst. Wer war dieser Mensch? Ich hatte immer geglaubt ich würde ihn kennen und irgendwie hatte ich auch immer zu ihm hochgesehen. Doch jetzt, jetzt war es wie weggeblasen. Er versuchte einen Aufstand anzuzetteln und ich musste ihn davon abhalten. Die beiden Männer hatten sich inzwischen voneinander verabschiedet, ich konnte ihre Schritte von sich entfernen spüren. Gahoff

ging in Richtung Stadt und der andere Richtung Mauer. Ich war Gott sei Dank in meinem Gebüsch geschützt vor ihren Blicken. Die Tatsache verstörte mich zutiefst und ich musste es sofort unserem Anführer berichten. Als ich vollkommen überzeugt war, dass die beiden über alle Berge waren, richtete ich mich auf und lief schnurstracks in Richtung des Hauses meines Gebieters.

|| drei ||

Ich rannte die bepflasterte Straße entlang. So schnell mich meine Füße tragen konnten, wollte ich zu meinem Anführer, um ihm die Geschichte mit Gahoff zu erzählen. Je weiter ich lief, umso absurder kam mir alles vor. Gahoff war ein Mustervaldir. Bereit zu töten – jederzeit. Befehle des Anführers auszuführen – jederzeit. Seine Aufgabe, sein Leben zu verraten – niemals. Doch irgendetwas sagte mir, dass sicherlich etwas Wahres an der Sache dran war. Irgendwie hatte ich auch Respekt vor dem fremden Mann, der ungeniert genug war, die

Mauern von Karrori zu übertreten. Auch wenn ich ab und zu ein Angstgefühl von ihm herauslesen konnte, hatte er dennoch eine außergewöhnliche Aura. Wer war dieser Fremde? Ich war nun an dem riesigen Stahltor angekommen, dass die Stadt von dem Anwesen des Anführers trennte. Sein persönliches Reich befand sich ziemlich mittig von Karrori und war mit zweimeterhohen eisernen Zäunen abgetrennt. Zwei Wachen waren am Eingang positioniert, die über das Eintreten oder Fernbleiben entschieden. Instinktiv legte ich meine Valdirmaske auf. Ich verlangsamte meinen Schritt und mein Gang wechselte in selbstsicher und angriffslustig. Mein Gesichtsausdruck verwandelte sich in

unlesbar, aggressiv und ziemlich arrogant. Durch und durch ein Valdir, dem nichts in die Quere kommen konnte. Mit einem selbstgefälligen Lächeln ging ich auf die beiden zu. „Bist du gerufen worden?“, fragte mich der linke Mann der beiden Wachen barsch. „Muss man gerufen werden?“, konterte ich zurück, „Ich bin ein Valdir, also geht mir aus dem Weg!“ „Wir wissen, dass du ein Valdir bist. Schon von weitem konnten wir deine Arroganz und Selbstverliebtheit riechen“, blaffte mich die zweite Wache an. Ich nahm es mit Humor. So etwas konnte mich nicht zur Weißglut treiben, sondern schürfte nur mein Verlangen ihn zu töten.

Und ich tötete nur all zu gerne. Ohne auf seine Aussage einzugehen sagte ich auffordernd: „Ich will mit dem Anführer sprechen!“ „Der Anführer wünscht nicht gestört zu werden!“ „Es geht um etwas Wichtiges, ihr Narren oder denkt ihr, ein vielbeschäftigter Valdir wie ich würde nur als Spaß hier herkommen. Ihr Taugenichts, hier geht es um eine Ver…“, weiter kam ich mit meinem aufbrausenden Verhalten nicht, denn ich wurde von jemanden unterbrochen, der plötzlich neben mir stand und mir ins Wort fiel. „Vermutung. Eine Vermutung, die erst noch besser recherchiert werden sollte. Also keine Eile“, beendete Gahoff meinen

Satz. Ich hatte nicht bemerkt, dass er mich verfolgt hatte. Die beiden Wachen sahen uns entrüstet an. In ihren Gesichtern konnte ich lesen, dass sie sich ziemlich veräppelt vorkamen. Das war aber nicht meine Absicht. Ich wollte mit dem Anführer sprechen. Ich war mir meiner Sache sehr bewusst und ich wusste, dass mein Freund ein falsches Spiel spielte. Gleichzeitig war mir im Klaren, dass auch Gahoff wusste, was ich gehört hatte und dass er das zu jeden Preis verhindern wollte. „Kommt wieder, wenn es wirklich um etwas Dringendes geht und ihr nicht unsere Zeit verschwendet. Jetzt verschwindet vom Tor!“, schrie die rechte Wache und holte ein Messer

aus der Seitentasche. Ich lächelte unverfroren, weil er wirklich glaubte, er könnte gegen zwei Valdir nur mit einem Messer bewaffnet gewinnen. Meine Kampfeslust breitete sich aus. Angriffslustig ballte ich die Fäuste und verlagerte mein Gewicht. Dieses riesige Tor konnte mich auf keinen Fall von einem Kampf trennen. Auf einmal packte mich Gahoff am Arm und zerrte mich weg. Ihn hatte vollkommen vergessen. „Lass mich los!“, wehrte ich mich gegen seinen Griff und kam mir wie ein kleines Kind vor, dass von seinen Spielsachen weggescheucht wurde. Doch es war fast aussichtslos zu entkommen. Schwer, aber dennoch erfolgreich brachte der große und

muskelbepackte Mann mich weg von dem Tor und in eine Seitengasse. Seine Miene war ausdrucklos, als er mich ausließ und ich etwas von ihm weg stolperte. Die Gasse, in der wir uns befanden, war totenstill, dunkel und an den beiden Hausmauern an den Seiten waren keine Fenster. Wir waren also ungestört und da der Weg in der Mitte mit einem Gitter abgesperrt war, gab es auch nur einen Ausgang wieder hinaus. Auch wenn alles wie ein Hinterhalt aussah und mich die Tatsache, dass mich Gahoff einfach so von etwas Wegschleppen konnte, verstörte, scheute ich das Zusammentreffen auf keinen Fall. „Du bist ein Verräter!“, zischte ich, „Ein mieser Lügner, der seinen Anführer

verrät!“ Ich schoss auf ihn zu. Mein Schlag verfehlte knapp sein Gesicht, da er sich zurück gebeugt hatte, um meiner Attacke zu entkommen. Ein weiterer schneller Schritt und meine Faust landete in seiner Magengrube. Er fiel etwas zusammen, was mich dazu veranlasste mein Knie in sein Gesicht zu schmettern. Ich war eine geborene Zarisma. Der Nahkampf war meine Stärke. Gahoffs Nase fing an zu bluten. So schnell konnte er gar nicht schauen, verabreichte ich ihm den zuvor gescheiterten linken Haken. Der Valdir stürzte zu Boden. „Xanya, nein!“, flehte er mich an, als ich mein Messer herausholte, „Du hast keine Ahnung, um was es hier überhaupt

geht!“ Er robbte rückwärts, als ich langsam auf ihm zukam, den scharfen Gegenstand, bereit zu töten, in meiner Hand hielt. Meine Sinne riefen mir förmlich zu, dass hier irgendetwas faul war. Gahoff war nicht so langsam. Gahoff konnte sich extrem gut gegen mich wehren. Warum war es dann so einfach gewesen ihn zu Boden zu bringen? „Was spielst du für ein Spiel, Verräter?“, blaffte ich ihn an. Eines hatte ich aus meinem früheren Auftrag gelernt. Erst die Informationen, dann der Tod. „Es gibt kein Spiel!“, war seine Antwort, „Xanya, du kennst mich. Ich würde niemals den Anführer verraten. Ich bin ein Valdir!“ „Wenn du ein wirklicher Valdir bist, dann

hättest du den Mann mit dem du dich getroffen hast, getötet!“ „Das wäre zu übereilt gewesen.“ Meine Hand, die das Messer hielt, fing zu zittern an. Ich hasste es zu reden. Außerdem wusste ich genau, was ich gehört hatte. Ich konnte mich nicht irren. „Er sagte, du bist ein Freund. Valdir haben keine Freunde!“, schrie ich ihn weiter an. Gahoff hatte sich inzwischen wieder gefangen und versuchte langsam auf zu stehen. Sein Gesicht war voll von Blut und sein Auge geschwollen. „Xanya, ich habe ihn angelogen. Ich bin da in so einer Sache…“ Doch weiter kam er nicht, denn ich hatte mein Messer in seine Schulter befördert. Lauthals

jaulte er vor Schmerz auf, griff nach dem Schaft und holte es wieder heraus. Ich sah, wie seine Wut ihn übermannte. Ich sah, wie der richtige Valdir aus ihm heraus kam. Ich hörte, die Frage, die ich ihm letztens erst gestellt hatte, ob er mich umbringen würde, wenn er den Befehl dazu bekommen würde. Und ich sah ihn auf mich zukommen, den Tod fordernd und jedes Mitgefühl aus seinen Augen verschwindend. Er war im Blutrausch und ich hatte Angst. Ich hatte wirklich Angst um mein Leben. Soweit wollte ich es nicht kommen lassen. Ich war verrückt geworden und hatte vergessen, wem ich am allermeisten trauen konnte. Nein, ich wollte noch nicht

sterben. Auch wenn ich den Kampf nicht scheute, ich wusste, was ein Mann im Blutrausch zu tun fähig war und ich hatte jeglichen Respekt davor. Ich musste meine Taktik ändern. Jetzt musste ich die Vernünftige sein. Jetzt musste ich endlich mal mein Hirn anschalten. „Gahoff, du bist mein Freund. Du würdest mir kein Leid antun“, versuchte ich damit die Stimmung zu kippen, „Du bist der einzige Valdir, dem ich vertraue.“ „Vertraue niemanden, Schätzchen!“, antwortete er mir und jedes Wort klang wie eine Todesdrohung. „Du hast dich nicht gewehrt, wie ich dich angegriffen habe. Du wusstest, dass ich dich sofort töten würde, wenn du mich geschlagen

hättest.“ Auf einmal fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er wollte mich beschützen. Er wollte mich davor beschützen einen Fehler zu machen. Der Fehler einen Valdir umzubringen und mein Leben zu gefährden. Konnte ich ihn jetzt in diesem Zustand wieder zu Verstand bringen? Ich musste ihm wirklich vertrauen. Ich hätte ihn sich verteidigen lassen sollen und nicht sofort das glauben, was ich gehört und wozu ich mir einen Reim gemacht hatte. „Was meintest du? Du hast ihn angelogen? Wozu?“, fragte ich jetzt nach und bereute ihn richtig verwundet zu haben. Da ich ihn nicht mehr angriff, sah ich wie seine Begierde mich um zu bringen immer

weniger wurde. Um ihm noch mehr zu zeigen, dass ich ihn nicht mehr verletzen würde, hielt ich meine Hände ergebend in die Höhe. Diese Bewegung veranlasste ihn auch das Messer in seiner Hand wieder zu senken, jedoch war er trotzdem noch nicht er selbst. „Warum willst du das jetzt wissen?“, stellte er mir feindselig die Gegenfrage, „Damit du jede Einzelheit dem Anführer berichten kannst?“ „Nein. Ich werde nichts unserem Herrn berichten, wenn du mir die Sache erklären kannst.“ Vielleicht gab es wirklich für all das eine Erklärung und Gahoff übte keinen Verrat aus, sondern war nur extrem clever. Nun endlich sah ich, wie der Blutrausch ganz von ihm gewichen war. Entspannung schlich durch

seinen Körper. Er schmiss mir mein Messer vor die Füße und ging an mir zum Ausgang der Gasse vorbei. „Dann komm mit!“, befahl er mir und rannte aus der Seitenstraße.

Blitzschnell hob ich mein Messer vom Boden auf und wollte Gahoff nach laufen. Als ich jedoch um die Ecke kam, war er wie vom Erdboden verschwunden. Verwundert blickte ich zu allen Seiten. Auf der Straße spazierten nur wenige Bewohner und diese sahen nicht so aus, als ob jemand überraschend aus der Gasse geflüchtet war. Hatte er nur gewollt mich davon abzuhalten seine Machenschaften den Anführer zu berichten? War er wirklich so ein Feigling und haute einfach ab? Hatte er Angst vor mir? Wo war

er plötzlich hin? Wollte er mich doch nicht in seinen Plan einweihen und machte sich darum einfach davon? Oder trieb ihn sein Blutrausch doch noch etwas an und er suchte nach einem geeigneten Opfer, um seine Energie wieder los zu werden? Würde das Opfer diesen Rausch überleben? Eine Sache hatte er allerdings geschafft. Ich würde dem ganzen noch etwas nachgehen bevor ich mich entscheiden würde, ob es wirklich Verrat war oder nicht. Wieso musste ich immer so voreilig handeln? Hatte ich nichts dazu gelernt? Ich wusste nur, dass ich meinen Anführer beschützen musste. Das war meine Aufgabe und dafür tat ich alles und wenn es hieß dafür

einen Valdir zu töten. Die nächste Gelegenheit Gahoff gegenüber zu treten würde schon kommen und dann würde es für den Feigling nicht so gut ausgehen. Ich blickte suchend umher, um etwas zu finden, womit ich das mit Blut übersäte Messer abwischen konnte. Für dieses Mal musste das grüne Gras, das parallel zur Straße gepflanzt wurde, reichen. Nach der Reinigungsprozedur steckte ich den Dolch zurück in den Schaft und machte mich wieder in Richtung Trainingshalle auf den Weg. Das Areal wirkte ziemlich verlassen und das irritierte mich sehr. Normalerweise trainierten immer Valdir auf dem Grundstück. Mit einem unguten Gefühl betrat ich den Raum und wurde auch im Inneren von der Leere

überrascht. Wo waren alle hin? Hatte ich etwas versäumt? War ich in Gefahr? War das vielleicht sogar ein Hinterhalt? Sofort schaltete ich meine Valdirinstinkte ein. Angewurzelt blieb ich auf der Stelle stehen und versuchte Vibrationen über den Boden wahrzunehmen. Da war etwas. Jedoch nicht in der Halle sondern außerhalb des Gebäudes. Kurze kleine Schritte, die immer näher kamen. Für mich keine Bedrohung, denn ich kannte sie ganz genau. Diese kurzen kleinen Schritte. „Xanya!“, hörte ich schon von Weitem den Jungen schreien, „Xanya, wo bist du?“ Anscheinend suchte er mich und das wiederum war kein gutes Zeichen. Der Junge

hieß Kastan, war ein zierlich kleiner 10 Jahre alter Bursche mit aschblondem Haar, das immer zerzaust war. Warum er meinen Namen und meinen Aufenthaltsort kannte? Da wir Valdir nicht aus der Stadt Karrori kamen, wurden wir in verschiedenen Familien einquartiert. Unser Leben bestand nur darin zu trainieren oder Aufträge auszuführen, deshalb lagen wir den Angehörigen des Hauses, in denen wir lebten, nicht allzu sehr an der Backe. Kastan war der Sohn des Mannes, der mir ein Dach über den Kopf gab und dieser, mit den Namen Ohmar, war wiederum ein guter Freund des Anführers. Doch warum suchte mich der Zehnjährige? Noch bevor ich aus dem Raum gehen

konnte, hatte Kastan den Eingang erreicht. „Da bist du ja, Xanya!“, strahlte er mich an. Seine Backen waren noch rot vom Laufen und auf seiner Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen. Er trug eine zerrissene Hose, die noch dazu verdreckt war und ein einfaches Hemd, das auch Flecken aufwies. Wo sich dieser Junge immer umhertrieb, wollte ich gar nicht wissen, denn nur vom Spielen konnte er nicht so aussehen. „Was willst du!“, schnauzte ich ihn an. Ich war nicht so der Kinderfreund. Mir waren Kinder unheimlich. Kinder hatten ihre eigenen Instinkte. Sie kümmerten sich nicht darum was andere dachten. Sie lebten einfach. Vertrauten zu schnell. Machten was sie wollten. Waren trotzig und

schwach. „Mein Vater sucht dich schon überall.“ Obwohl er so schnell gelaufen war, blieb seine Stimme ruhig. Das bewunderte ich irgendwie. Auch die Tatsache, dass egal wie sehr ich in anfahren würde, er immer freundlich blieb, als ob ich sein Vorbild wäre. Ich wollte niemandes Vorbild sein. Ich hatte keine Vorbildfunktion. Ich tötete. „Was will er?“, fragte ich nach, würdigte noch ein letztes Mal der leeren Trainingshalle einen Blick und schloss dir Tür hinter mir. Um das Problem, wo die ganzen Valdir steckten, musste ich mich später kümmern. „Das wollte er mir nicht sagen. Er meinte nur das es dringend ist“, antwortete er mir wieder gleich gutherzig wie

zuvor. Ich überdrehte die Augen. Sah ich so aus, als ob man mich liebevoll behandeln musste. Ich war eine Valdir. Ich brauchte keine Freunde. Ich brauchte keine Liebe. Ich brauchte Tod. Verderben. Und Blut. Ich liebte Blut so sehr. Intuitiv ließ ich meine Hand auf das Messer gleiten, dass ich zuvor wieder eingesteckt hatte und hoffte doch noch etwas Blut von Gahoff darauf zu finden. Es machte mich einfach glücklich jemanden zu verletzen oder gar zu töten. Ein Lächeln bildete sich auf meine Lippen und mir war es egal, wenn Kastan glaubte, dass es ihm galt. „Dringend sind nur Treffen mit dem

Anführer.“ „Soweit ich meine Spürnase hineingesteckt habe, war der auch bei uns zu Hause“, er tippte auf seine Nase und grinste mich an. „Was?“, wollte ich verblüfft wissen und machte mich zielstrebig auf den Weg. Der Anführer war niemals in den Quartieren der Valdir zu finden. Die Quartiere waren irgendwie Zufluchtsorte, um den ganzen zu entfliehen. Warum wollte mich Ohmar und vielleicht der Anführer dort sehen? Ich hatte Kastan einfach stehen gelassen. Er ließ sich das aber nicht gefallen und machte sich große Mühe mir nach zu kommen. Schon in der dritten Straße hatte ich ihn abgehängt. So kurze Füße konnten einfach nicht mit einer Valdir Schritt

halten. Konnte der Tag heute noch komischer werden? Zuerst meine Familie, dann Gahoff und jetzt Ohmar.

|| vier ||

Immer wieder schlug ich auf den Boxsack, der vor mir her baumelte, ein. Ich ließ meine ganze Wut daran aus, doch es linderte keineswegs meinen Schmerz. Es machte mich nur noch aggressiver. Durch die Wucht der Schläge hatten sich einzelne Strähnen aus meinem Zopf gelöst und flogen mir nun immer wieder ins Gesicht. Es nervte mich. Es nervte mich so sehr, dass ich schon mehr Hass gegen meine Haare verspürte, als gegen dieses kleine Miststück von Sera. Natürlich hatte sie damit zu tun gehabt. Natürlich war es ihre Schuld und jetzt musste ich mich auf einen neuen Auftrag vorbereiten, der meine ganze innere Kraft beanspruchen würde.

Ein Auftrag, den niemand sonst erfüllen würde, wäre er kein Valdir und hätte er keine Gefühle. Als ich an dem besagten Tag zu Ohmar gerufen wurde, meine Erzfeindin Sera und den Anführer erblickte, wusste ich, dass nun etwas kommen würde, dass ich nicht vorhersehen konnte. Mit einem Lächeln auf Seras Gesicht musste ich mir Schläge von ihr gefallen lassen. Sicherlich lachte sie innerlich über mein blödes Vergehen und über die Tatsache, dass sie mich erwischt hatte. Noch schlimmer war es, dass ich mir Schimpfwörter von meinem Boss anhören musste, die mir in meinem ganzen Leben noch nie untergekommen sind und zur Krönung

bekam ich meinen nächsten Auftrag, der mir alles abverlangen sollte. Den Auftrag jemanden aus meiner Familie zu töten. Den Auftrag meine Schwester die Lichter aus zu blasen. Den Auftrag, um zu zeigen, dass ich immer auf der Seite des Anführers stand. Keine Gefühle zuzulassen und mit der Familie abzuschließen. Endgültig. Dieses Miststück von Sera hatte das Gespräch, das ich mit Jelia am Marktplatz geführt hatte, mitbekommen. Sie war mir seit dem Ausrutscher in der Trainingshalle immer wieder gefolgt. Die verdammt gewiefte Blondine suchte nach einem Grund mich

leiden zu lassen und ich gab ihr unversehens einen. Einen Grund bei dem ich selber nicht wusste, dass er mich so bedrücken würde, dass er mir so viel ausmachte. Ich wollte meine Schwester nicht töten, aber ich musste. Ich musste es tun, um die Loyalität gegenüber meinen Anführer wieder zu beweisen und darum willigte ich ein. Ich wollte nicht so wie Gahoff sein und meine Tätigkeiten als Valdir in Frage stellen. Ich liebte es ein Valdir zu sein. Ich liebte es in Karrori zu leben und ich liebte es zu töten. Aber sie ist meine Schwester, kam es mir in den Sinn. Ich schüttelte wild den Kopf. Diese Gedanken musste ich vertreiben. Diese freien

Gedanken, fern von aller Boshaftigkeit und Brutalität, musste ich hinter mir lassen. Der schwarze Sack wich noch ein letztes Mal mit schneller Wucht nach hinten, als ich ihm einen wütenden Schlag versetzte. Wäre es ein Mensch gewesen, hätte man jetzt seine Zähne einzeln im Gras suchen können. Auf der Bank neben den Geräten hatte ich mein Handtuch abgelegt. Das benutzte ich ab und zu, um mir den Schweiß von der Stirn abzuwischen. Da ich aber am ganzen Körper von der Anstrengung schon klatschnass war, kam für mich nur mehr die Dusche zum Säubern in Frage. Langsam drehte ich mich um, noch immer in Gedanken bei meinem Auftrag und schrak zurück, als ich bemerkte, dass mich die

ganze Zeit jemand beobachtet hatte. Ich hasste mich dafür, dass ich so ängstlich reagiert hatte. „Konntest du wenigstens was lernen?“, fragte ich schnippisch den Mann, der nur cool an der Mauer lehnte. Es war Falior. Ein Sawarejo. Ein Valdir wie ich und ein Bild von einem Mann. Anscheinend mussten wir Auftragsmörder alle so gut aussehen, um angenommen zu werden. Er stieß sich von der Wand weg und verschränkte die Arme vor seiner Brust, die wiederum atemberaubend muskulös war. „Wie meinst du?“, stellte er mir die Gegenfrage. Er stellte sich gerne dumm, um einer Antwort aus dem Weg zu gehen. Früher, als ich noch

neu bei den Valdir war, hatte ich viel mit ihm trainiert. Der wunderschöne Mann machte seinen Job hervorragend gut und seine Fähigkeiten mit dem Schwert waren atemberaubend. Jetzt jedoch hatte ich ihn schon um Längen überholt. Da er eine Abscheu für neue Fähigkeiten empfand, war er in seiner Entwicklung irgendwo stecken geblieben. „Wenn du mich schon beim Training beobachtest, wäre es doch das mindeste, wenn du etwas dazulernen würdest.“ „Ich brauch den Quatsch nicht. Bevor du mich auch nur berühren würdest, hätte ich meine Klinge in deinen Körper gebohrt“, versicherte er mir, ließ aber von seiner abwehrenden Haltung nicht

ab. Ich lächelte nur verschmitzt, wischte mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wollte gehen. Allerdings hielt mich Falior zurück, indem er mit der ausgestreckten Hand mir den Weg versperrte. „Wir brechen in 15 Minuten auf“, befahl er mit strengem Ton und sah mir in die Augen. Das Smaragd in meinen Augen blitzte auf. „Was heißt – wir?“, wollte ich zischend wissen. „Wir heißt bekanntlich, du und ich.“ „Ich brauche keinen Aufsichtwauwau!“, fauchte ich ihn an, griff gekonnt nach seiner Hand und bahnte mir ohne Schwierigkeiten den Weg nach

draußen. Der muskulöse Mann griff automatisch nach seinem Schwert und kam mir nach. „Ich bin davon genauso wenig begeistert wie du“, redete er, während er versuchte neben mir Schritt zu halten. Meine Füße stürmten regelrecht in die Richtung der Duschen, angefacht von der Wut, dass ich plötzlich wie ein kleines Baby behandelt wurde. Obwohl ich die Antwort schon kannte, fragte ich trotzdem ärgerlich nach: „Wieso machst du das dann?“ Wir waren bei den Duschen angelangt und ich blieb abrupt stehen. Meine Augen funkelten direkt in seine und er konnte sich ein Grinsen nicht ersparen. Valdir liebten es

sich gegenseitig Anzuschnauzen und zu Ärgern. „Auftrag vom Anführer“, lächelte er mich belustigend an, dann wurde er ernst, „15 Minuten! Treffpunkt Markttor! Ab jetzt!“ Dann ging er seines Weges und ließ mich wutentbrannt zurück. Wie konnte es der Anführer wagen mir einen zweiten Valdir auf die Nase zu binden? Vertraute er mir nicht, dass ich den Auftrag wirklich ausführte? Brauchte er dann einen zweiten Report vom Attentat an meiner Schwester? Ich fühlte mich wie ein noch neu dazugekommener Valdir, dem man über die Hände schauen musste und vermeidliche Spuren verwischte, wenn er gerade nicht daran gedacht hatte. Doch ich war schon

lange hier. Ich wusste wie alles funktionierte. Ich war die Beste. Ich brauchte keinen Falior, der mich auf Schritt und Tritt verfolgte, der mir auch noch Anweisungen geben wollte und mich für etwas Schlechteres wie ihn hielt. Gebannt von diesen Gedanken, zog ich mir meine verschwitzte Kleidung aus und stellte mich unter das kalte Nass. Die Kälte tat mir gut. Es ließ mich zusammenzucken. Mich abkühlen. Mich wieder zu Sinnen kommen. Fünf Minuten später, war die Ansicht, dass mich ein Valdir begleiten würde nicht mehr ganz so schlimm und am meisten dankte ich dafür, dass es nicht Sera oder Gahoff waren, die mit mir mitkommen sollten. Trotzdem war ich beleidigt, dass mir der

Anführer nicht mehr vertraute. Allerdings sollte Falior sehen, wie eine wahre Valdir arbeitete. Ich würde mein bestes geben und meine Schwester töten, als wäre es jeder andere einfache Mord oder Auftrag. Ich hielt zu meinem Anführer. Ich hielt zu seinen Beweggründen. Ich war auf seiner Seite.

Pünktlich 15 Minuten später fand ich mich am Marktplatz ein. Falior wartete schon ungeduldig auf mich und es widerstrebte mir ihm nicht eine zu verpassen, bei dem Gesichtsausdruck, den er mir entgegen warf. Ich konnte am wenigsten etwas dafür, dass er mit mir diesen Auftrag erledigen musste, dass mir unser Anführer nicht vertraute und mir einen Aufpasser mitschickte. Valdirs

arbeiteten am liebsten alleine. Waren Einzelgänger. „Da bist du ja endlich!“, begrüßte er mich nicht gerade nett. „Ich komme genau zeitgerecht“, fing ich an zu sprechen, „und lass uns eines klar stellen. Das ist mein Auftrag und du bist nur der arme Kerl der mir über die Schulter schauen soll. Das heißt, ich bin hier der, der das Sagen hat!“ Ohne auf eine Antwort von ihm zu warten, ging ich los. Der Marktplatz war der Mittelpunkt des Landes. Durch das Tor kam man am schnellsten in alle Fraktionen. Um auch ja keinem vergessen zu lassen, welchem Teil des Reiches man angehörte, waren vier Wege in den Boden gemeißelt.

Auf jedem einzelnen war das Zeichen der Bereiche darauf gemalt. Instinktiv richtete ich mich nach Süden. Der Pfad führte zu den Sawarejos. „Was machst du da?“, wollte Falior sofort wissen. Ich begutachtete das Symbol. Ein Kreis mit Pfeil und Bogen darin. Er ließ mich an Gahoff erinnern und an die Tatsache, dass er auch wenn er noch so dagegen redete irgendetwas im Schilde führte. Ich musste herausfinden, was das war. Und das konnte ich nur, wenn ich den Mann mit dem er letztens beim Markttag hinter der Mauer gesprochen hatte, fand und zur Aussprache zwang. „Ich muss vorher noch etwas erledigen“,

sagte ich emotionslos und startete meinen Sprint den Weg entlang bis zur Landesgrenze der Sawarejos. „Das geht so nicht!“, schrie der männliche Valdir mir nach, „Ich werde das dem Anführer berichten. Sofort! Und dann kannst du die Ehre ein Valdir zu sein vergessen!“ Abrupt blieb ich stehen. Er hatte Recht. Ich musste zuerst meinen Auftrag erfüllen und dann konnte ich der anderen Sache nachgehen. Ich durfte nicht noch einmal meinem Anführer zeigen, dass ich ihn nicht respektierte. Was war mir da nur zu Kopf gestiegen? Gahoff hatte mir doch erklärt, dass das Ganze einen anderen Hintergrund hatte. Wieso vertraute ich ihm dann nicht? Warum hegte ich trotzdem

Zweifel? Wahrscheinlich weil er einfach abgerauscht war, ohne wirklich den wahren Grund zu erklären. Falior wollte schon zum gehen ansetzen, als ohne Vorwarnung ein Messer vor seine Füße in den Boden gerammt wurde. „Bleib stehen!“, forderte ich nun mit Worten auf. „Du bist ein verdammt unschlüssiger Valdir, Xanya“, war seine Antwort. „Du hast Angst vor mir“, wisperte ich und auch wenn ich einige Meter von ihm entfernt stand, wusste ich, dass er mich hören würde, „Du hast Angst vor mir und du bist nicht genervt, dass du mich begleiten musst, sondern fürchtest dich davor, dass ich dir auf

dem Weg die Kehle durchschneide.“ Er lachte laut auf, doch ich wusste genau, dass ich jetzt einen Punkt getroffen hatte, der die ganze Sache verändern würde. Der Valdir in mir baute sich immer mehr auf. Ich bekam die kühle, souveräne Maske, den Killerblick und die Ausstrahlung, dass nur der kleinste Wimpernschlag, das Ende von Falior bedeuten konnte. Natürlich ließ er sich nichts anmerken, doch ich erkannte, wie sich langsam ein Schweißtropfen auf seiner Stirn bildete. Auch wenn er es nicht wollte, sein Körper zeigte mir, dass ich mit meiner Aussage genau ins Schwarze getroffen hatte. „Ich bin ein Valdir. Ich habe vor gar nichts Angst!“, unterdrückte er nur noch mehr sein

Gefühl der Besorgnis. Seine Stimme klang fest und bestimmend. Doch das klang sie immer, egal ob er wütend, erfreut, traurig oder begeisternd war. „Hast du mich eigentlich vorher verstanden?“, wollte ich jetzt noch einmal von dem Mann gegenüber von mir wissen. „Das du das Sagen hast?“, stellte er mir die Gegenfrage. Ich bemerkte wie er sich in Kampfposition brachte, seine Hand intuitiv nach dem Schwert griff, dass er immer umgeschnallt hatte. „Genau das!“ Meine Schritte führten wieder zurück zu Weggabelung. Er würde niemals zugeben, dass ich auf dem längeren Ast saß. Er war

ein Valdir. Er würde niemals zugeben, dass er im Unrecht war oder dass er falsch gelegen hatte oder das es, auch wenn es nicht offiziell war, eine Hierarchie in der Welt der Valdirs gab und er ganz bestimmt unter mir stand. „Spiel kein Spiel mit mir Xanya. Entweder du erfüllst jetzt deinen Auftrag oder ich berichte es dem Anführer!“, teilte Falior mit gerade aus mit. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Nicht wegen der Tatsache, dass er mir schon wieder vorschreiben wollte, was ich zu tun oder zu lassen hatte, sondern, weil er keine andere Aussicht mehr hatte, als mich zu verpetzen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen und ohne

ihm das Gefühl zu geben, dass er gewonnen hatte, hielt ich mich an den äußersten linken Weg, mit dem runden Zeichen und einer Faust darin. Ich hatte es nicht eilig. Ich spazierte regelrecht dahin, was dem männlichen Valdir nur noch mehr auf die Palme brachte. „Geht das auch schneller?“ „Nein. Ich will, dass du die Zeit mit mir so richtig genießen kannst, Falior.“ „Ich will sie nicht genießen. Ich will sie hinter mich bringen!“ „Hattest du wirklich gedacht, ich würde es dir so einfach machen?“ „Ich hatte es mir anders vorgestellt, ja!“, gab er nun widerwillig zu und schlenderte angespannt neben mir her, „Doch jetzt tust

du wenigstens was ich will.“ „Ich erzähl dir eine Geschichte!“, sagte ich prompt darauf. „Willst du mich verarschen?“, geschockt blieb er stehen. Mir kam ein weiteres Grinsen aus und war froh, dass Falior, da er hinter mir war, es nicht bemerkt hatte. „Vor langer langer Zeit, als ich noch nicht bei den Valdirs war…“, fing ich theatralisch meine Geschichte an. Wir waren nun an dem riesigen Holztor angekommen, der die Fraktion Zarisma von dem Teil der Karroris trennte. Die Wache begrüßte uns nur mit einem Kopfnicken und ließ uns ungehindert den Durchgang

passieren. Auf der anderen Seite sah ich nun meine alte Heimat. Wo ich aufgewachsen war. Wo ich noch Liebe und Zuneigung verspürte. Wo Gefühle frei herauslassen konnte und wo ich nicht ungehindert Menschen töten hatte können. Genau darum hatte ich da raus müssen. Genau darum wurde ich eine Valdir. Töten. Leiden. Macht. Der Bereich Zarisma bestand größtenteils aus Feldern und Bäumen. Die Bewohner lebten in kleinen Holzhütten in der Nähe von Flüssen. Es gab drei größere Ortschaften, Jansheim, Karanias und Herosium und viele kleinere Dörfer, in denen meist nur Bauern und ihre Familien lebten. Ich kam von Herosium und um dorthin zu

gelangen mussten wir der großen Mauer rechts von uns folgen. Falior hielt sich extrem weit weg von mir auf und genau das hatte ich gewollt. Ich wollte ihm keine Geschichte erzählen. Ich wusste nur, dass wenn ich davon anfangen würde, er mich in Ruhe lassen würde und sich mir nicht weiter nähern würde. Die Mauer war ungefähr zwei Meter hoch und trennte Zarisma von den Lipafmen. Der Ort Herosium lag direkt neben der Mauer und darum hatte mein Bruder immer wieder versucht einen Weg in das andere Reich zu finden und die Welt außerhalb von Zarisma zu erkunden. Als wir noch klein waren, fanden wir nicht weit von unserem Haus, das fast dicht an der

Steinwand stand, ein kleines Loch, dass wir versuchten noch größer zu machen, um hindurch in die andere Fraktion zu kommen. Doch unser Vater bekam von unserer Unternehmung mit. Wir bekamen eine Tracht prügeln, da wir das Leben unserer Familie gefährdeten. Es war nicht gestattet in einen anderen Teil eines Reiches zu gehen. Ich hatte es nach dieser Aktion verstanden. Mein Bruder jedoch wurde einfach vorsichtiger und ließ sich einfach nicht mehr erwischen. Wir kamen an eine weitere Weggabelung und ich überlegte mir, wie ich weiter vorgehen wollte. Ich brauchte einen Plan, um meine Schwester auszuschalten. Auch wenn ich mir schon etwas überlegte hatte, wurde dieser

Plan, durch die Tatsache, dass Falior auch dabei war, zu Nichte gemacht. „Was ist los?“, fragte mich der Valdir nun.

„Wir nehmen den linken Weg!“, bestimmte ich entschlossen. Falior wurde unruhig und kam wieder mehr in meine Nähe. „Der linke Weg führt nicht nach Herosium!“, blaffte mich der Valdir an und stellte sich vor mich, um den Weg zu versperren und mich daran zu hindern weiter zu gehen. Ich grinste. Ich wusste, dass Falior nicht der schlauste Valdir war, doch seine Vorstellung, wie man einen Mord angehen sollte, entsprach der meinen in keinem Fall. „Willst du direkt in Herosium auftauchen, wo uns alle sehen können und ihnen klar wird,

dass wir nicht nur auf Urlaub hier sind?“, fragte ich ihn genervt, „Falior, wir sehen nicht wie Landstreicher aus. Wir haben nicht die Ausstrahlung, dass uns jemand sympathisch findet und in sein Haus einladet. Wir müssen das anders angehen. Und da ich hier aufgewachsen bin, weiß ich genau wie.“ Mit Brutalität schupfte ich ihn auf die Seite, dass er aufpassen musste, dass er nicht zu Boden ging. Ich hasste es, so viel erklären zu müssen. Meine Beweggründe, meine Pläne teilen zu müssen, da mich ein, dem Tode geweihter, Valdir begleiten musste. Wie gerne wäre ich alleine gewesen. Hätte mich ohne aufzufallen in Herosium umgesehen, um ein klein wenig Heimat wieder verspüren zu können. Warum

dachte ich daran? Normalerweise, müsste mir doch mein altes Zuhause egal sein. Was zur Hölle war in den letzten Tagen bloß los mit mir? Ich wusste zwar genau, dass seit dem ich von Herosium verschwunden war, ohne eine Nachricht, ohne Aufsehen, die Menschen vor mir Angst hatten, dennoch wollte ich plötzlich hier anerkannt werden. Für die ganzen Taten, die ich begangen hatte, um meinem Anführer Respekt zu erweisen und das Land zu beschützen. Sie wussten freilich nicht, dass ich eine Valdir geworden war, wussten nicht, dass das Böse in mir Oberhand gewonnen hatte, wussten nicht, dass ich mich keiner Fraktion untergeordnet hatte und mein Leben ein

einziger Auftrag war. Allerdings war mir bewusst geworden, dass ich alleine war. Die Valdirs die ich sogenannte Freunde nannte, nicht Freunde waren, sondern auch nur Menschen, die sich dem Anführer ganz und gar versprochen hatten und einzig und allein nur der Name Valdir uns zu einer Gruppe machte. Gruppe, nicht Familie nicht Freunde. Gruppe mit demselben Namen und Killer, die jederzeit dazu bereit waren zu töten. Die Frage warum oder wieso, stellte sich nicht, bei den Valdir. Liebe empfanden wir nur, wenn wir Blut sahen, wenn wir den Menschen erblickten, dem das Herz stehen blieb oder herausgerissen wurde, wenn wir kämpfen

durften. Aggressivität war unser oberstes Gebot. Die Frage warum, eine Nebensache. Ich stellte mir die Frage und plötzlich, tat in mir ein Gewissenskonflikt auf, dass ich mir nicht erklären konnte. Ich war ein Valdir, keine Frage. Ich diente meinem Anführer mit voller Leidenschaft, keine Frage. Vielleicht war es doch Zeit etwas zu ändern. Auf einmal tat sich mir Seras Aussage auf. ‚Du weißt, dass du aus einem ganz anderen Grund zu den Valdirs gekommen bist.‘ Vielleicht war es wirklich so. Ganz in meinen Gedanken verloren, hörte ich Falior hinter mir böse pfauchen und nach seinem Schwert greifen. Auch wenn es für mich nur ein kleiner Schubs gewesen war,

war es genau das i-Tüpfelchen, dass das Fass von Falior zum Überlaufen gebracht hatte. „Erspar dir die Mühe, mein Freund“, zischte ich kampfeslustig, „Du weißt genau wie ich, dass du verlieren würdest.“ Was war das für ein Gen, das Valdirs immer gleich so aggressiv machte? „Das werden wir ja sehen!“, schrie Falior und ich hörte, wie er das Schwert aus dem Halft nahm und seine Schritte am Boden, wie er auf mich zukam. Blitzschnell drehte ich mich auf die rechte Seite, als er mit dem spitzen Ding voraus, auf mich zugerannt kam. Meine Ausweichtaktik durchblickte er sofort, drehte sich mit mir und holte aus. Akrobatisch machte ich meine

Drehbewegung fertig, stand nun hinter ihm und konnte ohne viel Mühe und Kraftaufwand meine Arme um seinen Hals wickeln und zu drücken. Falior versuchte, dass Schwert über seinen Kopf zu bringen, jedoch ohne Erfolg, da im schnell die Luft ausging. Sein Gesicht färbte sich blau, seine Arme erschlafften und sein Schwert fiel klirrend zu Boden. Als er dann in Ohnmacht fiel, lockerte ich meinen Griff und ließ ihn Richtung Erde gleiten. Ich wusste, dass er nicht der beste Valdir war, doch das ich ihn so schnell überlisten konnte, war ein Armutszeugnis für Falior. Ich durfte ihn nicht töten, das war mir klar. Er musste heil aus dieser Sache herauskommen, damit er dem Anführer erzählen konnte, welchen super Job ich

gemacht hatte. Jedoch war es mir Recht, dass ich für eine kurze Zeit einmal meinen Auftrag alleine erledigen durfte. Er müsste so in einer halben Stunde wieder zu sich kommen, bis dahin konnte ich so einige Sachen erledigen, die mir schon länger durch den Kopf gegangen waren. Sie waren falsch und der Valdirideologie völlig fremd, dennoch ging es um meine Familie und ich wusste von Anfang an, dass dieser Auftrag mein ganzes Leben verändern würde. Endlich wusste ich, warum ich in letzter Zeit so viele Gedanken an andere Dinge verschwendete, unter freien Willen arbeitete und dem Anführer das Gefühl gab, ihn zu verraten. ‚Du bist aus einem ganz anderen Grund

hier!‘ Wieder Seras Aussage in meinem Gehirn. Dieser Auftrag war ein Test und unter gründlicher Überlegung musste ich mich entscheiden, wie dieser Ausfallen würde. Ich wusste, ich war viel mehr als nur ein Valdir, trotzdem war ein Valdir zu sein, die einzige Lösung, um genau das zu bekommen was ich wollte. Um Fragen und Antworten zu bekommen. Ich musste meinen Anführer zeigen, dass alles was er mir auftragen würde, ich mit Bravour meisterte, dass er das Einzige ist, an das ich glaubte. Ich brauche die Gewissheit, dass mein Anführer mir vertraute. Ich war eine Valdir und ich hatte eine halbe Stunde Zeit um den Plan, den ich geschmiedet hatte,

um das Attentat auf meine Schwester perfekt zu machen.

|| fünf ||

Im Schneidersitz saß ich neben dem Mann, von dem man glaubte, dass er tot sein könnte, wenn man nicht auf seiner Brust regelmäßige Atembewegungen feststellen würde. Auf seinem Hals hatte sich ein roter länglicher Abdruck gebildet, genau an der Stelle, wo ich ihn vor etwa einer halben Stunde gewürgt hatte. Falior sah, während dem Schlafen ziemlich friedlich aus. Vor einigen Minuten war ich schon von meinen Vorbereitungen zurück gekehrt und wartete nur noch darauf, dass der männliche Valdir aufwachte, um endlich weiter zu gehen. Der Wind hatte inzwischen angefangen zu wehen. Da langsam die Nacht hereinbrach und

Zarisma in einen schwarzen Nebel eintauchte, mussten wir uns ein Nachtquartier suchen, um nicht in dem dichten grauen Schleier verloren zu gehen. Dieses Dämmerungsverfahren war typisch für Zarisma. Doch schon früh hatten wir damit gelernt umzugehen. Nicht von irgendwo kam es her, dass unsere Fraktion eine Kämpfernatur war. Mit so manchen Gefahren mussten sich die Bewohner dieses Landesteil auseinander setzen. Sei es durch Wetter- und Machteinflüsse. In Zarisma konnte man nur überleben, wenn man kämpfte. Langsam öffnete Falior die Augen und sobald er bemerkte, dass er sich auf dem Boden liegend befand, schaltete sein

Schutzmechanismus ein und er war hell wach und gleichzeitig auch wieder auf den Beinen. „Was ist passiert?“, fragte er aufgeregt und blickte sich fragend um. Ich musste ein Lachen verkneifen, da er anscheinend vor dem Kampf so in den Blutrausch gesegelt war, dass er nicht mehr wusste, was er überhaupt gemacht hatte. Noch bequem am Boden sitzend, strich ich mir die Haare aus dem Gesicht, die der Wind aus meinem Zopf gelöst haben musste. „Ich würde sagen, wir haben geklärt, wer hier der mächtigere Valdir von uns beiden ist“, erklärte ich Falior und sah ihm direkt in die Augen. Seine Mundwinkel fielen automatisch nach unten und seine Augenbrauen zogen sich zu

einer geraden Linie zusammen. Dennoch sagte er dazu kein Wort, sondern hielt mir nur hilfsbereit seine Hand entgegen. Hatte ich gewonnen? Waren diese Streitereien, wer jetzt wem folgt vorbei und er gehorchte jetzt mir? Mit fragwürdigem Blick sah ich ihn an und war keinesfalls bereit seine Hilfe anzunehmen. Da war doch was faul an der Sache. „Stehst du jetzt auf oder nicht?“, wollte er nun von mir wissen. „Ich steh schon auf, jedoch ganz ohne deine Hilfe!“, blaffte ich in seine Richtung. Während er heftig seinen Kopf schüttelte, da er meine plötzliche Aggression nicht verstehen konnte, richtete ich mich wieder auf und war bereit die nächsten Schritte

einzuleiten. Falior hob sein Schwert auf, das sich noch immer mitten am Boden des Weges befand und steckte es wieder in den Halft zurück. „Was nun?“, stellte er mir nun die Frage und ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass etwas nicht in Ordnung war. Er sah mich als Anführer dieser Gruppe, obwohl ein Valdir das niemals vor einem anderen Valdir tun würde. Skeptisch schaute ich ihn an. „Was ist mit dir am Boden passiert?“ Der Blondhaarige tat so, als ob er mich gar nicht gehört hatte, drehte sich zu dem Weg hin und ging los. „Du wolltest doch vorhin diesen Weg gehen oder? Dann los!“, bemerkte er nochmals und

nickte mir auffordernd zu. Ich wurde das komische Gefühl nicht los, dass an der Sache irgendetwas nicht stimmte. War in der zwischen Zeit als ich weg war etwas anderes im Gange gewesen? Trotzdem folgte ich ihm ohne zu Meckern, behielt ihn aber aufmerksam im Auge. Der Weg führte in einen kleinen Wald. Es gab nicht viele Wälder in Zarisma, die meiste Landschaft bestand aus Äckern und Felder, auf denen fast ununterbrochen die Bewohner ihrer Arbeit nachgingen. „Wir müssen uns ein Nachtquartier suchen“, war Faliors Einfall. „Hast du sie noch alle?“ fragte ich den Mann, „Was für ein Valdir bist du, der in der Nacht schläft und am Tag seine Missionen

erfüllt?“ „Aber der Nebel?“ „Das ist meine ehemalige Heimat. Ich bin hier aufgewachsen. Ich weiß wie ich damit umzugehen habe.“ „Aber ich nicht“, hörte ich ihn nur leise flüstern. Wir gingen den Weg, den ich gehen wollte, direkt in das kleine Wäldchen hinein. Früher war ich dort immer mit meiner kleinen Schwester hingegangen, wenn wir uns von daheim verstecken wollten, den Nahkampf trainierten oder einfach alleine sein wollten. Der Nebel wurde immer lichter, je dichter die Bäume standen, jedoch machte die Dunkelheit das schnelle Vorankommen schwieriger. „Was willst du hier? Ist das ein Geheimweg?“, wollte Falior von mir wissen, der sich sichtlich

schwer tat mir so schnell zu folgen und skeptisch, da er keinen Plan von meinem Plan hatte. „Früher ist Jelia immer zu Mitternacht raus gegangen, da sie sich beweisen wollte. Wir haben einen kleinen Unterschlupf gebaut, wo wir immer gemeinsam trainierten“, erzählte ich dem Valdir. „Wieso bist du dir so sicher, dass sie heute Abend da sein wird?“, fragte mich Falior. „Bin ich nicht, aber ein Versuch ist es wert und ich weiß, dass niemand es wissen wird, wenn sie wirklich hier heraußen ist“, beantwortete ich seine Frage. Ich verlangsamte meinen Schritt, weil es jetzt auch für mich schwieriger wurde durch die Schwärze der Nacht zu sehen. Falior tat es mir

gleich. Nur noch einige Meter waren wir von unserem Ziel entfernt. Mit einer Handbewegung, die er nur sehr schwer erblicken konnte, forderte ich ihn auf stehen zu bleiben. Ich hörte etwas und es war nicht das Rauschen vom Wind, der durch die Blätter der hochstehenden Bäume wehte. Ich schaltete sofort in den Valdirmodus um und passte noch mehr auf meine Bewegungen auf. Langsam setzte ich mich auf den Boden des Waldes, legte meine Hände auf, die vom Nebel etwas feuchte Erde, und konnte wahrnehmen, wo sich die Person befand, die die Stille trübte. Ihren Bewegungen zu folge war es ganz sicher meine Schwester. Ich wusste, dass sie bei jedem Schlag einen kleinen Schritt nach vorne machte und das spürte ich gerade.

Falior bückte sich zu mir herab, um besser sehen zu können, was ich in dem Moment vor hatte. Mir war klar, dass Jelia während dem Trainieren nicht sonderlich auf die Umgebung Acht gab, da sie wusste, dass niemand diesen Ort kannte, außer ich und sie. Das war der perfekte Ort für mein Verbrechen. Hier würde es jetzt also passieren. Hier an unserem Zufluchtsort würde ich meine kleine Schwester töten. ~*~ Schritt für Schritt ging sie die Übungen durch, die ich ihr beigebracht hatte, als sie noch ein kleines Kind war. Nach diesen kamen Übungen dran, die sie sich wahrscheinlich bei unserem Bruder abgeschaut hatte. Für ihr Alter war sie

ziemlich geschickt und aus ihr hätte später mal noch etwas ganz tolles werden können. Vielleicht sogar eine Valdir. Jedoch wusste ich, dass Jelia dafür zu gutmütig war. Ein guter Mensch, den ich umbringen musste. Was war dem Anführer hierbei nur eingefallen? Sie würde niemals seine Macht in Frage stellen oder bekämpfen wollen. Ich war alleine schuld, dass sie getötet werden musste. Damit ich meine Loyalität dem Anführer zeigen konnte. Die Nacht war jetzt vollkommen hereingebrochen. Einzig und allein das kleine Licht, dass Jelia für ihre Übungen benutzte, hellte die Lichtung, wenn auch nur ein kleines bisschen, auf. Im Dickicht der Gebüsche saß ich am Boden

und plante meine weiteren Schritte. Falior betrachtete mich angespannt, wahrscheinlich war er sich nicht sicher, ob ich mein Vorhaben auch wahrhaftig durchzog. Nach ein paar Minuten, in denen ich in mir gegangen war und ein paar Mal kräftig eingeatmet hatte, deutete er mir, dass ich nun endlich anfangen sollte. Anscheinend hatte er Angst, dass meine Schwester abhauen könnte oder frühzeitig wieder nachhause gehen könnte. War ich bereit? Ich wusste es nicht. Ich wusste, dass die eigene Familie für einen Valdir nichts bedeutete. Trotzdem hatte ich ein mulmiges Gefühl, das ich etwas Falsches tat. War es mein Plan, der mich jetzt verharren ließ? Hatte ich Angst, dass er nicht aufgehen

würde? Ich hatte keine Ahnung. Ich wusste jedoch, dass wenn ich mir jetzt noch länger Zeit lassen würde, Falior es bestimmt als Rückzug ansehen würde. Und ich wollte absolut keine Angst und keinen Zweifel bei meinem Begleiter hinterlassen. Er sollte dem Anführer berichten, dass ich ohne mit der Wimper zu zucken, meine Schwester umgebracht habe. Schnell holte ich noch einmal tief Luft, ließ Falior wissen, dass er hier bleiben sollte, stand auf und ebnete mir den Weg zur Lichtung, geradewegs auf Jelia zu. Die Lichtung war so wie ich sie in Erinnerung hatte, eine etwa 8 Meter große runde und freie Fläche. Ein kleines Häuschen stand etwas links in der Fläche. Meine Schwester und ich

hatte es gemeinsam gezimmert. Es war zwar keine Glanzleistung, um allerdings Kampfgegenstände zu verstecken, gut genug. Bei dem Laubbaum, der einen seiner Äste ganz tief nach unten gesenkt hatte, hatten wir einen Seesack für die Kämpfe aufgehängt. In mir kamen mehr und mehr die alten Erinnerungen hoch. Doch diese musste ich jetzt verbannen. Ich musste an meinen Auftrag denken. Ich musste böse sein. Ich musste böses tun. Für mich und den Anführer. Ich spürte Falior Blick direkt in meinem Rücken. Ich hatte die Entfernung so gewählt, dass er sich extrem anstrengen musste, um nur ein Wort zu hören, dass ich mit meiner Schwester sprechen würde. Nun war es endlich so weit. Ich war an der

Lichtung angekommen und es erschreckte mich, dass Jelia mein Auftreten gar nicht bemerkt hatte. Sie war anscheinend so in ihre Übungen vertieft, was ich bewunderte. „Jelia, es tut mir so leid!“, flüsterte ich und sprintete auf mein kleines Abbild zu. Nun endlich hatte es meine Schwester bemerkt, dass sie nicht mehr alleine auf der Lichtung war. Sie trete sich abrupt um. Ihre Kampfeshaltung gegenüber dem Seesack hatte sie mitgenommen. Ich allerdings wusste, dass sie mit ihren 12 Jahren keine Chance gegen mich hatte. Mein Plan musste einfach aufgehen und wie von Geisterhand griff meine Hand zu dem Dolch an dem Schaft auf meiner Hüfte. Ich zückte ihn, wie bei jedem anderen Opfer ohne

nachzudenken. Immer wieder dachte ich an meinen Plan. Lass ihn bitte aufgehen. Ich war nur mehr wenige Schritte von Jelia entfernt. Ich konnte ihre Angst spüren und ich wusste, dass sie genau merkte, warum ich da war. Sie machte keine Anstalten, wollte nicht fliehen, weil sie genau wusste, dass es aussichtlos gewesen wäre. Ich kannte das Dickicht des Waldes genauso gut wie sie. Langsam schloss sie ihre Augen, ließ von ihrer Kampfespose ab und ergab sich ihrem Schicksal. Meinem Schicksal. Lass den Plan bitte aufgehen. Ich richtete den Dolch auf ihr Herz und in einem Zug durchbohrte es ihre Brust. Sie schrie nicht. Sie sah mich nicht

an. Ich spürte wie innerlich etwas in mir zerbrach: Doch ich durfte keine Gefühle zeigen, nicht wenn Falior die ganze Sache beobachtete. Ich war so stolz auf meine Schwester, dass sie es wie ihre Bestimmung hinnahm und vielleicht war es das auch. Vielleicht musste sie mir so etwas aufzeigen, dass ich sonst niemals gespürt hatte. Lass meinen Plan bitte aufgehen. Als ich merkte, dass ihr Körper sich ergab, ließ ich den Dolch wieder zurück fahren. Blut übersäte jetzt das dunkle Gras und sah wie eine schwarze Pfütze aus. Ich war so froh, dass Jelia die Augen geschlossen hatte, denn so konnte mich ihr Blick nicht mehr

durchstechen. Es war geschehen. Ich hatte meine Schwester umgebracht. Ich hatte den Auftrag ausgeführt und mir meinen Respekt zurück geholt. Ich stand noch immer vor der zusammen gesunken und am Boden liegenden Jelia, als sich Falior zu mir auf die Lichtung traute. „Sie hat sich gar nicht gewehrt“, sagte er zu mir, als er sich zu meiner Schwester runter beugte, um ihren Tod selbst festzustellen. „Sie war 12 Jahre alt, was denkst du, dass sie vielleicht eine Chance gegen mich gehabt hätte?“, fauchte ich ihn an. Mir war nicht nach Scherzen zu mute. Ich war leer. Mein Gefühl war leer. Ich hoffte so sehr, dass mein Plan aufgegangen war. „Willst du sie hier liegen lassen?“, fragte mich

mein Begleiter ohne auf meine Aussage einzugehen. Ich musste mich zusammen reißen. Es war noch nicht vorbei. Ich musste alle Kraft noch mal zusammen nehmen und das Spiel zu Ende spielen. Valdir machte den Tod eines Familienmitgliedes nichts aus. Immer wieder bekräftigte ich mich in meinen Gedanken selber. Endlich löste ich mich aus meiner Starre, setzte ein Grinsen auf, dass Falior ziemlich irritierte und wischte den Dolch an einen Strauch in nächster Nähe ab. „Ich frage mich inständig, wie immer wieder solche dummen Fragen aus deinen Mund kommen können“, antwortete ich ihm, „In dem kleinem Häuschen gibt es eine Diele, die sich

herausnehmen lässt, unterhalb ist ein kleiner Bereich, in dem wir immer wertvolle Gegenstände versteckt hatten, dort werde ich sie unterbringen.“ Fragwürdig sah mich Falior an: „Sie ist doch viel zu groß dafür!“ Ich schüttelte lachend meinen Kopf. Ich spielte meine Sache so gut, dass ich mir sogar selbst glaubte, dass ich die blutrünstigste Valdir war, die es in diesem Land gab. Ich musste mein Spiel zu Ende spielen. „Gib mir dein Schwert, dann wird sie bald dort Platz finden!“ Lass meinen Plan bitte aufgehen! ~*~ Gerade war ich fertig geworden, die einzelnen Teile von Jelia in den Zwischenspalt zu

quetschen. Falior wartete draußen auf mich, da er die Umgebung im Auge behalten wollte. Ich fühlte mich nicht sonderlich gut. Nicht weil ich meine Schwester gerade in kleine Stückchen zerhackt hatte, sondern weil mich der Gewissenskonflikt quälte. Tat ich das Richtige? War ich bereit mein Leben in diese Richtung zu steuern? Was hieß es schon eine Valdir zu sein? Schnell schüttelte ich die Gedanken wieder ab und schloss die Lücke im Boden mit der dafür vorgesehenen Diele. Es war geschehen. Nichts konnte das jetzt ändern. Ich konnte es kaum erwarten mit Falior wieder zurück zu kehren und mir den Respekt vom

Anführer wieder zu gewinnen. Viele Fragen hatten sich mir auf dieser Reise aufgetan und natürlich würde er sie mir nur beantworten, wenn ich auf seiner Seite stand. Durch einen lauten Aufschrei wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. War das Falior? Hastig machte ich mich daran aus dem Häuschen zu verschwinden. Ich war nicht einmal aus der Tür, als mir Falior geradlinig entgegen kam. Durch die Dunkelheit konnte ich seinen Blick kaum deuten. Er war so anders, als sonst, so erschreckend - ängstlich. „Was ist passiert?“, wollte ich von ihm wissen und hielt ihn fest bei den Schultern, damit er mir nicht entkommen konnte. „Draußen tut sich so einiges. Ich glaube ich

habe einen Geist gesehen? Aber Geister gibt es nicht!“, redete er so schnell, dass ich den Zusammenhang kaum wahrnehmen konnte. Was redete er da von Geistern? War er verrückt geworden? Ich meine nach der Bewusstlosigkeit war er mir schon etwas sonderbar vorgekommen, aber dass er jetzt halluzinierte, das war mir vollkommen fremd. Und außerdem war er ein Valdir. Er sollte nicht einmal vor angeblichen Geistern Angst haben. Vielleicht ist er ja doch nicht so stark wie er sich das immer dachte? „Rede keinen Unsinn!“, fauchte ich ihn an, „Es gibt keine Geister, du Vollidiot!“ „Dann sieh doch selber nach! Es hat mich sogar schon angegriffen“, stammelte der eigentlich so starke Mann weiter, „Es ist direkt

durch mich hindurch geflogen. Mich schauderte es. Ich… Ich… hab Dinge gesehen, die… die…“ Er ließ sich zu Boden fallen. Anscheinend konnte er seinen Satz nicht mehr zu Ende bringen. Ich schüttelte entrüstet über seinen Zustand den Kopf. Er war offensichtlich wirklich nicht mehr ganz richtig. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Furchtlos blickte ich Richtung Tür. Ich musste mich selber überzeugen, ob seine Geschichte wahr war. Doch warum sollte er lügen, kam es mir in den Sinn. Draußen hörte man plötzlich einen lauten Knall. Falior schreckte zusammen. Er war nicht mehr wieder zu erkennen. Mich fachte der ohrenbetäubende Schlag nur an, ins Freie zu

gehen und mich dem Gegner zu stellen. Egal wer oder was es war. Schritt für Schritt bahnte ich mich zur Hüttentür, als ein weiterer grober Ton ertönte. Jetzt war ich hellwach. Ich war neugierig und mein Valdirinstinkt sagte mir, dass da draußen etwas auf mich wartete, dass ich leicht bezwingen konnte. Geist? Wer glaubte schon an Geister. Eine Valdir glaubte ganz alleine an sich selbst. Um den außerhalb kommenden Gefahren auch ein Überraschungsmoment zu bieten, schlug ich mit aller Kraft die Tür auf, die auf der anderen Seite von der Wand abgeprallt wurde und etwas aus den Angeln sprang. Mit einem Blick hatte ich die Umgebung gescannt. Es war noch immer stock dunkel, ein paar Nebelfäden

liefen über den Platz vor dem Hüttchen. Es schien wieder alles ruhig zu sein. Nochmals ließ ich mein Auge über die Umgebung wandern. Da fiel es mir plötzlich auf. Ein Schatten hatte sich in den Gebüschen bewegt. Er war so groß, dass er von einem Hirsch stammen könnte, doch die Umrisse passten nicht solch einem Tier zusammen. Ich fixierte den Punkt und mir war klar, dass der dunkle Schleier sich beobachtet fühlen musste. Ich konnte ihn nicht fliehen lassen. Ich musste ihn bekommen. Ich musste ihn töten. Meine Mordeslust brach in mir hoch. Er hatte Falior erschreckt und er hatte mir vielleicht beim Töten zu gesehen. Ich konnte keine Zeugen gebrauchen. Nicht nach dem Plan, den ich ausgeheckt

hatte. Gerade wollte ich auf den Busch zu stürmen, als ich eine mir bekannte Stimme wahrnahm. „Xanya, bist du das?“ Nein, das konnte nicht sein. Keiner wusste von diesem Versteck außer ich und meine Schwester. Oder hatte sich das so in den Jahren verändert? Vielleicht hatte Jelia das Geheimnis weitergegeben. Natürlich, ich war doch nicht mehr für sie da. Jetzt musste sie sich einer neuen Vertrauensperson anschließen. Und wer, wen nicht er. „Koro?“, so fragend hatte ich noch nie einen Namen genannt. Mein Bruder. Schon so lange hatte ich nichts mehr von ihm gehört, ihn geschweige denn gesehen. Die Familienzusammenführung

machte mich fertig, vor allem, da ich gerade unsere kleine Schwester begraben hatte und er dies sicher mit verfolgt hatte. Kaum als ich mich versah, flog er aus seinem Versteck und direkt auf mich zu. Ich konnte in der Dunkelheit nur seine Umrisse erkennen. Er war groß und muskulös. Kräftiger als ich ihn in Erinnerung hatte. Seine langen Haare flogen im Wind, welches der Sprung verursacht hatte, nach hinten. Doch warum griff er mich an? Ich war doch seine Schwester. Die Schwester, die sein kleines Geschwisterchen gerade am Gewissen hatte. Okay, vielleicht konnte ich es doch verstehen. All diese Gedanken machten sich in mir breit, während Koro auf mich zu schoss. Meine Valdirausbildung erlaubte es mir viele Sinne

gleichzeitig zu erfassen. Langsam bereitete ich mich in Kampfstellung vor. Ich wollte gegen meinen Bruder nicht kämpfen. Ich hatte schon genug Gewissenkonflikte wegen Jelia. Da brauchte ich nicht noch ein totes Familienmitglied. Oder musste ich meine Tarnung aufgeben? Aber was, wenn Falior davon Wind bekam? Ich musste versuchen ruhig zu bleiben. Ich weiß, als Valdir war es schwer, aber mein Bruder machte die Sache jetzt doch etwas kompliziert. Nein, ich musste zu meinen Plan stehen. Es half alles nichts. „Du hast Jelia umgebracht! Was bist du für eine Schwester?“, seine Stimme klang ganz und gar nicht wie von einem starken Mann.

Ich konnte seine Trauer heraushören. Ich konnte seine Tränen spüren, die seine Wangen hinab liefen. Ich konnte seinen Hass fühlen, den er mir gegenüber brachte. Ich konnte ihn in all diesen Dingen so gut verstehen. Eine Valdir verstand so etwas aber nicht. Eine Valdir tötete. Eine Valdir war böse. Also musste auch er jetzt daran glauben. ~*~ Gekonnt ergriff er mit seinem Schwung meinen Arm und drehte ihn nach, zusätzlich trat er mir in die Kniekehle, welches zur Folge hatte, dass ich leicht einknickte. Er war ein Zarisma. Was war anderes zu erwarten, dass er ihm

Nahkampf hervorragend war. Seine Stärke machte es ihm als Draufgabe noch einfacher. Insgeheim freute ich mich, dass es endlich jemanden gab, mit dem ich meine natürlichen Fähigkeiten messen konnte, auch wenn die Situation an sich nicht allzu erfreulich war. Ich war die einzige Zarisma im Valdirlager. Was mich schon damals sehr stutzig gemacht hatte? Alle meine Instinkte fuhren hoch. Die Valdirmaske war an seinen dafür vorgesehenen Ort und ich ließ mich gänzlich in das tödliche Spiel ein. Ich ließ mich ganz zu Boden fallen, packte mit meinen zweiten Arm, seine andere Hand und hob ihn mit Schwung über meinen Körper auf die andere Seite, von der er gekommen war.

Durch die Überraschung, dass ich sein ganzes Gewicht über mich stemmen konnte, ließ er mein Handgelenk aus und so ermöglichte es mir, gleich darauf meinen nächsten Schritt anzugehen. Er landete auf den Rücken. Selbstverständlich rollte er sich gleich zur Seite. Anscheinend hatte er keinen Tag ausgelassen ohne das er trainiert hatte. Vielleicht sogar mir Jelia? Ich schlug ihm meinen Fuß direkt zwischen die Rippen in die Magengegend. Er bäumte sich etwas, jedoch hatte er seine Bauchmuskeln so angespannt, dass er den Schlag halbwegs abwehren konnte. Schnell ergriff er mein Bein, bevor ich es zurückziehen konnte. Zog daran und ich landete nicht gerade bequem auf den kalten vom Nebel aufgeweichten Erde.

Nichtsdestotrotz schleifte er mich etwas zu sich, damit er sich auf mich stürzen konnte und mich am Boden fest hielt. Ich war stocksauer. Niemand ließ mich so kalt aussehen. Niemand besiegte mich. Vor allem nicht im Kampf mit Händen und Fäusten. „Warum hast du das getan?“, schrie er mich an. Kalte Tropfen seiner Tränen fielen auf mich herab und streiften meine Wangen. Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich war so in meinem Blutrausch gefangen, dass ich kaum noch etwas in meiner Umgebung wahr nahm. Ich musste Koro töten. Meine Bestimmung war es Koro zu töten. Ihn leider zu sehen. Ihn für das strafbar machen, dass er versuchte eine Valdir im Zaum zu

halten. Anscheinend hatte Koro gemerkt, dass das Fragenstellen sinnlos war. Dass ich mich in meiner eigenen Welt befand, in der ich zurzeit nicht entfliehen konnte. Ich wollte Blut sehen. Ich wollte Koros Blut sehen. In seinem Gesicht sah ich einen Anflug aus Mitleid. Wieso empfand er Mitleid für mich? Ich war doch stark. Ich war eine Valdir. Ich war die beste tödlichste und atemberaubendste Valdir weit und breit. Er müsste stolz auf mich sein. Oder etwa nicht? „Es tut mir Leid, dass ich das jetzt machen muss“, hörte ich nur dumpf an mein Ohr dringen. Ich wehrte mich mit aller Kraft, um aus seinen

Griff zu entkommen, aber er saß so fest auf meinen Oberschenkel und hatte meine Hände so stark unter Kontrolle, dass ich sicher blaue Flecken davon tragen würde. Aber was tat ihm Leid? Dass ich ihn umbringen musste? Dass ich mich gleich befreien würde und ihm die Kehle aufschlitze? Ich hörte ein komisches Gemurmel, dass von meinem Bruder kam und ich fragte mich, was sich das Bringen würde, wenn er gleich in einem Blutmeer am Boden liegen würde. Plötzlich verstummte er und mit dem ausbleiben seiner Stimme, kam der laute Knall wieder. Ich traute meinen Augen nicht, als ich nun das verschwommene etwas sah, dass sich über

Koros Kopf am Himmel zusammenbraute. Es sah aus, als ob sich der Nebel zu einen Gebilde zusammen führen würde. Was war das? Machte das Koro? Hatte er darum geflüstert? Ich konnte es nicht begreifen. Auch wenn ich mich gerade im Blutrausch befand, wusste ich nicht, wie ich mit so etwas umgehen sollte? War es einfach nur ein Naturschauspiel? Nein, musste ich feststellen, als sich der Nebel zu seiner Person formte. Sie war groß, hatte langes Haar, das offen im Wind der Nacht wehte. Was war das? Ich zuckte ein wenig zusammen, als ich ein weiteres Mal auf das weiße undurchsichtige Etwas starrte und mich plötzlich zwei

tiefstgrüne Augen anleuchteten. Ich hatte aufgehört mich zu wehren. Gebannt von dem „Geist“ oder was auch immer es sein mag. Auch Koro lockerte etwas seinen Griff, ließ mich jedoch nicht los. „Es tut mir leid!“, flüsterte er noch einmal und das kosmische Wesen kam auf mich zugeflogen. ~*~ Es war hell, als ich erwachte. Ich fühlte mich komisch. Erniedrigt. Traurig. Ich war nicht ich selbst. Das wusste ich. Etwas war geschehen. Bevor ich in Ohnmacht gefallen war, war etwas geschehen. Schnell richtete ich mich auf. Bevor ich in Ohnmacht gefallen war, war ich gerade in einem Kampf mit Koro

verwickelt. Wo war er nun? Ich sah mich um. Ich war alleine. Die Sonne strahlte auf den kleinen Platz, sofern es die großen dichten Bäume zuließen. Es schien alles ruhig zu sein. Zu ruhig. Noch immer verwirrt, hievte ich mich auf und musste feststellen, dass sich um meine Handgelenke wirklich blaue Flecken gebildet hatten. Bei der kleinsten Bewegung durchfuhr mich ein Stechen. Was war bloß passiert? Langsam ging ich auf die Hütte zu, da ich erwartete, dass Falior noch immer zusammen gekauert darin auf mich wartete. Die Tür stand weiterhin offen und ich musste zu meinem Entsetzen feststellen, dass zwar Falior da war,

jedoch nicht mehr lebendig. Ich suchte ihn nach Kampfspuren ab, allerdings fand ich nichts, dass darauf hindeute, dass er durch eine Attacke gestorben war. Was sollte ich bloß dem Anführer erzählen? Er würde mir nie die Geschichte von diesem Gei… . Plötzlich kam es in mir hoch. Das Gefühl, als das Wesen auf mich zuschoss. Traurigkeit. Leid. Tod. Es fraß mich auf. Schnell schüttelte ich den Gedanken ab. Ich durfte mich nicht zu sehr daran erinnern, dann würde es schon gut gehen. Doch warum war Falior daran gestorben? Hätte ich dann nicht auch Tod sein müssen? Warum hatte ich

überlebt? Und wie zum Teufel sollte ich das alles meinem Anführer beibringen? Ich versuchte Falior hochzuheben, doch meine Hände spielten einfach nicht mit. Zu gerne hätte ich ihn als Beweis mitgebracht, dass nicht ich ihn getötet hatte, sondern jemand anderer. Jemand namens Koro. Jemand, der mein Bruder war. Ich wusste nicht mehr was ich fühlen sollte. Darum verließ ich den Ort des Schreckens und machte mich auf die Heimreise. Ob ich es jedoch noch immer mein zu Hause nennen durfte? Da war ich mir nicht so sicher. Mein Boss wird auszucken, angesichts der Tatsache, dass er mir überhaupt Glauben

schenkt.

|| sechs ||

„Hast du den Verstand verloren?“, brüllte mich der Anführer an. Ich war nach Hause gekommen und der erste Weg führte mich direkt zum Anwesen unseres Bosses. Irgendwie hatte ich ja so eine Reaktion erwartet, aber sie war noch ein bisschen heftiger als in meinen Vorstellungen. Wir befanden uns in dem einzigen Raum, den ich in seinem Haus kannte. Hierher führten die Wachen uns immer, wenn wir einen neuen Auftrag bekamen oder der Anführer uns sprechen wollte. Oder so wie ich jetzt, Bericht erstattete, über die überdimensionale Erfahrung, die ich gerade mit dem Geist von Koro gemacht hatte.

Koro. Wenn ich nur an ihn dachte, bildete sich Gänsehaut auf meinem Rücken. Oder war es eher die Erinnerung an den Geist. Diese grünen Augen. Irgendwo hatte ich solche schon einmal gesehen. „Und du weißt nicht wer der Angreifer war, der dir diesen ‚Geist‘ auf die Nase drückte!“, war der Boss noch immer sehr in Rage. Seine Aussage war eher eine Bestätigung, als eine Frage. Auch wenn ich eine Valdir war, ich wollte nicht auch noch meinen Bruder in dieser Geschichte verlieren. Jelia war Opfer genug gewesen und das wahrscheinlich ohne jeden Erfolg.

Ich war verzweifelt. Ja, ich als Valdir zeigte echte Verzweiflung. Was war nur los mit mir? Ich hatte seit Tagen nichts mehr gegessen. Vor meinem Auftrag meine Schwester zu töten, hatte ich schon keinen Appetit mehr verspürt und während der Mission fand ich auch nicht wirklich die Gelegenheit zu essen. Ich fühlte mich wirklich ein wenig komisch und fragte mich, ob es an der mangelnden Ernährung oder doch an dem ‚Geist‘ lag. Auch kamen in mir mehr und mehr Gefühle hoch, die ich einfach nicht deuten konnte. Was war nur los mit mir? „Hörst du mir überhaupt zu Xanya?!“, schrie mich der Anführer jetzt

an. Ich erwachte aus meinen Gedanken. Natürlich hatte ich ihm nicht zugehört. Ich war viel zu sehr mit meinen Gemütszuständen beschäftigt. „Ich sage die Wahrheit. Ich habe meine Schwester getötet, zerschnitten und unter einer Diele im Fußboden versteckt. Falior hatte draußen Wache gestanden. Dann hörte ich seinen Schrei. Er kam angsterfüllt in das kleine Häuschen und sagte mir er hätte einen Geist gesehen. Ich bin raus um mich dem Geist zu stellen, da war aber niemand. Nach einigen Sekunden entpuppte sich dann doch ein Angreifer im Dickicht, wir lieferten uns einen Kampf und als er mich zu Boden streckte, kam dieser Geist zurück und ich fiel in Ohnmacht. Als ich aufwachte, war Falior

tot“, schilderte ich nochmals im Schnelldurchlauf die Geschichte. Der Anführer schüttelte nur designiert den Kopf. „Xanya, ich habe ja schon viele Märchengeschichten gehört, aber das schlägt wirklich alles!“ „Es war so, sehen Sie meine Handgelenke an“, ich streckte ihm verzweifelt meine blauen Hände entgegen. Ich wusste, dass es schwer werden würden, dem Obersten die Geschehnisse glaubhaft zu machen. Jedoch war die Sache mit dem Geist wirklich schwer zu glauben. „Ich denke“, stellte der Anführer jetzt sein Resümee, „Dass du mit Falior nicht einig geworden bist. Ihr zwei habt euch einen Kampf

geliefert, den er natürlich nicht gewinnen hat können. Geben wir es zu Xanya, du bist eine der besten hier, aber dein eigener Wille macht dich schwach. Du wolltest deine Schwester nicht töten. Jetzt bindest du mir einen Bären auf und ich soll dir die ganze Geschichte auch noch glauben?“ „Holen wir Falior aus Zarisma“, war mein Vorschlag, „Dann werdet Ihr sehen, dass er durch keinen Kampf gestorben ist. Nebenbei könnt ihr euch auch noch die Überreste meiner Schwester ansehen.“ „So wie ich dich kenne, kann man mit diesen Überresten nicht mehr sagen, ob es Jelia war oder nicht.“ Er hatte Recht. Ich war so gründlich in meiner Arbeit, dass ich alles vertuschen konnte. Falior

hatte aber gesehen, wie ich sie in die Lücke im Boden quetschte. Warum war er nur gestorben? Was würde jetzt mit mir passieren? „Aber was ist mit Falior? Würdet Ihr mir glauben, wenn ihr keine Kampfspuren an ihm findet?“, fragte ich weiter, um mein Eigenes vielleicht noch etwas zu retten. Zurzeit sah es wirklich sehr schlecht um mich aus. Ich wollte den Respekt des Anführers wieder erlangen und was machte ich. Ich erzählte ihm irgendetwas von Geistern und von toten Valdir. Zugegebenermaßen ich würde mir wahrscheinlich auch nicht glauben, wenn ich mir diese Geschichte erzählen würde. Der Boss machte ein fragwürdiges Gesicht. Anscheinend wog er gerade die Seiten ab,

obwohl seine Seite beutend schwerer war. „Ich denke, es wäre nur fair einen Valdir zurück in sein zu Hause zu holen. Egal ob tot oder lebendig“, antwortete er mir, „Was jedoch mit dir passiert, Xanya“, sprach er weiter, „Das ist noch nicht entschieden.“ Ich wusste, dass er nicht mehr weiter über die Situation diskutieren wollte, deshalb schilderte ich ohne weitere Einwände, den Weg zu dem Versteck in Zarisma. Der Anführer würde ein paar Wachen zu dem besagten Ort schicken und Falior holen lassen. Um der zerstückelten Jelia machte er sich keine Gedanken mehr. Er war sich von vornherein sicher, dass ich den Auftrag nicht ausführen würde. Ich bekräftigte noch ein paar Mal, dass es wirklich meine Schwester war, doch er hielt mir immer wieder

vor, dass ich wahrscheinlich verrückt geworden war. Der Anführer verließ den Raum, den ich bis zum Eintreffen von Faliors toten Körper nicht verlassen durfte. Jemand stellte mir ein Tablett mit Essen herein. Ich hatte allerdings keinen Hunger. Jetzt nicht so wie in den Tagen davor. Gedanken zogen sich durch mein Gehirn. Ich wusste nicht was geschehen würde, wenn der Chef mir sowieso nicht glauben schenkte, wieso ließ er mich dann nicht gleich töten. Ich hatte einen einfachen Auftrag zu erledigen. Ich war mir so sicher, dass ich das hinkriegen würde. Alles war auf das kleinste Detail geplant. Und jetzt verlor ich den Respekt zu meinem Anführer wegen meinem Bruder. Koro. Was hatte er da nur für ein Wesen

erschaffen? Was zum Teufel war da durch mich durchgeflogen? Und warum hatte ich seit diesem Zeitpunkt so ein mulmiges Gefühl in der Magengegend? Ich musste meine Gedanken auf etwas anderes lenken. Es waren so viele Fragen offen, dass es mich nur noch mehr fertig machte. In diesem Raum konnte ich sie sowieso nicht beantworten. Der Raum war im Erdgeschoss des Anwesens. Es gab keine Tür nach draußen in den Garten. Jedoch zwei große Fenster auf einer Seite. Sollte ich fliehen? Kam mir der Gedanke. Sollte ich Karrori verlassen? Sollte ich verschwinden? Mein Leben als Valdir aufgeben? Nach Antworten suchen?

Es war mir klar, dass ich den Respekt dem Anführer gegenüber verloren hatte, doch war es wirklich eine gute Idee ihn auch noch zu verlassen? Allerdings würde er mir keine weiteren Aufträge mehr erteilen. War ich dann überhaupt noch eine Valdir? Und wenn ich keine mehr war, würde ich dem Boss dann etwas bringen? Was würde mit mir passieren? Ich war trotzdem noch gefährlich. Er hatte doch gesagt, ich bin eine der besten. Ich konnte mir gut zusammenreimen, dass wenn ich keinen Erfolg, keine Ergebnisse mehr brachte, dass er mich nicht einfach in Ruhestand schicken würde. Mein Todesurteil war geschrieben. Er würde mich umbringen lassen, um die Gefahr, die ich mitbrachte, zu

eliminieren. Flucht kam mir auf einmal als wirklich gute Lösung vor. Langsam bewegte ich mich zu den Fenstern, die ins freie führten. Es wäre ein leichtes, die Scheiben einzuschlagen und nach draußen zu hüpfen. Doch was dann? Das ganze Anwesen war mit einem großen Zaun eingegrenzt. Wie sollte ich da rauskommen? Vor dem Fenster befanden sich Gebüsche, die so hoch waren wie die Fensterbank. Auch wenn es nach der einfachsten Möglichkeit aussah, probierte ich trotzdem ganz normal das Fenster zu öffnen. Vielleicht würde ein bisschen Frischluft mein Gehirn auf bessere Einfälle bringen. Ich hatte damit gerechnet, dass es versperrt war, doch als ich den

Henkel nach oben drückte, ging das Fenster ganz normal auf. Wahrscheinlich hatte der Anführer an einen Fluchtversuch meinerseits nicht gedacht oder hatte, so wie ich vorher, den riesigen Zaun im Sinn. Als die Glasscheibe ganz offen war, wehte mir dir Wind direkt ins Gesicht. Ich schloss kurzzeitig die Augen und versuchte mich zu konzentrieren. Wie in alles in der Welt kam ich nur aus diesem Gefängnis? „Was machst du da?“, kam es auf einmal an mein Ohr. Schreckhaft riss ich die Augen auf und blickte in alle Richtungen. Die Tür, die sich im Raum befand, war noch immer geschlossen, also musste die Stimme

von draußen kommen. Hatte mich jemand am Fenster entdeckt? War es eine Strafe, dass Fenster zu öffnen? Den Wachen würde das doch bestimmt nichts ausmachen? Erst nach einigen Sekunden fiel mir auf, dass die Frage im Flüsterton gesprochen worden war. „Hast du etwas gegessen?“, fragte die Stimme weiter. Ich sah mich wieder im Freien um. In der Ferne erblickte ich zwei Wachen entlang des Hauses Patrouille stehen. Andere zwei marschierten den Weg, der sicher 400 Meter entfernt war, immer auf und ab. Niemand machte auch nur Anstalten mit mir zu reden. Dann suchte ich die Bäume und Gebüsche ab. War ich schon so aus der Übung, dass ich

nicht einmal diese eine Person, die mit mir redete entdecken konnte? Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht war es ja das Gewissen selbst, das mir diese Fragen stellte. „Xanya! Hier unten!“ Eine eindeutige Aufforderung, die nicht mein Kopf mir zusprach. Schnell blickte ich nach unten. „Gahoff?“, ließ ich fragend von mir. „Pssscht!“, antwortete mein ehemaliger bester Freund, „Versuch meinen Namen nicht auszusprechen. Die Wände haben Ohren.“ Er hatte sich hinter das Gebüsch unter der Fensterbank gezwängt. Die Äste mussten höllisch auf seiner Brust und im Gesicht kitzeln. Gahoff machte aber keine Anstalten,

dass ihm das in irgendeiner Weise etwas ausmachte. Was machte er hier? Ich hatte ihn seit dem Zwischenfall in der Gasse nicht mehr gesehen. Wie ging es seiner Schulter, in die ich in Rasche mein Messer hineingesetzt hatte? Er schaute mir nicht so aus, als ob er noch Schmerzen verspürte? Außerdem war ich noch immer nicht sicher, ob er einen Verrat gegenüber dem Anführer begangen hatte oder nicht. Vor dieser Antwort musste er ja spurlos verschwinden. „Wieso hab ich dich nicht wahrgenommen?“, stellte ich die einzige Frage, die gerade in dieser Situation Sinn machte zu stellen. Gahoffs Gesicht spitze sich zu einem Lächeln. „Ich bin ein Valdir. Du vergisst das immer wieder, Schätzchen.“

Ich vergas es nicht. Ich war mir nur nicht mehr sicher, was der Blondhaarige wirklich war. Die ganze Sache mit dem Fremden war ja auch noch in der Luft und dass alles was er machte einen Sinn gehabt haben soll. Was war in den letzten Tagen nur alles passiert, dass es zu so einer Wendung der ganzen Valdirgeschichte kam? Es war alles so normal vor ein paar Tagen. Und plötzlich war nichts und niemand mehr das was er behauptete zu sein. Ich benahm mich doch auch selber nicht mehr so, wie eine Valdir es machen sollte. „Was ist hier nur los?“, fragte ich mich eher selbst. „Keine Zeit für Erklärungen. Ich hol dich jetzt

hier raus!“ „Du hast nie Zeit für Erklärungen“, antwortete ich und überdrehte die Augen, „und wie willst du das anstellen? Du siehst doch die Wachen und den riesigen Wall um das Anwesen.“ Nochmals blickte ich auf die Umgebung vor mir. Es müsste schon ein Wunder geschehen, dass man hier unentdeckt fliehen konnte. „Xanya, vertrau mir und halt den Mund.“ „Dir vertrauen? Pah. Ich weiß nicht einmal ob du den Anführer wirklich belogen hast oder ob du auf seiner Seite stehst oder nicht. Und was ist mit diesen anderen Plänen, die du noch hast?“, blaffte ich ihn mit meinen Theorien an und stemmte die Hände auf die Fensterbank. Das war keine gute Idee, die Verletzungen, die Koro mir um die Handknöchel zugezogen hatte,

brennten höllisch auf. „Psssscht!! Langsam bekomm ich das Gefühl, dass ich dir nicht helfen sollte, aber wir brauchen dich!“, antwortete Gahoff mir, „Außerdem bist du in Bezug auf Vertrauen beim Boss auch nicht an oberster Stelle.“ Er hatte Recht. Ich war am Ende der Valdirkette. Wenn die Krieger mit Falior zurückkamen, war ich dran, den leblosen Körper Gesellschaft zu leisten. Gahoff war meine einzige Lösung im Augenblick. Und er war ja auch irgendwie hereingekommen, dann müsste er den Weg nach draußen auch kennen. Anscheinend hatte sich mein Gehirn wieder ein bisschen eingeschaltet. War aber auch Zeit geworden.

„Du hast Recht. Ich nehme mir nur etwas Proviant mit“, ließ ich mich jetzt auf Gahoffs Fluchtversuch widerwillig ein. Mein Magen hatte sich auch wieder zu Wort gemeldet, so war es nur ratsam, etwas von dem Essen, das mir die Wache ins Zimmer geschoben hatte, mitzunehmen. Trotzdem war es mir irgendwie ein Rätsel, warum ich mich plötzlich auf jemand anderen so einließ. Ich vertraute eigentlich keinem und als Valdir war man alleine noch immer am besten dran. Was war nur los mit mir, fragte ich mich wieder? „Nein!“, wurde der Valdir draußen vor meinem Fenster etwas lauter, „Iss nichts davon!“ Sofort ließ ich von diesem Gedanken ab. Diese Reaktion musste einen Grund habe,

dennoch war ich jetzt klug genug, auf die Antwort nach meiner Befreiung zu warten. Wir würden damit nur Zeit vergeuden. „Dann lass und das unmögliche möglich machen und aus diesem Anwesen verschwinden.“ „Vertraust du mir?“, fragte mich Gahoff ein weiteres Mal. „Einzig und allein für diese Aktion“, antwortete ich, stieg auf das Fensterbrett und ließ mich geräuschlos hinter das Gebüsch fallen. Der erste Schritt als freier Valdir war getan. Wo würde das Ganze nur hinführen? Da hockten wir nun. Unter dem Fenster, hinter den Sträuchern, gekitzelt von den Ästen und ich ohne Plan, wie wir aus dieser Situation wieder raus kommen würden. Es widerstrebte

mir Gahoff mein Leben an zu vertrauen. Natürlich, er war auch irgendwie rein gekommen, aber das hieß noch lange nicht, dass man zu zweit wieder genauso gut das Anwesen verlassen konnte. „Was ist dein Plan?“, fragte ich nach einiger Zeit, da mein „Freund“ nicht wirklich Anstalten machte sich zu bewegen. „Wir warten!“, antwortete er mir und starrte unentwegt auf die zwei Wachen, die den Weg vor uns auf und ab gingen. Ich wurde langsam wütend. Hatte er überhaupt einen Plan? Oder wartete er auf die richtige Zeit, dass uns die Patrouille töten konnte, wenn wir uns den Weg nach draußen bahnen würden. Auch wenn ich noch so zornig auf die Situation und Gahoff war, wartete ich

gespannt auf seine nächsten Befehle. Seit wann war ich so ruhig? Seit wann gehorchte ich einem anderen Valdir? Ich konnte mir meinen Gemütszustand nur dadurch erklären, dass ich wirklich keine Ahnung hatte, wie ich von diesem Ort flüchten konnte. Auf weitere Anweisung wartend, beobachtete ich die Gegend. Der Teil des Hauses, aus dem ich geflüchtet war, befand sich auf der linken Seite des gesamten Anwesens. Das riesige Tor, das der einzige mir bekannte Eingang und Ausgang des Grundstückes war, lag mittig zur Villa. Jedoch war dieser auch einige Meter entfernt, da das Haus einen riesigen Vorgarten hatte. Von unserer Position aus konnte ich es nicht sehen, da große

Bäume und Sträucher es verdeckten. Auch der Weg vor uns, wo die Wachen positioniert waren, führte nicht zu dem Tor, sondern ums Haus herum. Wir müssten schon zum Haupteingang gelangen, um der Straße zum Ausgang zu folgen. Trotzdem hatte ich irgendwie das Gefühl, dass Gahoff gar nicht zu diesem Eingang gelangen wollte. „Gleich geht’s los, Schätzchen. Bist du bereit?“, sprach der Blonde plötzlich und ich sah ihn nur verdutzt an. „Bereit für was?“, fragte ich ungläubig. Er stützte sich bei der Wand ab und flog direkt aus dem Busch raus. Gekonnt rollte er sich über das Gras und fand Schutz hinter einer weiteren großen Pflanze weiter links von uns. Es dauerte nicht lange schon robbte er sich

um das Zimmer hinter das Haus. Er wollte gar nicht zum Vordereingang. Er wollte wo anders hin. Schnell machte ich mich bereit ihm zu folgen. Er war geschickt und schnell. Doch das konnte ich genauso wie er, wenn nicht sogar besser. Ich wartete ab, bis die Wachen in die andere Richtung gingen und jagte Gahoff hinterher. Ich merkte wie sich meine Sinne anspannten und ich die Valdirmaske aufsetzte um meine ganzen Kräfte zu mobilisieren und sie sich sensibilisierten. Hinter dem Anwesen war es ruhiger. Gahoff wartete bei einer halbhohen Mauer auf mich. Ich fragte mich, woher er wusste, dass es einen zweiten Eingang gab oder ob, er einfach über den großen Zaun hüpfen wollte. Die

zweite Möglichkeit schloss ich irgendwie aus, denn ich glaubte nicht, dass ein Valdir auf so eine Weise an sein Ziel gelangen wollte. Es gab ein Geheimnis, da war ich mir sicher. Gahoff war speziell im Ganzen ein Geheimnis. Sein Freund. Sein Plan. Sein Verrat oder nicht Verrat. Ich konnte es nicht mehr sagen. Obwohl, wenn er mich aus den Fängen des Anführers rettete, dann musste er selbst nicht viel uns unserem Herren halten. Oder doch? War das Ganze eine Falle? Wollte der Boss sehen, ob ich flüchtete, also ihm noch einmal den Rücken zudrehte? Ich konnte es nicht sagen, doch ich wusste, dass ich auch Gahoff nach der Rettungsaktion loswerden musste. Mein Leben stand schon

so zu sehr auf dem Spiel. „Unser nächster Weg führt zu dem kleinen Häuschen, dass wie ein Geräteschuppen aussieht. Siehst du es?“, gab mir mein Befreier die nächsten Befehle bekannt. Der Schuppen befand sich eher weiter weg vom Anwesen. Jedoch war es gut einsehbar und von den Fenstern des großen Gebäudes, konnte man es gut überblicken. Es war das Todesurteil, wenn eine Wache auch nur kurz einen Blick nach draußen machte. „Spinnst du? Wie willst du dorthin kommen?“, fragte ich Gahoff und ließ mich auf den Boden fallen. Es war aussichtlos, auch nur zu hoffen, dass ich aus dem Ganzen lebendig herauskommen würde.

Gahoff lächelte mich an. Wieso lächelte er? Was war nur falsch mit ihm? „Okay, anscheinend willst du, dass ich getötet werde!“, fuhr ich ihn an, weil ich sein Grinsen nicht ertragen konnte. „Xanya, du bist eien Valdir. Stell dir vor, in diesem Häuschen wäre deine Person, die du umbringen solltest. Wie wäre dein Plan, dass du dort hinein kommst?“, stellte er mir die Frage. Verdammt noch einmal es war kein Auftrag. Es ging hier um mein Leben. Dennoch ließ ich mich auf sein Spiel ein. Was würde ich tun? „Ich würde warten bis es Nacht wird“, kam mir die erste Idee. Im Dunkeln war ich schon immer fantastisch

und unauffindbar gewesen. Gahoff war von meiner Antwort aber nicht sonderlich überzeugt. „Das dauert zu lange. Du willst jetzt hinein!“ Wieder ratterte mein Gehirn. Ich war doch einer der besten Auftragsmörderinnen. Mir würde doch etwas Besseres einfallen. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Ablenkungsmanöver!“ „Ich wusste, dass du es kannst meine Liebe“, antwortete der Blonde mir. Ich sah mich um, ob mir auf den ersten Blick etwas ins Auge stach, dass mir behilflich sein könnte. Jedoch konnte ich nichts erblicken, dass mir auch nur annähernd die Ablenkung bieten konnte, die ich brauchte.

„Wenn du in den Schuppen gelangst, befindet sich eine Falltür im Boden. Diese Falltür führt zu einem Tunnel, der dich bis zum Marktplatz bringen wird. Bleib immer links“, erklärte mir Gahoff und versicherte sich, dass ich auch alles ganz genau verstanden hatte. „Was ist mit dir? Kommst du nicht mit?“, fragte ich ihn. Dann auf einmal leuchtete mir das Ganze ein. Er war mein Ablenkungsmanöver. Er blieb hier, um meine Flucht zu vertuschen. Oder war das jetzt die Falle in die ich schnappen sollte? „Wer verspricht mir, dass in diesem Häuschen nicht mein Vollstrecker auf mich wartet?“, stellte ich gleich noch eine Frage und ließ Gahoff nicht einmal die vorherigen

beantworten. „Ich verspreche dir das!“ „Du hast mir auch versprochen, dass du mir alles wegen deinem Freund erklärst und von diesem Zeitpunkt bis jetzt hatte ich dich nie mehr gesehen.“ „Ich musste warten bis du soweit warst“, erklärte er mir, „Vertrau mir Xanya, bitte!“ Er flehte mich quasi an. Das war ich von ihm und von einem Valdir gar nicht gewohnt. Ich ließ alle meine Gedanken in meinen Kopf zu. Es kam mir wie ein Nudelsalat vor, das wirr durch mein Gehirn streifte. Ich war mir doch vor einigen Tagen so sicher, dass Gahoff keinen Verrat an den Anführer ausübte. Das das alles nur ein Trick gewesen war, damit er ihn beschützen konnte. Allerdings

war jetzt wieder alles anders. Wieso war er so erpicht darauf mich zu retten? Für was benötigte er mich noch? Ich wusste es einfach nicht. Ich wusste nur, dass ich hier raus wollte und für das musste ich jetzt einfach auf ihn vertrauen. Es widerstrebte mir zu tiefst mich auf jemand anderen zu verlassen. Ein Valdir hörte nur auf sich selbst. Ein Valdir war ein Einzelgänger. Doch ein Valdir war ich anscheinend nicht mehr. Was war ich dann? Meine ganze Identität zerbarst vor mir. Ich musste mich selbst wieder finden und dass konnte ich nur, wenn ich frei war. Ich nickte Gahoff zu. Er wusste einerseits, dass ich mich nicht mit voller Überzeugung auf

ihn einließ, andererseits, dass ich keine anderen Aussichten hatte. „Okay, das heißt, auf drei geht’s los!“, sprach er motiviert und wollte schon anfangen zu zählen. „Warte!“, unterbrach ich ihn schnell, „Werden wir uns draußen wieder sehen?“ „Ich finde dich schon mein Mäuschen!“, zwinkerte er mir zu. Ich überdrehte nur genervt die Augen. Vielleicht wollte ich ihn doch nicht mehr sehen, wenn er es nicht mit diesen Spitznamen lassen konnte. Im nächsten Augenblick war er schon bei drei angelangt und das Ablenkungsmanöver und meine Befreiung nahmen seinen Lauf.


Der Tunnel kam mir ewig weit vor. Als ich erst mal den Weg zur Hütte geschafft hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als den Plan durch zu ziehen. Im Hintergrund hatte ich Gahoffs Schlachtschrei gehört. Jedoch nur auf meine Rettung fokussiert, lief ich so schnell ich konnte auf den Eingang des alten kleinen Holzhauses zu. Es war seine Schuld, wenn er glaubte, dass er mich retten musste. Es war seine Schuld, dass er sich für mich opferte. Immer wieder kam mir der Gedanke, warum er das tat. Was ihm meine Befreiung brachte? Ich war zwar eine tolle Valdir, aber was wollte er damit bezwecken, dass ich frei war? Frei. Das Wort kam mir einerseits so fremd und andererseits so wunderschön vor.

Niemanden umbringen zu müssen. Niemanden weh zu tun. Woher kamen schon wieder diese Gedanken? Mein Magen macht sich mit einem Knurren bemerkbar. Ich hatte seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen und mein Mund war so trocken, dass ich nicht einmal mehr meine Lippen gut benetzen konnte. Ich hielt mich an Gahoffs Wegweisung und nahm immer den linken Gang, wenn ich zu einer Abzweigung kam. Gleichzeitig fragte ich mich, wohin wohl die anderen Tunnel führten und ob Gahoff vielleicht in so einem verschwunden war, als wir unsere Auseinandersetzung in der Gasse hatten. Wusste noch jemand von den unterirdischen Gängen? Wusste der Anführer davon?

Hatte er bereits meine Flucht bemerkt? Ich irrte hier umher und war nicht einmal sicher, ob es überhaupt eine Flucht war oder der Weg ins Verderben. Würde jemand am Ende auf mich warten? Würden die Wachen auf mich warten oder jemand ganz anderes? War ich alleine? Sogar frei? Frei. Frei war ich nun wirklich nicht, kam es mir wieder. Ich nahm Verrat an unseren Herren. Ich flüchtete und wurde sicher nach dieser ganzen Aktion verfolgt. Und Gahoff? Wie würde er aus der ganzen Sachen wieder rauskommen? Würde ich ihn jemals wieder sehen? Plötzlich sah ich ein Licht am Ende des Tunnels und freute mich endlich wieder aus

den dunklen einengenden Gängen herauszukommen. Gleichzeitig fragte ich mich, was oder wer auf mich warten würde und übte mich in Vorsicht. Sehr langsam kam die Valdirmaske wieder zum Vorschein. Meine Bewegungen wurden geschmeidiger, leichter, leiser und immer näher kam der Ausgang. Es gab nicht viel Gelegenheiten sich zu verstecken, wenn ich den Lichtschein betrat, war ich vollkommen schutzlos. „Xanya?“, hörte ich ein leises Rufen nach mir. Es war eine männliche Stimme. Eine Stimme, die ich schon mal gehört hatte. In meinen Kopf drehte sich alles. Welche Erinnerungen verknüpfte ich damit? Dann betrat ich das Licht. Ich blinzelte mit den

Augen, um mich schnell an die neue Umgebung zu gewöhnen. Ich befand mich in einem Hinterhof, vor mir ein hohes Gestrüpp und hinter diesem eine Mauer. Es sah aus, als ob es die Grenze zum Marktplatz war und dass ich mich ganz außerhalb von Karrori befand und wenn ich mich nicht ganz täuschte, war das genau der Treffpunkt, wo sich Gahoff mit dem Unbekannten unterhalten hatte. Da wo ich ihm zugehört hatte, wie er von einem Plan sprach, von einem Verrat. Und dann viel es mir wie Schuppen von den Augen. Diese Stimme. Diese männliche Stimme war der Typ mit dem der männliche Valdir gesprochen hatte. Der mysteriöse Typ mit der unvergleichbaren atemberaubenden Stimme, die in mir

irgendetwas ausgelöst hatte. Gleich verdrängte ich diesen Gedanken wieder und machte mich bereit für einen Kampf. Auch wenn er anscheinend auf mich gewartet hatte, versprach das wahrscheinlich nichts sonderlich Gutes. Er wusste also davon, dass ich eingesperrt war und das Gahoff mich retten wollte. Und er wusste, dass ich genau in diesem Gang rauskommen würde. „Mach dich bereit!“, forderte ich ihn zum Kampf auf, obwohl ich nicht wusste wo er stand. Warum hatte ich ihn beim Herauskommen nicht gesehen? Er hatte doch eindeutig in den Tunnel gerufen? Wo war er … Ich konnte meine Frage in Gedanken nicht mehr fertig spinnen, als mich plötzlich von oben etwas ansprang. Der enorme Druck ließ

mich zu Boden fallen und er hatte solche Kraft, dass ich mich kaum wehren konnte. Auch hatte er natürlich den Überraschungsmoment für sich und meine körperliche Verfassung war zurzeit ohne Nahrung auch nicht die Beste oder erfand ich jetzt nur Ausreden, um die Peinlichkeit dieser Aktion zu vertuschen? Eine Valdir einfach so zu Boden gestoßen? Eine Valdir mit einem Moment verletzlich? Eine Valdir die auf einmal so müde wurde? Zu spät merkte ich, dass er mir ein mit Flüssigkeit getränktes Tuch vor das Gesicht hielt und ich die Umgebung immer verschwommener wahrnahm, bis schließlich alles schwarz wurde.

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Hörbuch

Über den Autor

LunaBielle
Wie soll ich sagen? Ich bin 29 Jahre alt und liebe Fantasybücher. Ich schreibe gerne, allerdings nur hobbymäßig. Mein Kopf steckt voller Fantasie und jede Geschichte wartet nur darauf niedergeschrieben zu werden. Man kann aber auch nur durch Kritik besser werden und so freu ich mich über jeden erdenklichen Hinweis auf Rechtschreibung oder Grammatik, sowie Satzbau oder Zeitfehler. Oder einfach nur eure persönliche Meinung über die Geschichte! :)

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aevsidreamy Boa, ich finde du kannst so toll schreiben. Dein Buch könnte auch bei Hugendubel oder so im Regal stehen und ich würde es kaufen. Ich finde deine Story echt super.
Vor langer Zeit - Antworten
Alium Hey, das ist mal wieder ein spannender Abschluss und ich frage mich, ob sie wirklich so weit gehen wird, oder das Attentat nur vortäuscht. Ich freue mich die Antwort darauf bald zu erfahren :)
Vor langer Zeit - Antworten
LunaBielle Ja, das ist die Frage.. :) Danke für dein Kommentar! :)
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