semmelsamstag
Es kommt in letzter Zeit nicht oft vor , dass die ganze Familie samstags zu Hause ist. Aber letzten Samstag war es mal wieder so weit. Und ich hatte beschlossen, dass wir mal wieder ein richtiges gemeinsames Frühstück zu uns nehmen sollten. Ich hatte mich auch dazu bereit erklärt, frische Semmeln vom Bäcker zu holen.
Ich machte mich also an besagtem Samstag in aller Herrgottsfrühe um 7 auf den Weg zum Bäcker. War ja nur 10
Minuten strammer Fußmarsch.
Dort angekommen wurde bereits eine ältere Frau von der einzigen Verkäuferin im Laden bedient.
„Ach, ich weiß gar net, was ich nehmen soll“, sagte die Frau, von der man eigentlich aufgrund ihres Alters schon erwarten könnte, dass sie genug Zeit hatte, sich das zu überlegen.
„Is des auch alles frisch?“, war ihre nächste Frage. „Nein, alles aufgetaut, von gestern“, antwortete die Verkäuferin. „Frisches Gebäck gibt es etwas später, dauert noch ein wenig.“
„Ach Gottchen“, seufzte die Frau. „Was nehm ich denn dann bloß?“
Schließlich entschied sie sich für ein
Stück Hefezopf, den sie ja dann in Kaffee ein tunken könnte, um das Gebäck auf zu tauen. Die Verkäuferin erklärte ihr nochmal geduldig, dass nichts mehr gefroren sei, sondern alles aufgetaut und das mit den frischen Sachen noch etwas dauert, heute.
Nach reiflicher Überlegung, schließlich gibt es Entscheidungen im Leben, die man nicht leichtfertig treffen sollte, entschied sie sich dann dennoch für den Hefezopf und machte sich ans Bezahlen.
Und als hätte ich es geahnt, ließ sie diesen obligatorischen Satz vom Stapel, den alte Damen grundsätzlich drauf haben, wenn man es eilig hat und sie vor einem an der Kasse stehen. Es ist fast so,
als ob es dafür ein Naturgesetz gäbe.
„Wartn´s ich schau, ob ich´s passend hab.“
Sie leerte den Inhalt ihres Geldbeutels, auf die Geldschale auf dem Tresen. Fast nur ein und zwei Cent Münzen. Abgesehen, von ein paar Zehnerln.
Geduldig zählte die Verkäuferin das Kleingeld zusammen und gab ihr die überzähligen Münzen zurück.
Schließlich war ich an der Reihe und fragte höflich nach. Wann denn die Semmeln fertig seien. „Moment, ich frag mal nach“, antwortete sie und verschwand nach hinten in die Backstube.
„Wern scho net verhungern die Leit“,
brüllte ein offensichtlich nicht sonderlich gut aufgelegter Bäckermeister zur Antwort.
Die Verkäuferin kehrte zurück in den Laden und ließ mich lächelnd wissen, dass es noch ein wenig dauern könne. Sie pries mir ihre anderen, aufgetauten Backwaren an, worauf ich dankend ablehnte, da es schon Semmeln zum Frühstück sein sollten.
Ich verließ den Laden um eine andere Bäckerei auf zu suchen.
Auf dem Weg dorthin kam ich an einer Metzgerei vorbei und beschloss, für das Abendessen ein paar Bratwürste zu besorgen, damit Papa von seinem Streifzug wenigstens etwas Beute für
seine hungrige Familie mit nach Hause brachte.
In der Metzgerei fiel mir sofort ein gut gefüllter Korb, voller frischer, knuspriger, semmelblonder Semmeln auf.
Ich orderte also meine Bestellung, die Bratwürste und wollte dazu noch ein paar Semmeln haben.
„Also, Bratwurstsemmeln?“, fragte die freundliche Verkäuferin nach. „Dauert aber dann noch etwas, bis sie gebraten sind.“
Ich versuchte den Irrtum auf zu klären. „Nein“, sagte ich. „Die Bratwürste brauche ich roh. Die braten wir heute Abend selber. Die Semmeln sind für jetzt, zum
Frühstück.“
Etwas verständnislos sah sie mich an. „Das geht nicht“, sagte sie schließlich. „Die Semmeln sind für Bratwurstsemmeln, oder für Leberkässemmeln.“
„Also gut“, versuchte ich die Situation zu ergründen. „Wenn ich eine gebratene Bratwurst nehme, bekomme ich eine Semmel dazu?“ Sie nickte. „Richtig“, bestätigte sie. „Sonst wäre es ja keine Bratwurstsemmel.“
„Wenn ich aber eine rohe Bratwurst nehme, um sie selber zu braten, bekomme ich keine Semmel dazu?“, Sie nickte wieder. „Richtig“, stimmte sie mir
zu.
Ich rieb mir die Schläfen. Das ging jetzt etwas über meine Logik.
„Dann hab ich noch eine Frage“, setzte ich erneut an. „WARUM?“
„Leere Semmeln sind nicht in unserer Preisliste. Nur zusammen mit Bratwürsten, oder Leberkäse“,war ihre Antwort.
Verzweifelt suchte ich nach einem Kompromiss und schlug ihr vor, die getrennten Posten Bratwürste und Semmeln als Bratwurstsemmeln zu berechnen.
Aber auch dieser Schuss ging ins Leere, in dem sie mich belehrte, dass gebratene Bratwürste wegen Energieaufwand und
Lohnkosten mehr kosten, als rohe und das Ganze dann ja Betrug wäre.
Was soll ich sagen. Fleischereifachverkäuferinnen könne stur sein und so fanden wir beide aus diesem Dilemma keinen Ausweg.
Und so kam es, dass es an diesem Samstag abends selbst gebratene Bratwürste gab und zum Frühstück Leberkässemmeln.
Oder, wie meine Tochter ganz richtig bemerkte: „Der Papa hat das Frühstück voll versemmelt.“