Es brummt im rechten Ohr. Seit ein paar Wochen schon. Angefangen hat es ungefähr, als offensichtlich wurde, dass die Beziehung der Tochter mit Ihrem Lebenspartner sich dem Ende nähert. Nein, sie stritten sich nicht. Sie hat einfach ihr Herz verschlossen. Wollte ihn nicht mehr reinlassen. Hatte Angst er würde den heiligen Raum nicht achten. Es war schwer geworden, das Zusammenleben der Beiden. Er hatte, aufgrund schmerzlicher Erfahrungen in der Vergangenheit, Angst sie zu verlieren, Angst betrogen zu werden, Angst wieder alleine zu sein.
Genau diese Angst veranlasste ihn zu einem Verhalten, dass bei ihr den
Wunsch nach mehr Distanz nährte. Niemand fühlt sich wohl, der sich kontrolliert und überwacht fühlt. Bei ihr entstand das Empfinden in seinen Augen nicht gut genug, nicht richtig, verlogen und falsch zu sein. Das ganze Leben fühlte sich nach und nach schwer an.
Die Sehnsucht nach mehr Verständnis, nach dem Gefühl ganz und gar angenommen und geliebt zu sein, wie sie ist, wuchs in ihr.
„Wer suchet, der findet“, sagt der Volksmund.
Zwei Augenpaare trafen sich und da war plötzlich jemand, der nur Augen für sie hatte. Augen, die sie liebevoll und bejahend ansahen. Ohren, die zuhörten.
Arme, die sie umarmten in ihrer Ganzheit, ein Mund, der sie liebevoll küsste. Da war plötzlich die Leichtigkeit, nach der sie sich so viele Monate sehnte.
Sie wollte ihre Beziehung nicht an die Wand fahren und konnte gleichzeitig dieser süßen Leichtigkeit nicht entfliehen. So begann ein Leben zwischen zwei Stühlen. So begannen die Lügen, die ihr vorher grundlos unterstellt wurden. Erstaunlich zu welchen Lügen Menschen fähig sind, die nicht loslassen können. Warum kann man nicht loslassen?
Vielleicht war die Zeit einfach noch nicht reif dafür?
Eine schwere Zeit. Eine Zeit des Hin-
und Her-gerissen-seins, die unendlich viel Kraft brauchte und zwar von jedem, der drei Beteiligten. Der Eine ahnte, dass seine Befürchtungen endlich bestätigt wurden. Der Andere, der voller Hoffnung war. Und Sie, die nicht wusste wohin ihr Herz wirklich will.
So viele Erinnerungen an die letzten gemeinsamen Jahre wogen schwer. „Am Anfang war alles Liebe“, sagte sie. Wo war sie geblieben die Liebe?
Ich glaube ihr Herz würde gerne bleiben, doch die Person, die sie ist, ist zu sehr verletzt, verunsichert, verängstigt, um zu bleiben. Sie kann nicht anders, sie muss gehen.
Sie muss durchleben, erfahren, fühlen,
um sich selbst zu klären.
Es gibt so viele Trennungen. Ständig höre ich dass sich wieder ein Paar getrennt hat.
Ich las, dass heute bereits jede zweite Ehe geschieden wird.
Wo ist der Ausweg aus dieser schmerzhaften Misere?
Sollte sich der Mensch gar nicht mehr binden?
Beziehung leben mit der Gewissheit, dass sie enden wird?
Falls nicht, dankbar sein für das Glück das man hatte?
Alles fängt an, alles geht irgendwann zu Ende. So oder so.
Warum ein Drama daraus machen?
Traurig sein, ja klar,
Traurigkeit, die gehört zu jedem Abschied von einem Menschen, mit dem man verbunden war.
Vielleicht sollte man bereit sein, diese Traurigkeit genau so anzunehmen, wie man Freude annimmt?
Mir wäre es sehr lieb gewesen, die beiden wären zusammengeblieben, weil ich den Partner meiner Tochter sehr liebgewonnen habe.
Ich habe ihr jedoch immer gesagt, dass ich ihr nichts raten kann.
Irgendwann bin ich nicht mehr da, und sie allein muss wissen, was richtig für Sie und ihr Leben ist. Nur sie selbst kann es wissen, oder fühlen.
Sie hat nun große Zweifel, ob ihre Entscheidung richtig ist. Sie fragt sich, ob sie genug für die Beziehung getan hat.
Ich glaube, ja, ist die Antwort, in beiden Fällen.
Sie kann nicht anders. Ein Mensch ändert sich nicht von heute auf morgen. Um die innere Struktur eines Menschen zu ändern bedarf es Selbsterkenntnis.
Um Selbsterkenntnis zu erlangen muss man tiefe dunkle Täler durchschreiten um irgendwann zu begreifen, dass man selbst es ist, der im Tal, statt in luftiger, sonniger Höhe wandert.
Natürlich ist es ein Kraftaufwand, nach oben zu wandern. Die Kraft kommt mit jedem Schritt, den man dahin tut.
Unterwegs mag man gezwungen sein, die eine oder andere Last, die man unnötiger Weise mit sich schleppt, abzulegen. Das ist nötig um das gewünschte Ziel zu erreichen.
Es geht dann einfach leichter voran.
Hui, gerade hat sich das Ohrgeräusch verändert. Das Summen wurde überlagert von einem Pfeifton. Nur ganz kurz. Ich nehme es mal als Zeichen, dass das ganz ok ist, was ich da niedergeschrieben habe.
Außerdem könnte ich es auch als Zeichen deuten, dass es fürs Erste erst mal genug ist.
Heute las ich:
„Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“
Um das Erleben kommt keiner herum,
das Verstehen ist individuell verschieden.