Platz 1 Storybattle Herzgebreche
Der Wecker klingelte und riss mich aus dem Schlaf. Schnell drückte ich ihn aus, damit der Krach verstummte. Am liebsten wäre ich liegen geblieben, aber da es Montag war, musste ich aufstehen, um mich für die Schule fertigzumachen. Als ich meine Zimmertür öffnete, um ins Bad zu gehen, konnte ich bereits meine Mutter aus der Küche hören, die sich um das Frühstück kümmerte und vor sich hin summte. Da meine Schwester Anna heute erst später Schule hatte, konnte ich mir Zeit im Badezimmer lassen und in Ruhe duschen, was keine
Selbstverständlichkeit in diesem
Haushalt war.
Das warme Wasser floss an mir hinunter und entlockte mir ein leises Stöhnen. Mit den Gedanken war ich bereits in der Schule. Da die Weihnachtsferien nicht weit entfernt waren, standen noch viele Tests und Schularbeiten bevor und auch wenn das eine Menge Stress bedeutete, machte mir momentan eine andere Sache sehr zu schaffen.
Nachdem ich aus der Dusche gestiegen war und mir die Haare geföhnt hatte, ging ich in die Küche, in der mich meine Mutter schon mit einem Grinsen im Gesicht begrüßte: „Guten Morgen,
Sonnenschein, hast du gut geschlafen? Ich habe dir bereits dein Frühstück gemacht.“ Ein Danke kam über meine Lippen, während ich mich an den Tisch setzte und schweigend vor mich hin aß. Nach einer Weile durchbrach meine Mutter die Schweigsamkeit, die sie selten akzeptierte. „Was ist denn los? Ich weiß, dass du morgens nicht sehr gesprächig bist, aber heute wirkst du bedrückt. Ist etwas passiert?“ „Nein, ich habe nur nicht so gut geschlafen. Ich mache mich dann mal fertig, sonst komme ich noch zu spät.“, wich ich ihrer Frage aus und ging aus der Küche. Als ich mich angezogen und geschminkt hatte, verabschiedete ich mich noch,
bevor ich mich auf den Weg zur Schule machte.
Auch wenn es ein kalter Wintermorgen war, fühlte sich die frische Luft sehr gut auf meiner Haut an und brachte mich kurz auf andere Gedanken. Da ich nicht weit von der Schule entfernt wohnte, in der ich die zehnte Klasse besuchte, kam sie bald in Sichtweite. „Ina, warte!“, ertönte hinter mir plötzliche die vertraute Stimme meiner besten Freundin, woraufhin ich mich umdrehte und in einiger Entfernung Lisa sehen konnte, die auf mich zu rannte. Mein Herz krampfte sich etwas zusammen, als sie außer Atem vor mir stehen blieb und
mich tadelnd ansah. „Warum hast du mich heute nicht abgeholt? Wir gehen doch sonst immer gemeinsam zur Schule.“ Bei der Frage brach ich den Blickkontakt ab und ging langsam weiter. „Ich habe es vergessen, entschuldige.“ Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Lisa nun neben mir ging und mich beobachtete. „Habe ich dich irgendwie gekränkt? Wenn ja, tut es mir Leid.“ Für einen kurzen Moment schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht, da es nicht das erste Mal war, dass sie befürchtete, etwas Falsches gesagt zu haben. Sie war von Natur aus sehr besorgt und bemüht, es allen recht zu machen. Eine Charaktereigenschaft, die ich allerdings
sehr an ihr schätzte. „Nein, es ist nicht deine Schuld. Ich bin nur etwas... verwirrt.“, sagte ich und blickte kurz in ihre dunkelbraunen Augen, die immer herzlich und freundlich wirkten. „Kann ich dir vielleicht helfen? Was ist denn passiert?“ Da wir in der Zwischenzeit das Schulgelände erreicht hatten und die Geräuschkulisse lauter wurde, meinte ich nur: „Später vielleicht.“ Der Vormittagsunterricht verging sehr schnell und es dauerte nicht lange, bis die Schulglocke die Mittagspause verkündete. Meine Mitschüler verließen beinahe fluchtartig den Raum, sodass nur Lisa und ich übrig blieben, die in den meisten Fächern neben mir saß. „Ich bin
so froh, wenn wir endlich Weihnachtsferien haben.“, sagte sie zu mir. „Ja, ich auch.“ „Was hältst du davon, wenn du am Wochenende bei mir übernachtest? Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Wir können auf den Weihnachtsmarkt gehen und anschließend zu mir.“ „Ich weiß nicht so recht. Ich muss für die Schule lernen und...“ Als sie ihren bittenden Gesichtsausdruck auflegte, schmolz mein Widerstand dahin und schließlich stimmte ich zu. „Dann wäre das abgemacht.“
Obwohl das Wochenende eigentlich weit entfernt war, vergingen die Tage so schnell, dass wir bereits Freitag hatten.
Als ich meiner Mutter von der Übernachtung erzählte, hoffte ich insgeheim, sie würde es mir nicht erlauben, da wir in der nächste Woche die Matheschularbeit schrieben und ich alles andere als ein Mathe-Ass war, aber zu meiner Überraschung hielt sie es für eine großartige Idee. Als ich morgens aus dem Haus ging, mit einer zusätzlichen gepackten Tasche in der Hand, wurde mir wieder etwas mulmiger.
Es wird so wie immer, also keine Panik, redete ich mir ein, in der Hoffnung es würde etwas bringen. Bald stand ich vor dem Haus von Lisas Familie und
klingelte. Aus dem Inneren des Hauses erklang das Bellen von Merlin, einem der wenigen Hunde, vor denen ich keine Angst hatte. Das vertraute elektronische Geräusch erklang, welches mir verriet, dass die Tür nun offen war und so ging ich hinein und wurde von Merlin begrüßt, der um mich herum sprang. Ich stellte die Tasche beiseite, kniete mich zu ihm hinunter und streichelte durch sein weiches Fell. „Merlin hat dich sehr vermisst.“ Ich blickte auf und sah Lisa, die an den Türrahmen gelehnt stand und uns beobachtete. „Ich ihn auch.“ „Wir sollten dann wohl los, nicht wahr?“, fragte sie rhetorisch und zog sich ihren Mantel über, den ich sehr an ihr mochte.
Während wir zur Schule schlenderten, erzählte sie mir, dass ihr jüngerer Bruder nun seine erste Freundin hatte und wie niedlich sie das fand. „Wie schaut es eigentlich bei dir aus, geistert dir vielleicht ein Junge im Kopf herum?“ Etwas überrumpelt von der Frage stotterte ich: „Ich ..ehm, nein, ich meine, wir haben sowieso keinen in unserer Klasse, der in Frage kommen würde, die sind emotional in der Pampersphase.“ Lisa lachte und mir wurde bewusst, wie schön es bei ihr klang, so klar und herzhaft. „Das stimmt, aber schließlich gibt es auch außerhalb unserer Klasse Jungs, die an dir interessiert sein
könnten.“ „Möglicherweise, aber ich interessiere mich momentan für keinen Jungen.“ Was auch stimmte. Kein Junge interessierte mich im Vergleich zu ihr so sehr. Aber wie sollte ich ihr dies jemals sagen? „Und wie ist es bei dir? Interessierst du dich für jemanden?“ Eigentlich wollte ich sie das nicht fragen, aber als sie verneinte, verspürte ich eine gewisse Erleichterung. Nach wenigen Minuten, in denen wir uns über belanglose Sachen unterhielten, erreichten wir das Schulgelände, auf dem bereits dichtes Gedränge herrschte. Als wir unsere Klasse betreten wollten, versperrte uns Tim, ein Mitschüler von Lisa und mir, den Weg. „Ne, so geht das
nicht, ihr könnt doch nicht einfach die Traditionen brechen.“ Mit einem breiten Grinsen im Gesicht deutete er nach oben und unsere Blicke folgten ihm. Über uns hing ein Mistelzweig, woraufhin mir in wenigen Augenblicken das Blut in den Kopf schoss, als ich verstand, worauf er hinaus wollte.
„Das würde dir sicher gefallen, was?“, meinte Lisa und wollte ihn sachte beiseite drücken, was ihr jedoch nicht gelang. „Ich nehme die Weihnachtsbräuche nur sehr ernst, das ist alles.“ Sein Gesichtsausdruck verriet jedoch, dass Lisa mit ihren Worten ins Schwarze getroffen hatte. „Wenn du uns
dann endlich durchlässt. Immerhin muss ich nicht so etwas Aufdringliches wie dich küssen.“ Sie blickte zu mir und verdrehte genervt die Augen, um zu verdeutlichen, wie kindisch sie das Ganzef and.
Das kann nicht ihr Ernst sein. Sie darf mich nicht küssen! Es fällt mir schon schwer genug, meine Gefühle ihr gegenüber zu ignorieren. Ich hatte keine weitere Zeit, darüber nachzudenken oder mich vorzubereiten, da sie sich bereits zu mir gebeugt hatte und sachte ihre Lippen auf meine drückte, was in mir ein Inferno von Gefühlen auslöste. So schnell der Kuss kam, endete er auch
wieder und sie drehte sich wieder zu Tim und sagte irgendetwas zu ihm, was ich jedoch nicht mehr mitbekam, da ich zu beschäftigt war, mir nicht anmerken zu lassen, welches Durcheinander in mir herrschte.
Während des Unterrichts konnte ich an nichts anderes denken als an das Gefühl, das ich verspürt hatte, als sie mich geküsst hatte. Am liebsten hätte ich es in die Welt hinausgeschrien oder zumindest ihr gestanden, was ich für sie empfand, aber was würde sie dann über mich denken? Wäre sie entsetzt? Würde sie sich vor mir ekeln? Oder gar die Freundschaft kündigen? Es schmerzte,
nie mehr als nur eine Freundin für sie sein zu können, aber die Vorstellung, dass mir selbst das verwehrt sein könnte, schmerzte noch mehr. „INA!“ Erschrocken blickte ich in Lisas Gesicht, die vor meinen Platz stand und mit ihren Händen vor meinem Gesicht herumfuchtelte. „Entschuldigung, ich war irgendwie in Gedanken.“ „Wäre mir kaum aufgefallen!“, meinte sie und schmunzelte. „Wir haben Schulschluss, gehen wir?“
Auf dem Rückweg fing es an, zu schneien, was Lisa begeisterte. „Das ist doch super, dann haben wir später genau die richtige Stimmung für einen
Weihnachtsmarkt-Besuch. Zuhause wurden wir von Lisas Mutter begrüßt, die für ihr Alter noch sehr jung aussah. Es stand außer Frage, dass Lisa optisch stark nach ihrer Mutter kam. Auch sie hatte die schönen braunen Augen und das braune Haar, das ich an Lisa so anziehend fand. „Schön dich wiederzusehen, Ina. Ich hoffe, dir geht es gut?“, fragte sie mich und zog mich kurz in ihre Arme. Wie ihre Tochter hatte auch sie eine Art, die es unmöglich machte, sie nicht zu mögen. „Mir geht es gut, danke.“ „Ich habe euch etwas zum Essen gemacht, also langt zu!“
Nach dem Essen zogen wir uns in das
Zimmer von Lisa zurück, in dem ich schon eine Weile nicht mehr gewesen war. Als erstes fiel mir ein Bild auf, das auf dem Nachttisch stand, auf dem ich mit Lisa am Strand zu sehen war. „Das hätte ich beinahe vergessen, das war auf der letzten Klassenfahrt, oder?“ Sie nickte und nahm das Bild in die Hand. „Das war die schönste Klassenfahrt, die wir bis jetzt hatten.“
Es vergingen ein paar Stunden, bis Lisa vorschlug, dass wir zum Weihnachtsmarkt aufbrechen sollten. „Ich ziehe mir nur etwas anderes an.“ Während sie zu ihrem Kleiderschrank ging und sich von ihren Sachen
entledigte, sah ich verlegen zur Seite, aber dennoch konnte ich nicht widerstehen,sie gelegentlich anzuschauen. Als sie nur ihre Unterwäsche trug, wanderte mein Blick ihren zierlichen Körper entlang und erweckte das Bedürfnis in mir, ihn zu berühren. So gerne hätte ich sie gespürt, meine Hände über ihren Körper wandern lassen, aber dazu würde es nie kommen. Als sie sich wieder anzog, war ich dankbar, der Versuchung nicht mehr ausgesetzt zu sein, auch wenn ich sie gerne noch länger angesehen hätte. Nachdem sie sich fertig angezogen hatte, betrachtete sie sich kurz im Spiegel und blickte anschließend zu mir. „Kann ich
mich so sehen lassen?“ „Es steht dir gut, du schaust sehr schön aus.“ Mit einen zufrieden Gesichtsausdruck kam sie auf mich zu und reichte mir die Hand. „Dann lass uns gehen.“
Als wir aus dem Haus gingen, war es bereits stockfinster und auf den Straßen lag eine mehrere Zentimeter dicke Schneeschicht, die sich über die letzten Stunden gebildet hatte. „Es ist ganz schön kalt geworden!“, meinte ich mehr zu mir selbst als zu Lisa, während wir zum Weihnachtsmarkt gingen. Lisa reichte mir ihre Handschuhe, die ich dankend entgegen nahm. „Ich brauche sie nicht und wenn es dir zu kalt werden
sollte, sage es einfach, dann gehen wir wieder heim.“
Nach einem längeren Fußmarsch erreichten wir den Weihnachtsmarkt, der gut besucht war. An jedem Stand bildete sich eine kleine Traube von Menschen und Gelächter war aus verschiedenen Richtungen zu hören. „Wo magst du zuerst hin?“ „Ich hätte gesagt, wir schauen uns zuerst einmal die Stände an und dann können wir uns ja etwas Warmes zu trinken holen.“, schlug ich vor, was sie mit einem Nicken bestätigte. Bei den meisten Ständen konnte man sich etwas Süßes kaufen und als wir einen Stand erreichten, der Schokoladenfrüchte
anbot, konnten wir einfach nicht nein sagen und kauften uns gleich mehrere. Nachdem wir die meisten Stände durchforstet hatten, steuerten wir einen Glühweinstand an, der nicht allzu belagert wurde. Mit einem warmen Punsch in der Hand stellten wir uns an einen Tisch und aßen die restlichen Früchte, die wir nicht bereits vernichtet hatten. „Wen haben wir denn da?“ Plötzlich tauchte Tim vor uns auf, begleitet von zwei anderen Jungs, die ich flüchtig aus der Parallelklasse kannte. „Haben die Damen noch Platz für uns?“, fragte er gespielt höflich, woraufhin Lisa gekünstelt erwiderte: „Wenn die Herren schon so höflich fragen.“ Schnell standen
Lisa und Tim im Mittelpunkt des Geschehens. Es war kein Geheimnis, dass Tim bereits seit längerem hinter Lisa her war, aber bis jetzt noch keinen Erfolg gehabt hatte. „Wie wäre es mit einem Date, vielleicht ein romantisches Essen?“ „Vielleicht ein anderes Mal.“, wimmelte ihn Lisa ab. „Du bist ganz schön anstrengend.“, kommentierte er theatralisch. „Vielleicht ist das der Reiz?! Wie auch immer, wir müssen auch dann los.“ Wieder hakte Lisa sich bei mir ein und zog mich hinter sich her, bis wir aus dem Sichtfeld der Jungs verschwunden waren.
„Meine Güte, war das mal wieder
anstrengend mit ihm. Manche verstehen ein „Nein“ wohl einfach nicht.“, sagte sie zu mir und sah mich geknickt an. „Mir ist eh schon ganz kalt, wollen wir zu mir?“ Ich nickte ihr zu und so gingen wir langsam wieder in die Richtung ihres Hauses. An Tim mag sie zwar nicht interessiert sein, aber was werde ich machen, wenn sie sich eines Tages verliebt? Wie werde ich damit klar kommen? Kann ich das überhaupt? Und wenn ja, kann ich weiterhin in ihrer Nähe bleiben? Oder muss ich mich dann von ihr distanzieren?
„Hey, was ist denn?“ Erst jetzt bemerkte ich, dass wir uns in einer Seitenstraße
befanden und stehengeblieben waren. Durch das Licht einer Laterne, die nicht weit von uns entfernt stand, konnte ich erkennen, dass mich Lisa mit einem besorgten Blick musterte. „Tut mir Leid, lass uns weitergehen.“ Doch bevor ich losgehen konnte, hielt sie mich am Arm fest. „Warum tust du das?“ „Tue ich was?“, fragte ich und klang dabei kühler als beabsichtigt. „Warum vertraust du mir nicht? Wir sind seit Jahren befreundet und auf einmal behandelst du mich wie eine Fremde. Ich will dir doch nur helfen, also warum lässt du mich nicht?“, während des Sprechens wurde sie immer lauter und es war deutlich hörbar, dass sie sauer war. „Bin ich nicht
deine Freundin, der du alles erzählen kannst?“ Bei der Frage brach ihre Stimme ein und sie sah mich mit einem traurigen Gesichtsausdruck an.
„Ich... es .... ist nicht so einfach, darüber zu reden, ich habe Angst.“ Die Tränen, die ich zuvor zurückgehalten hatte, kullerten nun über meine Wangen und ich verspürte den ganzen Frust, der sich in den letzten Wochen in mir aufgestaut hatte. Den Frust über meine Gefühle für Lisa, den Frust,nichts daran ändern zu können und den Frust darüber, dass ich sie nicht haben konnte, wie ich es mir ersehnte. „Wenn ich es dir sage, willst du sicher nichts mehr mit mir zu tun haben.
Deswegen kann ich es nicht.“ Weiter kam ich nicht, da ich das Gefühl hatte, mein Hals sei zugeschnürt. Frustriert versuchte ich, die Tränen wegzuwischen, die jedoch kein Ende nahmen. Ich spürte, wie sich zwei Arme um mich legten und zu sich zogen. „Was redest du da für einen Blödsinn? So etwas würde ich niemals sagen.“, flüsterte mir Lisa beruhigend ins Ohr. Ich erwiderte ihre Umarmung und schloss meine Augen, während ich meinen Kopf auf ihre Schulter legte. Langsam beruhigte ich mich und atmete wieder gleichmäßig. Ich wusste, dass sie darauf wartete, dass ich etwas sagte und nach schweigsamen Minuten, versuchte ich es über die
Lippen zu bringen: „Ich ... habe mich in dich verliebt.“ Es klang seltsam fremd, es laut auszusprechen und wieder kehrte die Angst vor ihrer Reaktion zurück, sodass ich meinen Kopf weiterhin fest an ihre Schulter presste, in der Hoffnung, ich müsste ihr nie wieder in die Augen sehen, die mich vermutlich verurteilend ansahen. Ich spürte, wie Lisa mich leicht von sich drückte und wünschte mir, ich hätte es für mich behalten können.
Wie soll sie sich auch sonst verhalten, schließlich kann sie nichts für meine Gefühle. „Es tut mir Leid, ich werde sicher nicht ...“ Weiter kam ich in meiner Beteuerung, sie in Ruhe zu lassen nicht,
da ihre Lippen auf den meinen lagen. Unbeholfen erwiderte ich den Kuss, der mir einen wohligen Schauer über meinen Rücken jagte. Als wir uns voneinander lösten, fühlten sich meine Beine an als würde sie jeden Moment nachgeben. „Warum gehst du einfach davon aus, ich würde anders für dich empfinden?“, fragte sie mich und als ich sie näher ansah, bemerkte ich ihre roten Wangen und die etwas glasigen Augen. „Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es dir auch so gehen könnte.“, sagte ich kleinlaut. Sie küsste mich wieder und wie zuvor fühlte es sich wunderschön an. Wie lange wir so in der dunklen Seitenstraße verharrten wusste ich nicht.
Minuten oder Stunden? Doch die Kälte zwang uns den Heimweg fortzusetzen. Ich spürte, wie Lisa meine Hand in ihre nahm, was ich nur zu gern geschehen ließ. Es fühlte sich einfach alles zu irreal an. Dauernd sah ich zu Lisa, um mich zu vergewissern, dass es keine Einbildung gewesen war, was soeben geschehen war.
Als Lisa die Haustür aufsperrte und wir hineingingen, verriet die Dunkelheit und Stille, dass LisasEltern bereits schliefen. Wir trennten uns von unseren Schuhen und Jacken und schlichen leise zu Lisas Zimmer hinauf. Nachdem Lisa die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte, drehte sie sich in meine Richtung. Ich
wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte, aber auch Lisa schien es so zu gehen. Nach einer etwas peinlichen Stille kam sie auf mich zu und setzte dort an, wo wir zuvor aufgehört hatten sie küsste mich. „Du bist ja ganz kalt.“, meinte sie und fuhr mit ihren Händen wärmend meinen Rücken entlang. Nach einer Zeit trennten wir uns wieder und Lisa deutete in Richtung ihres Bettes. „Stört es dich, wenn wir zusammen in meinem Bett schlafen oder soll ich noch die Matratze von nebenan holen?“ Ich war dankbar, dass es dunkel genug war, damit man nicht sehen konnte, wie mir das Blut in dem Kopf schoss. „Ich schlaf gerne bei dir, wenn es dich nicht stört.“ Nachdem
ich mir etwas Bequemeres angezogen hatte, legte ich mich zu Lisa ins Bett, die sich bereits umgezogen hatte und zur Seite gerutscht war, um mir Platz zu machen. Als ich neben ihr lag, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Am liebsten hätte ich meine Arme um sie gelegt und sie geküsst, aber ich traute mich nicht. Schließlich lag es noch keine Stunde zurück, als ich noch die Befürchtung gehabt hatte, sie würde mich hassen, sobald ich ihr meine Gefühle gestehen würde.
Mehrere Minuten lagen wir schweigsam nebeneinander, begleitet von dem gleichmäßigen Ticken der Uhr.
Unerwartet rutschte Lisa etwas näher an mich heran und ich spürte, wie ihre Hand sich den Weg über meinen Oberschenkel bis zu meiner Hüfte hinauf bahnte und eine Gänsehaut an den berührten Stellen hinterließ. Etwas unentschlossen verharrte ihre Hand bei dem Saum meines T-Shirts, bis ich ihre Fingerspitzen spürte, die sich sanft darunter schoben und über meine Taille strichen. Bei ihren sanften Berührungen krampfte sich mein Magen etwas zusammen und es fiel mir schwer, gleichmäßig zu atmen „Ist... dir das unangenehm?“, fragte sie mich mit einem Anflug von Zweifel in ihrer Stimme und stockte in ihrer Bewegung. „Es fühlt sich
schön an.“ Wieder verloren wir uns in einem Kuss und ich ließ ebenfalls meine Hand über ihren schönen Körper wandern, der sich noch besser unter meinen Händen anfühlte, als ich es mir erträumt hatte. Ich spürte, wie Lisas Zungenspitze über meine Lippen fuhr und ohne darüber nachzudenken, öffnete ich meinen Mund und gewährte ihr Einlass. Unsere Zungen berührten sich, woraufhin mir abwechselnd heiß und kalt wurde. Es fühlte sich wunderbar an, Lisa so spüren zu können und eine ganze Weile verbrachten wir damit, uns zu küssen und den Körper des jeweils andren zu erkunden, bevor wir Arm in Arm einschliefen.
Impressum:
©Cover: Anna Breinlinger
©Inhalt: Anna Breinlinger