Romane & Erzählungen
Reparier mal Liebe! - Kapitel 4: Am Flughafen

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"Joe denkt am Flughafen über seine Beziehung mit Liz und andere Dinge nach"
Veröffentlicht am 20. Juni 2015, 38 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Joe denkt am Flughafen über seine Beziehung mit Liz und andere Dinge nach

Reparier mal Liebe! - Kapitel 4: Am Flughafen

Kapitel 4: AM FLughafen

Nach vierzigminütiger Fahrt erreichte Joe den Flughafen. Er parkte das Auto, nahm Kleidersack, Koffer und Laptop aus dem Kofferraum und machte sich auf den Weg Richtung Terminal. Es war erst Mittag. Er musste noch zwei Stunden herumbiegen. So kaufte er sich bei einem Kiosk ein Sandwich und etwas zu trinken und setzte sich dann in den Wartebereich eines Gates, von dem in nächster Zeit keine Flüge abgehen würden und das daher menschenleer war. Er würde erst später zu seinem Gate übersiedeln. Jetzt wollte er erst mal nur hier sitzen, sein Sandwich essen

und beobachten, wie die Menschen vorbeieilten. Irgendwie fand er das entspannend. Wenn alles so gelaufen wäre, wie ursprünglich geplant, würde er nicht nur erst morgen fliegen anstatt schon heute, er würde auf dieser Geschäftsreise auch von Eric, Steves Assistenten begleitet werden. Aber es war eben nichts so gelaufen wie geplant… Eric hätte eigentlich künftig als Vertretung fungieren sollen – gegenüber SCANY, der niederländischen Firma, zu welcher Joe nun am Weg war. SCANY war nicht nur ihr wichtigster Kunde/

Geschäftspartner sondern auch der allererste… Zu einer Zeit als die Homepage ihres kleinen Software-Unternehmen noch nicht mal richtig lief und der Firmenname Reilley&Davis noch gar nicht offiziell eingetragen war, war plötzlich eine Anfrage aus den Niederlanden per E-Mail hereingeflattert. Von einem Jan van de Velde, der über ihre Webseite gestolpert war und wissen wollte, ob sie eine maßgeschneiderten Software-Lösung für sein Unternehmen SCANY für Archivierung und Dokumentation anbieten könnten. Steve hatte daraufhin mit Jan Kontakt aufgenommen und nach den genauen Anforderungen gefragt. Ein

paar Stunden später bekamen sie ein sechsseitigen Dokument mit allen Details. Joe erinnerte sich, wie Steve und er die nächsten zwei Tage und einen Großteil der Nächte in dem kleinen Büro, das sie zu dieser Zeit gemietet hatten, fieberhaft an einem Vorschlag getüftelt hatten. Sie waren so aufgeregt gewesen! Nach drei Tagen hatten sie Jan einen relativ ausgefeilten Lösungsentwurf geschickt. Und er war Feuer und Flamme gewesen. Scheinbar hatte Jan zuvor bereits bei mehreren Unternehmen angefragt – mit wenig Erfolg. Vor allem seine Forderung, dass SCANY’s IT-Abteilung

selbst den Support für das neue Programm übernehmen sollte und daher entsprechend eingeschult werden müsste, war in vielen Fällen als inakzeptabel abgelehnt worden. Steve und Joe wiederum, hatten damit überhaupt kein Problem. Im Gegenteil – gerade da R&D damals nur aus ihnen beiden und einem Teilzeit-Assistenten bestand, sahen sie es als großes Plus, dass SCANY den Support selbst handeln wollte. Der Deal, den sie mit SCANY schließlich geschlossen hatten, hatte ihnen mehr gebracht, als sie zu träumen gewagt hatten, Jan aber scheinbar immer noch weniger gekostet, als er

erwartet hatte. SCANY hatte folglich viel dazu beigetragen, dass es mit R&D so schnell bergauf ging. Jan kannte eine Menge Leute, denen er R&D empfahl. Viele waren inzwischen treue Kunden… Zweieinhalb Jahre später hatte R&D eine ziemlich gute Kundenbasis und war von drei auf zehn Personen angewachsen, die in der gesamten ersten Etage eines neuen Bürogebäude, das Steves Vater gebaut hatte, untergebracht waren. Vor vierzehn Monaten waren R&D und SCANY eine Kooperation eingegangen, die SCANY zum Vertrieb und zum Support von R&D-Produkten in den Benelux-Staaten und Skandinavien berechtigte. Eine Win-Win-Situation.

Nur, dass vier Monate nach Abschluss der Vereinbarung, das Ganze wegen eines dummen Missverständnisses zwischen Steve und Jan fast schon wieder auseinandergegangen wäre. Es war um eine Provisionszahlung gegangen. Joe, der in der Regel Jans Hauptkontakt war, war für ein paar Tage wegen der Beerdigung seines Vaters nicht im Büro gewesen. Bei seiner Rückkehr hatte er mit Entsetzen festgestellt, dass plötzlich die gesamte Zusammenarbeit mit SCANY in Gefahr war. Jans und Steves Angaben, über das, was genau geschehen war, wichen stark voneinander ab – fast wie bei zwei trotzigen Kindern, die nach einem Streit

felsenfest behaupteten, der jeweils andere habe angefangen… Da Joe aber sowohl Steve als auch Jan kannte und wusste, dass beide zeitweise ziemliche rechthabersiche Hitzköpfe waren, ging er davon aus, dass sie vor dem verheerenden Telefonat wohl beide einen schlechten Tag gehabt hatten, und dass dann eines zum anderen geführt hatte – bis sie sich schließlich nur noch anschrien. (In diesem Punkt deckten sich die Angaben der beiden.) Das Gespräch hatte mit Jans Ankündigung geendet, dass er die Zusammenarbeit mit R&D beenden würde. Dann hatte er auflegte. Als Joe Jan nach seiner Rückkehr nun

anrief, hatte er wenig Hoffnung, Jan noch umstimmen zu können. Zu seiner Überraschung nahm Jan den Anruf aber bereitwillig entgegen und hatte sich soweit beruhigt, dass er nur noch ein wenig motzte. Es war ein unerwartet konstruktives Gespräch. Von einem Ende der Zusammenarbeit war plötzlich keine Rede mehr. Jan bestand aber darauf, dass er nicht mehr direkt mit Steve zu tun haben wollte. Das, so fand Joe, war eine Bedingung, die sie akzeptieren mussten, auch wenn sie höchst ungünstig war, da Steve und er sich bis dahin in allem gegenseitig vertreten hatten – also auch hinsichtlich SCANY.

In den folgenden Monaten hatte ausschließlich Joe alle Anrufe und Besuche bei SCANY übernommen, während Steve sich im Hintergrund hielt. Gleichzeitig war klar gewesen, dass Joe eine neue Vertretung brauchte, wenn es um SCANY ging. Er konnte nicht immer überall sein. So beschlossen Steve und er, dass Eric, der Steves rechte Hand war und SCANY‘s Programme in-und auswendig kannte, die Vertretung übernehmen sollte. Für die nächste Geschäftsreise zu SCANY sollte Eric mitfahren, damit er Jan, die SCANY Anlage und die Mitarbeiter dort kennenlernen konnte.

Das war der Plan gewesen. Bis Joe vor drei Wochen erkannt hatte, dass er unmöglich mit Eric gemeinsam verreisen konnte… Er hatte zunächst vor etwa zwei Monaten bemerkt, dass Eric sich in seiner Gegenwart irgendwie seltsam benahm. Wirklich Gedanken gemacht hatte er sich darüber aber nicht. Dann, eines Abends, vor etwa drei Wochen, war er länger als sonst im Büro gewesen und Eric war vorbeigekommen. Eric war immer blass und wirkte grundsätzlich etwas verklemmt, aber an diesem Abend war er blasser als sonst und ungewöhnlich nervös gewesen. Er hatte Joe gefragt, ob sie kurz miteinander

sprechen konnten, und sich schließlich auf den Besucherstuhl vor Joe’s Schreibtisch gesetzt, den Joe ihm anbot. Dann hatte er stockend ein paar einleitende Worte gesagt, die darauf hinausliefen, dass er dringend etwas loswerden müsste. Und dass er ohnehin damit rechnete, anschließend gefeuert zu werden… Joes Vorstellung von möglichen Straftaten reichte zu diesem Zeitpunkt von Veruntreuung bis zum Verkauf von Betriebsgeheimnissen. Und während er noch überlegte, wie er auf so etwas reagieren würde, hörte er Eric plötzlich von seinem jüngsten Besuch in einer Kunstgalerie berichten – genauer: von

der Eröffnung einer Ausstellung der besten Werke von Erics liebstem zeitgenössischen Bildhauer. Blickkontakt tunlichst vermeidend erzählte Eric nun von seinem Eintreffen in der Galerie und davon, wie er dort Liz getroffen hatte. Erst jetzt klickte es bei Joe, dass die Galerie, von der die Rede war, wohl jene sein musste, für die Liz arbeitete. Liz hatte dort eigentlich einen Bürojob und war für die Organisation des Transports und die Versicherung der Kunstwerke sowie deren bestmöglichen Platzierung verantwortlich. Manchmal kümmerte sie sich auch um das Catering für den Eröffnungsabend und den

Versand der Einladungen an VIPs. Ihre persönliche Teilnahme an diesen Abendveranstaltungen stand zwar nicht in ihrer Stellenbeschreibung, sie verzichtete allerdings nur höchst ungern darauf. Diese Events, so schien es zumindest Joe, waren das, was ihr an den Galeriejob am besten gefiel. Eric hatte sie natürlich sofort erkannt. Sie war oft genug bei R&D vorbeigekommen um Joe oder ihren Bruder zu besuchen. Dort hatte sie ihn aber kaum auch nur mit einem Nicken bedacht. Jetzt aber, in der Kunstgalerie, hatte sie ihn (laut Eric) empfangen, wie ein guten, alten Freund. Und Joe konnte es sich bildlich vorstellen: Liz im tief

ausgeschnittenen Kleid, auf gefährlich hohen Absätzen, mit viel Make-up, süßester Stimme und vielleicht schon etwas beschwipst... Eric hatte inzwischen weitergesprochen und erzählte gerade, wie Liz so nett gewesen war, ihm den Künstler persönlich vorzustellen – ein wahrlich erhebendes Erlebnis, denn schließlich war der Kerl (Joe hatte den Namen sofort wieder vergessen) der zeitgenössische Bronze-Bildhauer. Joe lag es schon auf der Zunge, Eric anzuherrschen, doch bitte endlich zur Sache zu kommen und ihm die langweiligen Details zu Kunst und Künstler zu ersparen. Er kannte den

Bronze-Typen nicht und es interessierte ihn auch nicht im Geringsten. Außerdem schien das ganze Geschwafel ohnehin nur die Einleitung zu etwas ganz anderem zu sein. Von dem Moment an, wo erstmals Liz’s Name gefallen war, hatte Joe das unbestimmte Gefühl gehabt, dass er den weiteren Verlauf der Geschichte vorhersagen konnte – wenn auch nur in groben Zügen. Eric plapperte weiter und beschrieb einige der prachtvollen Stücke, die in der Galerie zu sehen gewesen seien. So nebenbei erwähnte er auch, dass er im Laufe des Abends wohl etwas zu viel Sekt erwischt hatte. Es war schon ziemlich spät als er schließlich an der

Garderobe seinen Mantel holte. Und dann - Überraschung! – war ihm beim Hinausgehen wieder Liz über den Weg gelaufen. Sie wollte auch nach Hause und schlug vor, sich doch ein Taxi zu teilen. Weil sie angeblich ein wenig Angst hatte, so ganz allein als Frau, in der Nacht. Und schließlich wohnten sie ja nur ein paar Straßen voneinander entfernt. Es hatte Eric überrascht – und vermutlich auch geschmeichelt – dass Liz so genau wusste, wo er wohnte. Und dass sie seine Beschützer-Qualitäten erkannte. Joe musste sich beherrschen, jetzt nicht genervt aufzustöhnen und die Augen angesichts dieser unglaublichen Naivität

zu verdrehen. Man konnte es Eric nicht einmal verdenken! Es fehlte ihm eben die umfangreiche Erfahrung, die Joe mit Liz in den letzten Jahren gesammelt hatte – Erfahrung, die es ermöglichte, sich sehr deutlich all die Dinge vorzustellen, die Eric in seinem Bericht vermutlich geflissentlich ausließ: Liz, ein bisschen wackelig auf den Beinen nach all den Drinks, die sie sich in den Stunden zuvor genehmigt hatte; Liz, kichernd ins Taxi stolperned, das tief-dekoltierte Kleid mehr enthüllend als verdeckend, die Lippen frisch bemalt. Liz, wie sie sich lächelnd während der Fahrt an Eric schmiegte und ihm ein paar Anekdoten aus der

Galerie erzählte. Und wie sie ihn schließlich überredete, doch noch für einen schnellen Drink mit hoch zu kommen, nur um sicherzustellen, dass nicht irgendwo im Stiegenhaus jemand lauerte. Dann, in der Wohnung, würde wohl der Träger ihres Kleides von der Schulter rutschen, just als sie Eric sein Glas reichte, und sie würde ihm anvertrauen, wie einsam und unglücklich sie manchmal war. Schließlich einer der heissen, verführerischen Küsse, die jedes unvorbereitete Opfer völlig außer Gefecht setzten… Während Joe sich schon das Hirn zermarterte, ob der verklemmte Eric wohl den Mut gehabt

hatte, mit ihr zu schlafen – und wenn, wo und wie, hinkte Eric mit seinem Bericht immer noch weit hinterher. Er faselte gerade von der Taxifahrt, und wie es ihm gar nicht so recht gewesen war, als Liz auf Tuchfühlung zu ihm rübergerutscht war. Aber er wollte sie nicht beleidigen. Und dann ... - ahem ... hatte sie ihn überredet, noch hinauf zu kommen. Erics Stimme kam plötzlich ins Stocken. Den Blick fest auf die Schreibtischplatte zwischen ihnen gerichtet, stotterte er nun, dass er nicht wüsste, wie es überhaupt dazu kommen hatte können. Hatte er schon erwähnt, dass er zu viel getrunken hatte? Sonst wäre es auch

sicher nie passiert, aber sie hatte ihn irgendwie in einem schwachen Moment erwischt. Sie hatte … ja, sie hatte ihn geküsst und… Er hatte keine Ahnung wie er es sagen sollte. Shit! Du weißt wahrscheinlich ohnehin, was ich… Es tut mir wirklich leid… Die Finger in die Armlehnen seines Drehsessels gegraben, versuchte Joe sich zu beherrschen. Er war hin-und hergerissen, zwischen dem Drang, aufzustehen und Eric die Nase zu brechen, und dem Gefühl einfach laut loslachen zu müssen. Nicht weil irgendetwas hier lustig war. Keineswegs. Es war alles andere als lustig. Aber er kannte diese Küsse. Oder

nicht? Die spezielle Art, die dir buchstäblich das Hirn leerfegte und Dich jeglichen Urteilsvermögens beraubte. Ein Kuss, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie bei allem, was du dir nur erträumen konntest, begeistert mitmachen würde. Bei ihm hatten die Küsse ihre Wirkung nicht verfehlt. Vor drei Jahren. Nicht gleich beim ersten Mal, aber es hatte nicht lange gedauert, und sie hatte selbst ihn eingewickelt. Eric war inzwischen verstummt. Offensichtlich war er nicht in der Lage oder nicht willens, den Rest seiner Geschichte in klare Worte oder ganze Sätze bringen. Er saß nur mit hängendem Kopf da und wartete wohl

darauf, dass Joe explodierte, ihn feuerte und ihn damit aus dieser unangenehmen Situation erlöste. Vorerst war Joe aber noch nicht soweit. Es war zwar irgendwie irr, aber er verspürte das kranke Verlangen, noch etwas mehr zu erfahren. Vielleicht um sicherzustellen, dass er Eric absolut richtig verstanden hatte und nicht einfach nur voreilige Schlüsse zog. Er räusperte sich und sah Eric direkt an. „Okay, Eric….“ Sogar auf ihn selbst wirkte sein Ton erschreckend emotionslos, fast ein wenig gelangweilt. „Wenn ich dich richtig verstehe, erzählst Du mir hier, dass Du mit meiner Freundin im Bett warst…

Oder?“ Er sah den kurzen, entsetzen Blick, den Eric ihm zuwarf, bevor er schnell wieder wegsah, das Gesicht knallrot und scheinbar um Worte ringend. Vielleicht wäre es ihm lieber gewesen, gefeuert zu werden, als seine Vergehen so deutlich ausgesprochen zu hören. „Also, war’s das Bett oder doch wo anders?“ erkundigte sich Joe, „Sprich dich aus!“ Erics Augen weiteten sich. Dann schüttelte er den Kopf – was man jetzt natürlich sowohl als Verneinung auffassen konnte, als auch als Unglauben angesichts so einer Frage. „Also wo?“ wiederholte Joe scharf und

lehnte sich ein wenig über den Schreibtisch. „In unserem Bett? Auf dem Küchentisch? Auf der Waschmaschine? Am Sofa? Es gibt ja etliche Möglichkeiten…“ Eric starrte ihn an, als zweifle er an seinem Geisteszustand. Dann schüttelte er nochmals den Kopf und sah wieder weg. Angewidert von dieser Feigheit, schlug Joe mit den Händen auf die Tischplatte, dass es knallte und sprang vom Rollsessel so abrupt auf, dass dieser mit Schwung nach hinten fuhr und fast in den Aktenschrank gekracht wäre. „Ich hab dich was gefragt, verdammt!“, schrie er Eric an. „Sogar im Multiple

Choice Format…“ Endlich fand er einen Ton, der dem Anlass entsprach. „Und ich will verdammt nochmal eine Antwort! Also wo?“ Eric hatte die Augen für einen Moment geschlossen und wieder den Kopf geschüttelt. Aber schließlich räusperte er sich und würgte eine Antwort hervor. „Am Sofa.“ Joe funkelte ihn für einen Moment lang wütend an, dann holte er tief Luft und atmete gleich darauf hörbar wieder aus. Okay. Jetzt wusste er’s… Wenn Liz ihm nicht vor ein paar Monaten offenbart hätte, dass sie ihn mit Bob, dem Mann ihrer Chefin, betrogen hatte, wäre Erics Geständnis jetzt vielleicht ein Schock

gewesen. So erschütterte es nicht mal besonders. Nicht wirklich. Nicht mehr. Schließlich war ihm inzwischen klar, dass es nicht nur Bob gegeben hatte – und jetzt Eric. Er war ziemlich sicher, dass Liz auch mit dem komischen Typen, der über ihnen wohnte rumgemacht hatte, und wahrscheinlich auch mit dem Bodybuilder-Lagerarbeiter von der Galerie. Vielleicht sogar mit einigen der Künstler. Wer wusste das schon? So wie’s aussah, war sie nicht übermäßig wählerisch… Und natürlich rechtfertigte sie ihre Eskapaden mit all den Affären, die er ihrer Meinung nach hatte. Joe kratzte sich am Kopf und erwog, wie

er hier weiter vorgehen wollte. Er hatte absolut keine Ahnung, was in so einer Situation üblich war. Sicherlich nicht, dass man nach noch mehr Details bohrte. Aber so krank es auch schien, am liebsten hätte er jetzt ein Kreuzverhör mit Eric geführt, um einfach alles herauszufinden. Beispielsweise die genaue Stellung… Er hätte zu gerne gewusst, ob Liz mit diesem Opfer eher auf zurückhaltend-konservativ gemacht oder die wirklich wilde Tour durchgezogen hatte. Natürlich war es relativ unwahrscheinlich, dass Eric mit solcherlei Informationen herausrücken würde – es sei denn unter Folter. Und in

gewisser Weise war Joe nicht mal ganz sicher, ob er selbst wirklich abgebrüht genug war, um mit einer ehrlichen Antwort umzugehen. „Und? Bist Du über Nacht geblieben?“ fragte er stattdessen. Eric sahe aus, als ob er schreckliche Qualen erleiden müsste. (Und das ganz ohne tatsächliche Folter!) „Ich meine, es ist ja ein bequemes Sofa…“ trieb Joe es weiter. „Ich war betrunken“, murmelte Eric ausweichend. „Ach ja, richtig! Also bist du danach gleich eingeschlafen und über Nacht geblieben.“ Eric nickte. Es schien als wäre er in den

letzten zehn Minuten geschrumpft. Joe merkte, dass Eric sich wohl fühlte, wie die Maus, mit der die böse Katze ihr Spiel trieb. Irgendwie war es aber komisch, denn, wenn es in dem Spiel eine hinterhältige Katze gab, dann war es Liz. Allerdings – wenn Liz die Katze war und Eric die Maus, wozu machte das dann ihn selbst? Er weigerte sich, sich einfach als eine weitere Maus zu sehen. Vielleicht konnte er in der Metapher ja der Hund sein, der die Katze und die Mäuse jagte... „Es tut mir wirklich leid…“, murmelte Eric, ohne aufzusehen, „und ich weiß schon, dass ich es total vermasselt hab! Du kannst mir glauben, dass mich das

seit Tagen verfolgt. Ich wollte auf keinen Fall, dass du’s von jemand anderem erfährst.“ „Oh, wie nett von Dir! Vielen, vielen Dank!“ sagte Joe trocken. Spontan konnte er nicht sagen, ob er es wirklich bevorzugte, von der Sache auf diese Weise informiert zu werden. „Ich mach sowas normalerweise nicht“, versicherte Eric zerknirscht. „One Night Stands sind absolut nicht mein Ding. Schon gar nicht, wenn…“ Er brach mittem im Satz ab und sagte dann: „Wie auch immer. Jedenfalls verstehe ich es, wenn du mich jetzt rausschmeisst. Du kannst es ja morgen Steve sagen.“ Joe kratzte sich am Kopf. „Ja klar. So

ungefähr: Morgen, Steve! Übrigens, ich hab deinen Assistenten gestern gefeuert weil er mit deiner Schwester im Bett war…“ Mit starrer Miene kaute Eric auf seiner Unterlippe und zuckte kaum merklich mit den Schultern. Seinen Blick auf Eric gerichtet, versuchte Joe, sich zu konzentrieren. Das war wirklich eine unmögliche Situation! „Okay Eric“, sagte er schließlich durch zusammengebissene Zähnen. „Auch wenn ich das noch so krank finde, bringt es wohl nichts, wenn ich dich rausschmeiße. Du bist ja gut, in dem was du machst – ich meine in der

Arbeit...“ Er hatte große Mühe, sich jetzt nicht Eric und Liz nackt und in irgeneiner verdrehten Kamasutra Stellung vorzustellen, und dass Eric auch darin gut ein könnte… „Du bist Steves Assistent, nicht meiner. Und soweit es mich betrifft, muss Steve das hier nicht wirklich wissen.“ Eric sah ihn ungläubig an. „Versteh mich nicht falsch,“ knurrte Joe, „Das Ganze kotzt mich an! Wirklich! Aber du bist nicht gerade Liz‘s erstes – wie soll ich sagen? – Abenteuer… Ich will dich ja nicht enttäuschen, aber es liegt wohl weniger daran, dass du so unwiderstehlich bist, als daran dass sie so ein…“ Er

beherrschte sich gerade noch. „Egal!“ sagte er dann. Während Eric ihn immer noch verständnislos anstarrte, fuhr er fort: „Aber auch wenn ich will, dass du bleibst - ich persönlich will mit Dir in naher Zukunft so wenig wie möglich zu tun haben. Also geh mir aus dem Weg, okay? Und denk dir einen guten Vorwand aus, warum du unmöglich mit mir nach Amsterdam fliegen kannst!“ „Okay…“ Eric nickte mit einer Mischung aus Verwirrung und Erleichterung. „Danke.“ Ein wenig zittrig stand er auf. Joe war an diesem Abend nicht nach

Hause gefahren. Er hatte die Nacht auf dem Auszieh-Sofa im Büro verbracht. Am nächsten Morgen hatte er Liz eine SMS geschickt:. Falls es Dich interessiert: Ich hatte gestern keine Lust, heimzufahren, nachdem Eric vorbeigekommen ist und mir erzählt hat, dass Du mit ihm im Bett warst. Jetzt treibst Du’s schon mit dem Assistent Deines Brunders!?! Sie hatte ihn sofort angerufen, aber er hatte nicht abgehoben. Propt war eine SMS von ihr gekommen: Eifersüchtig, Honey? Na, ich hab mich wohl wieder mal einsam gefühlt. Such die Schuld mal schön bei Dir selbst. Und übrigens: Eric ist richtig

gut! Und er hatte geantwortet: Du bist ja krank! Die Lautsprecher- Stimme, die plötzlich ertönte und alle Passagiere eines Fluges nach Oslo zum Boarding aufrief, riss Joe aus seinen unangenehmen Erinnerungen. Er sah auf die Uhr. Sein eigener Flug würde bald zum Boarding bereit sein. Schnell packte er seine Sachen und ging in Richtung des Gates für Amsterdam. Es würde ein kurzer Flug sein.

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