Volkstanz
Mutti hatte uns auf den Schulchor aufmerksam gemacht. Sie war eine von zwei Frauen im Sekretariat der Schule (POS).
Rudi B. war Musiklehrer und Chorleiter. Es gab sogar einen Musikraum mit einem Flügel.
Rudi B. war ein drahtiger Mann mit einem ironischen Lächeln und er hatte Ideen. Noch heute geistern mir seine Chorlieder durch den Kopf.
Wir spielten die „Kammerdienerszene“ aus Kabale und Liebe. Wir ließen unser
Publikum eine akustisch/optische Zeitreise erleben, indem Bilder auf der Rückseite einer Projektionswand erschienen.
Rudi B. vertrat auch vehement die Erhebung von Eintrittspreisen, weil in seinen Augen Kunst nichts wert ist, wenn sie nichts kostet.
Irgendwann kam er mit dem Volkstanz – Projekt.
Rustikale Kostüme halfen uns über das rudimentäre Tanztalent. Wir, mein Bruder und ich, waren doch schon über zehn und dann sollten wir mit Mädchen tanzen.
Das Tanzstück hatte etwas mit Holland zu tun. Das Bild auf der Projektionswand
zeigte Windmühlen. „Wenn wir im Sommer mal nach Holland geh'n und uns amüsieren an den blauen Seen...“ - kommt mir sofort in den Sinn.
Demnach waren wir der Fischer und die Fischersfrau!
„...Und was soll man meinen, Holzschuh an den Beinen ...“; Rudi B. hatte echte Holzpantinen von irgendwoher besorgt.
Über die Bretter, die die Welt bedeuteten, wummerten unsere schweren Holzlatschen.
Am Schluss der Darbietung warfen wir die Schuhe nach vorn auf die Bühne. Das Publikum erschrak, und kurz darauf brandete der Beifall auf.
Und eigentlich war es doch ganz einfach
zu tanzen. Mit manchen Mädchen konnte man sich sogar sehen lassen.
22062015 jfw