Fantasy & Horror
Akuma Kap. 4

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"Akuma Kap. 4"
Veröffentlicht am 31. Mai 2015, 18 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Wer weiß schon was "morgen" für dich bereit hält. Aktuell überarbeite ich Insane und mein Leben und möchte ersteres bald hier hoch laden.
Akuma Kap. 4

Akuma Kap. 4

Winter 1824, Kyoto

Winter war über Kyoto eingebrochen. In der Ferne konnte ich die Rauchschwaden über den Häusern aufsteigen sehen. Es war der 6. Winter seit unser Haus abgebrannt war. Ich saß wie so oft schon auf der Mauer, die mich all die Jahre eingeschlossen hatte und meinen Eltern nach ihrem Leben getrachtet hatte. Meine Narben lagen noch immer offen. Ich hatte keine Mullbinden mehr und die Wunden hatten sich oft entzündet. Ich sprang von der Mauer. Meine nackten Füße landeten im hohen Schnee. Ich spürte die Kälte schon lange nicht

mehr. Langsam und ohne Hast ging ich über die Felder in Richtung Kyoto. Dabei sang ich eine traurige Melodie. Ich hatte schon längst ihren Text vergessen, doch die Melodie würde ich nie vergessen. Es war das Schlaflied, das Mutter mir und Yuki jeden Abend vorgesungen hatte. Nach einiger Zeit hatte ich den Stadtrand erreicht. Dort standen einige Menschen, als sie mich sahen, weiteten sich ihre Augen, sie wichen zurück, bis sie letztlich eilig davon liefen. Ich blieb stehen, drehte mich um und sah über meine Schulter zurück in das Dämmerlicht, aus dem ich gekommen war. Ich summte die

Melodie. Als ich mich wieder umsah, stand ein Mädchen vor mir, nur einige Schritte vor mir. Ihre Unsicherheit war ihr deutlich anzusehen. Ich legte den Kopf schief und dann geschah ein kleines Wunder.

Frühling 2015, Tokyo

Mizusu öffnete die Tür. „Hey, hast du vielleicht noch ´ne freie Couch?“, wurde sie von Yuki begrüßt. Die 16 – Jährige lachte und ließ ihren Kumpel in die Wohnung. „Was ist passiert?“, fragte sie von der Küche aus, während Yuki sich auf das Sofa setzte. „Meine Oma hat mich ausgeschmissen weil wir uns gestritten haben. Dabei wollte ich mich eigentlich entschuldigen“, berichtete Yuki und stellte die Schachtel auf den Tisch. Er sah sich um. „Wo ist denn mein Rucksack?“, fragte er dann. Mizusu setzte sich in einen Sessel. Den habe ich in den Flur gelegt. Hast du ihn

eben nicht gesehen?“, erklärte sie. Yuki gestand, dass er nicht darauf geachtet habe. „Und was ist das?“, wollte die 16 – Jährige wissen, als sie die Schachtel auf dem Tisch entdeckte. „Ich weiß es nicht. Meine Oma hat sie mir gegeben, weil ich unbedingt wissen wollte wer ich bin. Dann hat sie mich raus geworfen“, meinte Yuki und betrachtete die Schatulle. Sie war glänzend schwarz und von der linken Seite wuchs ein blühender Kirschbaum über den Deckel. Er wollte sie öffnen musste jedoch feststellen, dass an der Vorderseite ein Schloss angebracht war. Drei Holzstifte, die unterschiedlich weit nach hinten gedrückt werden mussten. „Oh Mann. Da

gibt es tausende Möglichkeiten“, seufzte Yuki und ließ sich zurückfallen. Mizusu drehte das Kästchen und beäugte es von allen Seiten. Auf der Unterseite standen zwei Zeilen geschrieben. Eine sorgfältige und schöne Handschrift. Offenbar wurde mit Tusche geschrieben, da die Zeichen schon beinahe ganz verschwunden waren. „Hey, hier steht etwas“, teilte sie Yuki mit und versuchte das Geschriebene zu entziffern: それはすべてが開始され、すべてが終了する場所. Da wo alles beginnt und alles endet. Die beiden Teenager sahen sich an und stellten fest, dass sie beide keine Ahnung hatten was das bedeuten sollte. „Weißt du wo alles begonnen hat?“,

fragte Mizusu. „Wenn du mir sagst was mit alles gemeint ist, dann ja“, antwortete Yuki. „Vielleicht ist eine Schlacht oder eine Zeitepoche gemeint“, überlegte der 17 – Jährige. Mizusu sah ihn an. „Oder es ist etwas aus deiner Vergangenheit gemeint. Zum Beispiel dein Elternhaus oder die Stadt aus der du kamst“, entgegnete Mizusu. Yuki stimmte ihr zu, dass das ebenfalls möglich wäre. „Aber wie sollen wir das heraus bekommen? Meine Oma wird es uns nicht sagen“, stellte Yuki fest. „Und was ist mit deinem Opa?“, schlug die 16 – Jährige vor. Yuki war sich nicht sicher: „Ich weiß nicht. Was ist, wenn Oma ihm von dem Streit erzählt hat und

er zu Oma hält?“ Ein paar Minuten später hatte Mizusu ihren Freund überzeugt und Yuki rief seinen Opa an. Er war sehr erleichtert, dass es nicht seine Oma war, die ans Haustelefon ging. „Yuki? Usumi hat mir erzählt ihr habt euch gestritten“, fragte sein Opa, als er am Telefon war. Der alte Mann klang besorgt. „Ja und eigentlich wollte ich das auch gar nicht. Aber ich habe gehört wie ihr darüber gesprochen habt, dass ich nicht euer Enkel bin“, erklärte Yuki zögerlich. Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. Nach einigen Sekunden meinte dann Yuki´s Opa: „Ich habe ihr immer gesagt, sie soll es dir sagen, aber sie

wollte nicht. Hat sie dir von der Schatulle erzählt?“, fragte der alte Mann. „Nein, aber sie hat mir eine gegeben. Allerdings kann ich sie nicht öffnen“, gestand der 17 – Jährige. „Ok. Kannst du mich treffen. Im Teehaus, wo wir früher immer zusammen hin gegangen waren?“, fragte der Opa. Yuki bestätigte das und machte für den morgigen Tag eine Uhrzeit ab. Dann legte er auf. Mizusu sah ihn erwartungsvoll an. „Er hilft uns“, sagte Yuki.

Winter 1824, Kyoto

Das Mädchen ging auf mich zu. Ich verstand sie nicht. Warum war sie nicht wie die anderen? Andererseits, warum war ich nicht wie die anderen? Nicht mehr als ein Schritt trennte uns voneinander. Ich hörte auf die Melodie zu summen. Sie hob ihre Hand und legte sie auf meine vernarbte Brust, genau über mein Herz. Dann sah sie zu mir auf. Ihre tiefbraunen Augen waren erfüllt von Kummer und Mitleid. Eine Träne ran über ihr Gesicht. Ich hob meine Hand und fing die Träne auf. „ Es tut mir so leid, was damals passiert ist“, flüsterte

sie leise. Allein bei dem Gedanken an die Nacht, die mein Leben zerstört hatte, stellten sich die feinen Härchen in meinem Nacken auf. Sie lächelte, nahm meine verbrannte Hand und zog mich durch die dunklen Gassen Kyoto´s. Vor einem großen Anwesen blieben wir stehen. Ich half dem Mädchen die schwere Tür zu öffnen, um hinter ihn in der Dunkelheit zu verschwinden. Im Inneren des Hauses war es genauso dunkel, wie auf der Straße, doch wesentlich leiser. „Du brauchst keine Angst zu haben. Meine Eltern sind auf einer geschäftlichen Reise in Edo. Sie kommen erst morgen Abend wieder. Mein Name ist Takumi Shizumi“, erklärte

das Mädchen und führte mich durch das Haus und bat mich in einem Zimmer Platz zu nehmen. Takumi ging wieder und kam einige Zeit später mit einem Tablet wieder, mit dem sie mehrere Schalen, einen Mörser und einen Stapel Mullbinden transportierte. Als Takumi das Tablet abstellte erkannte ich Ginseng Wurzel, Atractylodiswurzelstock, Kokospilz, in Honig geröstete Süßholz Wurzel, Korkbaumrinde und Speichelkrautwurzelstock. Takumi nahm aus jeder Schüssel eine Hand voll Kräuter und vermengte sie zusammen mit etwas Wasser mit dem Mörser in einer großen

Schale. Anschließend entfernte sie die wenigen verbliebenen Mullbinden, die ich vor einigen Wochen gestohlen hatte und reinigte die offenen und vereiterten wunden. Dann strich sie auf jede Wunde etwas von der neu entstandenen Salbe und verband mich anschließend mit frischen Mullbinden. „Warte kurz, ich hole neue Klamotten für dich. Deine sind dir schon viel zu klein.“ Mit diesen Worten ging sie, bevor ich widersprechen konnte. Zurück kam das freundliche Mädchen mit einem weiteren Tablet, auf dem ich einen schwarzen Hakama und einen roten Haori ausmachen konnte. „Bitte nimm dieses

Geschenk an. Ich kann zwar nicht alles vergessen machen, was Kyoto dir damals angetan hat, aber ich kann dir helfen ein halbwegs normales Leben zu führen“, erklärte Takumi und reichte mir die frischen Klamotten. Während ich mich umzog ging Takumi in den Nebenraum, wo sie in ein großes gläsernes Gefäß den Rest der Salbe füllte. Die neuen Klamotten fühlten sich frisch und rein an und im nach hinein war ich Takumi dankbar, dass sie mir die Sachen geschenkt hatte. Ich trat hinüber in den Raum, in dem Takumi saß und setzte mich neben sie. „Vielen Dank, dass du mir hilfst“, sagte

ich und deutete eine Verbeugung an. „Es ist das mindeste, was ich tun kann“, antwortete Takumi und reichte mir einen Beutel in dem sich das Glas mit der Salbe befand. Takumi begleitete mich bis zum Stadtrand, wo wir uns förmlich verabschiedeten und ausmachten, dass ich nach sieben Nächten wieder kommen würde. Dann ließ ich mich Schritt für Schritt von der Dunkelheit umarmen und begann das Schlaflied meiner Kindheit zu summen.

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Chaos_Valentin
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Gast Laura Peters: du hast eine mitreißende Art zu schreiben, lieben Gruß
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Chaos_Valentin Danke :)
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