Titel
Meine Eltern hatten Recht gehabt. Hätte ich nur auf sie gehört, dann wäre ich nicht hier.
Wie alt war ich damals gewesen? Wenn ich mich nicht irre, sechzehn. Oder war ich schon siebzehn? Naja, egal. Jedenfalls lernte ich ihn da kennen. Ein heißer Typ. Ich war damals im ersten Lehrjahr. Meine Freundinnen und ich standen alle auf ihn. Er sah auch zum anbeißen aus. Einen Knackarsch hatte er...Bei dem Anblick wurde uns ganz anders. Auch so war er ein Bild von einem Mann.
Er war schon älter. - Glaub
einundzwanzig. - Es war sein letztes Lehrjahr gewesen. Wir hofften alle so sehr, das er einmal zu uns herüber kommen und eine von uns ansprechen würde. Jede hoffte, das sie es sein würde, die er sich aussuchte. Denn wie gesagt, wie fanden ihn alle göttlich.
Eines Tages kam er auch zu uns herüber. Er alberte ein wenig herum. Dann sah er mich mit seinem umwerfenden Lächeln an. Sein Blick traf den meinen. Mein Herz raste. Ich glaubte fast, in Ohnmacht zu fallen. Doch zum Glück blieb ich stehen. Dafür zitterte ich am ganzen Leib. Meine Freundinnen waren so neidisch auf mich gewesen, weil er mich auserwählt hatte. Weil er mich
gefragt hatte, ob ich mit ihm ausgehen will. Und ich schwebte im siebten Himmel.
Ich weiß noch ganz genau, das es ein Montag gewesen war, als er mich angesprochen hatte. Denn die Zeit danach, zog sich schier endlos dahin. Fünfeinhalb Tage, bis ich mit ihm ausgehen durfte. Wohin er mich wohl führen würde, hatte ich mich gefragt. Was werde ich anziehen. Weder wollte ich zu salopp gehen, noch wollte ich aussehen, als wäre ich leicht zu kriegen. Aber ich wollte auch nicht zu aufgedonnert gehen. Es sollte etwas sein, das zu allen Gelegenheiten passte. Disco, wie Restaurant. Kino, wie
Gondelfahrt. Mein Kleiderschrank quoll zwar über, dennoch fand ich nicht, was mir gefiel. Also musste ich mich bei meinen Eltern einschleimen. Sie um Kohle anbetteln. Im Laufe der Zeit wusste ich ja, wie ich es machen musste, um ein paar Scheinchen aus ihren Rippen zu leiern. Außerdem taten sie alles, um ihre Tochter glücklich zu machen.
Mein Schwarm holte mich gegen sieben Uhr abends ab. Obwohl er sehr höflich war, gegenüber mir und meinen Eltern, sah mein Vater sehr übellaunig aus. Irgendwas hatte er gegen ihn. Damals hatte ich ja noch keine Ahnung, wie sehr ich auf sein Gefühl hätte hören sollen.
Denn obwohl er ihn nur ein paar Sekunden gesehen hatte, wusste er sofort, das diese Bindung nicht gut für mich ist.
Der Abend war toll gewesen. Zuerst führte er mich in ein tolles Restaurant. Das Essen und der Service waren ein Traum gewesen. Danach hatten wir Lust auf einen Film. Also gingen wir ins Kino. Gerade noch rechtzeitig. Denn die Werbung hatte schon begonnen.
Nach dem Kino brachte er mich nach Hause. Er war die ganze Zeit über ein Gentleman gewesen. Das erzählte ich auch meinen Freundinnen, als ich sie wieder in der Berufsschule sah. Die waren vielleicht neidisch gewesen. Aber
dennoch freuten sie sich für mich und hofften, eines Tages auch so einen Traumtypen zu finden.
Ungefähr ein halbes Jahr später...Scheiße...Sorry, aber ich habe es immer noch nicht verarbeitet. Verstehe immer noch nicht, wie blond ich nur sein konnte...
Mein Vater hatte recht gehabt. Der Typ war und ist nicht das, für was er sich ausgibt. Von außen gibt er sich souverän und gebildet. Aber innerlich ist er ein mieses, rücksichtsloses Arschloch. Und für ihn hatte ich den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen. War zu ihm gezogen, in sein Eigenheim. Es hätte mich stutzig machen sollen, das ein
Berufsschüler ein eigenes Haus besaß. Aber andererseits; er hatte mir gesagt, das es seine Eltern gekauft hatten. Es war ein Geschenk zur bestandenen Prüfung gewesen. Das klang für mich plausibel. Dachte mir, das seine Eltern stinkreich sein müssten. Viel später erfuhr ich, das sie bettelarm sind und das Geld, das ihr Sohn verdient, nicht haben wollte. Sie wussten, wie er an das Geld kam und damit wollten sie nichts zu tun haben. Dies hatte mir meine „Kollegin“ einmal gesteckt. Auch sie war auf ihn reingefallen. Kurz bevor er mich gekriegt hatte.
Wie er es gemacht hatte, weiß ich nicht. Irgendwie hatte er es geschafft mir
Drogen einzuflößen. Das war, nachdem er schon mehrfach mit mir geschlafen hatte. Er war übrigens mein Erster gewesen. Unglaublich, aber wahr. Damals war er aber noch charmant zu mir. Wie er wirklich ist, zeigte er mir erst Wochen später, als ich vollkommen und unwiderruflich in ihn verknallt war. Für ihn hatte ich meine Familie, meine Freunde und meine Lehre aufgegeben. Denn er hatte mir so viel versprochen. Und ich dumme Kuh hatte ihm geglaubt. Ich könnte mich heute noch in den Arsch beißen.
Einen Job hatte er mir ja gegeben. Aber ich hatte mit etwas anderem gerechnet. Nicht damit, das ich vollgepumpt mit
Drogen auf den Strich gehe und mich von den allerletzten Pennern vögeln lasse. Ich würde ja gern sagen, die Bezahlung ist gut. Nur sehe ich kaum etwas von dem Geld. Das Meiste behält er für sich. Gibt es für Drogen aus, die er uns gibt, damit wir weiterhin brav auf den Strich gehen.
Meine Eltern waren von Anfang an gegen ihn. Sie wussten zwar noch nicht wieso. Aber sie hatten es gespürt. Mein Vater hatte es gespürt. - Wie gern würde ich ihn noch einmal sehen wollen, um ihm zu sagen, wie leid mir alles tut. Wie leid es mir tut, das ich nicht auf ihn gehört hatte. Sie waren immer so gute Eltern gewesen. Ich hatte keinen Grund
mich zu beklagen. Trotzdem habe ich mich für diesen Scheißtyp entschieden. Wie naiv ich doch gewesen war. Wäre ich doch nie auf seine Schmeicheleien herein gefallen, dann würde ich mich jetzt nicht prostituieren, sondern normal arbeiten gehen, wie viele andere auch. Zum Beispiel meine Eltern. - Ich vermisse euch so sehr.