vorwort
Ich habe im Forum ein wenig bei den alten Battles gestöbert und mich von der einen oder anderen Ausschreibung nachträglich inspirieren lassen.
Selbstverständlich unter Beachtung des Themas und der vorgegebenen Wörter.
Bei FB 21 war es der Satz:
"Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren … verwandelt."
In den Text einzufügen waren:
*Schleiereule, *Tagtraum,*Haselnusscreme, *Mansardenzimmer, *Feingefühl, *Körper, *Bärenfalle, *Linienrichter,*Marschflugkörper
NIE WIEDER
Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Etwas verwandelt. Einen Namen dafür konnte er so schnell gar nicht finden. Diese Erkenntnis war erschreckend und deshalb bereute er sofort, am Abend vorher den Rest Haselnusscreme aus dem großen Glas gegessen zu haben. Ihr gab er die ganze Schuld an seiner Verwandlung. Und natürlich dem Mansardenzimmer, in welches er sich von Zeit zu Zeit zurückzog, um seinen Tagträumen unbehelligt nachhängen zu können.
Jammernd erhob er sich von seiner Liegestatt, um das gesamte Ausmaß der Veränderungen betrachten zu können. Er stellte sich dazu vor den großen Spiegel, welcher in die Schranktür eingelassen worden war. Nachdem er sich eine Weile mit großen Augen angestarrt hatte, begann er sich zunächst plump hin und her zudrehen. Als Gregor von einem Fuß auf den anderen zu hüpfen versuchte, scheiterte er kläglich. Immer war ihm irgendetwas im Wege, was er nicht zu benennen wagte. Sein Körper wirkte unförmig und seine Hände waren bis zur Unkenntlichkeit verändert. Wieder starrte er in den Spiegel, aus welchem ihn zwei riesige, gelbe Augen, von einem gewaltigen Federkranz umgeben, anblickten. Ja, er
musste es sich endlich eingestehen. Er hatte sich in eine … er mochte den Gedanken nicht zu Ende denken. Die Wahrheit war grausam! Ja, ein Vogel sah ihn an! Was nun?
„Hätte ich bloß …“, murmelte Gregor vor sich hin. Jede Jammerei war nun vergeblich und deshalb blieb ihm nach einiger Zeit des Nachdenkens nichts anderes übrig, als sich mit der Situation auseinander zu setzen. Nicht umsonst war er ein Genie darin, eine brauchbare Lösung für alle Lebenslagen zu finden. Anpassung wurde jetzt groß geschrieben. Vorsichtig bewegte er seine Arme, die zu Flügeln geworden waren. Die Dachkammer war jedoch zu klein, um seine Flugtüchtigkeit auszuprobieren. Deshalb
kletterte er vorsichtig durch das zufällig offene Fenster der Mansarde auf das Dach hinaus. Vorsichtig schaute er sich um. Kein Mensch weit und breit. So konnte er den ersten Flugversuch starten, ohne dass jemand aus der Nachbarschaft aufmerksam würde. Ein kleiner Anlauf auf dem Dachfirst, dann ein paar jetzt kräftige Flügelschläge … „Hurra, ich fliege“, dachte Gregor.
Mehr und mehr begann er die neue Art der Bewegung zu genießen. Dieses lautlose Gleiten hoch über den Dächern der Stadt eröffnete ungeahnte Einblicke in Winkel, welche ihm, dem Kenner seines Heimatortes, bisher entgangen waren. Plötzlich erfasste ihn ein leichter Lufthauch und trug ihn mit sich
fort. Er schwebte hinaus über die Felder und Wiesen bis zu den Sportplätzen. Fußball begeisterte Jungen tobten sich hier gerade aus. In dem Augenblick fiel ein riesiger Schatten auf das Spielfeld und der Linienrichter wurde abgelenkt. Da fiel das Siegtor wegen eines Riesenvogels, den bisher noch niemand gesehen hatte. Gregor lachte still in sich hinein.
Ein paar neue, kräftigere Flügelschläge dieses Mal, dann schwebte Gregor hinüber zu dem großen Wald, der ihm sonst so unheimlich erschien. Von oben wirkte er noch undurchdringlicher und düsterer. Gregor erinnerte sich an seine Kindheit. Sein Großvater hatte ihm verboten, in diesen Wald
zu gehen.
Er sagte immer: „Dort gibt es nicht nur Wölfe und Bären, sondern auch Bärenfallen. Wenn du in eine davon hineinfällst, kommst du nie mehr heraus. Auch ich, dein Großvater, könnte dir nicht helfen.“
So waren er und seine Freunde diesem Urwald fern geblieben.
Während Gregor noch immer ungläubig auf dieses riesige Waldstück hinuntersah, hob ihn ein leichter Luftzug erneut empor und trug ihn sanft in die Richtung, aus welcher er gekommen schien. Auf seinen riesigen Schwingen schwebte er lautlos, wie ein von
geheimen Kräften gesteuerter Marschflugkörper, immer rascher der Heimat zu. Schließlich landete er mit viel Feingefühl wieder dort auf dem Dachfirst des Hauses, von dem aus er seine Flugreise begonnen hatte.
Ein leichtes Schwäche- und Schwindelgefühl bemächtigte sich Gregors und so beeilte er sich, durch das immer noch offene Fenster in seine Dachkammer zurück zu gelangen. Als die Schleiereule mit dem Schnabel vorsichtig ihr Gefieder zu ordnen versuchte, fiel eine Feder nach der anderen aus.
Während die letzte schaukelnd zu Boden sank, erwachte Gregor mit einem leisen
Seufzer: „Nie wieder Haselnusscreme am Abend.“
Ein Sonnenstrahl hatte ihn soeben wach geküsst.
© HeiO 26-04-2015