Die Armada war sein Schicksal
Santander im Jahre 1588
Ein Kriegsberichterstatter des spanischen Königs Philipp II. hatte Carlos gefragt, wo er seine Karriere begonnen hatte. Die Antwort war kurz und prägnant: „Oben!“ Das war nicht sonderlich erstaunlich, denn auf der Brücke befanden sich die Verantwortlichen eines Schiffes meistens oben. Und seit jener Nacht verließ er die Brücke nie mehr.
Bald sollte auch er ein so gigantisches Schiff, wie die Santa Lucia, als Kapitän befehligen, wie der Herzog von Medina Sidonia, der ein erfahrener Seefahrer
und verantwortungsvoller Mann mit gutem Leumund war.
Neben Sidonia auf der Brücke zu stehen, das war für Carlos Alvaro de Bazan das beste Gefühl, das er jemals hatte. Er war stolz und freute sich auf die bevorstehende Seereise nach England zum Sturz Elisabeth I.
Die Santa Lucia war das beste Schiff der spanischen Kriegsflotte und die Besatzung, die aus vielen jungen Soldaten bestand, erhofften sich nach dem Sturz der englischen Königin, die mageren Jahre hinter sich zu lassen. Die Besatzung der Santa Lucia bestand aus Soldaten, die Hoffnung im Herzen trugen, einfache Arbeiter, die Reichtum
ersannen und die Adeligen, die ihr Geld loswerden wollten. Ebenso hätten sie es nur in den Atlantik werfen können, so wären zwar ihre Münzen und Scheine gesunken doch ihr Leben hätten sie sich bewahrt.
Für seine berufliche Laufbahn zum Kapitän lernte Carlos mit enormem Fleiß. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Der blässliche Junge hatte einen durchschlagenden Erfolg. Er machte den Eindruck, als könne er niemals etwas vergessen. Und vergessen machte ihn nur die Zeit.
Im Januar 1588 bekam er die lang ersehnte Zusage, auf der Santa Lucia neben Kapitän Sidonia, einen Posten auf
der Brücke zu beziehen. Bei einem exklusiven Mahl in der Staatskajüte lernte sich die Besatzung kennen. Der Herzog von Medina hatte gut gewählt, als man Carlos Alvaro mit dieser Nebenrolle bedachte. Von nun an war er der zuverlässigste und eifrigste Seefahrer, den die Armada je gehabt hatte. Eine tolle Karriere für einen so jungen Mann.
Was hatte er außer seinen Fleiß noch anzubieten? Eine große Portion Mut, Loyalität, Selbstbewusstsein und gutes Aussehen. Sicherlich hätte eine ganze Generation junger Mädchen in aller Welt dem fähigen Seemann zu Füßen gelegen, und so hätte er den Berichterstattern
bestimmt eine Menge Gesprächsstoff liefern können. Doch Carlos erlag dem Zauber, der Farbe und dem Duft des Meeres. Eine windige, salzige und nasse Romanze mit der kühlen Küste von England.
So betrat er voller Zuversicht und Stolz das riesige Korsett der Santa Lucia im Jahre 1588, die zur Jungfernfahrt im Hafen von Santander lag und ihren riesigen Bauch zum Eintritt für Kanonen, Munition und für die vielen Männer öffnete. Der spanische König hatten für das modernste Schiff, das Spanien je gebaut hatte, eine üppige Feier inszeniert, bei der sich die einflussreichsten Gegner Englands trafen
und das Schicksal begann bereits den Unglücksteppich zu flechten, das Muster wurde langsam deutlicher. Alles lief noch nach Plan und bald wären in London die Feinde der englischen Königin vollständig versammelt gewesen.
Carlos dürfte sich mühsam in seine neue Rolle eingelebt haben, stieß er bei den Adeligen bestimmt auf Misstrauen und Ablehnung, da er nicht mit blauem Blut versehen war. Sein Vater Juan Alvaro de Bazan fuhr schon lange zur See. Er war Navigator auf der Santa Maria und lehrte seinem Sohn, wenn er im heimatlichen Hafen verweilen durfte, früh den Umgang mit den Seekarten und den
Instrumenten. Die Herausforderung bewältigte Carlos sicherlich mit seinem väterlichen Zuspruch: „Sei ein Gewinner“ und Carlos war ein Gewinner. Er gewann die Herzen der Kriegsführer, das war ganz sicher.
Doch die Spanische Armada wurde im Kampf gegen die Engländer vor allem durch Stürme und ungünstige Winde geschwächt. So konnte sie die geplante Invasion Englands nicht ausführen und unterlag letztlich der moderneren englischen Flotte mit ihren manövrierfähigeren Schiffen und ihrer weiter reichenden Bewaffnung.
Sir Francis Drake war inzwischen zum Admiral befördert, wurde Befehlshaber
einer Flotte aus 150 Schiffen. An Bord der Schiffe waren 18.000 Soldaten, die gegen die spanische Armada in See stachen.
Am 15.04.1588 verstarb Carlos Alvaro unter tragischen Umständen, als die Santa Lucia in den blauen Fluten des Atlantiks verschwand. Sie kollidierte bei Vollmond am 14.04.1588 um Mitternacht mit einem Schiff der Engländer unter der Führung des bekannten Freibeuters und Kaperkapitäns Sir Francis Drake und versank nach etwa zwei Stunden harten Kampfes im Atlantik. Gegen den Freibeuter und seine kampferprobten Piraten hatten die jungen Soldaten jede Möglichkeit zu überleben verloren.
Kanonenkugeln zerfetzten den Bauch der Santa Lucia und ließen das Schiff ohne Gnade sinken. Die Männer, die nicht durch Säbel, Messer und Musketen starben, ertranken in den kalten Gewässern vor der rauen Küste Englands.
Mütter haben eine Intuition, sie fühlen wenn ihren Kindern Gefahr droht. Auch Maria fühlte in dieser Nacht, dass etwas schreckliches Geschehen war. Sie schlief nicht und dachte unentwegt an ihren Sohn und an das unbeugsame Meer, der Seeweg nach England, der Unglück und Tod bedeutete.
Seit jener Nacht war es dunkel in ihrem
Leben. Carlos, ihr einziges Kind, ihr geliebter Sohn, fand nur den einen Weg, ein Weg in den Tod.
Mit 22 Jahren, am Anbeginn seines Lebens unterlag er der Gewalt des Krieges, unter der Führung von Admiral Sir Francis Drake, vor der Küste Englands.
Von Trauer und Verzweiflung geplagt war in ihrem Herzen nur noch Schmerz und Sehnsucht zu finden. Die Tränen versiegten irgendwann, doch der traurige Ausdruck in ihren Augen blieb. Der Platz, den Carlos hinterlassen hatte, blieb leer und das Lächeln, das den schönen Mund von Maria stets umspielte, war mit ihrem Sohn gestorben.
Juan Alvaro de Bazan vermochte nichts zu tun um seiner Frau das Leben erträglicher zu gestalten. Er verließ Spanien erneut als Navigator auf der San Martin und kehrte nie zurück.
Für Carlos
Mein Verstand ist wirr,
mein Herz trägt schwer,
so viele Tränen weinte ich,
meine Augen sind leer.
Leer ist nun auch der Platz,
an dem du gesessen,
mein Lächeln ist mit dir gegangen,
dich werd' ich niemals vergessen.
In Liebe und Trauer,
Maria Alvaro de Bazan