Esoterik
Der Brief

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"Ist es möglich? Oder nicht?"
Veröffentlicht am 24. Mai 2015, 20 Seiten
Kategorie Esoterik
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Über den Autor:

Da ich schwerhörig zur Welt gekommen bin, hat meine Mutter mir während der Grundschulzeit das Tagebuchschreiben als tägliche Hausaufgabe aufgegeben. So musste ich viel Zeit und Übung investieren, um das Lesen und Schreiben zu lernen. Auf diese Weise entwickelte sich eine Schwäche zur Stärke, denn auch im Berufsleben habe ich viel schreiben müssen. Privat habe ich immer gerne Tagebuch, Gedichte, Kurzgeschichten und kleine Texte geschrieben. Meine ...
Ist es möglich? Oder nicht?

Der Brief

Der Brief

Kürzlich traf ich meine ehemalige Chefin wieder. Die erste Chefin nach meinem Studium. Es war Zufall, denn wir hatten uns vor Jahren aus den Augen verloren. Sie war krank geworden und wegen eines langwierigen Wirbelsäulenschadens hatte sie die Firma verlassen. Ich war mächtig erstaunt, sie am Bistrotisch eines Eiscafés sitzen zu sehen. Nicht nur, weil sie sich offensichtlich stark verändert hatte, sondern weil ich sie hier auf dem Land nicht erwartet hätte. Damals, als sie meine Chefin war, lebte sie in einer Großstadt und als allein erziehende

Mutter eines Mädchens mit dunklem Teint war sie überzeugt, dass ihre Tochter in einer Großstadt besser aufgehoben sei. Dafür hatte sie die lange Fahrzeit zu den verschiedenen Filialen der Firma in Kauf genommen. Als ich Hildegard so unerwartet dort vor dem Eiscafé sitzen sah, öffneten sich in mir längst verschüttete Erinnerungen aus den Anfängen meines beruflichen Werdeganges. Dies war die engagierteste Frau in der Firma gewesen. Sie hatte neue Projekte nicht nur bis ins Detail geplant, sondern setzte sie auch dementsprechend um, ganz unabhängig davon, welche Schwierigkeiten sich ihr in den Weg stellten. Obwohl sie uns

sechs neuen Mitarbeiter richtig gut eingearbeitet hatte, mochten wir sie nicht so sehr. Sie wich selten von ihren peinlichst genauen Vorstellungen bezüglich der Umsetzung und Qualität der Arbeitsaufgaben ab und nervte dann mit ihrem strengen Gebaren. Selbst bei den Sommerfesten und Weihnachtsfeiern war sie sehr distanziert und irgendwie immer die unnahbare Chefin. Dies ist jedoch nicht der Grund, warum ich Euch von dem Wiedersehen erzähle. Nein, denn es ist ja schon Jahre her, dass sie meine Chefin war. Es ist vielmehr die Begegnung an sich, die mich sehr beschäftigt hat. Denn obwohl ich sie trotz der sichtbaren

Veränderung wiedererkannt hatte, verblüffte sie mich mit ihrer Haltung und dem Gespräch, welches folgte, als ich mich entschlossen hatte, sie anzusprechen. Während ich näher kam, stellte ich fest, dass Hildegard gar nicht an einem Eis löffelte, sondern vor einer Tasse Kaffee in einem Büchlein schrieb. Die Frau, welche einst meine Chefin war, schien vertieft in Gedanken und schrieb emsig vor sich hin. „Hallo Hildegard!“, sprach ich sie freundlich an. Sie schaute von ihrem Büchlein auf und augenblicklich erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. „Oh! Das gibt es ja nicht, du bist es, Sabine! Was machst du denn hier?!“

Die Freude über das Wiedersehen leuchtete um ihre Augen herum und zeigte mir ein weiches, entspanntes Gesicht, welches ich so von ihr nicht kannte. „Ich habe gerade meine Mutter besucht, sie lebt schon sehr lange hier. Ich staune aber auch, dich hier anzutreffen, denn ich dachte, du lebst in der Großstadt?! Wenn du ein bisschen Zeit hast, dann setze ich mich gerne zu dir. Oder störe ich dich?“ Zögerlich griff ich zur Lehne des freien Stuhles am Tisch und machte Anstalten, mich zu setzen. „Aber natürlich ja, bitte setz dich! Ich bin gespannt zu hören, wie es dir geht und was du jetzt so machst. Es muss ja so um die sechs Jahre her sein, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben, nicht wahr?!“ Ich nickte beipflichtend. „Auf jeden

Fall hat sich seither sehr viel in der Firma verändert! Mir geht es ganz gut, und dir? Wie geht es dir denn? Du warst doch damals so krank geworden. Das hat mir so leid getan. Besonders, wo du doch allein erziehende Mutter bist.“ Eine Art schelmisches Lächeln huschte über ihr Gesicht und zunächst war ich mir nicht sicher, ob ich etwas Falsches gesagt hatte, oder ob sie es einfach nur witzig fand. „Oh ja, liebe Sabine. Zuerst war es für mich unvorstellbar, nicht mehr arbeiten gehen zu können. Es gab Zeiten, da wunderte ich mich darüber, noch am Leben zu sein, obwohl ich mich kaum bewegen konnte, Aber inzwischen hat sich gezeigt, dass die Veränderungen in meinem Leben auch ihren Sinn hatten. Wenn du möchtest,

erzähle ich dir gleich mehr. Wenn es dir nichts ausmacht, dann würde ich gerne noch eben diesen Brief hier zu Ende schreiben, das dauert nicht mehr lange! Vielleicht magst du dir ja in der Zwischenzeit einen Eisbecher aussuchen? Ich wollte mir nämlich gleich einen Karamellbecher bestellen. Magst du?“ Ich nickte, denn der Besuch bei meiner Mutter war, wie immer, ohne Kaffee und Kuchen verlaufen. Mir gefiel die Vorstellung, nun ein Eis zu schlürfen und zu erfahren, wie es denn meiner einstigen Chefin ergangen sein möge, und nahm zustimmend die Eiskarte zur Hand, während Hildegard sich wieder dem Schreiben widmete. Während ich die Auswahl an Eisbechern

studierte, schlich sich ein Bild in meinen Kopf: Knapp eine Woche nachdem ich meine Arbeitsstelle angetreten hatte, lud Hildegard und die damalige stellvertretende Geschäftsführerin alle Mitarbeiter des Projektes zu einem Eis essen in der Nähe der neu eröffneten Filiale ein. Dort sollte der Beginn des von Hildegard auf die Beine gestellten Projektes und die Eröffnung von drei neuen Filialen gefeiert werden. Ich erinnerte mich noch sehr genau daran, wie ich meine erste Chefin wahrgenommen hatte: Selbstbewusst, sportlich, in den besten Jahren und leider teilweise sehr herablassend und stets unnahbar. Doch nun saß mir eine reife, offensichtlich warmherzige Frau gegenüber. Ich konnte es kaum

glauben, wie sich ein Mensch innerhalb von Jahren so verändern konnte. Als ich den italienischen Kellner heran gewunken hatte und meine Bestellung aufgeben wollte, sah Hildegard mit strahlendem Lächeln auf: „Fertig! Ja, wie passend ist das denn? Dann lass uns mal was Leckeres bestellen.“ Der Kellner lächelte freundlich zurück und notierte unsere Wünsche, welche kurz darauf auf kleinen Tabletts schwebend an unseren Tisch gebracht wurden. Während wir also unsere langstieligen Löffel durch das Eis hoben, blickte ich Hildegard erwartungsvoll an. „Na, jetzt bin ich aber sehr

gespannt, wie es dir in den letzten Jahren ergangen ist. Denn ich finde, du hast dich sehr verändert, Hildegard!“ „Oh ja. Dass kann man wohl sagen“, schmunzelte sie. „Nicht nur, dass ich ganz schön zugenommen habe. Ich staune ja, dass du mich trotzdem wieder erkannt hast. Ich habe mich auch innerlich sehr verändert. Wie gesagt, die ersten Jahre waren sehr schwer. Ich konnte mich ja fast zwei Jahre lang kaum bewegen. Aber ich habe viele verschiedene Arten von Heilmethoden auf diesem Wege kennen gelernt und es gab einige grandiose Menschen, die mir auf meinem Weg zur Besserung geholfen haben. Ich habe zum Beispiel unter anderem erkennen dürfen, dass Krankheiten uns nicht nur behindern,

sondern auch eine Wachstumsaufgabe darstellen. Langwierige Krankheiten wollen dem Menschen auch etwas sagen.

Wenn du magst, kannst du gerne gleich mal den Brief lesen, den ich gerade geschrieben habe. Denn das, was darin steht, war ein sehr wichtiger Teil meiner Entwicklung, die notwendig war, um wieder bewegungsfähig zu werden. Möchtest du?“ Ich glaube, ich habe sie eine Weile lang nur mit offenem Mund angestaunt. Was für ein Angebot! Sie hatte einen Brief geschrieben und wollte mich ihn lesen lassen?

Ihr aufmunternder Blick zeigte mir jedoch, dass sie es ernst meinte. Also nickte ich zögerlich und ließ mir ihr Büchlein

geben. Auf diese Weise las ich den verblüffendsten Brief meines Lebens. Seither beschäftigt er mich. Hildegard hat mir versichert, ich dürfte sie jederzeit anrufen, wenn ich mehr wissen möchte. Ich weiß, dass ich in Kürze auf ihr Angebot zurück kommen werde.

Doch zunächst muss ich das Ganze mal sacken lassen. Sie hat mir erlaubt, eine Kopie vom Brief zu machen und ihn mit Euch zu teilen.

Also ließt selbst:






Mein lieber ehemaliger Herr Nachbar, mein ganzes Leben schon fürchtete ich mich davor, dass man mir etwas neiden könnte. Mein ganzes Leben lang habe ich peinlichst genau darauf geachtet, möglichst wenige und nur einfache Dinge zu besitzen, damit ich nicht die Aufmerksamkeit meiner Mitmenschen auf mich ziehe. Mein halbes Leben bisher wusste ich nicht, warum ich dieses Gefühl, dieses Bedürfnis habe, denn an sich gab es dafür keinen ersichtlichen Grund. Ich war nie reich und lebte knapp bei Kasse, hatte zum Leben genug, aber auch nicht mehr als das. Bis ich vor vielen Jahren zu den mir bekannten Schmerzen in der Wirbelsäule

auch noch über eine sehr lange Zeit Schmerzen unterhalb des Schulterblattes hatte und alle medizinischen Therapien nichts halfen. Da besuchte ich einen Arzt, welcher über besondere Therapiemöglichkeiten verfügte. Und während der Heilsitzung erlebte ich den Tod eines letzten Lebens: Jemand stach mir, von hinten angeschlichen, hinterlistig mit einem großen Messer in die Brust. Blut breitete sich in meinem Körper aus und allmählich blieb mir die Luft weg. Das warme Blut flutete meinen Körper und im Sterben hatte ich nur eine Frage: „Warum?“


Ich war mir keiner Schuld bewusst. Inzwischen, nach weiteren Heilsitzungen, weiß

ich die Antwort. Du, mein lieber ehemaliger Herr Nachbar, hattest mir aus Verzweiflung über meinen Reichtum, über meinen Erfolg, über meine Hochnäsigkeit und mein Unverständnis dir gegenüber, Jemanden mit dem Messer geschickt. Nun verstehe ich auch, warum ich große Küchenmesser mein ganzes Leben lang schon meide….. Ich möchte mich bei dir entschuldigen, mein lieber Herr Nachbar aus früherem Leben. Es tut mir leid, dass ich verächtlich auf dich und dein, an mein riesiges, ertragreiches Anwesen grenzendes, Grundstück und dein unglücklich geführtes Gutshaus, herunter geschaut habe. Es tut mir leid, dass ich, höchst selbstbewusst und von meinen

eigenen Führungsqualitäten beeindruckt und überzeugt ob meiner fairen Managementführung, über dich und deinen kläglichen Ertrag gelästert habe. Und es tut mir außerordentlich leid, dass ich deine missliche Lage, in welcher du dich mit deinem Land und deinen Angestellten befandest, nicht genauer untersucht oder hinterfragt habe. Denn dann hätte ich bereits im vergangenen Leben festgestellt, dass ein Teil deines Landes unfruchtbar war. Dann hätte ich erkennen müssen, dass dein Missgeschick, dein Unglück, nichts mit deinen persönlichen Fähigkeiten, sondern mit der Bodenbeschaffenheit deines Landes zu tun hatte. Dann hätte ich schon damals erkennen

und verstehen lernen können, was es wirklich heißt, sozial mit seinen Mitmenschen umzugehen und gemeinsam einem Ziel entgegen zu arbeiten. Da ich es in meinem früheren Leben versäumt habe, lerne ich es nun in diesem Leben. Verstanden habe ich es allerdings erst, als ich den Schmerz unterhalb des Schulterblattes, welcher vom Einstich des Messers her rührte, genauer untersucht habe. Nun durfte der Schmerz gehen, denn er hat mir sein Zeichen gesetzt und ich lerne nun, Situationen und Menschen näher zu betrachten und den mir unverständlichen Dingen auf den Grund zu gehen, damit ich so einen überheblichen Fehler nicht noch einmal

grob fahrlässig zulasse. Mein lieber Herr Nachbar aus früherem Leben, ich danke dir für diese Lernaufgabe und möchte mich hiermit – wo immer du auch bist – bei dir entschuldigen! Es tut mir leid, dich und dein Unglück nicht nur ignoriert, sondern auch noch abschätzig verurteilt zu haben. Ich hoffe und wünsche – egal wo auch immer du dich jetzt befindest und was du zurzeit tust – dass du Erfolg hast! Ich hoffe und wünsche, dass liebevolle und verständnisvolle Menschen um dich herum sind! Von Herzen möge es so sein!


Ich grüße dich aus einem neuen Leben, dein ehemaliger Nachbar

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Hörbuch

Über den Autor

Gabriele
Da ich schwerhörig zur Welt gekommen bin, hat meine Mutter mir während der Grundschulzeit das Tagebuchschreiben als tägliche Hausaufgabe aufgegeben. So musste ich viel Zeit und Übung investieren, um das Lesen und Schreiben zu lernen. Auf diese Weise entwickelte sich eine Schwäche zur Stärke, denn auch im Berufsleben habe ich viel schreiben müssen. Privat habe ich immer gerne Tagebuch, Gedichte, Kurzgeschichten und kleine Texte geschrieben. Meine Lieblingsthemen sind: der Mensch, das Leben, Psychologie, die Natur und Engel.

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Dodo1963 Ich finde den Brief immer wieder gut. Und übrigens 'Angst vor großen Küchenmessern habe ich auch. Warum auch immer....Ich hatte mal ein gutes Messerset geschenkt bekommen, ich konnte es einfach nicht aufhängen. es ist dann irgendwann in der Schublade gelandet..... Da haben wir wohl was gemeinsam....zwinker
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele Dankeschön für deinen Kommentar liebe Dodo :-)
tja - inzwischen habe ich keine Angst mehr vor Messern.....
Liebe Grüße, Gabriele
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Eine sehr interessante Sichtweise auf das Leben -oder- die Leben?!
Eine berührende Geschichte, vielen Dank!
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele Danke schön *lieber Gast* :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Gilajan Leider sind meine Geschenke schon alle. Eine berührende Geschichte! Danke
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele ....meine dafür nicht *grinst*
Ich freue mich sehr, dass du meine Kurzgeschichte um den besonderen Brief gelesen hast - danke schön!
Mit lieben Grüßen, Gabriele
Vor langer Zeit - Antworten
niki013 

liebe Gabriele
so manches ist unerklärlich in unserem Leben,
schön verwortet deine Erzählung, mich hast du auch
nachdenklich gemacht ,,

ich grüße dich lieb zur Nacht
dieNiki
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele HERZlichen Dank liebe Niki
für deinen Besuch und deine Rückmeldung,
über die ich mich sehr gefreut habe!
Viele liebe Grüße an dich zurück, Gabriele
Vor langer Zeit - Antworten
GertraudW 
Liebe Gabriele,
sehr gut geschrieben - ich hab`s mit Spannung gelesen.
Ja, es gibt vieles zwischen Himmel und Erde, dass man sich
nicht erklären kann - und ist vielleicht auch ganz gut so ...
Liebe Grüße in Deinen Nachmittag
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele HERZlichen Dank liebe Gertraud
für deinen Besuch und für das Lesen des Briefes!
Ja, ganz offensichtlich gibt es da viele Dinge zwischen Himmel und Erde...... und manchmal kann man sich einfach nur überraschen lassen!
Viele liebe Grüße zurück von Gabriele
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