Der Zahn
Ein jeder hat schon einmal von der Insel Sri Lanka gehört, ein Name, der erst seit 1972 geläufig ist, denn früher hieß die dem indischen Subkontinent vorgelagerte Insel Ceylon und war seit 1803 britische Kronkolonie.
Außer als Touristenmagnet, war Ceylon vor allem als Lieferant für Tee und Gewürze bekannt.
Wir müssen unseren Zeitpfeil noch etwas zurückverfolgen und landen schließlich im Jahr 1518.
Da hatte sich die damalig äußerst starke Seemacht Portugal um diese Insel „gekümmert“. Die gesamte Küstenregion hatte
sich Portugal unter den Nagel gerissen.
Es ging natürlich um Gewürze und eines dieser wahnsinnig begehrlichen Rohstoffe war Zimt.
Die Gewinne, die man durch den Handel damit machen konnte, waren damals astronomisch.
Lange Zeit konnten die indischen und arabischen Händler geheim halten, wie Zimt überhaupt gewonnen werden konnte, woher er kam.
Nachdem Vasco da Gama den Seeweg 1498 nach Indien entdeckt hatte, wussten die Portugiesen im Jahr 1518 endlich Bescheid. Ceilão Português war die Insel, wo der Zimt zu finden war, also Ceylon..
Zimt wird nämlich von einem Baum gewonnen, dem echten Ceylon-Zimtbaum
(Cinnamomum veru).
Entnommen wird das Zimet von der dünnen Innenschicht zwischen Borke und Mittelrinde. Per Hand wird dies herausgeschält. Fünf bis sechs dieser Innenrinderollen (Kaneel) werden ineinander geschoben und getrocknet. Die Bäume wachsen heute in Plantagen. Nach drei Jahren sind sie erntereif. Der Stamm wird ungefähr in 10 Zentimeter Höhe abgehackt und vor der Weiterverarbeitung, dem Schälen, entästelt. Der Stumpf wächst dann wieder drei Jahre lang nach bis zur nächsten Ernte.
Die Portugiesen hatten also 1518 die Küstengebiete unter ihrer Fuchtel. Sie hielten
nun theoretisch den gesamten Zimthandel über den Seeweg in Händen. Die lukrative Ausbeutung hätte hemmungslos beginnen können.
Vorsorglich erhob Portugal schon mal sofort Steuer auf Zimt, nämlich saftige11000 Real pro Kilo, welches heute 3,28 € entspräche, aber damals war das anders. Damals konnte man ein Haus samt Grundstück davon kaufen. Man bedenke, allein durch die Steuer wäre das möglich gewesen, vom Gewinn ganz zu schweigen.
Schon damals waren Steuern also sehr beliebt.
Leider aber wächst der Zimtbaum nur im Hochland von Ceylon. Zu dieser Zeit gab es noch keine Plantagen. Der natürlich
wachsende Zimbaum wurde wild im Hochland-Urwald geerntet. Und ausgerechnet dort regierte ein singalesischer König, der die Eroberer nicht so sympatisch fand..
Der Kerl saß in seiner Hauptstadt Kandy und war recht wenig kooperativ. Er wollte sich nicht einfach von den Portugiesen über den Tisch ziehen lassen und sagte frech: Nein!
Nein, zur Ausbeutung, nein zur Ernte in seinem Dschungelgebiet..
Als noch schwieriger erwies sich, dass nur eine bestimmte Kaste den Zimt ernten durfte, nämlich die Angehörigen der Salagama Kaste (das war bis vor kurzem bis heute so).
Rein militärisch war das unzugängliche Hochland nicht zu erobern, ganz abgesehen
davon, dass die meisten den Zimtbaum im Urwald gar nicht erkannt hätten. Zudem waren die Salagama-Ernter ihrem König treu. Was also tun?
Die Spitzel der Portugiesen wussten Erstaunliches zu berichten. Die Macht des Königs hing von einem Zahn ab. Ein besonderer Zahn. Ein Zahn, der überhaupt den Machtanspruch des Königs begründet und der den unbedingt nötigen Regen herbeizaubern soll. Ohne Zahn kein Machtanspruch!
Es regnet dort natürlich auch ohne Zahn, aber das wissen wir erst heute.
Die Idee war folgende.
Der Zahn soll gestohlen und zum Beweis ausgestellt werden.
Da würde der König durch die Wäsche schauen. Sein göttlicher Autrag wäre erledigt. Es müsste dann zu Aufständen kommen, die man selbst anschürt, und schwuppdiwupp hat man die Salagama auf die eigene Seite gezogen und damit auch das Zimtgeschäft unter Kontrolle.
Aber nun zuerst zu diesem Zahn.
Es handelt sich, wie sollte es anders sein, um einen besonderen Zahn, nämlich Buddhas Zahn.
Der Legende nach erhielt Khema, eine seiner Anhängerinnen, den Zahn nach Buddhas Einäscherung (ca. 398 v.Chr.). Diese gab ihn
wiederum an Brahmadatte, dem König von Dantapuri, weiter.
Weil dieser Zahn die magische Kraft haben soll vor Dürre zu bewahren, rissen sich die indischen Herrscher förmlich darum. So „wanderte“ der Zahn durch mehrere indische Fürstenhäuser, bis er schließlich in Sri Lanka landete.
Dort wurde er in der jeweiligen Hauptstadt aufbewahrt. Damals war es in Ceylon die Hauptstadt Kandy, heute, in moderner Zeit auf Sri Lanka, ist die Hauptstadt allerdings Colombo.
Aber noch heute findet eine große Prozession in der ehemaligen Hauptresidenz Kandy statt. Der Zahn wird auf einem Elefanten in einer reich verzierten Truhe durch die Stadt defiliert.
Bei der gesamten Esala Perahera im August jeden Jahres werden bis zu über 100 bunt geschmückte Elefanten eingesetzt. Die Festivitäten beginnen genau zehn Tage vor dem Vollmond im August.
Los geht’sm vom Heiligtum, dem Zahntempel (erbaut zw. 1687-1782), nach dem Mausoleum. Dort ruht der Zahn in einer besonderen Kammer unter sieben goldenen Dagobas. Das schneeweiße Zugangstor wird schon als erstes Dagoba (Dalada Maligowa) bezeichnet.Das gesamte, weiße Bauwerk soll jedenfalls nach der Lehre Dharma ausstrahlen.
Im Jahr 1518 gab es natürlich diesen heiligen Aufbewahrungsort noch nicht. Der Zahn ruhte
nämlich damals im Palast des Königs.
Die Portugiesen verfolgten also ihre Idee.
Wer den Zahn hat, der kann bestimmen, vor allem hinsichtlich des Zimtabbaues. Der Zahn musste also her.
Gesagt, getan.
Wir wissen leider nicht, wie der Raub vonstatten ging. Es ist anzunehmen, dass ein Einheimischer eingeschleust, oder bestochen wurde. Man glaubt es kaum, aber der Raub gelang!
Die reich verzierte Truhe, in der dieser Zahn ruhte, wurde ja auch nicht täglich von den Beschützern inspiziert. Der Raub sollte demnach ers etwas später ruchbar werden.
Trotzdem wurde der Raub kurze Zeit später bemerkt.
Plötzlich war die Truhe leer und der Zahn war weg, so frohlockten die Portugiesen.
Nun hatten die Portugiesen, was sie wollten. Mit großem Brimborium verkündeten sie, dass der König seinen Machtanspruch verloren hätte und präsentierten den Zahn als Beweis.
Endlich konnte man über die Zimt Ernte für lau herrschen, natürlich mit astronomischen Gewinn. Es würde Geld regnen.
Dummerweise reagierte niemand so recht auf diesen Zahnverlust. Es gab keine Aufstände, keiner der Salagama-Kaste fiel vom König ab, so wie es geplant war.
Jetzt aber mal richtig in die Bresche schlagen! Wir wollen unbedingt den Zimthandel einverleiben, so damals die Portugiesen.
Daher drohten die Portugiesen nun den heiligen Zahn endgültig zu zerstören, wenn der Zimt nicht für sie geerntet ausgeliefert und produziert würde.
Nichts geschah.
Daraufhin machten die Portugiesen ernst und "entführten" die Reliquie nach Goa.
Es änderte sich immer noch nichts!
Schließlich zerstörten die Portugiesen den Zahn und verkündeten dies lautstark. (im Übrigen Terror hat noch nie etwas posives hervorgebracht)
So! Das hatten die Widerspenstigen nun davon!
Die nächste Esala Perahera in Kandy hätte sozusagen ins Wasser fallen müssen. Es
fehlte ja der Zahn, der die Macht des Königs wiederspiegelte. Mann! Was würde das für einen Aufstand geben!
Indes, die Prozession fand statt, als ob nichts gewesen wäre.
Schnell klärte sich das Rätsel auf.
Der König hatte es wohl geahnt, dass der Zahn gestohlen werden sollte. Und so war dem Dieb eine Fälschung untergeschoben worden.
Die Portugiesen hatten das Nachsehen. Sie mussten den Zimt den Ceylonesen ehrlich abkaufen.
Dumm gelaufen!
Später versuchten auch die Briten
(1798-1948) in der Kolonialzeit die Sache mit dem Zahn aus der Welt zu schaffen. Schließlich war man doch professionell darin geübt fremde Länder auszubeuten.
Mehrmals versuchten sie sogar die Esala Perahera zu verbieten. Das allerdings führte zu Aufständen und so ließ man aus wirtschaftlichen Grünenden doch lieber davon ab.
Noch heute gilt der Zimt aus Sri Lanka als der beste der Welt, obwohl es inzwischen auch Anbaugebiete in China, Sumatra und Vietnam gibt.
Ich glaube, es liegt am Zahn.
Immerhin gibt es einen besonderen, speziellen, bestellten "Zahndoktor" von hohem
Ansehen, der diesen heiligen Zahn einmal die Woche reinigt.
Und auch die Prozession darf man immer noch im August jeden Jahres bewundern.
Touristen sind ganz baff, wenn die vielen geschmückten Elefanten vorbeiziehen.
Dieser echte Zimt aus Sri Lanka ist mit nichts zu vergleichen!
Heute ist er fast genauso wertvoll, wie damals.
Er zeigt aber auch, wie wertvoll echte Naturressourcen sein können.