Simon Belfare war einst einer der mächtigsten Zauberer im gesamten Reich und als Herr des Sangius-Ordens selbst vom Kaiser und all jenen gefürchtet, die sich ihm in den Weg stellten. Doch als er sich einiger Dörfler entledigen will, die ihm beim Bau seiner neuen Burg im Weg stehen, werden ihm seine Kräfte geraubt. Verwundbar und von seinen eigenen Leuten verraten befindet er sich alsbald auf der Flucht, mit nur einem Ziel: Zurückzuerlangen was ihm genommen wurde. Sein Weg führt ihn dabei durch Armut, Finsternis und
letztendlich auch die Folgen seines eigenen Handelns…bis er im Norden des Kontinents schließlich sein Schicksal findet. Zum Guten oder zum Bösen. Bildquelle el7bara / Everystockphoto.com
Sie waren nun seit fast zwei Wochen unterwegs und das Land veränderte sich langsam. Die endlosen Grasebenen gingen immer mehr in Wälder über, deren dichte Blätter Schutz vor der Hitze des Tages boten. Auch wenn der Sommer das Land noch nicht vollkommen im Griff hatte, Ordt genoss die Schatten so gut es ging, wusste er doch, dass ihr Weg sie nicht ewig durch das Dickicht führen würde. Sie näherten sich den Herzlanden, der Kernprovinz Cantons und damit würden die Wälder bald
zwangsweise von den Getreidefeldern abgelöst werden, die den Großteil des von Menschen beherrschten Gebiets dieses Landes einschlossen. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er als Kind zum ersten Mal einen Blick über die endlosen Reihen goldener Halme geworfen hatte, das Meer aus Korn nur unterbrochen durch ein paar vereinzelte Bauernhöfe oder Siedlungen. Es hieß, man könnte von einem Ende der Provinz zum anderen gelangen, ohne jemals etwas Anderes zu sehen und die meisten Menschen taten das wohl auch, vor allem, da sie die Wälder und unbefestigten Straßen mieden. Diese wiederum gehörten den Clans der
Gejarn. Allerdings hatten sie wohl Glück, dachte er. Das Gebiet seiner eigenen Leute lag noch ein gutes Stück hinter Vara und die Wahrscheinlichkeit überhaupt jemanden zu begegnen war gering. Solange es sie nicht betraf, hielten sich die Clans aus allem raus und bisher hatte der Kaiser auch nie den Versuch unternommen, daran etwas zu ändern. Es war ein stummes Friedensabkommen, das zwischen Canton und Ihnen herrschte. Auf sich gestellt wäre keiner der Clans stark genug, eine Bedrohung für das Reich darzustellen und dem Kaiser wiederum war es wohl zu mühselig, sie alle Einzeln aufzuspüren und zu unterwerfen. Und sie
wussten sich durchaus zu wehren, dachte Ordt. Zwar waren die letzten größeren Konflikte mit den Menschen seit Jahrhunderten vorbei, aber auch zwischen den verschiedenen Clans gab es genug Streitigkeiten. Er hatte ja sogar seine eigenen…. Die wenigsten Gejarn verließen je wirklich länger ihre Heimat, zumindest damit war er also wohl so etwas wie ein Einzelfall. „Kennt ihr diese Gegend?“ , fragte Kiris und riss ihn damit aus seinen Gedanken. „Ich… bin vor einigen Jahren einmal hier gewesen.“, antwortete er. Auf einem Weg, den er nie gedacht hatte, ein
zweites Mal zu gehen. Doch jetzt sah es tatsächlich so aus, als würde er das müssen. Immer noch, es war fast unmöglich, dass sie Jemanden aus seinem Clan begegnete, beruhigte er sich selbst. Zwar lebten die meisten Gejarn in nomadischen Dörfern mit einigem Dutzend bis hundert Einwohnern zusammen, aber das Gebiet, das sie bereisten blieb eher klein. Aber wenn doch… Ordt seufzte. Wenn doch, wären sie schnell in ziemlich großen Schwierigkeiten. Den Menschen zu entkommen war eine Sache. Einem Rudel Wölfe, das war etwas ganz anderes…. Das Licht, das durch die Blätter über ihnen fiel, malte ein Muster aus dunklen
und hellen Flecken auf den Weg, den sie folgten und die Stämme der Bäume schienen den Weg beinahe wie eine Mauer zu umschließen. Ordt wusste nicht zu sagen, wann sich das letzte Mal ein Holzfäller hierher verirrt hatte, aber es musste Jahrhunderte her sein. Die Menschen hielten sich aus den tieferen Schatten heraus, ganz anders wie sein Volk. Menschen sah man kommen oder man hörte sie zumindest. Seine Leute nicht. Es war auf seine Art faszinierend, wie ein Volk, das ihnen derart unterlegen zu sein schien doch in so vielen Dingen weiter war. Er hatte jetzt genug von ihren Städten gesehen, ihren Armeen, den Menschen darin…. Und seine neuen
Begleiter stellten da keine Ausnahme. „Ich bin ehrlich gesagt immer noch überrascht. Normalerweise isolieren sich die Gejarn ziemlich, von einigen Ausnahmen abgesehen.“, meinte Simon neben ihm und holte ihn damit erneut zurück in die Wirklichkeit. „Das stimmt auch. Sicher, manche mögen ihr Glück in den größeren Städten des Landes versuchen, aber es sind die Wenigsten, die damit Erfolg hatten. Andere verdingten sich auch als Söldner oder Mietschwerter und manche auch als Banditen.“ „Und was davon seid Ihr gleich nochmal?“, hakte Tiege nach. „Ihr seid in jedem Fall kein Söldner.“
„Nur jemand, der überleben will.“, antwortete der Wolf. „Wie wir alle glaube ich.“, meinte Kiris. „Ordt ist mit einer Gruppe anderer Gejarn bei uns in Stillforn aufgetaucht, gut eine Woche vor der Schlacht. Und ehrlich gesagt, weiß ich bis heute nicht genau, warum Ihr uns unbedingt helfen wolltet.“ „Wir… waren einfach eine kleine Gruppe Umherziehender.“, erklärte Ordt. „Ausgestoßene, Söldner ohne Auftrag , solche Leute eben. Und als wir hörten, dass Ihr Hilfe braucht, habe ich dafür gestimmt, uns Euch anzuschließen“ Und tatsächlich war er nicht der Einzige gewesen, auch wenn es
Überzeugungsarbeit gekostet hatte. Ein paar zusätzliche Narben auf seinem Arm und an der Schulter waren jedoch ein geringer Preis dafür gewesen. „Im besten Fall hätte es eine neue Heimat für uns bedeutet. Im Schlimmsten… nun, das seht Ihr ja.“ Er hatte sie in den Tod geführt. Und selbst wenn welche überlebt hatten, gab es für ihn keinen Weg, sich ihnen wieder anzuschießen, vorausgesetzt, er fand sie überhaupt. Vor ihnen wichen die Laubbäume einer kleinen Tannenschonung und die gesamte Straße verschwand unter einem dichten Nadelteppich, der das Geräusch ihrer Schritte schluckte.
„Ich werde mich nie daran gewöhnen…“, murmelte Tiege , der sich ebenso wachsam umsah wie Ordt selbst, die Augen misstrauisch zusammengekniffen. „Sagt jetzt nicht, Ihr könnt nicht im Dunkeln sehen?“ Der Paladin lachte. „Ha, von wegen. Aber ich bin es gewohnt, meilenweit sehen zu können. Das einzige, was einem in Laos die Sicht versperren kann, sind die Mauern der inneren Stadt Helikes. Ansonsten ist das Land fast völlig flach, wenn man von den Sanddünen absieht. Hinter denen kann dafür eine Bande Whaid lauern. Wenn sich jemand in der Wüste
verstecken kann, dann die. “ Der Mann ließ das Schwert ein Stück weit aus der Halterung gleiten, während er sprach. Ansonsten jedoch schien er wieder zu seinem alten, gut gelaunten Selbst zurück gekehrt zu sein, denn seit sie den See verlassen hatten, hatte sich die düsterere Seite des Gejarn nicht mehr gezeigt und Ordt fragte sich bereits, ob sie sich nicht schlicht getäuscht hatten. „Ich glaube, ich habe den Namen schon einmal gehört.“, bemerkte Kiris. „Whaid…“ „Es sind die ursprünglichen Einwohner des Landes, soweit ich weiß.“, antwortete Simon für Tiege.
Dieser nickte. „So könnte man es sagen. Bevor Helike zu dem wurde, was es heute ist, muss es dort ganz anders zugegangen sein. Die Menschen wurden von Drachen regiert, die sie wie Götter verehrten. Doch ihre Herrschaft war alles andere als gerecht oder gnadenvoll, wenn ich dem glaube, was man mir erzählt hat. Im Gegenteil, sie waren grausam, fraßen diejenigen ihrer Diener, die sie enttäuschten und zwangen die übrigen zum Frondienst um ihren Reichtum zu mehren. Offenbar haben Drachen eine ziemliche Schwäche für Gold. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was eine riesige Echse mit Münzen will.“
„Was ist passiert?“ „Eines Tages kam ein Mann, der sich gegen die Drachen auflehnte. Ein Fremder heißt es, der aus den Wüsten des Südens auftauchte, wie ein Geist. Ohne Angst trat er unter die Leute und rief sie dazu auf, sich gegen ihre Unterdrücker zur Wehr zu setzen, doch diese verspotteten den einen Menschen nur, der ihnen im Weg stand und kamen von ihren Thronen und Bergen herab um ihn zu vernichten. Laos jedoch provozierte den hohen Drachenkönig so lange, bis dieser einem Zweikampf zustimmte. Im Vertrauen auf seine Stärke und seine Magie war das Monster alles andere als vorsichtig und versuchte,
das Ärgernis, das Laos darstellte, so schnell wie möglich auszulöschen. Ihr Kampf jedoch dauerte Stunden und legte beinahe die gesamte Region in Schutt und Asche. Der Drache verbrannte ganze Felder bei dem Versuch, Laos einzuäschern, ohne mehr zu erreichen, als die Wut seiner Untertanen zu schüren, während dieser der Kreatur beständig kleinere Wunden beibrachte. Schließlich kam es dort, wo sich heute die Ratskammern in Helike erheben zur Entscheidung und Laos trieb sein Schwert in das Herz der Kreatur, die daraufhin tot zusammenbrach. Als die übrigen Drachen das sahen, flohen bereits die Ersten. Die Übrigen jedoch
wollten Rache für den Tod ihres Königs nehmen. Soweit kam es jedoch nie, denn in diesem Moment wandten sich ihre eigenen Sklaven endlich gegen Sie und so mächtig die alten Drachen auch gewesen sein mochten, gegen Tausende und Abertausende konnten sie nicht bestehen. Die wenigen, die überlebten zogen sich mit ihren letzten Anhängern in die Wüste zurück. Das sind die heutigen Whaid. Und sie bekämpfen uns immer noch.“ „Und was wurde aus Laos?“ „Nun nach seinem Sieg über die Drachen heißt es, stellte er das Volk von Helike vor eine Wahl. Er könne gehen und sie ihrem eigenen Leben überlassen,
wie sie es wünschten oder weiterhin unter ihnen weilen und ihnen zeigen, wie man wie er werden könnte. Verständlicherweise waren die meisten Menschen beeindruckt genug von dem Mann, der im Alleingang einen Drachen vernichten konnte, um sich ihm anzuschließen. Laos erklärte darauf, wie das zu tun sei und so entstanden seine ersten Schriften, die heute noch als Gesetzesgrundlage in Helike gelten. Es sind mit den Jahren auch noch einige dazugekommen aber im Großen und Ganzen… wir leben alle nach dem Wort eines toten Mannes. Ein wenig ironisch ist das schon. Und die, die dem zum Opfer fallen, finden es wohl auch…
weniger lustig, schätze ich.“ Tieges Grinsen erlosch, während er seine Geschichte beendete. Er schien plötzlich wieder weit weg, während er murmelte: „Nein, das glaube ich wirklich nicht.“ Ordt konnte nicht anders, als sich erneut zu fragen, was dem Mann passiert war. Irgendetwas zumindest, das ihn dazu gebracht hatte genau das, was er ihnen grade erzählte, in Frage zu stellen. Und er war längst nicht der Einzige hier, der einen Schicksalsschlag hinter sich hatte, überlegte der Wolf. Wenn er es recht bedachte, traf das sogar auf sie Alle zu. Kiris hatte ihr Dorf verloren, Simon so ziemlich alles bis auf sein Leben, Tiege seine Naivität. Und er…
mehr als genug. Als hätte Kiris seine Gedanken gelesen, sagte sie: „Ihr habt mir nie wirklich verraten, was ihr eigentlich hier draußen sucht. Mir ist klar, dass es genug Gründe gibt, Euren Clan zu verlassen, aber… wir sind jetzt in den Herzlanden. Sagt mir nur, dass das für uns nicht zu einem Problem werden wird.“ Und damit hatte sie genau den Punkt getroffen um den es ging, dachte Ordt. Manchmal war das Gespür dieser Frau fast unheimlich. Aber was tat er jetzt? Wenn es eine Gelegenheit gab, die Wahrheit zu sagen, dann wohl jetzt. Und eigentlich war es lange überfällig. So
gering die Chance war, sie mussten wissen, welcher Gefahr sie sich aussetzten, wenn sie weiter in die Herzlande reisten. „Also gut.“, seufzte er. „Ich bezweifle allerdings, dass Euch das gefallen wird. Ich denke selber nicht gerne darüber nach. Ja ich bin ein Ausgestoßener. Aber die Gründe dafür sind… komplizierter, schätze ich. Ich bin es aus freien Stücken. Und gleichzeitig nicht.“ Vor ihnen gabelte sich der Weg und zwischen den beiden Pfaden lagen mehrere Baumstämme verstreut. Frische Spuren von Sägen und Äxten an dem Holz zeigten, dass sie die verlassenen
Teile der Wälder hinter sich gebracht hatten. Weit konnte es nicht mehr sein. Ordt wollte die Geschichte ungern im Gehen erzählen und so setzte er sich auf eine der übrig gebliebenen Baumwurzeln. Die anderen taten es ihm gleich. Ein Blick zur Sonne zeigte ihm, dass es ohnehin bald dunkel werden würde. Und er würde eine Weile brauchen um alles zu erzählen. Jetzt, wo er sich einmal dazu entschlossen hatte, alles preiszugeben würde er das auch tun. Als er wieder aufsah, starrte er lediglich in drei fragende Gesichter. Selbst Tiege schien wieder auf andere Gedanken gekommen zu sein, den erneut
war der seltsame Ausdruck, den Ordt noch vom See her kannte verschwunden und hatte einer vorsichtigen Neugier Platz gemacht. Kiris hingegen saß, die Hände im Schoß gefaltet da. Ihre Mine verriet nicht, was sie dachte, aber der Wolf konnte immerhin raten. „Gebt mir nur einen Moment.“ Es waren keine angenehmen Erinnerungen. Und gleichzeitig waren mit dem Schmerz und der lange verrauchten, schalen Wut auch einige der süßesten Momente seines Lebens verbunden. Er hatte nie mit seinem Schicksal gehadert, aber zurückzublicken war dadurch nicht
einfacher…
Terazuma Hallo Eagle! Ja, jetzt kommt wohl alles langsam ans Tageslicht. Schön, dass auch Ordt sich dazu aufgerafft hat, seine Geschichte zu erzählen. Simon ist wirklich in guter Gesellschaft. Sie alle haben Schicksalsschläge und Verluste hinter sich. Vielleicht hilft ihm auch das ein wenig mit sich ins Reine zu kommen.^^ Schön fand ich auch den Rückblick zu Laos. Ich mochte ihn immer gern im Buch über die Archonten. Na, dann bin ich schon gespannt, was Ordt alles zu erzählen hat. Aber stress dich nicht. Jobsuche geht natürlich vor! ^^ LG Tera |
EagleWriter So siehts aus. Na ich denke das nächste Kapitel bekomme ich aber spätestens Morgen fertig, trotz allem ^^ lg E:W |