Simon Belfare war einst einer der mächtigsten Zauberer im gesamten Reich und als Herr des Sangius-Ordens selbst vom Kaiser und all jenen gefürchtet, die sich ihm in den Weg stellten. Doch als er sich einiger Dörfler entledigen will, die ihm beim Bau seiner neuen Burg im Weg stehen, werden ihm seine Kräfte geraubt. Verwundbar und von seinen eigenen Leuten verraten befindet er sich alsbald auf der Flucht, mit nur einem Ziel: Zurückzuerlangen was ihm genommen wurde. Sein Weg führt ihn dabei durch Armut, Finsternis und
letztendlich auch die Folgen seines eigenen Handelns…bis er im Norden des Kontinents schließlich sein Schicksal findet. Zum Guten oder zum Bösen.
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Simon starrte in die Nacht, weg vom Feuer, das einige Schritte entfernt brannte und die zwei Gestalten beleuchtete, die daran schliefen. Drei Tage waren sie jetzt unterwegs und sein Kopf fühlte sich nach wie vor an, als hätte ihn jemand aufgemeißelt und flüssiges Blei hineingegossen. Eines Tages würde der Wolf…. Ach was machte er sich eigentlich vor? Es war vorbei, seine letzte Chance zunichte.
Was erhoffte er sich? Das Erik ihn ein zweites Mal entkommen ließ? Und Ordt war bei weitem zu wachsam für einen Fluchtversuch, selbst wenn seine Hände nicht gefesselt wären und seine Beine mit einem Seil so gesichert, das er kaum mehr als schnell gehen konnte. Wegrennen war, ohne sich zuvor umständlich befreien zu müssen, keine Option. Sowohl Kiris als auch der Wolf schwiegen während ihrer Wanderungen. Sie hatten die Wälder mittlerweile hinter sich gelassen und eine große Talsenke erreicht, durch die sich Dutzende von Seen zogen. Aber wenigstens schienen diese die Umgebung so weit zu entwässern, dass sie trockenen Fußes
vorankamen. Anego konnte höchstens noch zwei Tagesmärsche entfernt sein, vielleicht auch nur einen…. Und dann würde das hier enden. Wenn Roderick sie nicht vorher wiederfand. Simon hatte keinen Zweifel daran, dass der Mann ihre Spur nicht so schnell verlieren würde. Das hatte er deutlich gemacht. Er schüttelte den Kopf über seine eigene Dummheit. Ein Fehler, wie er spätestens wusste, als eine Welle aus Übelkeit ihn übermannte. Er übergab sich. Götter, er ertappte sich dabei, wie er sich halb wünschte, sie würde ihr Ziel schneller erreichen. Mit seinem Tod wäre wenigstens auch das vorbei. Der Hieb
des Wolfs hatte mehr als gesessen. Simon richtete sich umständlich wieder auf. An Schlaf zumindest, war für ihn nicht zu denken. Sein Blick wanderte zum Horizont, an dem sich bereits eine blasse, silberne Linie abzeichnete, die das Licht der Sterne überstrahlte. Sie lagerten auf einem kleinen Hügel, der zu einem der zahlreichen Seen hin abfiel. Mitten auf offenem Gelände. Eigentlich, dachte er, hätte ihn das unruhig machen müssen. Jeder, grade der Auftragsmörder, den Erik auf ihn angesetzt hatte, müsste das Feuer schon auf Entfernung bemerken. Vielleicht war es die Tatsache, dass er dem Tod jetzt erneut so nahe war, wie
selten. Aber grade das hätte ihn wohl erst recht nervös machen müssen, oder? Ein Windhauch brachte den Geruch von vermoderndem Holz und unter Wasser stehenden Wissen mit sich. Der Silberstreif am Horizont war mittlerweile breiter geworden. Es würde bald hell werden und sie ihre Reise damit fortsetzen. Wenigstens könnte er sich dann wieder bewegen, dachte er. Das war immerhin etwas. Am Ende wurde er hier noch zum Optimisten. Der Gedanke war so lächerlich, dass er unwillkürlich grinsen musste. Nein, das ganz sicher nicht. Aber er hatte unangenehm viel Zeit um… nachzudenken.
Simon ließ den Blick zurück zum Feuer schweifen, das mittlerweile fast heruntergebrannt war. Nur noch einzelne, rötliche Flammen hielten sich in der Glut. Eine der zwei Gestalten, die danebenlagen, rührte sich. In der Dämmerung konnte er nicht gleich sagen, ob es Ordt oder Kiris war… allerdings war die Vorsteherin alleine wohl umgänglicher als der Gejarn. Der Wolf hatte es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, ihn so gut es ging zu ignorieren, wenn ihm das möglich war. Die Silhouette, die sich am Feuer aufrichtete, war jedenfalls zu schmal um zu Ordt zu gehören. Kiris warf noch
einige Holzstücke, die vom Abend zuvor übrig geblieben waren, auf die ersterbenden Flammen, während sie bereits begann Decken und das wenige, was sie sonst noch an Ausrüstung dabei hatten, zusammenzupacken. Simon überlegte, ob er sich bemerkbar machen sollte, aber für den Augenblick blieb er einfach sitzen wo er war, ein paar Schritte vom Feuer entfernt. Die Wolken am Horizont hatten nun bereits einen deutlich rötlichen Schimmer. Die Sonne würde wohl bald endgültig aufgehen und damit auch den Gejarn wecken. Ansonsten könnte das wirklich ein schöner Tag werden… Simon schüttelte den Kopf über den
Gedanken. Ein schöner Tag sich auf seinen Henker zuzubewegen. Und trotzdem Verstand er nach wie vor nicht wieso. Ohne Delia, die Seherin, wäre nichts von dem passiert. Und doch war das nicht ihre Absicht gewesen, oder? Ihre Worte ergaben sonst keinen Sinn. Wie sollte er nach etwas suchen, von dem er immer noch nicht einmal wusste, was es war, wenn er starb? Konnten Seher sich irren? War das Schicksal am Ende formbar? Er wünschte er hätte Volero mehr Fragen gestellt. Vielleicht hätte ihm der Alte noch ein paar Antworten geben können. Seltsam, es hätte so viele Dinge zu bereuen gegeben und doch war das
das erste was ihm einfiel. Mit diesem Rätsel zu sterben, das war… nicht hinnehmbar. „Ihr seid wach…“ die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Kiris saß, den fertig gepackten Beutel auf dem Schoß, vielleicht eine ausgestreckte Armlänge entfernt. „Schon eine Weile.“, antwortete er. Die Wahrheit war natürlich, dass er überhaupt nicht geschlafen hatte. “Ich schätze, wir erreichen Anego bald?“ „Ihr klingt beinahe als würdet ihr Euch darauf freuen…“, stellte sie fest. Misstrauen. Natürlich, er an ihrer Stelle würde
auch damit rechnen, dass er noch ein paar Tricks auf Lager hatte. „Das nicht grade… aber immerhin, Euch muss das wie ausgleichende Gerechtigkeit vorkommen, nicht? Mein Leben für das Eurer Leute.“ „An so etwas glaube ich nicht.“, erklärte Kiris, „Wenn es nach mir ginge und wir die Wahl hätte, hätte ich Euch irgendwo zurück gelassen. Aber das hier habt Ihr selber über euch gebracht.“ Simon entging nicht, dass sie die gleichen Worte benutzte, wie er einige Tage zuvor. Und er war sich völlig sicher, dass das Absicht war. „Und jetzt wollt Ihr mich töten lassen.“
„Solange Euch nichts besseres einfällt. „Ihr könntet mich einfach gehen lassen.“, antwortete er. „Sobald ich weg bin, lasse ich mich beim Orden sehen, damit sie wissen, dass ich nicht mehr bei Euch bin. Ich muss mich ja nicht unbedingt erwischen lassen. Wir würden alle bekommen, was wir wollen.“ Nicht, dass er das wirklich tun würde, dachte er. Oder doch? Es wäre einfach, ein Ordensmagier oder eine kaiserliche Patrouille müsste ihn ja nur aus sicherer Entfernung sehen. Aber warum sollte er das riskieren? Kiris Stimme holte ihn zurück in die Wirklichkeit, bevor ihm eine Antwort einfiel. „Das würdet ihr tun?“ Sie klang nicht
überzeugt, aber schwang da nicht so etwas wie Hoffnung in ihrer Stimme mit? „Ja.“ , antwortete er und hoffte, dass es überzeugend genug klang. Götter, wenn sie ihm nur glaubte, dann hätte er tatsächlich noch eine Chance hier rauszukommen. Was er dann tun würde freilich, wusste er noch nicht. Eine schallende Ohrfeige machte jedoch alle seine Hoffnung in einem einzigen Augenblick wieder zunichte. „Das war übrigens für mein Zuhause, Bastard.“ Kiris ließ die Hand sinken. Sie war aufgesprungen und Wut schimmerte jetzt in ihren Augen. Und zum ersten Mal hatte er… Angst vor ihr.
Während der ganzen zwei Wochen, die er jetzt mit ihr und dem Wolf reiste, war sie stets reserviert, kühl, ja geradezu zurückhaltend gewesen. Aber das hier… Simon fürchtete kurz, er müsste gar nicht mehr auf den Henker warten. Es reichte ihr wohl auch, wenn man seine Leiche abliefern konnte. „Glaubt ihr ich bin dämlich?“ Kiris Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, leise, aber tödlich. Und Simon fand sich unfähig, irgendetwas zu erwidern, ob es nun ihre Wut schüren oder besänftigen würde. Nur eines wurde ihm klar. Stillforn hatte eine gute Wahl für seine Vorsteherin getroffen, dachte er. Auch wenn ihm das im Augenblick
nichts nützte. Ganz im Gegenteil. „Ihr nutzt andere bei jeder Gelegenheit aus, wenn Ihr euch davon irgendeinen Vorteil versprecht, Simon. Wenn Ihr denkt, ich würde ein Wort von dem glauben, was Ihr sagt, habt Ihr Euch getäuscht. Ihr hattet einige Chancen zu zeigen, das Ihr tatsächlich so denken könntet… aber Ihr habt nichts getan, als uns alle zur Zielscheibe zu machen, obwohl Euch das von Anfang an klar gewesen sein muss.“ „Es tut mir leid.“ Seine eigene Stimme kam ihm überraschend kraftlos vor. Es war vielleicht das erste Mal, dass er diesen Satz sagte… und ihn auch so meinte. Er hatte bei so vielen
Gelegenheiten das gleiche gesagt, beim Begräbnis eines mächtigen Adeligen, beim Tod eines Ordensmagiers… aber dabei waren es Höflichkeitsfloskeln geblieben. Und normalerweise, dachte Simon, hätte er auf ihre Anschuldigungen nicht viel gegeben. Doch diesmal traf es einen Nerv, ohne das er zu sagen gewusst hätte wieso. „Nein, Simon… ihr tut Euch nur selbst leid, das ist alles.“ Einen Moment war alles still, bis auf das Knistern des wieder auflodernden Feuers und dem Wind, der durch die Grashalme ging. Für jemanden, der zufällig vorbei gekommen wäre, hätte
sich wohl ein seltsames Bild geboten. Der Oberste des Sangius-Ordens, gefesselt und am Boden sitzend, den Kopf zum Boden gesenkt und die Frau vor ihm, die ihn selbst stehend vielleicht grade einmal um einen Kopf überragte. „Kiris ?“ Simon wusste nicht, ob ihr Gespräch den Wolf geweckt hatte oder ob Ordt schon vorher aufgewacht war, aber ohne das er es gemerkt hätte, war nun auch der Gejarn von seinem Platz am Feuer aufgestanden. „Alles In Ordnung ?“ Sie antwortete nicht sofort, sondern wandte* sich zuerst von Simon ab, bevor sie ans Feuer zurückging. „Brechen wir auf.“, meinte sie,
während sie ihren Rucksack wieder aufhob. „Je eher wir das hinter uns haben, desto besser.“ Der Wolf sah lediglich einen Moment unsicher zwischen Simon und der Frau hin und her, bevor er sich mit einem Schulterzucken daran machte, seine wenigen Habseligkeiten zusammenzusuchen. Die Sonne schickte grade ihre ersten Strahlen über den Horizont und tauchte die Landschaft vor ihnen in ein Farbenmeer aus Rot, Gelb und dem Grünblau der Seen…. Simon achtete kaum noch darauf, was Kiris oder der Wolf taten, sondern sah einen Moment über die Senke vor
ihnen hinweg. Zumindest mit einem hatte er recht gehabt. Es würde ein schöner Tag werden. Das änderte aber wenig an dem Chaos, das sich in seinem Kopf eingenistet hatte. Weniger als eine Stunde später waren sie bereits wieder unterwegs und gegen Abend sah Simon zum ersten Mal deutliche Zeichen menschlicher Besiedlung. Der ausgetretenen Wildwechsel, dem sie zuvor gefolgt waren, führte zu einer mit Pflastersteinen befestigten Straße, die sich zwischen den Seen hindurch schlängelte. Dort, wo weder Wasser noch Wälder das Land für sich beanspruchten, gab es vereinzelt eingezäunte Wiesen,
auf denen Schafe oder die allgegenwärtigen Pferde Hasparens grasten. Und dann sah er es. Aus der Ferne und über den Kamm eines Hügels hinweg konnte er zuerst nur die Krähen sehen. Eine schwarze Schar, die so dicht am Himmel kreiste, das er zuerst glaubte, es handle sich um eine Wolke. Doch sobald er erst einmal das markante Krächzten als das erkannt hatte, was es war, ergab es auch Sinn. Und er wusste bereits, was sie finden würden, als Ordt und Kiris noch misstrauisch zu den Vögeln heraufsahen. Gefahr drohte ihnen keine. Doch am liebsten hätte er seine beiden Wärter aufgefordert, einen Bogen darum
zu machen. Er selbst fürchtete den Anblick nicht. Vor… all dem hier hatte er selber mehr als einen dieser Orte errichtet. Als sie den Gipfel des Hügels erreichten, starrten sie auf eine Schädelstätte. In einer Grube am Wegesrand, so breit, dass das Fundament eines großen Hauses darin Platz gefunden hätte, stapelten sich die Toten. Menschen, Gejarn… bei den Meisten hatten die Verwesung und die Aasfresser längst jede Identifizierung unmöglich gemacht. Und obwohl sie noch mindestens eine halbe Wegstunde davon entfernt waren, konnte Simon den krankmachend süßlichen Geruch in der
Luft riechen. Wie es Ordt dabei ging wollte er sich gar nicht erst vorstellen. „Was bei meinen Ahnen ist hier geschehen?“, wollte der Gejarn wissen. Kiris sah sich nur mit blasser, aber gefasster Mine um. Sie wusste wohl genauso wie Simon, was das hier zu bedeuten hatte. „Den Feinden des Kaisers wird nur selten Gnade gewährt. Flüchtige Sklaven, Clans, die keine Abgaben zahlen, Aufständische wie Ihr, bewaffnete Rebellen, Banditen… Verräter“ , antwortete er. „Auch wenn ich bezweifle, dass alle Toten hier aus einer einzigen… Säuberungsaktion stammen. Tiberius
geht brutal vor um seine Macht zu sichern, aber er ist nicht darauf aus, eine ganze Siedlung auszulöschen. Die bezahlen dann keine Steuern mehr.“ „Ihr widert mich an, Mensch. Ihr und Euer Kaiser… Ihr schlachtet Euer eigenes Volk ab!“ „Jetzt sagt mir nicht, die Gejarn wären besser…“ Simon wusste nicht wieso, aber seine Worte schienen einen wunden Punkt bei Ordt getroffen zu haben. Der Wolf knurrte plötzlich und er rechnete halb damit, dass er sich jeden Moment auf ihn stürzen würde. Es hatte eine unbedeutende Erwiderung sein sollen. Nichtssagend… „Ordt.“ Kiris Stimme war deutlich,
aber sie wagte es offenbar auch nicht, zwischen ihn und den Gejarn zu geraten.
„Seht nach Westen.“
Ordt drehte den Kopf in ihre Richtung und zumindest ein Teil der blendenden Wut schien aus seinen Zügen zu weichen. Langsam, fast widerwillig sah er dann zum Horizont, wo Kiris auf etwas deutete. Einige weitere dunkle Schatten. Doch dieses Mal waren es keine Krähen…. Der Rauch von zahlreichen Feuern. Anego konnte nicht mehr fern sein.
EagleWriter Noch lange nicht ^^ So viel sei verraten. lg E:W |
Terazuma Hallo Eagle! Na unser Simon beginnt ja langsam nachzudenken! Dennoch wird es noch ein steiniger Weg werden. Und ja, er hat sich wohl eine Gehirnerschütterung eingefangen, nach Ordts Schlag. ^^ So eine Übelkeit kann einen schon zermürben. Hehehe... ich merke, ich bin immer noch schadenfroh! ^^ LG Tera |
EagleWriter Merkt man, ja ^^. Und nach wie vor, den Tiefpunkt hat er ,,Arme" noch nicht wirklich erreicht. lg E:W |