Romane & Erzählungen
Matchday - Kapitel 5 - »Lesbische Literatur«

0
"Matchday - Kapitel 5 - »Lesbische Literatur«"
Veröffentlicht am 08. Juni 2015, 36 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
http://www.mystorys.de
Matchday - Kapitel 5 - »Lesbische Literatur«

Matchday - Kapitel 5 - »Lesbische Literatur«

Kapitel 5

Schwer atmend rang ich nach Luft. Ich spürte noch den Orgasmus in mir nachwirken, das leichte Zittern meines Beckens, die angestaute Wärme – die nur sehr langsam abflaute – und das Hochgefühl, das sich in jedem Teil meines Körper ausgebreitet hatte. Erst als ich mich einigermaßen im Griff hatte, öffnete ich meine Augen und blickte sogleich in Lenas Gesicht, die mich interessiert musterte. „Weißt du, genau deswegen lasse ich das Licht so gerne beim Sex an, es gibt kein schöneren Anblick, als ein Mädchen, das gerade kommt – das ist Erotik pur, sag ich dir.“ Verlegenheit flammte in

mir auf. Hatte sie mich dabei beobachtet? Bei dem Gedanken fühlte ich mich irgendwie entblößt. Nun ja, so entblößt, wie ich nun einmal auch war. Langsam kehrte Stille ein. Irgendetwas war anders, eine gewisse Spannung lag in der Luft, nur konnte ich nicht so wirklich sagen, was es war. Lenas Augen wirkten unruhig, sie biss sich auf ihre Unterlippe und ich konnte spüren, wie sie hibbelig hin und her rutschte. „Emma, ... ich will dich wirklich zu nichts drängen...“ Ein kurze Pause folgte, in der sie tief ein- uns ausatmete. „... aber ich bin verdammt scharf.“ Der Groschen fiel und ich konnte nicht verhindern, dass ich nervös wurde. War ich bereit, sie so

intim zu berühren, wie sie mich? Schuldgefühle keimten in mir auf. Ich hatte wohl kaum das Recht, mich das zu fragen, wer A sagt muss auch B sagen, oder? Die Frage erübrigte sich, als ich die stumme Bitte in ihren Augen las. Das Problem war nicht, dass ich sie nicht berühren wollte, sondern eher, dass ich nicht wusste wie. Was war, wenn ich es falsch machte? Wenn es ihr nicht gefallen würde? Würde sie dann schlecht von mir denken? Lena kniff die Augen zusammen und schien sich stark zu konzentrieren. „Sorry, ich wollte dich nicht bedrängen, gib mir kurz ein paar Minuten.“ Verdammt

Emma, mach was, zeig ihr, dass es nicht nur eine einseitige Geschichte ist! Ich mochte sie und ich begehrte sie, aber sie konnte wohl kaum in meinen Kopf schauen, um das zu erkennen – auch, wenn es sich manchmal so anfühlte. Es fiel mir zwar schwer, aber ich fand den Mut, mich aufzurichten und brachte Lena dazu, sich auf den Rücken zu legen. Während ich halb auf ihr lag und zu ihr hinunter blickte, sah sie mich unsicher an. „Du musst das nicht machen, Emma. Ich will dich nicht drängen, wir haben Zeit.“ Beinahe musste ich lachen. Wir hatten Zeit? Ein Satz, der nicht so recht zu ihr passen wollte und so langsam wurde mir klar, dass Lena

nicht immer so selbstbewusst und sicher war, wie es den Anschein machte. Gerade jetzt war von der schlagfertigen Lena, die nichts aus der Bahn werfen konnte, eher wenig zu sehen. Ihre Wangen waren gerötet, ihr Atem flach. Langsam verstand ich, was ihr daran zu gefallen schien. Es schmeichelte meinen Augen, sie so zu sehen. So unverfälscht, so erregt. „Ich möchte aber.“, entgegnete ich schlicht und öffnete mit zitternden Händen das Handtuch, in das sie immer noch eingewickelt war. Lena hatte einen schönen Körper,

schlank und ästhetisch. Ihre helle Haut erinnerte mich seit jeher an Marmor. Makellos und edel. Manche mochten sie vielleicht als bleich bezeichnen, mir hingegen gefiel sie einfach nur ungemein. Auch wenn man Lena als hager beschreiben konnte, hatte sie durchaus weibliche Kurven, die ich mit meinen Blicken nach fuhr. Sie war einfach wunderschön. Meine zitternden Hände ignorierte ich und legte sie auf ihren flachen Bauch, der unter meinen Berührungen zusammenzuckte. Das war ein gutes Zeichen, oder? Ich suchte Blickkontakt, aber sie hatte ihre Augen geschlossen und ihren Mund leicht geöffnet. Der Gedanke, sie

zu fragen, was ich jetzt machen sollte, erschien mir irgendwie unpassend, stattdessen beschloss ich so vorzugehen, wie sie bei mir. Ich strich ihr sanft über ihre Haut, die sich unter meinen Fingern anfühlte wie Samt. Sie streckte sich mir leicht entgegen, was mir die Bestätigung gab, nicht aufzuhören. Je länger ich sie beobachtete, umso mehr loderte in mir der Drang, sie an anderen Stellen zu berühren. Nach kurzem Hadern, traute ich mich, über ihre Brüste zu streicheln – was sie mit einem leisen Keuchen kommentierte. Es war das erste Mal, dass ich Brüste berührte, die nicht zu mir gehörten und es fühlte sich unbeschreiblich schön an, diese

zarte Haut zu spüren. Ich konnte deutlich Lenas Brustwarzen wahrnehmen, die leicht gegen meine Handfläche drückten und nach mehr Aufmerksamkeit verlangten. Wie zuvor Lena bei mir, fuhr ich sachte mit meinem Daumen über sie. Lena stöhnte leise auf, was mir eine Gänsehaut bescherte. So offenkundig ihre Empfinden zu beeinflussen, war überaus aufregend und für einen kurzen Augenblick schob ich meine Nervosität in den Hintergrund. Ich beugte mich zu ihr hinunter, küsste sie innig. Ließ meine Zunge die ihre suchen. Lena legte ihre Hand auf meinen Nacken und zog mich noch

enger zu sich. Sie wurde verlangender und ich gab gerne nach. Als mir die Luft zum Atmen ausging, löste ich mich von ihr und wanderte mit meinen Lippen ihren Hals entlang. Ich küsste jeden Zentimeter ihrer perfekten Haut, die so gut schmeckte, obwohl ich nicht einmal genau sagen konnte, nach was. Ich wollte mehr. Viel mehr. Ich wollte, dass es für sie so schön war, wie es für mich gewesen war. Als ich an ihrem Schlüsselbein angelangt war, stoppte ich nicht, sondern setzte meinen Weg fort und liebkoste die zarte Haut ihrer Brüste, ließ gelegentlich meine Zungenspitze über sie fahren. Lena zitterte deutlich und streckte ihren

Rücken weiter durch, bot sich mir an. „H-Höre ja nicht auf.“, stammelte sie. Ihre Stimme klang dunkel und brüchig. Mittlerweile dachte ich an gar nichts mehr, es gab jetzt nur noch sie und mich. Langsam leckte ich mit meiner Zungenspitze über ihre linke Brustwarze und ich konnte spüren, wie sie hart wurde und sich mir einladend entgegenstreckte. Ich umschloss sie mit meinen Lippen, erhöhte etwas den Druck, während ich mit meiner freien Hand ihre andere Brust streichelte, etwas fester zudrückte, weil sie mir gesagt hatte, dass ihr das gefiel. „Verdammt, du schaust dir zu viel ab.“ Ihr Keuchen wurde lauter, während sie ihre Hände in mein Haar vergrub.

„Emma, bitte gönne mir ein bisschen Handeinsatz, sonst verbrenne ich hier noch innerlich.“ Sie wurde ungeduldig, ihr Körper zitterte stark und war deutlich verkrampfter, als noch vor wenigen Sekunden. Langsam keimte wieder diese gewisse Angst auf, etwas falsch zu machen „I-Ich habe das noch nie gemacht, ich bin sicher schlecht.“ „Sex ist kein Wettbewerb, solange du zärtlich bist, wird es für mich auch schön sein.“ Sie stockte kurz. „Bitte Emma, sonst mache ich es selbst, ich halte das langsam nicht mehr aus.“ Sie klang ernst und keineswegs keck oder belustigt. Sie nahm mir ein bisschen die Angst und langsam ließ ich meine

Hand an ihr hinunter gleiten, bis ich ihren Venushügel erreicht hatte. Auch dort war sie weich und zart. Perfekt rasiert. Meine Hand fand ihren Platz auf ihrer Vulva und kurz stockte ich, als ich spürte, wie feucht sie war. Sanft drückte ich einfach nur ein bisschen zu, wie ich es oft tat, um mich selbst in Stimmung zu bringen. Lena war bereits so erregt, dass es nicht lange dauerte, bis ich meinen Ring- und Mittelfinger sachte zwischen ihre Schamlippen gleiten ließ. Lenas Stöhnen wurde lauter, sie streckte sich begierig meiner Hand entgegen und presste ihren Hinterkopf tiefer in die Kissen. Als sich unsere Blicke trafen, musste ich schlucken. Ihre Augen strahlten so

viel Lust aus, dass ich selbst die Erregung in mir aufsteigen spürte. Ich streichelte sie zärtlich, sachte und langsam. Lena wand sich unter mir, schien aber nicht die Erlösung zu finden, wie ich sie an ihrer Stelle vermutlich schon längst gefunden hätte. „Bitte Emma, ich brauche es ein bisschen härter.“ Ich kam ihrem Wunsch nach, erhöhte den Druck ein wenig, rieb sie gröber. Ihr leises Stöhnen wich einem hektischen Atmen und ich konnte spüren, wie ihr Becken anfing zu zittern. Als Lena ihre Augen fest zusammenkniff und ihre Hände in das Bettlaken krallte, konnte ich meinen Blick nicht mehr von ihr

abwenden. Lena hatte Recht, der Anblick war Erotik pur. Plötzlich bäumte sich ihr Körper unter mir auf und sie stöhnte laut. Kurz darauf sackte sie in sich zusammen und wirkte von der einen auf die andere Sekunde hochgradig erschöpft. Als ihre Atmung wieder gleichmäßig war, sah sie mich an. „Das war echt schön.“ Sie legte sich seitlich hin und zog mich zu sich. Ein Stück rutschte sie an mir hinunter und legte ihre Stirn an mein Schlüsselbein. „Ich weiß, das ist ein wenig lästig, aber würdest du mich ein bisschen umarmen?“ Etwas perplex kam ich ihrer Bitte nach, legte meinen Arm um sie und zog sie näher

an mich. Was sollte daran lästig sein? Mir fiel auf jeden Fall nichts ein, auch wenn es mich ehrlich gesagt überraschte, dass Lena ein Kuschelbedürfnis zeigte. Eine Weile lagen wir einfach nur so nebeneinander und hätte ich nicht gemerkt, dass sie mich gelegentlich küsste, hätte ich wohl gedacht, dass sie eingeschlafen war. Sachte fuhr ich mit meinen Fingern durch ihr blondes Haar, das mittlerweile wieder trocken war, und kraulte ihr ein wenig den Hinterkopf. Einer meiner persönlichen Schwachstellen, mit der ich wohl nicht alleine war, da Lena bestätigende Töne von sich gab, deren Ursprung ich nicht genau zuordnen konnte.

„Weißt du, was jetzt voll toll wäre?“, fragte sie und klang ziemlich müde. „Was denn?“, erwiderte ich. „Etwas richtig Fettiges zu essen.“ Ich fing an, zu lachen. Dafür, dass sie aussah, als würde sie kaum etwas zu sich nehmen, spielte Essen wohl doch eine größere Rolle in ihrem Leben. Sie löste sich von mir und richtete sich auf. „Ich schieb uns noch eine Pizza rein, ist Salami für dich okay?“ Ich nickte nur und sah ihr verdutzt nach, als sie sich einen Slip und ein Sweatshirt anzog und das Zimmer verließ. So ganz wurde aus ihr nicht

schlau. Nachdem ich das Badezimmer aufgesucht hatte, ging in die Küche, in der mittlerweile das Licht brannte. Lena war auf den ersten Blick nicht zu sehen, erst nachdem ich die Kücheninsel umrundet hatte, fand ich sie, wie sie im Schneidersitz vor dem Backofen saß und das Innenleben studierte. „Sie ist gleich fertig, paar Minuten noch. Ich hätte gesagt, wir essen sie oben bei mir, dann können wir noch ein bisschen was schauen, oder so.“, meinte sie zu mir, ohne sich dabei umzudrehen. Irgendwie ein lustiger Anblick. Spät in der Nacht, nachdem wir – oder besser gesagt Lena – die Pizza

verdrückt hatten, lag ich in ihrem Bett und fand irgendwie nicht den Schlaf. Ich drehte mich zu ihr um und beobachtete sie stumm. Sie lag mit dem Rücken zu mir und ich konnte ihr ruhiges, gleichmäßiges Atmen hören. Ich hatte gehofft, sie würde noch ein wenig mit kuscheln wollen, aber irgendwie ging eine gewisse Distanz von ihr aus, die mich einerseits überraschte, aber auch ziemlich verunsicherte. Es hatte sich doch schön angefühlt, sie zu umarmen, oder hatte ich etwa was falsch gemacht? Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr vermisste ich ihre Nähe, obwohl sie nur ein paar Zentimeter von mir entfernt lag.

Nach ein paar Minuten hielt ich es einfach nicht mehr aus und rutschte eng an sie heran, um sie zu umarmen. „Was brauchst’ ?“, nuschelte sie und war wohl mehr am schlafen, als wach. „Mir ist kalt.“, log ich vor mich hin, was erst unkommentiert blieb. Nach einem Augenblick drehte sie sich jedoch um und deutete mir an, es ebenso zu tun. Ihre Arme legten sich um mich und zogen mich an sie heran. „Besser?“, fragte sie. „Viel besser.“ Es war ein schönes Gefühl, ich fühlte mich sicher und es dauerte nicht lange, bis die Müdigkeit siegte.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, brauchte ich erst einen Moment, bis ich realisiert hatte, wo ich war. Ich richtete mich etwas auf und blickte zur Seite. Lena schlief noch tief und fest und hatte beide Hände eng vor sich verschränkt. Beinahe sah es aus, als würde sie beten. Eine lustige Vorstellung. Lena in der Kirche oder sogar bei der Beichte? Ich begutachtete sie eine Weile. Sie wirkte total erschöpft. Erst jetzt fielen mir ihre dunklen Augenschatten wirklich auf, die ihr ein leicht kränkliches Bild verliehen. Ob sie wenig schlief? Wenn sie jeden Morgen so früh aufstehen

musste, würde es mich nicht wundern. Ich wollte sie nicht wecken und beschloss, spontan die Küche aufzusuchen, vielleicht war alles da, damit ich ein Frühstück machen konnte? Jetzt, da das Haus total hell beleuchtet war, fiel es mir schwer, die Wendeltreppe hinunterzugehen. Irgendwie traute ich dem Glas unter meinen Füßen nicht so wirklich. Dementsprechend glücklich war ich, als ich endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen spürte. Die Stille, die in diesem Haus herrschte, war extrem gruselig. Man hörte rein gar nichts. Die meisten würden sich

bestimmt freuen, wenn man keinen Krach der Nachbarn mitbekam, wie es bei uns öfters der Fall war, aber mir fehlte es ehrlich gesagt gerade. In der Küche machte ich erst einmal eine Bestandsaufnahme, was alles da war. Viele Schränke musste ich öffnen, bis ich mir einen Überblick verschafft hatte. Aber es war alles hier, was ich brauchte, sogar frische Semmel vom Vortag. Als ich ein Radio erspähte, schaltete ich es gleich ein, damit diese fürchterliche Stille verschwand. Es lief irgendein bekanntes Lied aus den Charts, das ich zwar nicht wirklich mochte, aber mir lieber war als nichts. Da im Kühlschrank eine Schachtel Eier

stand, entschied ich, Rührei zu machen und musste lachen, als mir spontan mein Vater in den Sinn kam. Mein Vater konnte vieles, nur kochen konnte er überhaupt nicht. Er schaffte es sogar, dass die Pizza anbrannte. Es gab nur eine Ausnahme: Rührei. Seine Spezialität, auf die er so stolz war, dass es schon peinlich war. Als meine Mutter für eine Woche bei ihrer Schwester zu Besuch war, hatte es jeden Tag Rührei gegeben. Das war der Zeitpunkt, an dem meine Schwester und ich das Kochen gelernt hatten. Während ich die Butter langsam in der Pfanne schmelzen ließ, schaute ich

mich nach dem Wichtigsten um: der Kaffeemaschine, die ich auch bald fand. Es war eins dieser modernen Kapseldinger, die ich ziemlich unsympathisch fand. Es kamen nur winzige Tassen heraus und der Kaffee war viel zu lasch – aber wenn nichts anderes da war, sollte man sich nicht wohl nicht beschweren. Nachdem ich das Frühstück angerichtet hatte, stellte ich alles auf ein Tablett und machte mich auf dem Weg nach oben, höchst konzentriert, um nichts fallen zu lassen. Immerhin war ich so beschäftigt, dass ich die Höhe erfolgreich ausblenden konnte. Als ich in Lenas Zimmer eintrat, musste ich

erst einmal aufpassen, dass ich nicht am Gewand hängen blieb, das kreuz und quer herum lag. Meine Mutter hätte mir für das Chaos schon längst die Ohren langgezogen. Ich stellte das Tablett auf die Kommode und blickte zu Lena, die immer noch so da lag, wie ich sie verlassen hatte und ratzte wie ein Murmeltier. Auch wenn es mir Leid tat, musste ich sie wecken, denn kalter Kaffee samt kaltem Rührei war ja nicht gerade ein kulinarischer Genuss. Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihre Schulter und flüsterte ihren Namen. Ein Brummen folgte, woraufhin ich sie ganz leicht streichelte. „Aufwachen, sonst wird das Essen kalt.“ Weiteres unverständliches

Gebrumme folgte, jedoch bewegte sie sich bereits ein Stück. Sie schien wohl ein kleiner Morgenmuffel zu sein. Kurz darauf setzte sie sich auf und rieb sich die Augen, während sie ausgiebig gähnte. Sie blickte zur Kommode. „Was ist das?“, fragte sie und sah mich verwirrt an. „Was wird’s wohl sein? Frühstück – so schlimm schaut es doch wirklich nicht aus!“, erwiderte ich und versuchte, ein beleidigtes Gesicht aufzusetzen. „Du hast Frühstück für uns gemacht?!“ Sie klang irgendwie komisch und für einen kurzen Augenblick schien es, dass sie irgendetwas plagte. „Hätte ich das nicht sollen?“, fragte ich verwirrt.

„Doch, es ist nur, ich kann mich nicht daran erinnern, dass mir jemals jemand etwas ... ach vergiss es, setz dich – und vielen Dank fürs Essen machen.“ Ich hätte zwar gerne verstanden, was genau sie gemeint hatte, aber ich wollte sie nicht nerven und setze mich neben sie, während sie das Tablett zwischen uns stellte. Lenas Appetit war auf jeden Fall schnell in Fahrt, bewundernswert wie viel in ihren schmalen Körper hineinpasste. „Was machen wir denn heute?“, fragte ich sie und musste lachen, als sie mich mit vollen Mund ansah und mich dabei stark an einen Hamster erinnerte. Sie schluckte hörbar

und sagte: „Nun, wenn du magst, können wir erst mal eine Runde joggen gehen, das mache ich eigentlich jeden Samstag. Der Wald ist voll schön und es gibt auch einen See in der Nähe. Danach können wir in die Stadt gehen und schauen, was uns anspricht. Und am Abend würde ich gerne mit dir ins Kino, wenn du magst?!“ Ich lächelte sie an. „Klingt auf jeden Fall nach einem Plan.“ Selbstverständlich hatte ich keine Sportsachen mit, schließlich hatte Lena mir nicht gesagt, dass ich welche brauchen würde. Sie lieh mir daher ein paar von ihren, die zwar nicht perfekt passten, aber für eine kurze Dauer

ihren Zweck durchaus erfüllten. Es war kurz nach 11.00 Uhr, als wir das Haus verließen. Der Himmel war strahlend blau, dennoch ging durchaus ein frischer Windzug umher, der mich kurz frösteln ließ. „Dann mal los, Kapitän, schauen wir mal, wie es um Ihre Fitness bestellt ist!“, grinste sie herausfordernd und joggte bereits drauf los. Sie war wieder ganz die Alte. Als wir den Waldrand erreichten und das typische Knistern des Waldweges unter unseren Füßen erklang, zog Lena ein bisschen das Tempo an, was mich doch schon deutlich schnaufen ließ. Ich war eigentlich alles andere als ein Morgensportler und auch, wenn ich mich durchaus als fit bezeichnete,

konnte ich mich nicht ernsthaft mit Lena messen. Sie war die Schnellste in unserer Klasse und auch eindeutig diejenige mit dem längsten Atem. Manche nannten sie den weiblichen Forrest Gump, was sie allerdings nicht gerne hörte, weshalb die meisten sie nur in ihrer Abwesenheit so nannten. Nach ein paar Minuten erreichten wir den See, von dem sie gesprochen hatte, und Gott sei Dank blieb sie stehen. Ich hätte vermutlich keine weiteren zehn Meter in diesem Tempo ausgehalten. „Was ist denn los, Emma? Schaust ja richtig fertig aus. Brauchst du vielleicht einen Rollator?“, neckte sie mich und klopfte mir so feste auf die

Schulter, dass ich beinahe zusammengeklappt wäre, was ihr nur ein Lachen entlockte. „Wirklich witzig!“, entgegnete ich trocken und versuchte, verärgert zu klingen, was mir nicht wirklich gelang. Ich konnte ihr nicht wirklich böse sein. Die kleinen Sticheleien waren sogar irgendwie unterhaltsam. Sie ließ sich auf einer Bank nieder, die durch die Verwitterung beinahe mit der Natur verschmolzen war, und klopfte auf den Platz neben sich. Natürlich kam ich ihrem Wunsch nach. Mein Herz raste vor Anstrengung noch so stark, dass ich das Gefühl hatte, es würde bald herausspringen. „Weißt du,

das ist mein Lieblingsort, den habe ich noch niemanden gezeigt. Hier kann ich ganz für mich sein und nachdenken.“ Es war nichts, was man kommentieren musste, aber ich hörte heraus, dass ihr dieser Platz wirklich am Herzen lag. Er war auch wirklich schön. Der See wirkte idyllisch und ergab mit dem umgebenen Wald eine wunderschöne Landschaft. „Soll ich mich geschmeichelt fühlen, dass du mir diesen Ort zeigst?“ Ich sah ihr die Augen und für einen kurzen Augenblick hatte ich das Gefühl, ich würde zum ersten Mal etwas von Lena sehen, das nur für meine Augen bestimmt war. „Auf jeden Fall, normalerweise teile ich nichts, was mir

am Herzen liegt.“ Es war kein richtiges Kompliment, aber es fühlte sich so an. Gott sei Dank war ich ziemlich erschöpft vom Laufen, sonst wäre vermutlich aufgefallen, dass meine Wangen nicht nur vor Anstrengung gerötet waren. Es verging einige Zeit, bis wir aufstanden. „Ich hätte gesagt, wir gehen jetzt heim und gleich duschen.“ Während wir uns gemächlich auf den Rückweg machten, ergänzte sie: „Wir haben übrigens eine schöne Dusche, genügend Platz für zwei.“ Sie gab mir mit der flachen Hand einen Klaps auf den Hintern und legte ein Lächeln auf, an das ich mich mittlerweile so gewöhnt hatte, dass ich es ziemlich vermissen würde, wenn ich

es nicht mehr zu Gesicht bekäme.





Impressum: 2015/06 ©Cover: Anna Breinlinger ©Inhalt: Anna Breinlinger

0

Hörbuch

Über den Autor

Anna92

Leser-Statistik
9

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

130476
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung