In meinem Leben habe ich unvorstellbar viele Katastrophen erlitten. Die meisten davon sind nie eingetreten.
-Mark Twain-
Es sind Momente, in denen einem die Luft genommen wird, der eigene Körper beginnt bedingungslos zu zittern und das Herz vorgibt, gleich auszusetzen. Der Kopf schreit:
Lauf! Lauf um dein Leben! Doch man ist gefangen in seinem eigenen Körper. Umhüllt von dem stark pulsierenden Blut, welches durch alle Venen des Körpers fließt; vom Herzen geschleudert. Das eigene Gehirn, welches das Denken und Fühlen ermöglicht. Und dies funktioniert nur mit ausreichend Sauerstoff, den die Lungen einfangen. Das Herz rast, die Atemwege verschließen sich und das Gefühl, für die eigene schützende
Haut, verschwindet. Man will davon laufen. Der Drang nach wohltuender Sicherheit verstärkt sich. Es schießen Gedanken in den Kopf: Ich sterbe. Ich werde sterbe. Ich bin krank und werde gleich sterben! Die Luft wird dünner, der Herzschlag unregelmäßiger, die vertraute Sicht wird schleichend verschwommener und die eigene Kraft schwächer. So schwach, dass man ahnungslos wegkippt. Jetzt ist es aus. Gleich werde ich tot sein. Und das, weil ich den Tritt aus der Haustür wagte.
Ich möchte eine Geschichte aus der Sicht einer jungen Frau erzählen, dessen Leben sich nach einer Abiturprüfung schlagartig ändert. Die einfachsten Sachen werden zur
tagtäglichen Überwindung. Sei es die Fahrt mit dem öffentlichen Verkehrsmittel oder das bloße Ausgehen ohne einer vorhandenen Plastiktüte in der Handtasche. Dies sind Probleme, mit denen viele Menschen lernen müssen umzugehen, um den Weg zurück ins Leben zu finden. Hiermit lasse ich euch an so einem Leben mitteilhaben.
Seit zwei Wochen bin ich mit nichts anderem mehr beschäftigt. Ich lebe seit zwei Wochen nur um zu lernen, denn dies wird die letzte mündliche Abiturprüfung sein. Und wenn ich diese Prüfung nicht bestehe, dann werde ich von all meinen Freunden und meiner Familie Abschied nehmen müssen. Denn ohne einen Einserschnitt werde ich nicht an der Universität für Psychologie angenommen. Und jeder Mensch der mich kennt weiß, dass mein allergrößter Traum es ist, Psychologie zu studieren. Ich möchte Therapeutin werden, um später einmal Menschen bei ihren Problemen zu helfen und für sie eine Stütze bei all ihre Lasten zu sein. Oh ja!
Genau das möchte ich! Einen Plan B gibt es bei mir nicht gibt und wird es auch nie geben. Ich erwische mich beim Träumen und zwinge mich sofort wieder zum Lernen, sonst kann ich diese Träume ganz schnell wieder vergessen. Übermorgen bin ich schon an der Reihe und es muss einfach perfekt werden. Die unterstützende PowerPoint Präsentation habe ich schon fertig und muss nur noch Kleinigkeiten überarbeiten. Meine Karteikärtchen liegen ebenfalls wie vom weltgrößten Streber angefertigt bereit zum Präsentieren. Ich freue mich schon darauf, den Lehrer meinen Wissensstand über die heutigen Behandlungsmethoden bei Skoliose mittzuteilen. Doch zum Schlafen ist noch keine Zeit. Ich muss die Präsentation bis
morgen schon perfekt vorstellen können, ohne jegliche Versprecher oder Denkaussetzern.
Der Morgen der mündlichen Prüfung ist gekommen. Am Abend vorhin habe ich gegen die Nervosität eine kleine Tasse Johanniskrauttee getrunken und konnte die Nacht somit wunderbar durchschlafen. Sogar vor den Albträumen, die Prüfung zu vermasseln, blieb ich verschont. Ich richte mich auf, um die Jalousien zu öffnen und die warmen Sonnenstrahlen auf meinen Körper strahlen zu lassen. Doch ganz plötzlich überfällt mich eine heftige Übelkeit und ich
renne auf die Toilette, die zum Glück nicht weit von meinem Zimmer aus ist. Ich hänge mich über die Kloschüssel und kämpfe mit den Würgereizen. Du lieber Himmel, was habe ich denn bloß gestern gegessen, dass mir so schlecht ist? Das ist bestimmt die Aufregung. Ich zittere nämlich am ganzen Körper und mir ist auf einmal furchtbar kalt. Zum Glück habe ich mir den Wecker um eine Stunde früher gestellt, so dass ich in Ruhe warten kann bis die Übelkeit vorüber ist. Ich bete meine Mutter drum, dass sie mir doch bitte mein Smartphone bringen soll, damit ich mir die Zeit ein wenig vertrödeln kann. Als ich glaube, dass meine Übelkeit sich ein wenig ein kuriert hat, nehme ich mir mein Smartphone zu Hand und lese mir aktuelle
Nachrichten durch. Und so machte ich mich mit dem Bus auf den Weg zur Schule. Wie so ziemlich jeden Morgen. Es ist immer derselbe Weg, immer dasselbe ständige Ruckeln und hin und her Schwenken bei Kurven. Nichts Außergewöhnliches. Dennoch bescherte mich diese halbstündige Busfahrt mit manch unangenehmen Übelkeitsattacken, die ich mit der Nervosität in Verbindung setzte. Also nichts Schlimmes. Keine Krankheit, keine Erreger, kein verdorbener Magen. Mit ruhigem kontrollierten Atmen konnte ich die Übelkeit in Grenzen halten und schaffte so den Weg zur Schule. Mit zittrigen Beinen und hohem Puls laufe ich die großen, breiten Schultreppen hoch. Ich
eile nicht, denn ich habe noch dreißig Minuten Zeit bis zu meinem Prüfungstermin. Meine Gedanken jedoch wissen nicht wohin mit sich und schlagen Purzelbäume in meinem Kopf.
Oben angekommen entgegne ich zwei meiner Schulkameradinnen, die nervös, aber schick gekleidet hin und her laufen. „Hey Zoe!“, rufen die beiden mir zu, als sie mich auf sie zukommen sehen. „Guten Morden. Ward ihr schon dran?“, frage ich anschließend. „Nein, Anna ist gleich dran, aber ihr geht es vor lauter Nervosität überhaupt nicht gut. Sie hat sich sogar schon heute Morgen übergeben müssen in der Schule.“ Ich schaue Anna an, die währenddessen, weiter entfernt von uns, schon wieder ihre Präsentation flüsternd im Kopf wiederholt. Ihre Aufregung ist sichtlich in ihren Augen zu
erkennen. Total verzweifelt schaut sie aus. „Oh Gott. So schlimm?“, antworte ich entsetzt. „Sie nimmt sich das sehr zu Herzen“, erzählt ihre Freundin. Ja, ich nehme mir das ebenfalls sehr zu Herzen. Es ist das wichtigste für mich in diesem Moment. Diese Präsentation entscheidet über meine Zukunft. Meine allgemeinen schulischen Leistungen bestimmen meine Zukunft. Dieser Druck ist sehr belastend für mich, dies merke ich wieder an der plötzlichen steigenden Übelkeit, die seit heute Morgen über mich herrscht. Ich setze mich auf einen der Stühle, die vor dem Prüfungsraum stehen und nehme in großen Abständen kleine Schlucke aus meiner Wasserflasche. Zudem nehme ich
rasch eine Tablette gegen Durchfall. Denn ich merke schon wie es beginnt in meiner Darmgegend furchtbar zu grummeln und zu drehen. Nach langer Stille öffnet sich die Tür des Prüfungsraumes. Der Schulkonrektor schaut raus und ruft Anna auf. Ein seltsamer Moment. Alles scheint auf einmal unfassbar seriös und die Lehrer nehmen es hier anscheinend sehr ernst. Kein Guten Morgen, kein Lächeln war auf dem sonst so lebensfrohen und lustigen Schulkonrektor zu sehen. Ein beängstigender Moment, der mein Herz für einen Moment in die Hose rutschen lässt. Nach Anna bin ich an der Reihe. Und ab dann wird alles in meine Endnote und somit auch in meinen
Notenschnitt fließen. Es ist die allerletzte Abiturprüfung. Ich werde es schaffen, und ich werde Psychologie studieren.
Mit diesen motivierenden Worten betrete ich den, in meinen Träumen verhassten Raum und tue das, was ich tun muss. Nämlich meine Power Point aufbauen, zusätzliche Materialen, wie die Röntgenbilder einer Skoliose Patientin auf dem Lehrerpult sortiert bereit legen. Einen Schluck nehmen. Und anfangen vor drei, sehr streng aussehenden Lehrern, zu präsentieren.
FORTSETZUNG FOLGT . . .
petjula007 Hallo Jennueschka, du hast die Situation rund um die Abiprüfung gut beschrieben. Kann deine nervliche Anspannung gut verstehen, ist aber doch ganz normal. Liebe Grüße Petra |
Jennueschka Hallo petjula007 danke :) ja das stimmt, so ist das leider :) VG |
Hiob2punkt0 Kann mich gut in dein Werk hereinversetzen. Sehr ehrlich geschrieben. |
Jennueschka Dankeschön :) |