Stefan- good bye
Hallo, ihr da draußen! Da bin ich wieder, die Freundin von Stefan.
Wer?
Na, die Freundin von Stefan. Ihr wisst schon.
Keine Ahnung.
Die aus „Gedanken zur Geisterstunde“
Nicht gelesen.
Tja, dafür kann ich nun auch nichts.
Auf jeden Fall bin ich nicht mehr mit Stefan zusammen. Wir sind einfach zu verschieden, wie man so schön sagt. Ihr kennt doch sicher das Lied von Andreas Bourani „Mein Herz schlägt schneller als deins“, Damit wäre alles gesagt.
Wie soll ich es ausdrücken. Stefan war ein super Typ, aber doch irgendwie ein bisschen langweilig. Am Anfang unserer Beziehung war das mal anders. Er wollte immer raus, irgendwas unternehmen. Nein, ich bin kein Couch-Potado hatte er immer wieder betont. Doch dieser Zustand der Veränderung zog sich schleichend hin, bis irgendwann alles so eingespielt war, als sei es nie anders gewesen. Meine Eltern mochten Stefan. Irgendwie stellte er den perfekten Schwiegersohn dar. Immer äußerst höflich. Sogar vor Komplimenten, was die Kochkunst meiner Mutter anbetraf, schreckte er keineswegs zurück. Ich muss
dazu sagen, dass meine Mutter liebend gern herum experimentierte, was Gewürze und Kräuter anbetraf. Nicht immer passten die Dinge zusammen. Mein Vater sagte nie etwas dazu, seine Zunge war mittlerweile so allerlei gewohnt. Na und Stefan, der fand das Essen jedes Mal köstlich.
Jetzt kam er nicht mehr und meine Eltern waren ziemlich mitgenommen, als ich unser Aus bekanntgab.
Ein Platz blieb immer leer, wenn ich vorbeikam und das war der von Stefan. Manchmal war die Stimmung fast so, als sei jemand gestorben. Aber das würde sich bald ändern, so Gott will.
Denn ihr werdet es nicht glauben, was
mir neulich passiert ist. Meine Freundin Marlene und ich wollten uns einen schönen Weiberabend in einem griechischen Restaurant machen. Dort war Live-Musik angesagt. Super, dachte ich, nach Griechenland wollte ich sowieso irgendwann mal. Das sollte sozusagen die Einstimmung dazu sein.
Das Lokal war an diesem Abend gut besucht. Zum Empfang gab es gleich einen Begrüßungsschnaps. Dann wurden wir an unseren Tisch geführt, der als einziger noch auf seine Gäste wartete. Rechts und links von uns, saßen jeweils zwei ziemlich verliebte Pärchen, welche nur Augen für sich zu haben schienen.
Als Stefan und ich uns kennengelernt
hatten, verschlug es uns manchmal auch hierher. Genauso mussten wir gewirkt haben, denn damals waren diese Schmetterlinge im Bauch noch vorhanden. Jetzt waren sie verschwunden, hatten sich einen anderen Besitzer gesucht.
„Jetzt ein Sirtaki!“, rief plötzlich jemand, aus der Menge heraus, was mich aufzucken ließ. Irgendwo waren ein paar junge Männer aufgesprungen, welche sich in einer Reihe aufgestellt hatten, um auf ihren Einsatz zu warten.
Marlene, welche mittlerweile schon eine halbe Flasche Wein und drei Schnäpse intus hatte, hielt nichts mehr auf ihrem Stuhl. Ja, sie war schon immer eine
kleine Tanzmaus, deren Beine einfach nicht stillstehen konnten. Ich dagegen, war gerade nicht in Stimmung, denn irgendwie bereute ich jene Trennung mit Stefan plötzlich. Aber Marlene, wäre nicht Marlene, wenn sie aufgegeben hätte, mich mitreißen zu wollen. Sie zog an meinem Arm herum, bis ich schließlich aufgab. Sie schob mich irgendwo zwischen zwei der Tänzer und suchte sich dann selbst ihren Platz. Es war nicht einfach den richtigen Takt zu finden. Mein Nachbar, zu meiner rechten, gab sich große Mühe, mich in jene Tanzart einzuweihen, denn Sirtaki war nicht gleich Sirtaki.
Wir lachten, da ich alles irgendwie
wieder durcheinander brachte. Erst jetzt trafen sich unsere Blicke. Die Luft blieb mir weg. Welche Augen und welch ein Lächeln. Wieso musste ich jetzt plötzlich an meine Mutter denken? Womöglich, weil dieser Mann dieses „Schwiegermutternettigkeitssyndrom“ besaß? Würde er auch das Essen meiner Mutter loben, auch wenn es nicht unbedingt genießbar wäre? Womöglich war er so einer.
Wie absurd, dachte ich. Ich wollte doch diesen Mann kennenlernen. Wieso machte ich mir gerade jetzt Gedanken über meine Mutter? Vorerst zumindest, wollte ich ihnen meinen Freund, wenn ich mal einen kennenlernen würde, fürs
erste vorenthalten. Ich zweifelte an mir selbst. Nein, ich bräuchte meine Zeit, um über die Trennung mit Stefan hinwegzukommen.
Irgendwann war das Lied zu Ende. Marlene und ich gingen zu unserem Tisch zurück. Noch ein Schnaps und noch einer, dann war Marlene schlecht. Sie hielt sich ihren schmerzenden Kopf. Meinen Vorschlag, doch den Nachhauseweg anzutreten, nahm sie gern entgegen.
Als wir die Ausgangstür schon fast erreicht hatten, sprach mich der Sirtakitänzer an. Er reichte mir einen kleinen Zettel mit seiner Telefonnummer drauf. „Vielleicht sehen wir uns ja mal
wieder“, meinte er mit diesem unwiderstehlichen Schwiegermutterlächeln, was mich für eine kurzen Moment gefangen nahm. Marlene zupfte an mir herum. Sie musste unbedingt an die frische Luft.
So war das Minidate abrupt zu Ende.
Am nächsten Tag ging ich wie gewohnt zur Arbeit. Es fiel mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Noch am Abend wollte ich diesen geheimnisvollen Mann anrufen, um mehr über ihn zu erfahren. Diese Telefonnummer, wo hatte ich sie nochmal hingelegt? Na irgendwo würde ich sie schon wiederfinden. Schließlich war mein Chaos ziemlich geordnet.
Endlich hatte ich Feierabend. Meine Mutter hatte mich gebeten ihr noch ein paar frische Kräuter vorbeizubringen. „Alles, was das Regal hergibt“, hatte sie gemeint. Ich tat ihr den Gefallen. Es war nicht mehr viel da, denn immerhin war es schon später Nachmittag.
Mein Vater verzog ein wenig das Gesicht, als sie die fünf Töpfe auf dem Küchentisch platzierte.
„Morgen Abend wird es ein Festessen geben!“, frohlockte meine Mutter.
„Gibt es denn was zu feiern?“, fragte ich verblüfft. Hatte ich etwa den Hochzeitstag meiner Eltern vergessen?
Schnell wurde ich aufgeklärt. „Ich habe
heute Vormittag Marlene getroffen. Sie hat gemeint, du hättest einen netten, jungen Mann kennengelernt. Willst du ihn nicht morgen Abend mal zum Essen mitbringen?“
Mir wurde plötzlich flau im Magen. Das ging gar nicht!
„Du weißt doch das dein Vater sehr an Stefan hing. Sie haben doch immer zusammen Schach gespielt. Seine Laune würde sich bestimmt bessern, käme wieder ein junger Mann ins Haus. Weißt du, ob dein Freund Schach spielen kann? Wenn nicht, das wäre auch nicht so schlimm. Dein Vater ist ein guter Lehrer.“
Ich schluckte. Was sollte ich jetzt sagen?
Das ich den Mann aus dem griechischen Restaurant doch eigentlich gar nicht näher kannte, schien jetzt zweitrangig zu sein. Marlene hatte sich da wohl etwas zusammengereimt. Und ich musste die Sache jetzt ausbaden.
„Morgen kann er nicht, da muss er lange arbeiten“, versuchte ich die Sache aus der Welt zu schaffen. Mir fiele es doch niemals im Traum ein, den Unbekannten gleich bei unserem ersten Date zu meinen Eltern mitzuschleppen.
„Schade“, meinte meine Mutter enttäuscht und platzierte die Kräutertöpfchen ein wenig beleidigt auf dem Küchenregal.
„Vielleicht können wir ja einen anderen
Termin vereinbaren. Ich komme aber gern zum Essen“, versuchte ich die Sache schön zu reden.Meine Mutter ließ sich darauf ein.
Nach einer Stunde ging ich dann nach Hause. Den ganzen Abend und die halbe Nacht suchte ich diesen gottverdammten Zettel mit jener gewissen Telefonnummer. Fehlanzeige! Mir war fast wie heulen zumute. Auf keinen Fall konnte sie doch im Müll gelandet sein. Wie sollte ich nur meinen Eltern erklären, dass mein angeblicher Freund nicht mehr vorhanden war?
Gleich am nächsten Tag wollte ich ihnen reinen Wein einschenken. Irgendwann würde ich schon jemanden kennenlernen
und dann würde ich ihn ganz bestimmt mitbringen.
Ich brachte es allerdings nicht fertig, ihnen die ganze Wahrheit aufzutischen.
„Heute scheint sowieso alles schiefzugehen“, meinte meine Mutter. „Seit heute früh versucht dein Vater den Abfluss freizubekommen. Alles war bisher vergebens.“
Plötzlich klingelte es an der Tür.
„Das muss der Monteur sein. Macht denn mal jemand auf?“, sprach mein Vater ziemlich genervt, da sich immer noch am Abfluss zu schaffen machte.
Da meine Mutter mit Tischdecken beschäftigt war, blieb mir wohl keine andere Wahl, als selbst zur Tür zu
gehen.
„Was du!“, meinte ich ziemlich verblüfft. Denn vor mir stand wahrhaftig der Sirtakitänzer.
„Ich soll hier einen Abfluss reparieren“, meinte der Blaumann ziemlich überrascht.
Meine Mutter, welche ihre Ohren überall zu haben schien, stand plötzlich neben mir.
„Sie sind also Sophies neuer Freund? Habe ja wirklich nicht geglaubt, dass sie um diese Zeit noch arbeiten müssen, sowie sie es behauptete.“
Mir war die ganze Angelegenheit ziemlich peinlich. Mein Kopf nahm augenblicklich die Farbe eines
Feuermelders an.
„Na, was ist denn nun!“, rief mein Vater ungeduldig. Der Sirtakitänzer eilte an uns vorbei, um den Schaden in Augenschein zu nehmen. Schnell war alles repariert.
„Wollen sie nicht zum Abendessen bleiben? Ich habe doch so viel gekocht“, meinte meine Mutter.
„Aber gern. War eh mein letzter Auftrag für heute“, folgte prompt die Antwort.
„Können sie Schachspielen?“, warf plötzlich mein Vater ein.
„Eigentlich nicht, aber mein Onkel, der das griechische Restaurant besitzt, der kann hervorragend Schach spielen. Er hat wohl auch schon ein paar Preise
gewonnen.“
Mein Vater wirkte beglückt. „Ein echter Grieche, der Schachspielen kann?“
Für mich war das alles nicht so geplant, wie die Situation es jetzt hergab. Irgendwie war Stefan plötzlich vergessen. Antonio, so wie er sich nannte, hatte bereits das Herz meiner Eltern erobert. Aber ob er meines bekommen würde, jenes war fraglich. So leicht war ich schließlich nicht zu erobern. Lasst euch überraschen!