***
July fuhr nach Spanien um zu sterben, nur wusste sie das nicht, könnte es vielleicht ahnen, doch ihre treue Hundeseele kannte nicht den Arg der Menschen und so war sie vertrauensvoll mit ihrem Hundeführer Fritz in den Zug gestiegen, der Richtung Spanien fuhr. Sie saßen in einem Abteil der Hundeführerstaffel, die auf einen Befehl hin, den Gegner aufzuhalten - koste es , was es wolle - ausgeschickt worden war, um die Hunde mit einer Mine auf dem Rücken zu den gegnerischen Panzern zu schicken.
Fritz saß in der hintersten Reihe und betrachtete gedankenversunken den Sonnenuntergang, der den Himmel in ein unwirkliches rötliches Licht tauchte.
Er hörte nicht auf das Palavern der anderen, sondern dachte unentwegt daran, dass dies die letzten Stunden waren, die er mit July verbringen durfte.
Ihm wurde schwindelig, wenn er sich vorstellte, wie sie von der Mine zerrissen werden würde.
Er dachte zurück an die Zeit, die er mit ihr verbracht hatte und ein beklemmendes Gefühl legte sich auf seine Brust, als es zur Gewißheit wurde, dass er sie in wenigen Stunden für immer verlieren würde.
Eigentlich wollte er sein Herz nicht an sie hängen, weil er genau wusste, dass es einen Abschied für immer geben würde, aber als er July das erste Mal sah, eine schwarz-weiße
Border Collie Mischlingshündin, knapp ein Jahr alt, verspielt, klug und aufmerksam, da war es bereits um ihn geschehen.
Eigentlich war er ein harter Typ, der, wenn es notwendig war, auch über Leichen gehen konnte, aber July hatte im Sturm sein Herz erobert und er ließ sich sogar für eine Weile beurlauben, um sie mit zu seiner Familie nach Hause zu nehmen. Dort konnte sie nach Herzenslust mit den Kindern herum toben, wie ein ungezähmtes Füllen. Sogar ein verletztes Kaninchen brachte sie einmal an. Sie legte es vor Fritz ab und leckte ihm das Fell, als wolle sie sagen: „Ich habe dir was zum gesund pflegen mitgebracht. Hilf ihm bitte.“
Wenn sie mit den Kindern draußen spielte,
dann hatte er abends alle Hände voll zu tun, um die dürren Blätter und Disteln aus ihrem Fell zu lösen.
Sie genossen die Tage des Urlaubs in der flirrenden Sommerhitze und dabei zeigte sich immer wieder, was July für eine Perle war. Sie folgte aufs Wort und apportierte liebend gerne Bällchen und andere Spielsachen, gab sie aber ohne zu knurren auch wieder ab.
Fritz hätte diesen Hund am liebsten für immer behalten und innerlich schimpfte er auf diesen verdammten Krieg und auf jene, die ihn angezettelt hatten. Für diese Leute waren Hunde nur Mittel zum Zweck und er selbst machte dieses ja auch mit. Die Zeit verging
wie im Flug und bald hieß es wieder zurück zum Bataillon, zurück zum Drill.
Den Hunden wurde das Futter gekürzt, damit sie Hunger hatten, dann bekamen sie einen Rucksack auf den Rücken geschnallt und sie musste sich ihr Futter unter Lastautos und anderen Fahrzeugen suchen. Dazu erging dann immer der Befehl des Hundeführers:
„Such Futter“. July kapierte stets als erste, was man von ihr wollte und bald lernten es auch die anderen Hunde der Staffel.
Das dauerte zwar einige Wochen, aber dann bemerkte Fritz auf einmal, dass July etwas rundlicher wurde. ´Ohoho, sie hat wohl einen Braten in der Röhre`, dachte Fritz und als er glaubte, dass es so weit war, nahm er sie wieder für ein paar Tage mit nach Hause, wo
sie tatsächlich zwei niedlich Welpen warf.
Das durfte natürlich niemand wissen, denn die Hunde gehörten ja nicht ihm, er hätte sie gleich töten oder sie abgeben und einem ungewissen Schicksal überlassen müssen. Das brachte er aber nicht übers Herz, besonders, weil der eine Welpe genau so aussah, wie July. Also legte er seiner Frau ans Herz, die beiden gut zu versorgen und dann machte er sich wieder auf den Weg ins Bataillon, wo er allerdings schon ungeduldig erwartet wurde, weil der Marschbefehl eingetroffen war.
Nun saß er mit July im Zug, der eintönig über die Gleise ratterte. Sie hatte ihren schönen
Kopf auf sein Knie gelegt und sah ihn urverwandt an.
Sicher hatte sie Hunger, aber die Hunde durften nun nicht mehr gefüttert werden, damit sie an der Front auch ihren „Dienst tun konnten“.
Plötzlich verspürte Fritz Hunger und er nahm sich ein Wurstbrot aus seiner Marschverpflegung – die war ja gut, da konnte man nicht meckern. Fritz schaute sich verstohlen um, aber die meisten seiner Landleute schliefen während der langen Fahrt und so nahm er die Wurst von seinem Brot und gab sie July, die ihn dankbar anblickte und die Wurstscheibe gierig verschlang.
Draußen zog die karge Landschaft an ihnen
vorbei und die Sonne Spaniens brannte vom Himmel.
Im Abteil war es stickig und die Luft war zum Schneiden. Plötzlich kam einer auf die glänzende Idee, das Fenster zu öffnen.
Im warmen Luftzug hatte sich jedoch eine Wildbiene ins Abteil verirrt, die an July Gefallen gefunden zu haben schien, denn sie schwirrte ihr immer um den Kopf. Fritz hatte Mühe, sie abzuhalten nach dieser zu schnappen, denn das hätte böse ausgehen können. So wedelte er so lange mit einem Tuch, wobei er das Fenster auf seiner Seite geöffnet hatte und die Biene wieder in die Freiheit entließ.
Dann fuhr der Zug in Pamplona ein und alle
stiegen aus. Nun erwartete sie jedoch noch ein langer Fußmarsch bis an die Front.
Dort erwartete man sie schon in den Schützengräben.
In der kargen Landschaft sahen diese aus, wie ausgetrocknete Flussläufe, die sich in die Erde gegraben hatten. Nur ein kleiner Affenbrotbaum, den wohl jemand dort mal gepflanzt hatte, obwohl dieser eigentlich gar nicht hierher gehörte, spendete ein wenig Schatten.
Die Sonne stand schon tief und war im Begriff unter zu gehen, da sahen die Männer in der Ferne ein Staubwolke, die sich schnell näherte. Dann in Sichtweite sahen sie ein ganzes Panzerregiment auf sich zurollen.
Da es jedoch bereits dunkelte, hielten sie an. Noch kein Schuss war in der Zwischenzeit gefallen, aber die Männer in den Schützengräben spürten bereits die Bedrohlichkeit der Lage.
Dann kam der Einsatzbefehl für die Hundestaffel. Jeder der Hunde bekam eine Mine auf den Rücken geschnallt und dann kam der Befehl: „Los such Futter!“
Die Hunde sprinteten los.
Fritz streichelte July noch einmal und flüsterte ihr ins Ohr: „Mach´s gut , mein guter Hund, wir sehen uns im Himmel wieder.“, bevor er sie los schickte.
Als sie loslief, überstürzten sich seine Gedanken. Auf halben Weg blieb sie noch einmal stehen und schaute zu ihm zurück, um dann los zu preschen. Fritz konnte seine Tränen nicht zurückhalten und er schrie: „July, komm zurück. Hierher!“
Doch es war zu spät. Sie hörte ihn nicht mehr. Der Hunger war stärker.....
Dann hörte er nur noch die Detonationen und er schrie seine Verzweiflung in den Abend hinaus: „Verfluchter Krieg - nie wieder!“
Falls er den überlebt, er würde nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen.
Doch zu Hause wartete July´s Vermächtnis.