Sommer 1812, Kyoto
Dunkelheit. Ein Wesen, das den Menschen seit jeher das Fürchten lehrt. Niemand weiß, was sich in ihr verbirgt, welche Gefahren sich hinter ihrem schwarzen Kleid verstecken und nur darauf warten, dass jemand in ihre Falle tappt. Doch ich fürchte mich nicht vor der Dunkelheit. Im Gegenteil, sie war stehst an meiner Seite. Hat mich getröstet, wenn ich von den Kindern aus der Stadt verspottet wurde. Sie war auch noch da, als sich niemand mehr an mich erinnert. Damals, als meine Eltern noch lebten, haben die Menschen aus der Stadt beschlossen um unser Anwesen und
den Wald eine hohe Mauer zu bauen. Warum habe ich damals nicht verstanden. Meine Mutter hatte einmal gesagt, sie hätten es getan, weil sie Angst vor uns hatten und das wir anders waren.
Eines Nachts, ein furchtbares Unwetter war über das Land herein gebrochen, wollte ich in das Zimmer meiner Eltern gehen, denn mich hatte ein furchtbarer Albtraum heimgesucht. Ich ging über die dunklen Flure, schrak zusammen als die Blitze den Himmel zerrissen, ging aber weiter im Wissen meine Eltern würden mich trösten. Endlich stand ich vor der rettenden Tür, ich öffnete sie und seit dem war nichts mehr so wie es war. Es
war der Moment, wo ich die leblosen Körper meiner Eltern fand. Mein Vater ein stolzer Samurai saß zusammengesunken auf dem Boden, beide Hände um ein Tantō gelegt. Sein gesamter Bauchraum war vom Blut tief rot gefärbt. Meine Mutter saß neben ihm, die Augen weit aufgerissen, den Mund zu einem stummen Schrei verzerrt. Aus ihrem Mundwinkel schlich sich ein dunkles Rinnsal. In ihrem Blick erkannte ich eine Bitte, die Bitte um Vergebung. Das alles erzählte mir ein Blitz, der für wenige Sekunden das Zimmer erhellte. Mein Körper war wie erstarrt und ich hatte Mühe bei Bewusstsein zu bleiben. Dann endlich
gelang es mir einen Schritt in den Raum zu gehen. Doch aus dem Gehen wurde schnell Rennen, bis ich vor meiner Mutter auf die Knie viel. Ich weinte und schrie und vergrub mein Gesicht in Mutters Schoss, doch sie war kalt und starr. Mein Bruder trat verschlafen in das Zimmer, doch als er die Leichen sah begann auch er zu schreien. Lange Zeit saßen wir beide da und weinten um unsere Eltern. Irgendwann gingen wir zurück in unser Zimmer und schmiegten uns unter der Decke an einander. Zu dem Zeitpunkt schrieb ich ein Alter von 5 Jahren.
Nach einigen Wochen kamen einige Männer und Frauen zu unserem Haus.
Yuki und ich spielten vor dem Haus, doch als diese Fremden kamen liefen wir ins Haus und versteckten uns im Zimmer unserer Eltern. Die toten Körper lagen noch immer an Ort und Stelle. Wir verkrochen uns unter das Bett. Keiner von uns wagte es auch nur zu Atmen. Eine Weile lang war es totenstill in dem Raum. Dann, erst leise und immer lauter werdend, hörten wir Schritte auf dem Flur. Yuki nahm meine Hand. „Wir bleiben doch immer zusammen oder?“, flüsterte er. Ich hörte die Angst in seiner Stimme. Ich nickte und schmiegte meinen Kopf an ihn. Seit der stürmischen Nacht, in der wir Waisen geworden waren, hatte ich kein Wort
mehr gesprochen. Die Tür wurde aufgestoßen und ein gellender Schrei zerriss die Stille. Sie hatten Mutter und Vater entdeckt, doch es würde auch nichts mehr helfen. Mir fiel auf, dass Yuki seine Ohren versteckt hatte, nicht wie ich, denn ich wusste nicht wie. Die Männer prüften ob meine Eltern noch lebten, doch vergebens. Kurz darauf sahen wir, wie unsere Eltern weggetragen wurden. Ich war kurz davor zu schreien. Diesen Menschen stand es nicht zu, meine Eltern zu berühren, doch was konnte ein Kind wie ich schon tun? Füße unter einem langen Kleid näherten sich dem Bett und als sich die Frau hinkniete, um unter das Bett zu schauen,
kratzte ich ihr ins Gesicht und fachte sie an, dann packte ich Yuki und rannte aus dem Zimmer. Wir liefen durch das gesamte Haus, bis sie uns im Wohnzimmer umschlossen. Sie kamen immer weiter auf uns zu und ich und Yuki wurden immer nervöser. Plötzlich packte einer der Männer Yuki am Arm und zog ihn zu sich. Yuki schlug um sich und auch ich versuchte meinen Bruder zu befreien. Dabei riss ich eine der vielen Kerzen um, die in dem dunklen Raum für Licht sorgten. Sofort fingen die Strohmatten und Möbel Feuer. Die Männer und Frauen liefen ins Freie und nahmen Yuki mit sich. Doch was war mit mir?