OrnAmente
Warum? Das schrieb ich auf den Deckel meines Pappordners. Damals war's. Noch in der Schulzeit.
Warum? Warum schrieb ich dieses fragende Wort? Warum schrieb ich es in das obere, linke Viertel der leeren Fläche? Ich weiß es nicht. Es wollte wohl genau dort hingeschrieben werden.
Ich malte mit einem dünnen, schwarzem Filzstift Ornamente um das Wort. Diese Ornamente wuchsen wie Efeu immer weiter über den gesamten Deckel. Manchmal trieben
die Ornamente kleine Blätter, oder Blütenknospen, die sich filigran in die Formen einfügten. Es war kein Anfang und auch kein Ende zu erkennen.
Es erschien beinahe wie ein Labyrinth. Selbst kleine Zwischenräume füllten sich mit Ranken. Ohne Nachzudenken wuchsen sie verschnörkelt, beinahe wie von selbst. Die ockergelbe Pappe gewann ein völlig anderes, neues Erscheinungsbild.
Ich wußte nicht, warum ich das tat. Ich kannte weder Antrieb noch Ziel. Es war auf eine bizarre Art schön. Es war auf eine unerklärliche Weise
beruhigend. Wenn ich die rankenden Schnörkel betrachtete, wirkten sie manchmal beinahe beseelt, manchmal starr, als wären sie geschmiedet.
So, wie diese rankenden Schnörkel, erscheint mir der Weg, auf dem ich gehe. Manchmal sind es Schnörkel oder Kurven, die später zum Umkehren zwingen, weil keine Abzweigung weiterführt. Manchmal scheinen Blütenknospen erkennbar, die Hoffnung spenden. Hoffnung darauf, daß sie aufspringen, Leuchtkraft und Duft versprühen. Manchmal erscheint der Weg starr.
Ich kenne weder die Kraft, die mich antreibt, weiter zu gehen, noch weiß ich, was mich an meinem vermeintlichen Ziel wirklich erwartet.
Warum? Warum setze ich trotz allem immer wieder einen Fuß vor den anderen? Warum bleibe ich nicht einfach stehen und lasse mich von der Erde um die Sonne tragen?