Kurzgeschichte
Die Truhe

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"Storybattle: Deine Bestimmung"
Veröffentlicht am 19. April 2015, 58 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Der deutsche Kurzgeschichtenautor Jonas Kissel wurde 1995 in Worms geboren und lebt nun im Ruhrpott, wo er Englisch und Mathematik studiert. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr werden Geschichten von ihm regelmäßig in Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht.
Storybattle: Deine Bestimmung

Die Truhe

Auf einem Flohmarkt erwartet man nicht unbedingt, etwas Wertvolles zu finden - etwas Außergewöhnliches vielleicht; dass ich die Truhe für außergewöhnlich hielt, gebe ich sofort zu. Wer hätte aber ahnen können, dass die verzierten Platten auf dem Deckel und den Seiten aus echtem Gold waren und nicht nur irgendeinem gefärbten Blech? Der alte Mann an dem Stand ließ mich ja sogar meinen eigenen Preis vorschlagen und feilschte daraufhin wahrscheinlich nur, weil es von ihm erwartet wurde. Ich schlug fünfundzwanzig Euro vor, er vierzig und am Ende trafen wir uns bei dreißig, das sagt doch schon alles.

  So kam ich also in den Besitz einer

meiner Meinung nach nur mittelalterlich gestalteten Truhe für die Bausteine meines Sohnes. Er liebt dieses Mittelalterzeug gerade, also passte das ganz gut. Außerdem war es der perfekte Tag, um Geschenke und Aufmerksamkeiten für die Lieben zu kaufen: Endlich hatte ich es geschafft - es über mich gebracht, mich getraut -, den verhassten Job zu kündigen, bei dem ich stundenlang stumpfsinnig zwischen gekühlten Laderäumen von Lastwagen und dem Kühlraum der Firma hin- und herpendelte und mir dabei regelmäßig Erkältungen holte. Ich war euphorisch und wollte das mit meiner Familie teilen.

 Eventuell zielte ich auch schon darauf ab, Sympathiepunkte auf Vorrat zu sammeln, weil ich zum Sommersemester - aus der damaligen Sicht in nicht ganz zwei Wochen - ein verspätetes Studium aufnehmen und damit weniger Zeit für Susi und Jan haben würde. Gebraucht habe ich diese Sympathiepunkte auf jeden Fall: Um möglichst schnell durch mein Studium zu kommen, saß ich nur noch in der Universität oder dem Arbeitszimmer, das ich mir auf dem kaum genutzten Dachboden improvisiert hatte, und lernte und arbeitete und lernte und recherchierte und lernte noch mehr.

  Susi machte jede Woche an mindestens

einem Tag Überstunden, natürlich immer mit dem Namen einer kranken Kollegin, für die sie einsprang, als Begründung, obwohl wir beide wussten, dass es nur um das Fehlen eines Einkommens von meiner Seite ging. Mehr noch: Ich brachte nicht nur kein Geld rein, sondern gab auch jede Menge aus. Studieren ist teuer.

  Jan bekam mich - und bekam ich - nur noch zu Gesicht, wenn er die Leiter zum Dachboden erklomm, um mir eine seiner selbst gezeichneten Schatzkarten oder Skizzen von Burgen zu zeigen. Würde mein Vater noch leben, wären die beiden sofort auf einer Wellenlänge. Der alte Herr hat nämlich in seiner Rente noch

ein Geschichtsstudium aufgenommen und sich auf das europäische Mittelalter spezialisiert. Nicht, dass er jemals nennenswerte akademische Leistungen erbracht hätte. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er damit, von Antiquitätenhändler zu Antiquitätenhändler zu fahren und Dinge zu kaufen, die ich zu dieser Zeit noch für Plunder hielt.

  Ob er vielleicht die Truhe suchte, die ich pünktlich zum Frühlingsanfang auf einem ganz gewöhnlichen Flohmarkt gefunden habe? Heute wünsche ich mir sehr, er hätte mir mehr über seinen Plunder, über das, was er wirklich machte, verraten. Oder wenigstens

meiner Mutter. Selbst sie hatte keine Ahnung, was ihr Mann trieb - außer dass er Geld ausgab, natürlich, dass er das Haus mit Gegenständen und Büchern vollstopfte, die er selbst stundenlang eingehend betrachten konnte, die sonst aber höchstens als Dekoration durchgingen.

  Als er starb, trat sie das Haus an Susi und mich ab und zog selbst in unsere alte Wohnung.

  „Ein junges Ehepaar braucht ein Haus dringender als eine alte Frau“, sagte sie - und jetzt kommt einer dieser Zufälle, die im Nachhinein gar keine sein sollten: Mein Vater starb mit vierundsiebzig Jahren, drei Wochen nach

meinem siebenunddreißigsten Geburtstag und zwei bevor wir erfuhren, dass wir in etwas weniger als neun Monaten Eltern werden würden. Sowohl mein Vater als auch ich haben also mit siebenunddreißig überraschend ihr einziges Kind bekommen und beide Kinder sind Söhne. Wenn mein Vater das nur gewusst hätte, bevor er starb…

  So, wie es war, packten wir seinen Plunder jedoch in etliche Kisten und stellten mit ihnen den Keller des Hauses voll. Der Fairness halber soll aber auch gesagt sein, dass manche der alten Sachen ziemlich schön waren. Von einem riesigen Rahmen geschützt hing zum Beispiel ein kunstvoll gestalteter

Stammbaum auf leider schon stark vergilbtem und teilweise beschädigtem Papier an der Wand des Wohnzimmers. Den wollte ich unbedingt irgendwann eingehender betrachten, bei der ersten Verräumungsaktion landete er jedoch mit allem anderen im Keller. Mein Vater war ja gerade erst gestorben und - das muss ich zugeben - ich fühlte mich einfach noch nicht in der Lage, mich intensiv mit seinen Hinterlassenschaften zu beschäftigen.

  Weil der Keller also überfüllt war - und ich doch nie die Lust gefunden hatte, dort aufzuräumen -, musste ich fünf Jahre später noch mit meinem Arbeitszimmer auf den Dachboden

ausweichen. Nur hat das Sommersemester den folgenden Haken: Es wird Sommer während des Semesters und wer jemals in einem altmodischen Haus das Zimmer direkt unter dem Dach bewohnt hat, weiß, wie höllisch warm es da oben werden kann.

  Ende Mai spielte ich bereits mit dem Gedanken, doch in den Keller umzusiedeln, im Laufe des Juni wurde dieser Gedanke zu einem Plan und am ersten oder zweiten Juli fragte ich Jan, als er mir sein neustes Kunstwerk überreichen wollte: „Weißt du eigentlich, was wir Cooles im Keller haben?“

  „Staubige Kisten, die feste zugeklebt

sind?“

  Darüber musste ich schmunzeln. „Wart ab, bis du siehst, was in den Kisten drin ist!“

  „Gucken wir uns das jetzt an?“, fragte er mit großen Augen.

  „Kann ich mich auf dich als starken Umzugshelfer verlassen? Ich will nämlich nicht nur im Keller aufräumen, sondern auch mein Büro da unten reinmachen. Hilfst du mir dabei?“

  Jan nickte begeistert. Seine Zeichnung war jetzt völlig vergessen und landete ungesehen auf meinem Schreibtisch. Nachdem die ersten beiden Kisten aber nur Bücher beinhaltet hatten, war seine Lust etwas gedämpft. Dann entdeckten

wir den Stammbaum.

  „Cool“, flüsterte Jan ehrfürchtig und ließ den Blick von Zeichnung zu Zeichnung springen, „Was sind das für Namen auf dem Bild?“

  „So ein Bild nennt man einen Stammbaum. Das ist so etwas wie eine Liste mit allen Familienmitgliedern einer Familie, deswegen sind die Namen sogar wichtiger als die kleinen Bilder neben ihnen oder der Baum selbst.“

  „Ist das unsere Familie?“

  Ich konnte es mir nicht vorstellen. Gewöhnliche Leute wären im Mittelalter niemals in der Lage gewesen, einen so schönen Stammbaum zu bezahlen - wenn sie überhaupt in der Lage gewesen

wären, irgendjemanden dazu zu bringen, ihre Ahnenfolge zu erforschen. Das war bei diesem Kunstwerk auf jeden Fall geschehen. Es umfasste neun Generationen, zeigte etliche Gabelungen der Äste im Hintergrund, auch wenn diese in der fünften Generation am breitesten gefächert waren. Ab da schienen nicht mehr alle Abkömmlinge der Familie Kinder bekommen zu haben - zumindest keine verzeichneten -, sodass in der Baumkrone, der neunten Generation, nur noch drei Namen standen.    

  Nach einem Augenblick antwortete ich zögerlich: „Ich glaube nicht. Wir wüssten das wahrscheinlich, wenn wir

von einem dieser Leute abstammen würden.“

  „Wieso? Sind die so bekannt?“

  Waren sie das? Meine Kenntnis des Mittelalters beschränkte sich leider auf die üblichen Stereotype, deswegen sagten mir die Namen gar nichts. Die kleinen Bilder, die geschickt um den Stammbaum herum und zwischen seinen Ästen verteilt waren, zeigten jedoch immer wieder einen Mann mit Krone auf einem Pferd, bei der Jagd, an einem üppig gedeckten Tisch… Außerdem gab es ein Wappen in der rechten oberen Ecke. Um irgendeine Herrscherfamilie musste es sich wohl handeln.

  „Naja, die Bilder sehen schon so aus,

als wären das Fürsten gewesen, oder? Und wir wüssten es doch, wenn wir mit Fürsten verwandt wären, oder nicht?“

  Jan nickte. Nachdem ich von Fürsten gesprochen hatte, konnte er den Blick endgültig nicht mehr von dem Bild nehmen. Gerade als ich vorschlagen wollte, jetzt weiter aufzuräumen, hob er die Hand und zeigte auf eine der kleinen Zeichnungen. „Das ist auch auf meiner Truhe!“

  „Genau dasselbe?“  

  „Genau dasselbe“, bestätigte Jan.

  Zugegebenermaßen habe ich ihm nicht sofort geglaubt. Wer hätte das schon? Um in keine Ja-Nein-Doch-Diskussion mit ihm zu verfallen, erklärte ich ihm

allerdings nicht, dass das nicht stimmen konnte, sondern sagte: „Das will ich jetzt aber sehen.“

  Also gingen wir mit dem Bilderrahmen nach oben zur Truhe vom Flohmarkt. Eigentlich wollte ich Jan auf die Unterschiede zwischen den beiden Bildern, die er meinte, aufmerksam machen, damit er selbst sah, dass er Unrecht hatte, und mir glaubte. Das Problem war: Es gab keine Unterschiede. Die verzierte Platte auf der rechten Seite der Truhe meines Sohnes zeigte dasselbe Bild wie der Stammbaum. Mehr noch: Auf dem Deckel der Truhe prangte das Wappen der Familie.

 „Sag ich doch“, meinte Jan, als mir die Kinnlade herunterfiel, „Hat die Truhe jetzt mal den Fürsten gehört?“

  Ich nickte verblüfft.

  „Cool! Ich wette, die haben irgendwo einen Familienschatz vergraben.“

  Jan und seine Schätze. „Nicht jede Familie im Mittelalter hat einen Schatz vergraben“, erklärte ich. Genau genommen war ich mir nicht einmal sicher, ob im Mittelalter überhaupt sehr viele Schätze vergraben worden waren.

  Jan protestierte: „Aber sie haben doch eine Schatztruhe!“

  „Diese?“, fragte ich und zeigte auf die Truhe vom Flohmarkt.

  „Naja, nicht direkt… In der Truhe war

der Schatz nicht drinne. Die haben sie nur genommen für die Schatzkarten.“

  Darüber musste ich lächeln. „Du und deine Schatzkarten. Weißt du was? Ich häng den Stammbaum ins Wohnzimmer und du spielst noch ein bisschen mit deinen Bausteinen. Später oder morgen räumen wir dann weiter im Keller auf. Vielleicht finden wir ja noch was Cooles dabei.“

  Jan nuschelte irgendetwas, das ich nicht verstehen konnte, und kramte widerwillig ein paar Bausteine aus seiner Schatztruhe. Kurz schaute ich ihm noch zu, dann erklärte er mir, dass er meine Hilfe nicht bräuchte. Also manövrierte ich den großen Rahmen

wieder vom ersten ins Erdgeschoss, wo ich ihn auf den Wohnzimmerteppich legte.

  Auf dem Weg durchs Treppenhaus war sein Inhalt etwas verrutscht, sodass man hinter dem eigentlichen Stammbaum jetzt noch ein paar Blätter Karopapier hervorschauen sah. Mein Vater hatte bestimmt schon Nachforschungen zu dem Stammbaum angestellt. Das kam mir ganz gelegen. Ich hatte sowieso vorgehabt, ein paar der Namen im Internet zu suchen.

  Vorsichtig öffnete ich den Rahmen und nahm die handbeschriebenen Blätter heraus. Dass ich dabei so etwas wie Aufregung empfand, möchte ich gar nicht

verschweigen. Wahrscheinlich hatte ich es auf diesen Blättern nur mit trockener historischer Forschung zu tun… Aber aus irgendeinem Grund musste sich mein Vater doch gerade für diese Familie interessiert haben! Und immerhin hatte mein Sohn oben eine Truhe mit ihrem Wappen darauf in seinem Zimmer stehen. Natürlich war mir auch schon die Idee gekommen, dass es sich dabei um ein Replikat handeln konnte. An dem gewaltigen Zufall rüttelte das jedoch nicht.

  Ich hängte den Stammbaum schnell auf - etwas schief, darum würde ich mich später kümmern -, machte ein Foto davon, krallte mir die Blätter meines

Vaters und raste fast schon auf den Dachboden. Im Nachhinein ist meine Aufregung natürlich berechtigt, damals hatte sie durchaus etwas Lachhaftes. Wie ein Kind, das darauf brennt, sein neues Computerspiel auszuprobieren, warf ich mich auf meinen Schreibtischstuhl und begann die Blätter durchzulesen. Der alte Herr hatte alle Namen, bei denen sich der Ast nicht weiter gabelte, chronologisch nach Sterbedatum abgearbeitet. Vorwiegend konzentrierte er sich auf die Todesursachen: Krankheit, im Kampf gefallen, ermordet, beim Essen an etwas erstickt (Ja, das stand tatsächlich da), nochmal ermordet, wieder Krankheit,

Krankheit, sowieso Krankheit und ein dritter Mord. Auffällig: Keines der hier behandelten Familienmitglieder war sonderlich alt geworden. Außerdem hatte mein Vater die Frage notiert, ob es sich bei manchen der vielen Krankheiten nicht vielleicht um Vergiftungen handelte. Wie es schien, war jemand darauf aus gewesen, diese Familie auszulöschen.

  Richtig spannend wurde es allerdings erst bei den drei Brüdern, die es als Einzige in die Baumkrone geschafft hatten. Hier verwies mein alter Herr auf die Legende vom weisen Magier in mehreren seiner Bücher, bevor er von einem der drei Brüder ausgehend den

Stammbaum handschriftlich fortsetzte.

  Der Mann schien nur ein Kind zu haben, einen Sohn, der selbst wiederum auch nur einen Sohn hatte. Neben allen drei Namen waren Geburtsjahre vermerkt und zwischen Vater und Sohn fand sich jeweils eine geschweifte Klammer mit der Beschriftung 37 Jahre! 1341, 1378, 1415… Sowohl der Abkömmling der vom Aussterben bedrohten Familie als auch sein Sohn hatten mit siebenunddreißig für damalige Verhältnisse bestimmt überraschend ihr einziges Kind bekommen und beide Kinder waren Söhne.

  Danach entwickelte sich der

Stammbaum in relativ normalen Bahnen weiter. Bei Personen mit mehreren Kindern standen manchmal nicht bei allen Namen, sondern auch vereinzelte Fragezeichen, alles in allem hatte mein Vater den Stammbaum aber über die nächsten Seiten ununterbrochen rekonstruiert. Von keinem Fragezeichen ging ein neuer Ast aus, der alte Herr hatte sich nur auf die Blutlinien verlassen, deren Mitgliedern er ausnahmslos Namen geben konnte, bis…

  Leise stieß ich einen erstaunten Fluch aus. Auf dem Boden der letzten Seite stand mein Name und von da ab wuchs unser Stammbaum nach oben weg, bis ins späte achtzehnte Jahrhundert. Dort

befand sich zwischen meinem Ich-weiß-nicht-wie-viel-Ur-Großvater mit seinen Geschwistern und dem letzten bekannten Mitglied der Fürstenfamilie ein einziges Fragezeichen. Wäre diese Lücke gefüllt, hätte mein Vater eine direkte Verbindung von sich - und mir - zu der Herrscherfamilie hergestellt, deren Stammbaum er sich ins Wohnzimmer gehängt und deren Truhe ich auf dem Flohmarkt erstanden hatte…

  Verblüfft legte ich die Blätter auf meinen Schreibtisch. Die Legende vom weisen Magier… Ich musste herausfinden, was es damit auf sich hatte. Nach den Randnotizen sollte das sogar in den Büchern im Keller stehen.

Bei der riesigen Menge an Büchern, die der alte Herr besessen hatte, hätte es eigentlich Stunden dauern müssen, die richtigen zu finden, doch ich hatte Glück: Sie lagen alle in der ersten Kiste relativ dicht beieinander.      

  Die Legende vom weisen Magier: In unserer Heimatregion hatten sich zwei Herrscherfamilien bekämpft. Auch die Quellen meines Vaters gingen davon aus, dass die auffälligen Tode der Leute auf dem Stammbaum den Versuch der verfeindeten Dynastie, sich die lästigen Widersacher vom Hals zu schaffen, darstellte. Damit hatten sie erkennbaren Erfolg: Die letzte verzeichnete Generation umfasste nur noch drei

Brüder. Diese wurden ohne verdächtige Zwischenfälle erwachsen und älter und irgendwann so alt, dass sie fürchteten, ihre Familie würde auf ganz natürliche Art und Weise aussterben, nämlich weil einfach keine Nachfahren auf die Welt kamen. Also konsultierten sie einen weisen Mann, dem hellseherische Fähigkeiten nachgesagt wurden, um sich die Zukunft der Familie prophezeien zu lassen. Dass trotz mehrerer Ehefrauen bisher keiner von ihnen einen Nachfahren gezeugt hatte, überraschte diesen nicht. Die Familie musste untertauchen, um nicht unterzugehen. Deshalb würde sie bis auf einen einzigen Mann komplett verschwinden.

Dieser Mann würde der eine Sohn sein, der einem der drei Brüder mit siebenunddreißig Jahren noch geboren werden würde. Er selbst sollte ebenfalls erst mit siebenunddreißig einen Sohn bekommen, von dem aus die bis dahin vergessene Familie wieder zu ihrer alten Größe anwachsen würde. Nur so ließ es sich vermeiden, dass die rivalisierende Dynastie sie komplett ausrottete. Natürlich fragten die drei Brüder sich sofort, ob unterzutauchen nicht gleichbedeutend damit wäre, dem Feind die Herrschaft in der Region zu überlassen. Daraufhin soll der weise Mann nur wissend gelächelt haben. Den Feind würde die Welt irgendwann auf

ewig vergessen, in der eigenen Ahnenreihe sollten jedoch wieder zwei Männer auftauchen, die ihr einziges Kind - beide Male ein Sohn - jeweils mit siebenunddreißig bekamen. Gleichzeitig mit dem Sprießen der Blumen sollte einem dieser beiden ein Erbstück der untergetauchten Familie in die Hände fallen, das es ihm ermöglichte, aus der eisigen Kälte der Vergessenheit auszubrechen und ihren alten Ruhm wieder aufblühen zu lassen. Da sie nicht wussten, um welches Stück es sich dabei handeln könnte, entschieden die drei Brüder, selbst einen geheimen Schatz zu verstecken und in den Verzierungen einer Truhe den Weg zu diesem Schatz zu

verbergen.

  Konnte es denn möglich sein, dass in dieser Truhe jetzt die Bauklötze eines Fünfjährigen lagerten? Von dem Gedanken an all die Konsequenzen, die das mit sich brächte, wurde mir schwindelig. Dennoch passte zu vieles zu gut…

  Darüber hätte ich gerne mit Susi geredet, aber sie machte schon wieder Überstunden. Mit einem sehnsüchtigen Blick auf die Uhr schenkte ich mir einen Whiskey ein, dann wollte ich es mir auf dem Sofa gemütlich machen. Der Stammbaum an der Wand schien mich herauszufordern. Ich richtete ihn gerade aus und setzte mich zurück, doch das

half nicht. Das Gewicht der ganzen Namen von Menschen, die womöglich meine Vorfahren waren, lastete fast schon spürbar auf meinen Schultern. Ihre Stimmen flüsterten in mein Ohr, ich müsste etwas leisten, das mich eines Platzes in dem Stammbaum würdig sein ließ.

  Ich floh in mein Arbeitszimmer, wo ich auf dem Schreibtischstuhl nervös vor und zurück wippte. Plötzlich fiel mein Blick auf ein Blatt, dessen rechte obere Ecke unter den anderen hervorlugte. In diese Ecke war ein Wappen gezeichnet, unsicher und von Kinderhand, aber mit deutlicher Ähnlichkeit zu dem unserer Vorfahren.

  Ich zog Jans Schatzkarte unter dem restlichen Papier heraus und sah sie mir genauer an. Mir war noch nie aufgefallen, dass er Wappen auf seine Karten malte. Und mir war noch nie aufgefallen, wie gelungen diese Zeichnungen eigentlich waren.

  Er spielte gerade mit seinen Rennwagen, als ich mit der Karte in der Hand sein Zimmer betrat. „Wie kamst du vorhin eigentlich darauf, dass in der Truhe nur die Schatzkarte drin war und nicht der Schatz?“

  Jan blickte nicht einmal von seinen Autos auf. „Würdest du mir eh nicht glauben.“

  Ich musterte ihn, dann die Karte, dann

wieder ihn. Schließlich sagte ich: „Du hast sie gefunden, nicht wahr?“

  „Vielleicht.“

  „Jan, ich glaube, die Familie von dem Stammbaum, den wir gefunden haben, ist unsere.“

  Das ließ seinen Kopf nach oben schnellen. „Cool! Sind wir jetzt Fristen?“

  „Fürsten, Schatz“, lächelte ich, „Nein, ich glaube nicht, dass wir Fürsten sind. Eigentlich gibt es heute ja nicht mehr wirklich Fürsten. Aber ich glaube, dass die Familie einen echten Schatz versteckt hat, den wir finden können…“

  „Ein Schatz?“, fragte Jan mit großen Augen.

  „Ein echter Schatz“, nickte ich, „Und wie das bei Schatzsuchen so ist, brauchen wir die Schatzkarte.“

  „Die Schatzkarten!“, rief Jan begeistert und sprang auf, „Das war nämlich so: Die Truhe, die hatte noch eine Platte im Boden, du konntest den Boden rausnehmen und da war nochmal Boden drunter und ich dachte erst, das ist kaputt, aber da warn an der Seite so… Minidinger und wenn du die benutzt hast, dann ist die Seite auf und da waren hinter jeder eine Schatzkarte!“

  Ganz hatte ich Jans wasserfallartige Erklärung vom doppelten Boden und den Geheimfächern der Truhe nicht verstanden, doch bevor ich überhaupt

darüber nachdenken konnte, hatte er mir schon vier sichtlich uralte Papiere in die Hand gedrückt. Zwei davon zeigten die Grundrisse von Gebäuden, eines war wohl eine Kirche, das andere konnte durchaus eine Burg sein.

  Heute weiß ich natürlich genau, an welche Orte unser Abenteuer Jan und mich geführt hat, damals bauten wir unsere Suche auf pure Spekulation auf. Ich gab im Internet den Namen einer Burg ein, die bei uns in der Nähe als Touristenattraktion gilt, und siehe da: Ihr Grundriss deckte sich mit dem, den Jan in der Truhe gefunden hatte. Dasselbe tat ich mit der Kirche, die dieser Burg am nächsten lag, ohne

Erfolg. Es war die zweitnächste und dass wir ausgerechnet in dieser Kirche etwas suchen sollten, gefiel mir ganz und gar nicht. Vor ein paar Jahren war dort bei Renovierungsarbeiten nämlich ein Jahrhunderte altes Gebeinhaus entdeckt worden und in dem Text, der den Grundriss begleitete, stand etwas von toten Untertanen…

  Hier muss ich dazu sagen, dass über beiden Grundrissen Texte standen. Das alte Deutsch habe ich damals nur nicht komplett verstanden, deshalb versuchte ich mir anderweitig zu helfen. Mittlerweile sind alle Texte von Historikern übersetzt worden und erwartungsgemäß handelt es sich um

kleine Rätsel, deren Lösung auf die gemeinte Burg und Kirche hindeuten. Einfach machen wollten es die drei Brüder dem Finder ihrer Schatzkarten also auf keinen Fall.

  Vermutlich bauten sie darauf, dass dem Nachfahren aus der Prophezeiung des weisen Mannes ohnehin das Schicksal helfen würde. Und hat es das nicht? Bei vielen Kleinigkeiten merkt man im Nachhinein, dass wir es extrem leicht hatten. Dafür mussten wir allerdings auch zweimal das Gesetz übertreten.

  In die Burg gelangten wir gerade noch so, bevor sie für Besichtigungen geschlossen wurde. Die Dame an der

Kasse sah uns zwar schief an und legte uns nahe, an einem anderen Tag wiederzukommen, wenn wir mehr Zeit hatten, doch Jans leider ganz und gar nicht gespieltes Gequengel, dass er unbedingt jetzt die Burg sehen musste, ließ sie mein knappes Zeitmanagement verstehen.

  Neugierig war ich durchaus auch, das will ich dabei gar nicht bestreiten. Susi arbeitete sowieso länger, warum sollten Jan und ich also keinen Ausflug machen und uns die Stelle angucken, die auf dem Grundriss mit einem X markiert war?

  Als Jan vor dem Glaskasten mit dem Schlüssel stand, konnte er nicht anders:

Er musste einfach ausprobieren, ob der Kasten wirklich abgeschlossen war. Spätestens hier kam das Schicksal ins Spiel, denn er war es nicht. Während ich also durch den für Besucher sichtbar gemachten Zugang versuchte, so weit wie möglich in den engen Spalt zwischen der Wand, die man von innen für die Außenwand hielt, und der echten Außenwand zu gucken, klaute mein Sohn hinter meinem Rücken den Schlüssel, den die drei Brüder in diesem früher einmal geheimen Spalt versteckt hatten.

  Aufgrund seines außergewöhnlichen Aufbewahrungsorts und der Tatsache, dass - vor uns - niemand wusste, was dieser Schlüssel überhaupt öffnete, war

er schon damals das sagenumwobenste Ausstellungsstück. Das erklärt womöglich, warum der Wachmann so schrecklich überreagiert hat.

  Sobald Jan den Schlüssel in seiner Tasche hatte verschwinden lassen, zerrte er mich förmlich zurück zum Ausgang. Wir waren gerade da angekommen, als hinter uns eine Stimme brüllte: „Halt! Stehenbleiben!“

  Sofort riss Jan sich los, um den steilen Weg zum Parkplatz herunterzustürmen.

  „Halten Sie Ihren Sohn fest, verdammt!“ Der Mann, der aus der Burg auf mich zugetrampelt kam, war hochrot im Gesicht. Seine Hände hatte er beim

Rennen zu Fäusten geballt und das breite Kreuz, das jeden Bodybuilder das Fürchten gelehrt hätte, ließ ihn wie einen Bullen vorm roten Tuch aussehen.

  „Was ist denn…“, setzte ich irritiert an.

  „Ihr Sohn! Er hat den Schlüssel geklaut!“

  Jetzt dämmerte es mir. Ich drehte mich zurück zum Weg vor der Burg, konnte Jan aber nirgendwo mehr sehen.

  „Jan!“, schrie ich, während die Dame an der Kasse den Bullen fragte, ob sie die Polizei rufen sollte, „Komm sofort zurück! Wir müssen mit dir reden!“ Der Wachmann hatte die Polizei schon gerufen, das würde ja ein Riesenspaß

werden…

  Plötzlich wurde ich zur Seite geschuppst und der Mann flog förmlich an mir vorbei nach draußen. „Zu Ihrem Auto!“, brüllte er, „Er will bestimmt zu Ihrem Auto!“

  Ich rappelte mich auf und ging ebenfalls nach draußen. „Jan!“, rief ich nochmal, „Wenn du jetzt sofort herkommst, wird es keinen Ärger geben!“

  Keine Reaktion. Zuerst wollte ich auch losrennen, um möglichst gleichzeitig mit dem Wachmann am Parkplatz zu sein. Er war ja völlig außer sich und schien gar nicht auf die Idee zu kommen, dass die Burg jetzt, da ich

wusste, was Jan angestellt hatte, den Schlüssel sowieso mit tausend Entschuldigungen zurückbekommen würde. Es brauchte keine Verfolgungsjagd mit dramatischer Verhaftung.

  Dann überkam mich allerdings das Gefühl, dass Jan gar nicht zum Auto gerannt war. Mein Blick fiel auf die brusthohe Mauer, die den Weg zum Parkplatz vom Garten der Burg abtrennten. Mit plötzlicher Gewissheit schwang ich mich über diese Mauer in ein Blumenbeet.

  „Jan! Jan, komm sofort raus!“

  Da! Etwas rechts von mir raschelte etwas im Gestrüpp. Dort rannte ich hin.

Und stand in einer Art Höhle aus Büschen vor Blicken geschützt meinem Sohn gegenüber.

  Bevor ich irgendetwas sagen konnte, flüsterte er: „Wir brauchen den Schlüssel. Den haben die Fürsten doch für uns versteckt.“

  „Bist du wahnsinnig?“, schimpfte ich, „Gib ihn sofort zurück! Es ist verboten zu stehlen, das weißt du ganz genau!“

  Jan huschte von mir weg durch eine Wand aus Blättern.  

  „Jan!“ Wütend folgte ich ihm. Unter meinem kraftvollen Auftreten krachte der Boden. Anders kann ich das Geräusch gar nicht beschreiben. Im ersten Augenblick hielt ich es für

brechende Äste, doch noch eine Sekunde, bevor wir wirklich einsanken, realisierte ich, dass es gleich richtig übel werden würde. Dann gab der Boden mit einem gewaltigen Donnern nach und wir stürzten. Nicht tief, garantiert weniger als zwei Meter, aber der Einschlag in dem Fluchttunnel, der von der Burg wegführte, ließ mich erst einmal desorientiert aus dem Loch in der Decke gen Himmel starren.

  „Jan?“, fragte ich nach einem Augenblick besorgt, „Geht es dir gut?“ Ich stand auf und sah mich benebelt um.

  Nickend kam Jan auf mich zu. „Und dir?“

  „Wir müssen hier raus. Der Wachmann

hat die Polizei gerufen, die können uns bestimmt helfen.“

  Entsetzt riss Jan die Augen auf. „Polizei? Nein!“ Kopfschüttelnd drehte er sich um und rannte tiefer in den Tunnel. Bevor ich ihn festhalten konnte, hatte die Dunkelheit ihn verschluckt.

  „Jan!“, schrie ich mit dem entsetzlichen Bild der einstürzenden Decke, die meinen Sohn unter sich begrub, im Kopf. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so ängstlich und hilflos gefühlt. „Jan, komm bitte zurück…“, weinte ich, jetzt weniger laut, weil ich Angst hatte, das Schreien würde den Einsturz begünstigen. Einen Moment überlegte ich, alleine auf die

Polizei zu warten, die bestimmt herausfinden würde, wo der Tunnel endete und wo wir Jan demnach abfangen konnten. Doch das schaffte ich einfach nicht. Ich konnte Jan nicht alleine in diesem dunklen Loch lassen. Ich musste ihm folgen.

  Ein Albtraum in Schwarz; so könnte man die nächsten zehn, zwanzig, dreißig (???) - in der Finsternis verlor ich jedes Zeitgefühl - Minuten beschreiben. Von modrigem Geruch umgeben tastete ich mich an feuchten Wänden voll Käfern entlang durch die Dunkelheit, immer auf Geräusche von Jan horchend und doch nichts vernehmend außer meinen eigenen Schritten und panischem Atmen.

  Endlich fiel wieder Licht in den Tunnel. Von Jan noch immer keine Spur. Das Schicksal hatte wieder interveniert: Er hatte auch das Gitter, das den Tunneleingang verschlossen halten sollte, öffnen können. Der Pfarrer erklärte mir später einmal, dass Jugendliche gerne als Mutprobe in den Tunnel stiegen und eine Beschädigung am Schloss des Gitters deswegen gar nicht unwahrscheinlich war… Trotzdem: Irgendeine höhere Macht wollte, dass wir die Schatzkammer fanden.

  Ich verließ den Tunnel auf einem Friedhof. Ein Stück des Weges hatten wir also zwischen Leichen zurückgelegt… Mir lief es eiskalt den

Rücken herunter. Und natürlich lag der Friedhof hinter dieser Kirche. Bis ich drinnen war, hatte Jan schon die auf dem Grundriss mit einem X markierte Stelle gefunden.

  „Der Schlüssel passt nicht!“, schniefte er.

  Natürlich nicht: Er stand vor dem Gitter, hinter dem das Gebeinhaus lag, und dieses Gitter hatte zur Zeit der drei Brüder noch nicht existiert. Das Gebeinhaus war erst vor einigen Jahren wiederentdeckt und damit vor Freunden makabrer Scherze geschützt worden.

  „Jan, ich muss jetzt die Polizei rufen, damit sie uns und den Schlüssel zurück zur Burg bringt, das ist hoffentlich klar.

Das ist kein Spiel und jetzt ist es vorbei.“

  Daraufhin weinte er erbittert los. Mir tat es förmlich weh, ihn so da stehen zu sehen. Und dann schluchzte er, dass wir es doch fast geschafft hätten, wir müssten nur noch irgendwie da rein und wäre das nicht unsere Aufgabe?

  Ich dachte an die Legende… Sie ging auch davon aus, dass der Nachfahre den Schatz fand. Und ja, ich spürte ein gewisses Maß an Nervenkitzel, ich spürte einen Adrenalinschub. Zwei von vier Zetteln hatten wir schon abgearbeitet, ein weiterer zeigte eine Art Labyrinth, bei dem der Anfangs- und der Endpunkt markiert waren. Auf

dem letzten stand nur Text.

  Durch das Gitter erkannte man nichts als Ungleichmäßigkeiten im Schatten. Wie von alleine griffen meine Hände um die Gitterstäbe, testeten, wie stabil das Hindernis wirklich war. Mit einem Brecheisen vielleicht…

  Ich ließ den Blick schweifen und blieb damit an einem Kerzenständer hängen. Bevor sich meine Vernunft doch wieder zu Wort melden konnte, hatte ich die Kerze zusammen mit den Streichhölzern, die bei ihr gelegen hatten, Jan in die Hand gedrückt und den Ständer in den Spalt zwischen Gitter und Wand gesteckt. So ließ sich das Schloss einfach aushebeln.  

  Mit der angezündeten Kerze betraten wir das Gebeinhaus. Das Flackern des Lichts ließ die Schädel mit ihren leeren Blicken und verrückten Grinsen um uns herumtanzen. Das klingt wahrscheinlich wahnsinnig, aber so ist es: In meiner Erinnerung besteht alles ab dem Öffnen des Gitters aus einer verschwommenen Abfolge surrealer Bilder.

  Jan schien sich vor den Knochen kaum zu fürchten. Nachdem er den Raum erfolglos abgesucht hatte, stellte er nüchtern fest: „Das Labbürinth muss hinter den Totenköpfen sein.“

  Ich war noch viel zu benommen, um ihn daran zu hindern, einen der untersten Schädel einfach aus dem Stapel

zu ziehen. Gerade noch so konnte ich meinen Arm nach oben reißen, um mich vor der Lawine herabstürzender Knochen zu schützen. Wir gruben uns geradezu wieder nach oben durch, mussten die Kerze neu anzünden. Wie das ausgesehen haben muss: Vater und Sohn, die mit nichts als einer Kerze und ein paar uralten Blättern aus einem Meer aus Knochen auftauchen.

  Aber da war es: ein halbrundes Loch in der Wand, vor die man die Skelettteile gestapelt hatte. Jan betrat es als Erster, ohne Angst vor der Dunkelheit. Mithilfe der Karte aus der Truhe war es nicht schwer, uns unseren Weg durch das Labyrinth zu bahnen.

Mich besorgte nur - irgendwo am Rande meines Bewusstseins, wo ich noch klar denken konnte und mich nicht wie in Trance bewegte -, dass die Kerze immer stärker flackerte, je tiefer wir in die unterirdischen Gänge eindrangen. Womöglich würde sie erlöschen und uns der Sauerstoff ausgehen, während wir ohne die Karte noch verzweifelt versuchten, den Rückweg zu finden.

  Das geschah nicht. Am Ende des Weges gelangten wir jedoch zu zwei Durchgängen, die nicht auf der Karte verzeichnet waren. Über jedem hing ein herunterfahrbares Gitter und hätten wir die falsche Seite gewählt, hätte unser Schlüssel nur die Kette am Gitter von

dem Gegengewicht gelöst, das es oben hielt, sodass wir uns auf ewig in dieser Gruft eingesperrt hätten - oder zumindest lange genug, um zu ersticken.

In meinem tranceartigen Zustand dachte ich darüber gar nicht nach. Meine Füße trugen mich von alleine durch den linken Durchgang, wo das Gitter nur Attrappe war und das Schloss - wie man uns später zeigen würde, sahen die Schlösser auf beiden Seiten aus, als wären sie einfach sinnlos in die Wand eingelassen - eine Geheimtür öffnete. Zu dieser Seite hätte uns auch das Rätsel auf dem vierten Blatt geführt. Übersetzt lautet es etwa: „Stell dir vor, vor dieser Gabelung stünden zwei Männer. Der eine

sagt immer die Wahrheit, der andere spricht immer Lüge. Du weißt nicht, welcher wer ist, doch wenn du die richtige Frage stellst und rechts als Antwort erhältst, so weißt du, wie du gehen musst.“

  Was sich hinter der Geheimtür befand? Nun, wir sind jetzt eine reiche Familie, so viel verrate ich. Auch die Kirchgemeinde und die Burgverwaltung haben uns vergeben und keine Anzeige erstattet. Kirche und Burg werden mittlerweile nämlich von Besuchern überrannt, die eine Führung durch den Geheimgang machen wollen oder an den Porträts und Aufzeichnungen der Familiengeschichte, die wir unter

anderem in der Schatzkammer gefunden haben, interessiert sind.

  Wenn das mal nicht den Ruhm der Familie wiederherstellt!   

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Über den Autor

JKissel
Der deutsche Kurzgeschichtenautor Jonas Kissel wurde 1995 in Worms geboren und lebt nun im Ruhrpott, wo er Englisch und Mathematik studiert. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr werden Geschichten von ihm regelmäßig in Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht.

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welpenweste Dass die wirkliche Auflösung im Dunkel bleibte - Wer war die Familie? Worin bestand der Schatz? - enttäuschte mich etwas. Ebnenfalls ist der Einstieg in die Story etwas zu lang geraten,während gegen Ende die Aktionen ziemlich gerafft wirken.
Ansonsten flüssig zu lesen. Der Spannungsaufbau gefällt. Ich hätte eher eauf einen Fluch (37 Jahre) getippt, aber so ist es natürlich auch ein Happy end.
Lg
Günter - gerne gelesen
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JKissel Auch dir vielen Dank für deine Meinung =) Bei weiteren Ausarbeitungen wäre die Maximallänge in die Quere gekommen, aber ich nehme die wiederholte Kritik in diese Richtung natürlich auf ;-)
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AnniSorglos Ich glaube, ich muss meine Truhe noch einmal gründlich untersuchen... :)
Schöne Geschichte!
Lieben Gruß
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JKissel Hast du denn eine mittelalterlich gestaltete Truhe? :P
Vielen Dank für die netten Worte! =)
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AnniSorglos Ganz so alt ist sie wahrscheinlich nicht und in den Geheimfächern war leider keine Schatzkarte versteckt. :)
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JKissel Sehr schade :D Beim nächsten Mal vielleicht^^
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KaraList Alltagsgeschehen und Mystery verknüpft ... eine spannend geschriebene Geschichte. Sie gefällt mir. Ich fühlte mich auch etwas durch das Ende der Geschichte gepeitscht, doch das beinflusst nicht ihren Inhalt. Sehr gern gelesen!
LG
Kara
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JKissel Vielen Dank! =) Das "Peitschen" liegt natürlich nicht nur an der Längenbeschränkung, sondern wohl auch daran, dass ich einfach zu ausufernd plane und das sich dann mit der Beschränkung beißt, also insofern bekenne ich mich auch zu einer Teilschuld :P Aber es freut mich, dass das dein Vergnügen nicht so sehr eingeschränkt hat =)
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Andyhank Eine sehr schöne Geschichte! Interessant und packend zugleich. Allerdings - bei der Länge des Buches kommt mir das abrupte Ende etwas zu überhastet vor. Den Rest der Geschichte interessieren die Leser bestimmt auch! :)
Übrigens solltest du, wenn du einen Kommentar kommentierst, auf "Antworten" klicken und deinen Kommentar reinschreiben, damit die Leute in ihren News sehen, dass du kommentiert hast und sie nachschauen können, was da steht. ;)
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JKissel Treffend analysiert, Andyhank :D So viel Rest gibt es allerdings gar nicht, auch wenn ich gekürzt hab, von Anfang bis Ende überall, weil es ja die Längenbeschränkung gibt ;-) Irgendwer wird mir zwar trotzdem wieder vorwerfen, sie überschritten zu haben, aber mind. für mein Gewissen habe ich es eben nicht getan :D Alles wie immer eben^^ Aber danke für die netten Worte und den Tipp =) Coins schenken funktioniert grad nicht O:-)
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