Sarah schob den Einkaufswagen am Regal mit den Nudeln vorbei. Es war 11:30 Uhr und im Supermarkt wimmelte es nur so vor gestressten Einkäufern. Da sie es eigentlich hasste, den Lebensmitteleinkauf am Samstag im schlimmsten Getümmel zu erledigen, hatte sie vorgehabt, ihn gleich früh morgens hinter sich zu bringen. Aber dann hatte ihr Wecker sie nicht geweckt, weil sie vergessen hatte, ihn zu stellen. Während des Frühstücks hatte dann Mom angerufen und die Zeit war nur so verronnen. Mom war derzeit mit Tante Tess in Spanien und wollte ein bisschen
plaudern, sich erkundigen, was so los war und wissen, ob Joe sich gemeldet hatte. Nach diesem Telefongespräch hatte Sarah noch einige Zeit damit verbracht, die Einkaufsliste zu schreiben und D eine SMS wegen der Fotos zu schicken. Und so war es schon ziemlich spät, als sie endlich ins Geschäft kam… Mit Blick auf ihren Einkaufszettel, versucht sie sich zu konzentrieren. Sie musste den Einkauf heute erledigen, damit sie am Wochenende noch das Lasagne-Sugo vorbereiten konnte. Am Montag hatte sie den ganzen Tag Dienst, und abends weder Zeit, noch Lust zum Kochen. Und am Dienstag, wo sie nur bis
drei arbeitete, würde gerade genug Zeit bleiben, schnell die Béchamelsauce zu machen, die Lasagne in die Form zu schichten und in den Ofen zu schieben, bevor Joe kam. Ihr Blick schweifte vom Zettel zum Inhalt ihres Einkaufswagens ab: bisher nur zwei Packungen Lasagneblätter und ein Salatkopf. Neben ihr versuchte gerade eine junge Mutter, mit ruhigen Argumenten einem schreienden Kleinkind zu erklären, warum sie erst später zu den Süßigkeiten zurückkehren würden. Bemüht, dem Kindergeschrei möglichst rasch zu entkommen, steuerte Sarah ihrem Wagen weiter und um die nächste
Ecke in den Gang mit den Konservendosen. Auf Höhe der Ananas hörte sie plötzlich ihr Handy klingen. Sie griff nach ihrer Tasche und begann darin zu kramen, um das Telefon idealerweise noch zu finden, bevor der Anruf im Voicemail landete. Sie war zu langsam. Als sie das Handy endlich herausfischte, war es längst verstummt. Der Anruf war von Joe gewesen. Sie war gerade im Begriff, ihn zurückzurufen, als das Telefon erneut klingelte. Wieder Joe. „Hallo“, lachte Sarah ins Telefon, „Ich war vorhin zu langsam.“ Sie hörte ihn am anderen Ende lachen. „Hast wohl wieder viel zu viel Zeug in
Deiner Tasche!“ „Nichts, was ich nicht brauche!“, erwiderte Sarah. „Ja klar! Ich weiß schon, dass du dich nur auf das Nötigste beschränkst!“ Ganz offensichtlich machte er sich über sie lustig. „Ja, ja, amüsier dich nur!“, brummte sie. „Wo bist du überhaupt?“ „Am Flughafen.“ Sarah war verwirrt. „Nach Amsterdam? Ich hab gedacht, Du fliegst erst morgen." „Ja, so war’s ursprünglich geplant. Aber es hat sich was geändert, und jetzt flieg ich schon heute“, sagte Joe vage. „Übrigens, ich werd mein Handy in den nächsten Tagen wahrscheinlich meist
ausgeschaltet haben. Es sind einige Besprechungen und so… SMS und Voicemail rufe ich aber ab.“ „Kommst Du immer noch am Dienstag zu mir?“ wolle Sarah wissen. „Ja, sicher. Daran hat sich nichts geändert. Ich lande um halb fünf. Bin dann wahrscheinlich so gegen sechs bei Dir. Ich ruf Dich aber vom Flughafen an, bevor ich wegfahre.“ „Okay. Ja, mach das“, sagte Sarah, während sie vier Dosen Tomaten vom Regal nahm. Dann schob sie ihren Wagen weiter in Richtung der Kühlwaren. „Ich bin gerade einkaufen“, informierte sie ihn dann. „Am Dienstag mach ich Lasagne – Mom’s Rezept. Also sei ja
hungrig!“ „Klingt großartig!“, rief Joe begeistert. „Keine Sorge. Ich bin auf jeden Fall hungrig! Mir rinnt ja jetzt schon das Wasser im Mund zusammen…“ „Gut so!“ Das Telefon zwischen Kopf und Schulter geklemmt, beugte Sarah sich hinunter, um nach einer Packung Milch zu greifen. Beinahe wäre ihr dabei das Telefon weggerutscht. Sie konnte es gerade noch festhalten und hielt es nun wieder mit der Hand ans Ohr, während sie sich aufrichtete und die Milch in den Wagen stellte. „Ich kann’s eigentlich immer noch nicht glauben, dass du wirklich kommst,“ sagte
sie. Joe lachte, aber es klang ein wenig gezwungen. Dann sagte er noch etwas, aber die Verbindung war plötzlich sehr schlecht. „Kannst Du… mich noch hören?“, fragte er, aber seine Stimme wurde immer wieder unterbrochen. Sarah runzelte die Stirn. „Die Verbindung ist ziemlich schlecht“, sagte sie, nicht sicher, wie viel davon er verstehen konnte. Das Letzte, was sie von ihm noch hörte, klang wie „…ruf dich am Dienstag…“ Dann war er weg. Seufzend beendete Sarah das Gespräch und wollte das Handy gerade zurück in ihre Tasche stecken, als eine SMS-Nachricht hereinkam. Von
D: Fotos fertig. Du könntest vor 3 auf einen Kaffee kommen und die CD abholen. D Sarah zog die Augenbrauen hoch. Welch unerwartet angenehme Überraschung! Wer hätte das gedacht? Nachdem sie kurz auf die Uhr gesehen hatte, schrieb sie zurück: Perfekt. Komme gegen eins. Sie packte das Telefon ein und besorgte den Rest der Dinge, die auf ihrer Einkaufsliste standen. Zehn Minuten später, als sie bereits am Weg zur Kasse war, fiel ihr noch etwas ein, was nicht auf der Liste stand. Sie machte kehrt um und holte noch
Biskotten, Mascarpone und einen Karton Eier. Für Tiramisu. Soweit sie wusste, war das das Lieblingsdessert ihres Bruders – und auch ihr eigenes.