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Matchday - Kapitel 3 - »Lesbische Literatur«

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"Matchday - Kapitel 3 - »Lesbische Literatur«"
Veröffentlicht am 13. Mai 2015, 40 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Matchday - Kapitel 3 - »Lesbische Literatur«

Matchday - Kapitel 3 - »Lesbische Literatur«

Kapitel 3

Als ich am Montag ins Klassenzimmer eintrat, war Lena bereits da. Sie saß auf ihrem Platz und unterhielt sich mit Sandra. Kurz blickte sie zu mir, nur flüchtig, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Gesprächspartnerin widmete, die anscheinend am Wochenende auf irgendeinem Konzert gewesen war. Wie versprochen, verhielt sie sich distanziert zu mir. Natürlich war es das, was ich mir gewünscht hatte, schließlich wollte ich nicht, dass hinter meinem Rücken getuschelt wurde! Aber irgendwie hätte ich sie gerne in meiner Nähe gehabt. Es war ein absolut

widersprüchliches Gefühl. Aber widersprüchliche Gefühle waren in der letzten Zeit ständige Begleiter. Die Schulwoche verging relativ schleppend, mehr als sonst, ob das an dem bevorstehenden Wochenende lag? Ich konnte nicht leugnen, dass ich aufgeregt war und mich auch freute. Das Gespräch mit meiner Schwester hatte mir einen gewissen Mut verschafft und mir auch ein wenig geholfen, zu mir selbst zu stehen. Ich mochte Lena, warum sollte ich also nicht gerne Zeit mir ihr verbringen? Als ich meine Eltern gefragt hatte, ob ich bei Lena übernachten konnte, hatten sie natürlich zugestimmt.

Meine Schwester hat nur neidisch kommentiert, dass ich es in der Hinsicht relativ einfach hatte. Ich erinnerte mich nur zu gut an die endlosen Debatten, die sie mit unseren Eltern geführt hatte, wenn es darum ging, bei einem Jungen zu übernachten. Einerseits hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihre Unwissenheit ausnutze, anderseits war es nett, einmal einen gewissen Vorteil aus der Situation ziehen zu können. Am Donnerstagabend packte ich meine Tasche. Während ich meine Liste durchging, wurde meine Zimmertür aufgerissen und meine Schwester trat gut gelaunt herein. „Was

ist bitte das?“, fragte sie und deutete auf meinen Zettel. „Eine Packliste natürlich.“, erwiderte ich trocken, woraufhin sie lauthals zu lachen begann. „Oh mein Gott, bist du spießig! Ich hatte nicht mal eine, als ich für meinen Au-Pair-Aufenthalt aufgebrochen bin.“ Sie setzte sich auf mein Bett und sah mir interessiert zu, wie ich einen weiteren Punkt abhakte. „Ja, genau. Das war auch der Grund, weshalb wir dir dauernd etwas nachgeschickt haben.“ „Ist schon gut, du hast gewonnen.“ Nachdem ich zum Schluss meine Socken eingepackt hatte, setzte ich mich zu ihr auf mein Bett und schenkte ihr meine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Was verschafft mir

denn die Ehre, Eure Exzellenz?“ „Da ist aber wer gut drauf.“, meinte sie und sah mich belustigt an. „Freust du dich schon aufs Wochenende?“ „Ja.“, antwortete ich knapp, aber wahrheitsgetreu. „Gut, mach nichts, was ich nicht auch tun würde.“ Vielsagend zog ich meine Augenbrauen nach oben. „Es gibt wenig, was du nicht tun würdest.“ Ein Grinsen ihrerseits folgte. „Eben. Versprich mir nur, dass du auf dich aufpasst. Du bist ziemlich sensibel, ich will nicht, dass sie dir weh tut.“ „Das wird sie sicher nicht und außerdem wird nichts zwischen uns passieren, wir werden nur etwas zusammen

unternehmen, mehr nicht. Verstanden!?“ Langsam richtete sich meine Schwester auf und streckte sich demonstrativ. „Natürlich nicht, Schwesterherz.“ Sie zwinkerte mir zu und verließ mein Zimmer so abrupt, wie sie gekommen war. Ob etwas zwischen mir und Lena laufen würde? Bei meiner Schwester konnte ich es natürlich abstreiten, es gehörte sich auch nicht! Gerade, weil wir uns nicht wirklich kannten. Anderseits gehörte sich die Aktion der Umkleide auch nicht. Es war leicht, sich vor meiner Schwester moralisch zu verhalten, aber wenn ich alleine mit meinen Gedanken war, sah

die Welt schon ganz anders aus. Lena hatte mir ein Gefühl gezeigt, das sich nicht einfach ignorieren ließ oder das man mit Vernunft vertreiben konnte. Das Gefühl nannte sich Lust und es war ein verdammt starkes Gefühl. Es hatte dafür gesorgt, dass ich mich zu etwas hingegeben hatte, wo normalerweise alle meine inneren Lampen aufgeleuchtet hätten. Würde das am Wochenende wieder passieren? Nein, zumindest nicht, wenn sich Lena an ihr Versprechen halten würde. Die große Frage war allerdings: wollte ich, dass sie ihr Versprechen hielt? Am Freitag wachte ich ungewöhnlich

früh auf, so früh, dass ich mir sogar Zeit im Bad lassen konnte, was einer Sensation glich. Man konnte sagen, dass das Badezimmer nichts anderes als die Zimmererweiterung meiner Schwester war, in dem wir anderen Familienmitglieder ein gelegentliches Nutzungsrecht hatten (unter der Voraussetzung, dass es gerade nicht gebraucht wurde). Frisch geduscht und motiviert, ging ich in die Küche, in der bereits meine Mama herum wuselte. Sie war eine klassische Mutter, wie sie im Buche stand. Das Organisationstalent schlechthin, das sich um alles und jeden kümmerte, uns sogar noch Schulbrote schmierte, die wir in unserem Alter nun

wirklich selbst machen konnten. Irgendwie brauchte sie diesen Stress, warum auch immer. „Morgen Schatz, gut geschlafen?“ „Ja, ich war heute so früh auf den Beinen, dass ich sogar in Ruhe duschen gehen konnte, kannst du dir das vorstellen?“, sagte ich, während ich mir eine Tasse Kaffee aus der Espressokanne einschenkte. „Freut mich! Was ich dich eigentlich noch fragen wollte, wer ist eigentlich diese Lena? Ich kenne sie nicht, oder?“ Immer, wenn sich ein Gespräch um Lena drehte, klopfte mein Herz etwas schneller. Wenn es ein Gespräch mit meinen Eltern war, raste es förmlich. „Sie ist noch nicht solange in der Klasse, deswegen kennst du sie

nicht.“ „Aha, du kannst sie ja mal mitbringen, ich würde sie gerne kennenlernen.“ Meine Mutter beobachtete seit jeher meinen Umgang mit Argusaugen. Ich wusste, dass sie sich nur Sorgen machte und wissen wollte, mit wem ich meine Zeit verbrachte, aber es war ein wenig nervig. „Ja, werde ich mal machen.“ Das hatte ich noch gar nicht bedacht, dass ich Lena eventuell auch meinen Eltern vorstellen musste, falls ich viel Zeit mit ihr verbrachte. Ein Problem, mit dem ich mich beschäftigen würde, sobald es relevant war.

Das Wetter war heute katastrophal, es schüttete wie aus Eimern und der Wind, der um mich herum pfiff, sorgte dafür, dass ich meinen Schirm kaum gerade halten konnte. Wie zu erwarten, war meine Hose ziemlich nass, als ich das Schulgelände erreichte. Während ich unter dem überdachten Haupteingang meinen Schirm von den überschüssigen Wassertropfen befreite, indem ich ihn ruckartig ausschüttelte, erklang Lenas vertraute Stimme. „Gute Morgen, Sonnenschein!“ Als ich aufsah, musste ich schockiert feststellen, dass sie neben mir stand und von oben bis unten

durchweicht war. Ihre blonden Strähnen hingen ihr ins Gesicht, so, dass ich mich fragte, wie sie überhaupt noch etwas sah. Das Einzige, was ich von ihrem Gesicht erkennen konnte, war ihr breites Grinsen. „Warum zum Teufel hast du keinen Schirm mit?“ Lena zuckte mit den Schultern. „Habe ich vergessen, ich bin schließlich nicht aus Zucker.“ Ich öffnete die schwere Eingangstür und bugsierte sie mit Nachdruck in die Eingangshalle. Während ich sie zur einer Bank schleifte, begleitet vom Klang von Lenas mit Wasser voll gesaugten Schuhen, wurde ich ein wenig grantig. Etwas unsanfter als beabsichtigt, drückte ich sie auf eine Bank und kramte in

meiner Tasche. „Du bist unmöglich, du solltest besser auf dich schauen! Was meinst du, wie schnell du zuhause mit Fieber im Bett liegst und dann ist das Gejammer sicher richtig groß!“ Als ich ein Handtuch fand, das ich vorsichtshalber mit eingepackt hatte, zog ich es hervor und warf es über Lenas Kopf. „Wartest du auf eine schriftliche Einladung? Trockne dich schon ab!“ Nachdem ich ein dickes Paar Socken aus meiner Tasche gefischt hatte, setzte ich mich vor sie auf den Boden und befreite sie von ihren nassen Schuhen und Socken. Als ich einen Schuh probeweise umdrehte, rann tatsächlich etwas Wasser heraus, das sich am Boden zu einer

Pfütze sammelte. „Unglaublich.“, gab ich bestürzt von mir. Nachdem ich ihre Füße mit einem dicken Paar rosa Wollsocken ausgestattet hatte, sah ich zu Lena hinauf, die mich amüsiert beobachtete. „Was ist daran bitte lustig?“, giftete ich sie an und versuchte mit meiner Mimik meinen Worten Ausdruck zu verleihen. „Nun, einfach alles.“ Sie beugte sich zu mir hinunter, sodass sich unsere Nasenspitzen beinahe berührten. Binnen Sekunden verpuffte mein Zorn und wich einer gewissen Verlegenheit. „Zum einen finde ich diesen bestimmenden Unterton richtig heiß, zum anderen finde ich es

süß, wie du dich um mich kümmerst.“ Ich hätte irgendetwas erwidern sollen, aber diese innere Blockade, die ich nur bei ihr empfand, verhinderte es. „Und jetzt schaust du mich an wie ein angeschossenes Reh, du bist ziemlich leicht aus der Fassung zu bringen, Emma.“ Meinen Namen betonte sie zärtlich, während sie ihren Kopf leicht neigte und ihr Gesicht näher kam, so, dass ich ihre Lippen ganz leicht auf meinen spüren konnte. Ihr Blick blieb aufrecht, wodurch ich mich in zwei dunkelblauen Augen verlor, die mich an zwei tiefe Seen erinnerten. Bevor ein richtiger Kuss daraus werden konnte, löste sie sich von mir und richtete sich

wieder auf. Kurz darauf wurde die Eingangstür geöffnet und ein paar Mädchenstimmen erklangen, wahrscheinlich hatte Lena sie bereits vorher gehört. „Was ist denn bei euch los?“, fragte Sandra, die nun vermutlich direkt hinter mir stand. Eigentlich wollte ich antworten, aber ich war so neben der Spur, dass ich keinen gescheiten Ton hervorbrachte. „Unsere Musterklassensprecherin war der Auffassung, dass ich nicht klatschnass durch die Schule spazieren kann und hat mich gleich versorgt und einen mütterlichen Vortrag gehalten.“, erklärte

Lena galant. Gelächter folgte und die Gruppe setzte sich in Bewegung. Wieder beugte sich Lena zu mir hinunter und flüsterte mir leise ins Ohr: „Wenn du weiterhin so stumm bist und ausschaut wie eine reife Tomate, werden sie dir noch auf die Schliche kommen.“ Als ich aufstand und mit den anderen zum Klassenraum aufbrach, wurde mir die Tragweite meiner Handlung bewusst. Wenn Lena nicht rechtzeitig reagiert hätte oder sie die anderen nicht gehört hätte, wüssten nun alle über mich Bescheid. Warum hielt ich mich nicht an meine eigenen Regeln? Warum hielt ich keinen Abstand? Weil es das Richtige

war! Ich konnte sie doch kaum so rumlaufen lassen, oder doch? Als wir das Klassenzimmer erreichten, blieb mir keine andere Wahl, meinen inneren Kampf vorerst zu verschieben, wir hatten in der ersten Stunde Deutsch und bald stand die Schularbeit bevor. Die Mittagspause verbrachte ich mit Sandra in der Mensa, weil sie mit mir noch ein paar Dinge für das nächste Handballspiel durchgehen wollte. Meine Aufmerksamkeit hielt sich allerdings ziemlich in Grenzen. Es war eine lange Woche und außerdem wurde ich langsam einfach nervös, weil ich nicht wusste, was bei Lena auf mich zukommen würde.

„Hörst du mir eigentlich zu?“ Ich blickte zu Sandra, die wild mit einer Gabel herumfuchtelte. „Ja, natürlich ... was war noch einmal die Frage?“ „Ich habe dich gefragt, was bei dir am Wochenende ansteht, mir ist nämlich deine zusätzliche Tasche nicht entgangen.“ Mist. Wie konnte es sein, dass ich mir über die unwesentlichsten Dinge stundenlang Gedanken machte, aber mir nicht in den Sinn kam, eine passende Lüge für das kommende Wochenende mit Lena auszudenken?„Ich ... ehm ... also.“ Los Emma, sei einfach einmal spontan! „Ja?“ „Ich bin das Wochenende bei meiner Tante.“ „Bei der, die sich vor ein paar Tagen das Bein gebrochen hat?“

„Ja.“, entgegnete ich etwas hohl. „Aha.“ Ihre hochgezogenen Augenbrauen und ihre leicht gerunzelte Stirn sprachen Bände. Ich musste zukünftig vorsichtiger sein. Auch wenn es sich so anfühlte, als würde die Zeit nicht vergehen, endete irgendwann dieser öde Schultag. Ich ließ mir bewusst Zeit, meine Schulsachen einzupacken, damit die anderen bereits verschwunden waren, wenn ich mit Lena gemeinsam aufbrechen würde. Zumindest das hatte einigermaßen durchdacht! Zu meinem Pech, trödelte Sandra ziemlich. Am Ende waren nur sie, Lena und ich übrig. „Lena, gehen wir gemeinsam ein

Stück?“ Verdammt, warum musste sie heute so lästig sein? „Heute nicht, ich warte noch auf Emma.“ Nein! Warnend sah ich sie an und hätte sie in diesem Augenblick am liebsten erschlagen. „Warum? Sie fährt doch zu ihrer Tante, oder nicht?“ Das Mädchen war einfach viel zu neugierig, warum konnte sie nicht einfach verschwinden? „Ich weiß, ihre Tante wohnt zufällig bei mir in der Gegend.“ Vor Anspannung hielt ich die Luft an und Gott sei Dank schien Sandra die Ausrede zu schlucken, denn sie verabschiedete sich und ging aus unserem Klassenzimmer. „Da kannst du dich ja richtig glücklich schätzen, dass ich so eine tolle Schauspielerin bin, du

bist mir etwas schuldig!“ Sie zwinkerte mir zu und deutete mir an, mich ein wenig zu beeilen. Lena wohnte wirklich ziemlich weit außerhalb. Wir fuhren über anderthalb Stunden mit dem Bus, bis wir unsere Zielstation erreicht hatten. Kaum zu glauben, dass Lena jeden Morgen diese Strecke zurücklegte. Ich war sicherlich alles andere als ein Langschläfer, aber das wäre sogar für mich auf Dauer zu anstrengend gewesen. Während wir die Straßen des Vorortes entlanggingen, fragte ich daher: „Warum gehst du eigentlich auf unsere Schule? Gab es keine in deiner Gegend?“ „Doch, aber

meine Mutter wollte, dass ich auf eine Schule gehe, die einen guten Ruf hat und außerdem bietet unsere Schule nebenbei viele Freizeitaktivitäten, das war mir wichtig. Da wären wir auch schon.“, sagte sie und deutete geradeaus. Meine Kinnlade fiel erstaunt nach unten, als ich das Gebäude erspähte, das sie meinte. „Da wohnst du?“ Es war riesig, modern und wirkte unverschämt teuer. In dieses protzige Ding hätte unsere Doppelhaushälfte zweimal hineingepasst. „Ja, leider, mir gefällt es nicht so.“ Während wir durch den Vorgarten gingen, der eher schlicht gehalten war, fragte ich mich, in welche Preiskategorie

das Haus wohl fiel. „Seid ihr reich oder so?“, fragte ich sie, als wir vor der Wohnungstür standen und sie anfing, in ihrer Tasche nach dem Schlüssel zu kramen. „Schön wäre es. Meine Mutter ist freiberufliche Immobilienmaklerin und das gute Stück hier wird sie aus naheliegenden Gründen nicht so schnell los, daher wohnen wir solange darin, bis sie ein versnobtes Ehepaar gefunden hat, das uns dieses grässliche Glas/Betongebilde abkauft. Aha, da ist er ja.“ Wie bereits von außen erkennbar, war das Haus ziemlich groß. Die Räume waren weitläufig geschnitten und wirkten

irgendwie unpersönlich, was vermutlich damit zusammenhing, dass keine Habseligkeiten oder persönliche Dinge herumlagen, nicht einmal Fotos hingen an den Wänden. Viele der Zimmer wirkten auch so, ob sie gar nicht genutzt wurden. „Ich weiß, schaut alles eher wie in einer modernen Zahnarztpraxis aus, aber mein Zimmer hat eine ganz persönliche Note, versprochen.“ Sie führte mich einer gläsernen Wendeltreppe hinauf, die irgendwie kein Ende nahm. Ich hatte generell meine Probleme mit Höhen, weshalb ich erleichtert war, als wir vor einer Tür stoppten. Lena ging voraus und hielt mir die Tür auf, woraufhin ich dankend

eintrat. Wie der Rest des Hauses, war auch ihr Zimmer ziemlich groß. Zwei der Zimmerseiten bestanden nur aus großen Glasfronten, die zum einen viel Licht hineinließen und zum anderen eine schöne Aussicht auf die Vorstadt samt dem nahegehenden Wald boten. Wie versprochen, konnte man nicht behaupten, dass ihr Zimmer aussah, wie aus einem Katalog. Es lagen viele Sachen kreuz und quer auf den Boden herum, darunter Zeitschriften, Bücher und natürlich ein Haufen Gewand. „Ich weiß, ich hätte ein wenig zusammenräumen können, aber gestern lief Game of Thrones im Fernsehen und

danach hatte ich einfach keine Lust mehr.“ Sie nahm mir meine Tasche ab und ging zu einem Klappbett, das sie neben ihrem eigenen Bett aufgebaut hatte. „Wenn du wüsstest, was für eine beschissene Arbeit es war, dieses Drecksding hier hochzutragen, würdest du einen Kniefall vor mir machen, aber ich bin ja eine gute Gastgeberin.“ Nachdem sie meine Tasche auf meine vorübergehende Schlafmöglichkeit gestellt hatte, drehte sie sich zu mir um. „Ich bin gleich wieder da, du kannst dich ja ein wenig umschauen, fühle dich wie zuhause.“ Etwas unschlüssig ging ich durch ihr

Zimmer und sah mich ein bisschen um. Eines konnte ich nach ein paar Augenblicken schon sagen: Lena hatte eine Leidenschaft für Filme und Serien, was ihre beeindruckende DVD-Sammlung verriet, welche fein säuberlich in einem großen Regel aufgeschichtet war. Es schien, dass es das Einzige in ihrem Zimmer war, das ein System hatte. Die meisten Filme sagten mir nichts und als ich bei einer Reihe angelangt war, die eindeutig ins Pornografische ging, ließ ich es sein und setzte meine Besichtigung fort. Auch in ihrem Zimmer fand ich keine Fotos, was mich ehrlich gesagt überraschte, da ich den Eindruck hatte, dass sie gerne im

Mittelpunkt stand. Was auffiel, waren die zahlreichen Poster, die an den Wänden hingen. So ziemlich auf allen waren entweder bekannte Schauspielerinnen oder irgendwelche Models zu sehen, besonders Emma Watson war stark vertreten. Die Tür schwang auf und Lena kam mit einem Tablett zum Vorschein. „Ich habe etwas zum Trinken und Knabbern mitgebracht, ich dachte, dass wir etwas später essen.“ Als sie das Tablett auf einen niedrigen Tisch abgestellt hatte, kam sie auf mich zu. „Wie ich sehe, bewunderst du meine Poster. Die schönsten Frauen der Welt, alle in

meinem Zimmer, nur noch du fehlst mir in meiner Sammlung.“ Auch wenn ich ihr Kompliment irgendwie schmeichelnd fand, versuchte ich das Thema von mir zu lenken. „Wie ich sehe, magst du Emma Watson besonders gern?“ Verträumt wanderte ihr Blick den Postern entlang. „Oh ja, was soll ich sagen, Hermine bringt meinen Kessel zum Kochen.“ Kurz musterte sie mich von oben bis unten. „Wenn ich so darüber nachdenke, kommst du ihr optisch eh ziemlich nahe und teilst sogar noch den gleichen Namen, vielleicht finde ich dich deswegen als so heiß?“ Leicht verärgert schürzte ich die Lippen. Es war nicht das erste Mal, dass ich mit

ihr verglichen wurde, was natürlich naheliegend war, wenn man ähnlich hieß, aber nach einiger Zeit war es nervig und vor allem aus Lenas Mund fand ich es ein wenig verletzend, auch wenn ich nicht genau wusste, wieso. „Was machen wir jetzt?“ So ganz konnte ich den Missmut in meiner Stimme nicht verbergen, was Lena zu bemerken schien, da sie mich nachdenklich ansah. Als ich zum Tisch gehen wollte, um mir etwas zu trinken zu holen und nicht mehr meine blöde Namensvetterin beobachten zu müssen, die ich auf einmal nicht mehr besonders gut leiden konnte, umarmte mich Lena plötzlich von hinten und zog

mich ein Stück zu sich heran. „Höre ich da etwa eine Spur von Eifersucht?“ Ich konnte förmlich ihr hämisches Grinsen in ihrer Stimme hören, was mich nur noch mehr in Rage versetzte. „Sicher nicht!“, versuchte ich möglichst gelassen zu erwidern, was allerdings nicht von Erfolg gekrönt war. „Deine zickige Seite kenne ich ja noch gar nicht, die finde ich auch ziemlich süß – und wenn es dich beruhigt, ich finde dich viel schöner als sie.“, flüsterte sie mir ins Ohr. Mein Gesicht wurde etwas warm. Ich fühlte mich ertappt und zugleich etwas vorgeführt, was für mein Ego nicht

gerade ein tolles Gefühl war. Sie löste die Umarmung und setzte sich zu dem niedrigen Tisch auf dem Boden. „Pflanz dich hin, nachdem ich dir meine Schwäche für Mrs. Granger offenbart habe, bist du dran, welche Schauspielerin findest du hübsch?“ Ich zuckte unschlüssig mit den Schultern und setzte mich zu ihr, wobei ich bewusst einen guten Meter zwischen uns ließ. Ich wusste, dass ich mich kindisch benahm, aber wenn ich beleidigt war, war mit mir nicht gut Kirschen essen. „Komm schon, sei keine Spaßbremse, andere Mädchen reden über Jungs, wir halt über Mädchen. Ich bin auch nicht beleidigt, versprochen.“ Sie zog mich auf, was ich

nicht sonderlich charmant fand. Solche Gespräche war ich nicht gewohnt. Üblicherweise schwärmten meine Freundinnen alle für irgendwelche Schauspieler oder Sänger wie Robert Pattinson oder Justin Bieber, die ich aus diesem Grund ziemlich nervig fand. Aber nun hatte ich die Chance, mit jemanden zu reden, der so war wie ich, der mich nicht schräg von der Seite anschauen oder verurteilen würde. „Ich finde Keira Knigthley ziemlich schön.“ „Ja, da hast du einen guten Geschmack.“ Eine Weile unterhielten wir uns über dieses und jenes. Meine Laune wurde besser und es war wirklich toll, sich

nicht verstellen zu müssen, wie ich es sonst in der Regel vor meinen Freundinnen tat. Als mein Magen anfing, zu knurren, verkündete Lena, dass wir in die Küche gehen würden. Während wir die Treppe hinuntergingen, schoss mir eine wesentliche Frage durch den Kopf. „Wann kommen eigentlich deine Eltern nach Hause?“ Da in der Wohnung immer noch eine beinahe gruselige Stille herrschte, konnte es nicht sein, dass wir ihre Ankunft überhört hatten. „Nun, meine Mutter ist am Wochenende oft nicht da. Momentan muss sie noch die Häuser und Wohnungen in ihrem alten

Verkaufsgebiet an den Mann bringen. Deshalb übernachtet sie oft außerhalb.“ Als wir die große Küche erreicht hatten, für die meine Mutter sicher gemordet hätte, deutete mir Lena an, Platz zu nehmen. „Und dein Vater?“ „Er hat sich mir nie vorgestellt, daher wirst du ihn auch nicht kennenlernen.“ Mist. Da war ich eindeutig in ein Fettnäpfchen getreten, zumindest kam es mir so vor. „Entschuldige.“ In diesem Augenblick tat sie mir Leid. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es war, ohne Vater aufzuwachsen. „Jetzt schaue mich nicht so an, als ob ich Leukämie hätte. Lieber keinen Vater, als einen schlechten und außerdem kann man nichts vermissen,

was man nicht kennt.“ Sie öffnete den Kühlschrank und zog eine mit Alu überzogene Backform heraus. „Ich habe uns einen Auflauf gemacht, nichts besonderes, aber ich hoffe, er schmeckt dir.“ Während sie die Backform in den Ofen schob, konnte ich mir die Frage nicht verkneifen. „Du kannst kochen?“ Beleidigt sah sie mich an. „Natürlich! Wenn ich das nicht könnte, wäre ich in diesem Haushalt längst verhungert.“ Ein Stunde später und gut ein paar Pfund schwerer, lehnte ich mich zufrieden und pappsatt in meinem Stuhl zurück.

„Kochen kannst du wirklich gut.“ „Hattest du etwa Zweifel?“, fragte sie und drohte mir mit ihrer Küchengabel. Als ich mich wieder rühren konnte und mich nicht mehr fühlte, wie ein unbewegliches Fass, richtete ich mich etwas im Stuhl auf. „Was machen wir jetzt?“ Lena sah kurz aus dem Fenster und schien zu überlegen. „Da heute das Wetter so beschissen ist, dachte ich mir, wir bleiben hier. Wir haben im Keller ein Schwimmbecken, magst du es ausprobieren?“ Ein eigenes Schwimmbad im Haus? Das war schon beneidenswert „Ich habe keine Schwimmsachen mit.“, entgegnete ich. Lena beugte sich ein Stück zu mir herüber und setzte ein

nicht ganz jugendfreies Lächeln auf. „Die brauchst du nach meiner Meinung auch gar nicht.“ Impressum: 2015/05 ©Cover: Anna Breinlinger ©Inhalt: Anna Breinlinger

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Anna92

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