das profil
Foto: (C) Heidemarie Opfinger
das profil
Im Allgemeinen verstehen wir darunter das seitliche Abbild eines menschlichen Gesichtes als Schattenriss. Bei Tierdarstellungen ist leicht zu erkennen, um welches Tier es sich handelt, aber nicht ob männlich oder weiblich. Doch die Art lässt sich gut erkennen, zum Beispiel Maus, Hund, Katze oder Vogel. Bei den Rassen wird es schon schwieriger. Wie verhält es sich aber mit den Menschen?
Was erzählt uns der Schattenriss? Gibt er etwas preis über das Geschlecht? Früher vielleicht, heute eher nicht mehr. Haarlängen
und Frisuren sind zu unterschiedlich geworden und nicht zwangsläufig auf das Geschlecht zu beziehen. Wie sieht es mit den Zugehörigkeiten zu einer bestimmten Rasse oder Volk aus? Auch darüber schweigt meist der Schattenriss. Ebenso über Hautfarbe, Staatsangehörigkeit oder Glaube. Über eine Behinderung, über Intelligenz oder den Beruf verrät uns dieses Profil nichts. Vielleicht lässt es aber eine berühmte Persönlichkeit erkennen?
Schön, dann sind wir einen guten Schritt weiter. Jetzt fügen wir Farbe hinzu. Und nun fällt es uns wie Schuppen von den Augen. Prominente können wir augenblicklich erkennen, wenn ihre Gesichter häufig in den
Print- und Bild gebenden Medien erscheinen. Bei allen übrigen Menschen bleibt trotzdem vieles verborgen. Welch ein Glück, werden die einen sagen, schade, meinen andre. In den Zeiten des Web und des Datendiebstahls sowie des sorglosen Umganges mit der Privatsphäre lohnt es sich, darüber nachzudenken. Müssen wir wirklich wissen, welches Kleid von welchem Designer die prominente Schauspielerin XY beim gestrigen Ball getragen hat? Und mit Sicherheit war es nur ausgeliehen! Ebenso verhält es sich häufig mit teurem Schmuck, mit Teppichen und anderen Sachen. Meine Quellen dazu sind unbestechlich.
Muss unbedingt die Exfrau oder Witwe eines
prominenten Künstlers oder Politikers irgendwann in einem Buch einen Rachefeldzug gegen eine beim Volk gut angekommene Persönlichkeit starten, um ihr persönliches Mütchen zu kühlen? Und das wird dann noch in der bunten Presse breit getreten? Oder ist es aus Respekt vor einem anderen Menschen vernünftiger, lieber zu schweigen und zu sagen: Schwamm drüber? Wie wollen wir mit einem Profil umgehen?
Nun ist das Profil kein buntes Bild mehr, das man einfach mit einem Menschen in Zusammenhang bringt. Es ist zu etwas ganz anderem geworden: zu einem Röntgenbild, einem durchsichtigen Etwas, das einen tiefen Einblick gewährt in die Privatsphäre eines
Menschen, welche er oder sie gerne geschützt weiß. Der Raub der Seele hat begonnen, so würden mache unzivilisierten und unindustrialisierten Kulturen es nennen.
Neue Fragen eröffnen sich: wie viel kann, soll, darf, muss ein Profil von der in Bild und Wort dargestellten Person für andere freigeben? So viel der Anstand noch zulässt? So viel das öffentliche Interesse notwendig macht ohne die Persönlichkeit zu beschädigen? Alles, wenn es um kriminelle Machenschaften geht, die die Öffentlichkeit geschädigt haben? Die andere Menschen in ihrer Würde verletzt oder ihnen körperlichen und seelischen Schaden zugefügt haben? Gibt es Grenzen und wenn ja, wo sind diese
zu suchen oder zu setzen? Gilt das nur für Prominente oder sogenannte Prominente? Soll das für jeden Bürger gelten? Wieweit darf ein Paparazzo gehen? Bringt es mir als Bürger Nutzen, wenn ich alles über Herrn/Frau XYZ erfahre oder weiß?
Oder halte ich es besser mit dem Satz: Meine Freiheit endet dort, wo die meines Mitmenschen beginnt? Will ich nur den Schattenriss als Profil von meinem Nächsten oder bin ich voll und ganz zufrieden mit dem Farbbild, das er mir täglich zeigt? Will ich nur mein Schattenriss für einen anderen sein oder zeige ich ihm ein buntes Profilbild von mir? Und wenn ja, wie bunt lasse ich es sein?
In unserer heutigen Zeit beobachte ich zunehmend, dass die Menschen sich mehr und mehr nach außen hin isolieren, beispielsweise werden, sobald der Abend anbricht, sämtliche Vorhänge zugezogen oder die Rollläden heruntergelassen. Auch die Gärten sind durch hohe Hecken, Steinmauern oder Zäune blickdicht gemacht. Schlussfolgerung: Kontakt nach außen ist absolut unerwünscht. Andererseits werden auf Face-Book und Twitter teilweise sehr offenherzig die intimsten Dinge, oft sogar mit Bildern, ins Netz gestellt. Doch das WWW vergisst nie. Es können sich nicht nur Freunde sondern auch Fremde Zugang zu diesen persönlichen Daten verschaffen.
Zwischen direktem Mobbing und Internetmobbing, wie es heute betrieben wird, liegen Welten. Was früher nicht möglich war, kann heute mit einem Mausklick weltweit ausgelöst werden. Auch Chefs können sich Zugang zu den Seiten ihrer Mitarbeiter verschaffen und Bossing betreiben, was sicherlich dem Betroffenen nur schadet. Das alles erfolgreich zu unterbinden, erfordert großen Aufwand und ob es dann wirklich erfolgreich ist, bleibt eine offene Frage.
Wollen wir unbedingt für alle und jeden, für Industrie und Werbung, für Neugierige und Freunde, für Spitzel und stille Beobachter überall vollkommen durchleuchtbar sein?
Manchmal stehen mir Szenen aus dem Roman beziehungsweise dem Film „1984“ vor Augen und ich schaudere.
So bleibt nur eines: so wenig wie möglich im Netz von der eigenen Privatsphäre preiszugeben. Das heißt: Halte das Profil dunkel, gib nur wenig Farbe dazu.
©HeiO 23-05-2015