Science Fiction
Reflection - Rekobination - Komplettfassung

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"Reflection - Rekobination - Komplettfassung"
Veröffentlicht am 12. April 2015, 542 Seiten
Kategorie Science Fiction
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Über den Autor:

...Was gibts über mich zu wissen ? Ich schreibe gerne, deshalb bin ich auf der Seite angemeldet. Muss man mehr wissen ?Ich freu mich natürlich immer über konstruktive Kritik und Kommentare zu meinen Texten.Sonst noch was über mich.. Malt und Metalhead und Laborheini mit einem Faible für Philosophie, Pfeifen und Fantasyliteratur. Erwarte also bitte niemand zu viel von mir :-) Oh und mich gibts auch bei ...
Reflection - Rekobination - Komplettfassung

Reflection - Rekobination - Komplettfassung

Einleitung


Bürgerkrieg und Aufstände zerreißen das einst mächtige und unantastbare Elektorat, welches versucht die Ordnung um jeden Preis zu erhalten. Teil dieser Ordnung ist die Kommissarin Mia Preston. Als linke Hand des herrschenden Ministerrats unterdrücken die Kommissare jeden noch so kleinen Wiederstand mit eiserner Hand und er Unterstützung durch die Ulan-Garden des Militärs. Als Mia den Auftrag erhält nach dem abtrünnigen Kommissar Aaren Terrel und den Rebellen Jack Walt zu suchen

und den Mord an einem Minister miterlebt muss sie erkenne, das die Werte die sie einst verteidigt hat, längst nicht mehr existieren. Und so beginnt das Ende… Everystockphoto.com Escaping the City by Tugboat

Prolog


Vor den Türen hielten zwei Kommissare wache, leicht erkennbar an den identischen gravierten Pistolen und einer Anstecknadel mit silbernem Justitia-Emblem die jeder von ihnen trug. Der Mann der schon die Namen Nemo, Abundius und nun Lewis Flynt getragen hatte stand unschlüssig vor dem Schreibtisch des Justizministers. Die holografische Computeroberfläche zeigte nur das Symbol des Ministeriums, eine Justitia-Figur, allerdings ohne

Augenbinde. Arthur Jones, der ehemalige Minister, war vor weniger als zwanzig Stunden durch seine Hand gestorben und nun… nun hatte er die Kontrolle. Es fehlte nicht mehr viel. Er blickte durch das große Fenster hinter dem Tisch auf die Stadt hinaus. Rauchwolken stiegen von den äußeren Bezirken auf wo nach wie vor Aufstände die Stadt erschütterten. Noch… Bald würde auch das ein Ende finden, wenn er Erfolg hatte. Und daran zu zweifeln… das konnte er sich nicht leisten. An seinen Händen klebte zu viel Blut um jetzt noch einen Rückzieher zu machen. Unten auf den Straßen der dunkler

werdenden Stadt konnte er die Ulanen vor dem Eingang des Ministeriums wache halten sehen. Stumm, bleich hinter ihren verspiegelten Helmvisieren. Vorsichtig berührte er die Tischoberfläche, und ging über die auftauchenden Daten drüber. Irgendetwas ließ ihn innehalten… Jones war ein Fuchs gewesen, das musste er dem alten Mann lassen. Sich hinter dem Rücke des ganzen Elektorates gegen es zu stellen und das als ein Minister… er bedauerte ihn getötet zu haben, als Verbündeter wäre er wertvoller gewesen, aber wie schon Aaren, wie schon Jack wie all die anderen… hätten sie Verstanden ? Nein. Jones hatte sein

Schicksal selbst gewählt. ,, Interessant.“ , murmelte der Mann , der sich nun Flynt nannte. Er ließ schnell ein Diagnose-Programm über die Daten laufen. Offenbar hatte der Minister versucht irgendetwas aus den Systemen des Elektorats zu löschen. Ein Personenprofil… Und offenbar war er dabei ziemlich gründlich gewesen, wenn auch nicht gründlich genug. Abundius fand einen Namen. Und das war auch alles was er brauchte. Jones war gut… aber nicht gut genug. Er hingegen war über Jahrzehnte zu einem Meister in diesem Spiel geworden. Etwas, das zwangsläufig kam, wenn das

einzige Pfand, das man besaß, das eigene Leben war. ,, Findet sie.“ Das könnte alles ruinieren. Er konnte nicht zulassen, dass sich jemand einmischte. Nicht jetzt, wo er so kurz vor dem Ziel stand.

Kapitel 1 Mia


Unruhig saß Mia vor dem Schreibtisch des Justizministers. Arthur Jones saß Gedankenverloren in einem großen Sessel ihr gegenüber und musterte abwechselnd sie nur um sich dann wieder umzudrehen und aus dem Fenster über die Stadt zu sehen. Er wirkte zwar angespannt, aber schaffte es trotzdem, eine unbewusste Ruhe auszustrahlen, wie jemand der wusste, dass er den Dingen bis auf weiterem ihrem Lauf lasse musste. Von einem Minister in sein Büro bestellt zu werden war wohl etwas, das die

wenigsten als etwas Gutes auffassen würden. Entweder man hatte etwas wirklich richtig gemacht… oder einen großen Fehler. Und Mia wusste, dass letzteres zutraf. Immerhin hatte sie beinahe befohlen ihn zu erschießen… ,, Ein letztes Mal, bei Seite.“ , forderte Mia den Mann auf. Sie würde noch einmal fragen. Seit dem Beginn der Unruhen waren die Regierungsviertel und die Gebäude der Ministerien abgeriegelt worden. Die Aufstände sollten draußen bleiben. Solange sie diese Gegend hielten hatten sie weiterhin die Kontrolle. Solange blieb das Gesetz des Elektorats

bestehen. Und genau das war ihre Aufgabe als Kommissarin. Das Gesetz zu erhalten. Doch der Mann in der Tür schein das nicht verstehen zu wollen und strapazierte Mias Geduld schon zu lange. Das sie die letzte Dosis Mentalblocker schon vor einigen Stunden genommen hatte trug auch nicht unbedingt dazu bei, das sie geduldiger blieb. Ihre Hand wanderte in Richtung der Pistolengriffe. ,,Inter arma enim silent leges.“ Unter den Waffen schweigen die Gesetze, stand in den Stahl der Waffen eingeschnitten. Ein Motto, wie es letztlich jeder Kommissar selbst wählte und ihn wie die

Waffen selber meist bis zum Tod begleiteten. Die restlichen Bewohner der Wohnung, ein kleines Kind und eine Frau hatten sie bereits auf die Straße gebracht. ,,Sie können hier nicht ohne irgendeine Genehmigung…“ , setzte der Mann in der Tür an. Bevor er den Satz jedoch zu Ende bringen konnte, landete bereits eine Faust in seiner Magengrube. ,,Ich habe jede Genehmigung, die ich brauche.“ , erklärte sie, als der Hausbesitzer zusammenbrach. ,,Bringt ihn zu den anderen, wenn einer wegrennt erschießt alle.“ Das würde ihn davon abhalten irgendetwas Dummes zu unternehmen. Es

gab diese Tage schon zu viele tote und wenn eine Todesdrohung weitere verhinderte… war es wohl das Beste. ,, Hey, was soll das ?“ , hörte sie eine wütende Stimme hinter sich, nachdem der Mann weggebracht worden war. Sie ignorierte die Stimme und drehte sich nur halb um. Ein älterer Mann in teuer wirkender Kleidung, graue Haare und aufgebracht blitzenden Augen. Die Ulanen würden sich schon um jeden Zwischenfall kümmern, dachte Mia, konnte aber ein schaudern nicht unterdrücken. Bei den Gedanken an die in dunkle Panzerung gekleideten Soldaten mit ihren verspiegelten Helmvisieren wurde selbst ihr etwas

unwohl. Das waren keine richtigen Menschen mehr… ,, Schaft den Alten Weg.“ , meinte sie nur. Der Fremde versetzte dem ersten Ulanen, der es wagte ihm zu nahe zu kommen einen Stoß. Das war der Moment in dem Mia stutzig wurde. Die meisten würden sich einem Ulanen nicht einmal in den Weg stellen, wenn es keine andere Wahl gäbe… aber der Mann trat direkt zwischen die bewaffneten Soldaten ohne sich daran zu stören. Selbstsicher, fast überheblich. Mia fasste den Waffengriff jetzt fester. Wollte der Kerl Selbstmord begehen? Das würde ihr wirklich zum Abschluss

des Tages noch fehlen. Der Ulan den er gestoßen hatte strauchelte kurz und die schwere Rüstung hätte ihn sicher zu Boden gerissen, wenn er sich nicht grade noch so gefangen hätte. Dafür richteten sich jetzt sämtliche Waffen auf den Neuankömmling. Endlich drehte Mia sich um… und erstarrte. Vor ihnen stand Arthur Jones. Der Justizminister des Elektorats. Die an den Schläfen bereits vollkommen weißen Haare flogen zerzaust im Wind. Die eisblauen Augen wirkten müde, blitzten aber mit einer schärfe, die wohl jeden sofort zurückweichen ließ. Zumindest sofern er über Gefühle

verfügte. Die Ulanen zumindest ließ der Mann unbeeindruckt. Insgesamt gab es zwölf Ministerien, jedes Ministerium verfügte über einen Minister, der es im Rat vertrat. Aber die Kommissare selbst unterstanden vor allem erst einmal dem Justizministerium. Und damit Jones. Selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, ein Minister, der sich in diesen Zeiten auf der Straße sehen ließ… Noch vor wenigen Wochen wäre es vielleicht bloß ungewöhnlich gewesen. Die meiste Zeit fand man die zwölf in ihren jeweiligen Ministeriumsgebäuden, die sich über die ganze Welt verteilten. Nun aber, wo die Straßen brannten und die

Regierungsviertel mit gewaltigen Energieschilden abgeriegelt werden mussten schien es unmöglich. ,, Wie ist ihr Name ?“ , wollte Jones verärgert wissen. Er strich sich die Haare glatt, als würde ihm jetzt erst klar werden, wie er aussah. Alt… Müde, aber noch immer mit einem Feuer, das sich den Respekt wenn nicht die Loyalität der meisten Kommissare gesichert hatte. Die fehlenden Drogen machten sich nun endgültig bei Mia bemerkbar. Sie konnte es ruhig zugeben, sie hatte Angst vor diesem Mann. ,, E.. entschuldigen sie Sir… wir…“ Sie bedeutete den Ulanen die Waffen runter zu

nehmen. Das halbe Dutzend bewaffneter Männer trat zurück und sicherte ihre Sturmgehwehre wieder. ,, Das habe ich nicht gefragt.“ Die Stimme des Ministers war leise, aber in dem anschließenden Schweigen unüberhörbar. Mia nahm sich zusammen. Arthur Jones war nur ein Mensch… Ein Gedanke, der die Kommissarin kurz innehalten ließ. Nur ein Mensch… sie zögerte weiter darüber nachzudenken, aber es schien kurz wichtig. Sie musterte den alten Justizminister einen Augenblick unschlüssig. Mit zerzausten Haaren und dem zerknitterten

Anzug wirkte er alles anderer als wie jemand, der mit einem Fingerzeig töten konnte. Sie schüttelte den Gedanken ab wie eine lästige Fliege, das war schon beinahe Häresie. ,,Mia Preston,“ Und Häresie bedeutete den Tod. Jones schwieg einen Augenblick, als würde er ebenfalls über etwas Nachdenken, dann sah er auf. ,, Nun, dann hören sie mir zu. Wissen sie wen sie vor sich haben?“ ,,Natürlich Herr Minister.“ ,,Ja, sie wissen es jetzt. Sie wussten es aber vorher nicht.“ , belehrte er sie und wendete sich dabei auch an die Ulanen.

Eine nutzlose Geste. Das waren keine Menschen mehr. Nur leere Hüllen. Roboter, denen man befehle geben konnte. Wieder vergrub Mia den Gedanken schnell wieder. Was machte das immerhin aus den Kommissaren und ihren Mentalblockern? Maschinen. ,, Vielleicht denken sie kurz nach, was das bedeutet, bevor sie das nächste Mal jemanden wegschleifen lassen wollen.“ , erklärte Jones. Dabei sah er erneut direkt zu Mia und einen Augenblick lang glaubte sie, er hätte ihre Gedanken erraten. ,,Nun, was haben diese Leute bitte getan ?“ , verlangte Jones zu

wissen. Selbst die Ulanen waren mittlerweile ein gutes Stück von ihm zurückgetreten. Vermutlich war das aber nur reiner programmierter Gehorsam vor den Ministern… oder ein letzter kleiner Rest verbliebener Emotion. Eher ersteres. Das Elektorat war gründlich. Mia fasste sich wieder. Sie konnte vor dem Minister doch keine Schwäche zeigen, nicht einmal in Gedanken. Die Kommissare waren Schild und Schwert des Elektorats. ,, Es gibt… deutliche Hinweise, das sich während der Ausschreitungen letzte Nacht mehrere Aufständische in das Regierungsviertel flüchten konnten. Es

wird vermutet, das sich einige hier verstecken könnten.“ ,, Ah. Und die Hinweise stammen vom wem?“ Sie schwieg. Es gab nur Anweisungen… Natürlich gab es nur die. Es war nicht ihre Aufgabe nachzuprüfen, woher alles stammte. Sie waren hier um zu Handeln. Zum Besten aller. Jones interessierte das im Moment allerdings wohl wenig: ,, Anweisung an alle, Die Bewohner freilassen und verschwinden.“ Als sich nicht gleich jeder Bewegte rief er : ,, Das ist ein Befehl.“ Langsam, einer nach dem anderen, verschwanden die Ulanen, gefolgt von

der Kommissarin. Jones jedoch verschwand nur langsam die Straße hinab. ,, Ordnung und Licht.“ , murmelte sie noch zum Abschied, verstand aber nicht, ob der Minister den Gruß erwiderte. ,, Verzeihen sie, Minister, aber warum bin ich hier ?“ , fragte sie nun, als sich seine leuchtend blauen Augen erneut auf sie richteten. Immer noch in Gedanken antwortete er eine Weile nicht. Mia fühlte sich alles andere als wohl, während sie sich in dem Büro umsah. Über dem Schreibtisch hinweg erlaubte ein großes Fenster einen Blick über die Stadt. Nur langsam verzog sich morgens

der Rauch, der über den äußeren Bezirken hing und von tausenden von offenen Bränden stammte. Brände, die niemand mehr löschte, sofern sie den ruhigen, gesicherten Gebieten nicht zu nahe kamen. Jones musterte die Kommissarin langsam ohne zu antworten. Lange dunkle Haare, ein schmales, etwas ausgemergelt wirkendes Gesicht. Und vermutlich Augen, die genauso überanstrengt wirkten, wie er selbst. Sie hatte kaum geschlafen. Allerdings tat das in letzter Zeit keiner der Kommissare. Es gab einfach zu viel zu tun um die Ordnung aufrechtzuerhalten. ,, Ihre Waffen.“ , meinte der Minister

leise. Mias Hände zitterten als sie zwei schwere Pistolen vor ihm auf den Tisch legte. Sie hatte heute Morgen die Dosis Mentalblocker vergessen. Sie war… Überreizt wäre wohl das richtige Wort. Die Objektive Kälte, die die Droge einem verlieh vermisste man sofort. Kommissarinnen waren ohnehin seltener was aber weniger daran lag, dass sie nicht dazu in der Lage gewesen wären. Sie ließen sich lediglich schwerer durch die Mentalblocker kontrollieren. Emotionen zu unterdrücken war so schon etwas, das mit einigen Risiken behaftet war. Manche Kommissare wurden einfach

Wahnsinnig. Jones nahm eine der Waffen in die Hand. Er strich kurz über die eingeprägte Inschrift. ,, Sie wissen, dass es unter den Kommissaren… einige Veränderungen gab ?“ Seine Stimme klang weiterhin ruhig und gelassen, aber das leichte zittern darin entging Mia nicht. Aufregung oder Angst, dachte sie. Aber beides schien unangebracht. Wovor konnte ein Minister bitte Angst haben? Aber sie wusste durchaus, wovon er sprach. Seit vor 2 Monaten ein abtrünniger Kommissar die Operationen des Elektorats auf Liurie vollkommen

sabotiert hatte hatte man auch die Kommissare einer strengeren Überprüfung unterzogen. Eine absolute Notwendigkeit, sagte die Kommissarin sich selbst. Sie konnten sich keine Abtrünnigen Erlauben. Aber war das wahr? Sie zögerte kurz. Ein Zweifel, ein… ,,Viele von uns wurden… des Verrats überführt.“ , sagte sie vorsichtig. Die Säuberungen im Justizministerium waren etwas, das eigentlich nicht offen besprochen wurde. Schon gar nicht vom Minister persönlich. Mia wurde nur immer misstrauischer. Worauf sollt das alles bitte hinauslaufen? Es dauerte etwas, bevor der Minister

weitersprach. Es war eine einzelne Frage. ,, Und glauben sie das wirklich ?“ Es war eine tödliche Frage. Ein Gedanke, den man nicht aussprechen sollte… Arthur Jones saß mit gefalteten Händen da, die eisigen Augen schienen etwas weicher zu werden,. ,, Wenn das ein Test ist dann kann ich versichern…“ , setzte Mia an. Jones ließ sie nicht ausreden. ,, Als ich mich vor dem Haus zu erkennen gegeben habe, da hatten sie plötzlich Respekt vor mir, wieso ?“ ,, Sie sind der Justizminister und…“ Jones ließ sie wieder nicht

ausreden. ,, Und hat nicht jeder Mensch den gleichen Respekt verdient ?“ , verlangte er zu wissen. ,, Ich verstehe nicht worauf sie…“ Der Minister ließ ihr keine Zeit zum Antworten. ,, Ich werde ganz offen sein.“ Er hatte die Pistole wieder hingelegt und schob ihr die Waffen über den Tisch zu. Mia nahm sie rasch an sich. Es würde ihr nichts nützen, falls dieser Mann ihren Tot Wünschte, aber sie fühlte sich etwas sicherer. Was wollte Jones? Das vor ihr schien keine der zwölf Gestalten zu sein, die man ansonsten bestenfalls Befehle

erteilen und Gesetzte verkünden sah. Gesetzte, denen sie folgten… ohne Gedanke… ohne Gefühl, wie… wie die Maschinen-Soldaten, die draußen vor dem Ministerium wache hielten. Die Kommissarin versuchte diese gefährlichen Eindrücke zu verbannen. Irgendwo in die Entferntesten Winkel ihres Verstandes. Aber es schien unmöglich, den Geweckten Gedanken wieder zur Ruhe zu betten. So sehr Mia es nun auch versuchte… der Zweifel war sofort wieder da, wenn sie einen Augenblick nicht aufpasste. Die nächsten Worte Jones rissen sie aus ihren

Gedanken. ,, Ich rechne nicht damit, auch nur den heutigen Tag zu überleben.“ Das Zittern in der Stimme war einen Augenblick deutlicher zu hören. Mias letzte Bedenken verpufften. Das hier war kein Test. Worum immer es ging. Der Minister hatte Angst. Er hatte keine Angst gezeigt, als er sich den Ulanen auf der Straße gestellt hatte. Aber jetzt schon. ,, Wie meinen sie das ?“ ,, Ich meine es genauso, wie ich es sage. Und sollte das geschehen…“ wieder hielt der Minister kurz inne. ,, Muss ich wissen ob ich mich auf sie verlassen

kann.“ ,, Warum sollten sie…“ Ein weiteres Mal ließ Jones sie nicht ausreden. ,, Die anderen Minister werden mich töten.“ Nun war Mia es, die einen Moment nichts erwiderte. Es war die Wahrheit, das wusste sie. Jones hatte nicht wirklich einen Grund zu lügen. ,, Damit würden sie niemals…“ ,, Sie werden tun, was ihnen verdammt nochmal passt.“ , unterbrach Jones sie erneut. Jetzt war er tatsächlich laut geworden und halb aufgestanden. Mia zwang sich nicht wegzusehen. Vielleicht hatte der Minister Angst, vielleicht

rechnete er damit heute zu sterben, aber er war in keiner Weise weniger entschlossen dadurch. ,, Verstehen sie das ?“ , fragte er. ,, Das kann nicht sein.“ Sie versuchte es vielleicht noch immer zu leugnen. Aber der Zweifel hatte längst gewonnen. Einen Moment schien sich alles um sie herum zu drehen. Wie lange war sie jetzt in diesem Büro? Eine halbe Stunde ? Ihr war, als würde das Ministeriumsgebäude unter ihr selbst ins Wanken geraten. Eiern halbe Stunde hatte dieser Mann gebraucht um ein Jahrzehnt an Lüge zu zerschmettern. ,, Sollte ich sterben, ist es wichtig, das sie jemanden für mich finden und ihm

das hier geben.“ Er zog eine kleine metallische Karte aus seiner Tasche. ,, Es ist eine Zugangskarte für das Ministerium. Meine um genau zu sein. Sie öffnet jede Tür und jedes Schloss und kann nicht gesperrt werden. Dafür habe ich gesorgt.“ Fast ein wenig ehrfürchtig und zögernd nahm die Kommissarin die Karte an sich. ,,Aber…“ ,, Es ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass sie tun, was ich sage. Danach können sie ihren Weg gehen, wenn sie das möchten. „ Er aktivierte die Touchscreen-Oberfläche des Tischs und begann einige Minuten stumm zu arbeiten. ,, Ich

entferne ihre biometrischen Daten aus dem System, so kann man sie nicht mehr so schnell finden.“ , erklärte Jones. Mia hörte ihm kaum zu. Es war zu viel auf einmal, zu viele… Wahrheiten in so kurzer Zeit. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie alles begriffen hätte, wenn sie Monate Zeit gehabt hätte. Und die hatten sie offensichtlich nicht. ,, Wer.. wen soll ich suchen?“ , fragte sie also nur. Sich zumindest teilweise an die alte Routine zu klammern, würde vielleicht funktionieren. Sie bekam einen Auftrag. Über den Rest konnte sie sich später in Ruhe Gedanken machen. ,, Diese Karte, muss eine ganz bestimme Person erreichen.“ Er zog einen

Umschlag unter dem Tisch aus einer Schublade und reichte ihn der Kommissarin. Auf dem Umschlag befanden sich zwei Namen, sie las nur den ersten und wusste bereits, es gab ab hier kein Zurück mehr. ,, Jack Walt…“ Sie kannte den Namen. Er war vor einigen Wochen überall in den Nachrichten gewesen, im Zusammenhang mit einem Angriff auf einen Netzwerkknoten des Elektorats. Ein Terrorist… ein Mörder und Feind der Gesellschaft. Aber stimmte das überhaupt? Kurz ertappte Mia sich bei den Gedanken, dass der Minister einfach

verrückt geworden sein könnte. Nicht sie. Jones war derjenige, der sie beauftragte einen erklärten Feind der Ordnung und es Gesetztes zu suchen? Nicht um ihn zu jagen, sondern um ein Päckchen zu überbringen wie ein Postbote ? ,, Sagen sie ihm, ich kann mein Versprechen nicht halten und das seine,, Freunde“ im Ministerium sind. Das ist alles, was mir bleibt. Gehen sie jetzt. “ Aber sie blieb einen Moment einfach schweigend sitzen. Schließlich löste Mia eine der zwei schweren Pistolen wieder aus den Holstern und hielt sie dem Minister hin. ,, Die werden sie offenbar eher

brauchen als ich.“ Jones zögerte einen Moment, bevor er die Waffe an sich nahm. ,, Danke.“

Kapitel 2 Kein Zurück


Mia Preston eilte durch die dunkler werdenden Straßen der Stadt. Die meisten Städte auf der Erde waren im Verlauf der letzten Jahrhunderte zu einzigen Megacitys zusammengewachsen. Ganze Landstriche und hunderte Quadratkilometer waren unter gewaltigen Massen an Beton, Asphalt und Glas verschwunden. Gewaltige Ansammlungen von Licht und Menschen, die man sogar noch aus dem Orbit als Narben in der Landschaft erkennen konnte. Die wenigen ländlichen Gegenden hingegen, waren längst so gut wie

verlassen. Nur in den Städten und auf den Kolonien gab es Arbeit. Aber in den Städten war auch das Elektorat. Einer der Nebeneffekte davon des rapiden Wachstums war, das sich Zuständigkeitsbereiche und praktisch ständig verschoben und bald die gesamte Verwaltung im Chaos versank Die meisten Städte hatten das Problem gelöst, indem ihren Eigenständigen Status beim Zusammenwachsen aufgegeben und sich mit den umliegenden Siedlungen zu einem gemeinsamen Verwaltungsbezirk zusammengeschlossen hatten. Ein System, das langsam arbeitete, denn eine Stadt von der Größe eines kleinen

Landes, oder im Falle mancher Regionen schon fast eines halben Kontinents zu Kontrollieren war eine schier unmögliche Aufgabe. Und etwas, das viel Raum für Bestechungen und gesetzliche Grauzonen ließ, trotz der ständigen Kontrolle durch das Elektorat. Die Stadtkerne bestanden meist aus den Regierungsbezirken des Elektorats mit seinen Ministerien und den in den Himmel aufragenden Wohntürmen der besser gestellten. Weiter draußen um diese hell erleuchteten und sicheren Zentren befanden sich die Industrieviertel und Arbeiterwohnungen. Genau dort wollte Mia nun hin. Sie passierte einige Ulanen, die an einer

Energiebarriere wache hielten. Das Schild, welches diesen Weg aus den Regierungsvierteln blockierte knisterte leise, als Asche und Staub aus dem Himmel heruntersanken und an der Barriere verpufften. Die Projektoren für die Barriere hatte man links und rechts an zwei Gebäudefassaden befestigt, so das der Schild keine Lücken aufwies und sich bis in eine Höhe von drei Metern spannte. Man konnte das Energieschild kaum sehen, es war mehr, als würde man durch eine Seifenblase schauen, alles wirkte ein wenig verzerrt, trotzdem würde nichts einfach hindurch gelangen. Solange es keinen totalen Stromausfall

gab war das Regierungsviertel die reinste Festung. Und selbst dann konnte man die Barrieren sicher mit Generatoren versorgen, die Minister waren nicht dumm. Mia war mehr als Bewusst, dass eine Berührung mit dem Hindernis den Tod bedeutete. Ein paar Mal schon hatte jemand versucht einfach durch den vermeintlich leicht bewachten Zugang zu gelangen und war in das Schild gerannt. Meist blieb am Ende nur ein kleiner Haufen Asche übrig. Einer der Ulanen hielt sie an, als sie sich näherte. Ein großer Mann, zumindest vermutete sie, dass es ein Mann war, der eine

dunkle Panzerung und einen Helm mit verspiegeltem Visier trug. Ein Sturmgewehr mit Taschenlampenaufsatz hing über seiner Schulter. Der Ulan klappte das Helmvisier hoch, als Mia ohne langsamer zu werden einfach eine kleine Anstecknadel von ihrem Mantelkragen löste. Die kleine Brosche bestand wie bei jedem Kommissar aus Silber und zeigte ein Justitia-Emblem, das Zeichen des Justizministeriums und im Besonderen der Kommissare. Ein Blasses Gesicht ohne eine Gefühlsregung starrte ihr entgegen und musterte die Nadel einen Moment. Dann wanderte sein Blick zu ihrer Hüfte, wo

sich nun nur noch eine der Pistolen befand. Unter anderen Umständen hätte sie es noch als Unhöflich empfunden so gemustert zu werden. Aber diese Gestalt vor ihr war wenig mehr als ein Automat. Eine Menschliche Maschine. ,, Ausweis ?“ Eine Monotone Stimme ohne jeden Ausdruck von Gefühl. Einen Moment zögerte Mia. Der Minister hatte ihre Daten gelöscht… aber hoffentlich war er klug genug gewesen, wenigstens die Ausweise als gültig zu behalten. Natürlich könnte man sie dadurch auch Verfolgen aber… sie berührte mit einer Hand die Zugangskarte, die Jones ihr gegeben

hatte und den versiegelten Umschlag, während sie nach ihrem Ausweis suchte. Schließlich holte die Kommissarin ein kleines Plastikkärtchen aus ihrer Jackentasche. Der Ulan warf nur einen kurzen Blick darauf, bevor er es an einen weiteren Bewaffneten weiterreichte, der die Karte kurz gegen einen mit einem Handcomputer verbundenen Scanner hielt. Die Sekunden vergingen und Mia spürte, wie ihre Hand zu dem Pistolengriff an ihrer Seite wanderte. Nicht, das Kugeln viel gegen die Panzerung der Ulanen ausrichten würden. Sie trugen allesamt kinetische Westen, an denen jedes Projektil einfach

abprallte. Lediglich Köpfe und Gliedmaßen wären ein Schwachpunkt und selbst diese waren mit normaler Panzerung verstärkt. Dann jedoch reichte der Mann Mia die Karte zurück. Sekunden später gab er ein Zeichen und die wabernde Energiebarriere in der Straße erlosch. ,, Guten Abend wünsche ich Kommissarin.“ Sie nickte nur und beeilte sich, die erloschene Barriere zu passieren. Desto weiter sie weg von dem gesicherten Stadtzentrum kam, desto besser. Der Weg vor ihr bestand aus einem breiten Asphaltstreifen und einem Laternengesäumten Gehweg. An den

Laternen allerdings hingen neben den die Straßen in ein bläuliches, grelles Licht tauchenden Glühbirnen auch noch Lautsprecher und vereinzelte Plakate. Ankündigungen über Ausgangssperren und neue Sicherheitsmaßnahmen, aber auch simple Propaganda. Die Lautsprecher schwiegen um diese Zeit und würden ohnehin nur die gleichen aufgezeichneten Botschaften verlauten lassen. Zumindest taten sie das meist, dachte Mia, als sie in eine Nebengasse einbog und somit aus dem Blickfeld der Ulanen an der Schildbarriere verschwand. Die Straße, in die sie einbog, führte zwischen zwei hoch aufragenden

Wohnblöcken hindurch. Dunkle graue Kästen mit zwanzig oder mehr Stockwerken. Die meisten Fenster waren dunkel, aber hinter einigen schimmerte noch Licht. So nah am Regierungsviertel hatte es bisher keine Verwüstungen gegeben und das Leben verlief, bis auf die verhängten Ausgangssperren, relativ normal weiter. So weit in diesen Zeiten überhaupt noch etwas normal war. Soweit Mia sagen konnte, hatten sich die ersten Vorzeichen des kommenden schon vor gut zweieinhalb Monaten abgezeichnet. Der Gouverneur einer der Kolonie Liurie, David Callahan, hatte sich während der Untersuchungen eines

Kommissars auf dem Planeten, für abtrünnig erklärt. Aaren Terrel war der Name des Kommissars gewesen. Eine Art Legende unter seinen eigenen Leuten. Mia hatte ihn, soweit sie sich zurück erinnern konnte, nur ein paar Mal gesehen. Eine schweigsame Gestalt, selbst für einen Kommissar. Aber absolut Gnadenlos und Loyal. Genau deshalb waren die Vorkommnisse, die von Liurie berichtet worden auch so merkwürdig gewesen. Angeblich war es Aaren gewesen der letztlich die gesamten Operationen des Elektorats auf dem Planeten sabotiert hatte, wie immer diese Ausgesehen haben

mochten… Ein ungewohnter Gedanke. Vor allem ein Verwirrender. Ein paar Stunden und ihre Welt schien plötzlich Kopf zu stehen. Was wenn das ganze doch ein Trick war, was wenn… aber wenn es einer war, dann war sie ohnehin längst darauf hereingefallen. Und sollte jetzt tot sein. Nein, Jones hatte nicht gelogen. Sie musste sich nur wieder daran erinnern. Er hatte gewusst, dass er sterben würde. Mia setzte ihren Weg durch die Straßen fort. Rasch ließ sie die hell erleuchteten Viertel hinter sich und begab sich in Richtung der Außen und Industriebezirke. Hier waren die Spuren der

Ausschreitungen bereits deutlicher zu sehen. Ausgebrannte Wohnungen und Gebäude wechselten sich mit Intakten Blöcken ab. Müll und einige zerfetzte Plakate trieben, vom aufkommenden Wind gepeitscht, durch die Gassen. Asche und Staub aus den äußeren Bezirken hierhergewagt bedeckten in einer feinen Schicht Böden, Dächer und Fenster. Es wirkte, als sei dieser Ort seit Jahren verlassen auch wenn sie sich sicher war, das hinter den düsteren Glasscheiben der umgebenden Häuser sie mehr als ein Augenpaar beobachtete. Die meisten Menschen hier mussten sich versteckt haben, während die Kämpfe

sich immer mehr in die äußeren Bezirke verlagerten, wo es den Ulanen und den übrigen Elektorats-Truppen schwer fiel, die Kontrolle zu behalten und sich die Aufständischen notfalls aufs Land zurückziehen konnten. Wie viel der Situation hier drang wirklich bis auf die übrigen Kolonien hinaus? Es konnte nicht viel sein. Das Elektorat kontrollierte alles, was die Erde verließ oder hier ankam, seien es Nachrichten oder Menschen. Sie kontrollierten alles… und das war falsch. Mia sah auf. Eine Kamera, ebenfalls an einem der Laternenpfahl befestigt drehte sich kurz

in ihre Richtung. Beinahe träge, bewegte sich das künstliche Auge weiter, während Mia selbst kurz stehen blieb. Es machte nichts, wenn sie gesehen wurde, das war unvermeidbar. Aber es war ein Gedanke, der sie veranlasste, eines der abgerissenen Flugblätter aufzuheben, die ihr der Wind vor die Füße trug. Eine stilisierte Zeichnung der Ministeriumsgebäude und der Minister vor dem Hintergrund einer Stadt, die bestenfalls noch in den Köpfen einiger weniger existierte. Strahlend, sauber, ordentlich. Eine einzige Zeile stand darunter

gedruckt. YOU ARE SAVE Man fand ähnliche Zettel und Plakate jetzt überall. Zusammen mit ständigen durchsagen, leere Parolen, tote Worte, als könnte das Elektorat alles einfach wegleugnen. Und das konnten sie, wie ihr klar wurde. Wenn es ihnen gelang, die Aufstände auf der Erde niederzuschlagen und niemand davon erfuhr, wen alles verdreht wurde… dann würden sie alles leugnen können, würden ignorieren, das die Macht der Minister je herausgefordert oder bedroht wurde. Jemand hatte dieses Stück Papier hier allerdings umgestaltet. Mit kaum

leserlicher Handschrift, hatte man ein Wort hinzugefügt. YOU ARE not SAVE . Ein Dokument, ein unumstößlicher Beweis, dass es vorbei war mit den Lügen. Aber war es das ? Die Aufstände waren da, die Feuer brannten… aber war das genug? Oder würden sich die Menschen einfach wieder in ihre Angst, den alten Trott, zurückziehen? In der einhundert jährigen Geschichte des Elektorats hatte es immer wieder Aufstände gegeben. Kleine Kolonien, die versuchten sich loszusagen und ohne eine Spur zu hinterlassen ausgelöscht wurden. Aber nie auf der Erde… Mia wusste nicht mehr was sie glauben solle. In den

letzten Stunden schien es, hatte sich alles verschoben. Die jahrelange Überzeugung auf der richtigen Seite zu stehen... Aber gab es hier überhaupt eine wirkliche Seite zu wählen? Abundius stand allein in der kleinen Kammer. Ein rotes Licht über den Türen blinkte langsam und zählte die Sekunden abwärts. Eine Minute. Er befand sich in einem Raum mit mehreren Mikrofonen und Computern. Alle vernetzt mit den großen Nachrichtensystemen und den Lautsprecheranagen, die über die Stadt

verteilt waren. Jedes Wort in dieser Kammer erreichte jeden einzelnen Menschen spätestens nach einer Stunde. Ein dutzend Datenknoten leiteten Worte und Anweisungen weiter… und löschten sie auch wieder wenn es nötig war. Das war doch letztlich das größte und mächtigste Instrument, das das Elektorat kontrollierte. Der Informationsfluss. Nicht nur für die Nachrichten , digitalen Zeitungen und verbliebenen Druckereien. Auch Truppenbewegungen, Anweisungen für die Roboter-Drohnen auf den Straßen… Jede Anweisung aus diesem Raum oder aus einem der ähnlich Aufgebauten in den übrigen Ministerien wurde Wahrheit,

Gesetzt, Order und Befehl. Fünfzig Sekunden. Sein Spiegelbild glänzte in einer Glasscheibe, die von dieser Seite undurchlässig war. Ein Mann, der wohl jünger wirkte, als er wirklich war. Braune Haare und Augen unter denen sich Ringe abzeichneten. Hochgewachsen, fast schlaksig, so das ihm der dunkle Anzug mit einer unpassenden, gelben Krawatte die er trug beinahe viel zu weit wirkte. Noch vor einigen Stunden, nachdem er den Computer des toten Justizministers überprüft hatte, sprach er mit den verbliebenen

Ministern. Nachdem nun ein Sechstel von ihnen getötet worden war, getötet durch eben jene Überlebenden hatte sie alle etwas Nervosität erfasst. Das konnte der Mann der vielen Namen deutlich spüren, als er den Besprechungssaal betrat. Die restlichen Dirigenten, ein passender Begriff wie er dachte, kam es ihm doch immer mehr so vor, als würde er sich in einem tödlichen Orchester befinden, sahen auf. Ein falscher Ton und er würde die Symphonie nicht überleben. Die zehn saßen an einem großen runden Tisch in mitten des hohen Saals. Eine Reihe Fenster an der Rückwand tauchte den Raum in schummriges Licht. Jemand

hatte die Scheiben verdunkelt, so das nur gefilterte Sonnenstrahlen ins Innere gelangten und man kaum nach draußen sehen konnte. Es war vermutlich besser so. Abundius wusste ohnehin, was er sehen würde. Rauch über den äußeren Bezirken, Ulanen auf den Straßen unter dem Turm des Justizministeriums. Es war Daniel Szymanski, der als einziger Anfing zu sprechen. Der Finanzminister war ein Mann mit blonden Haaren und eisblauen Augen, die Abundius nicht mehr aus dem Blick ließen. Das Finanzministerium war ohne Zweifel eines der mächtigsten der zwölf Institutionen,

welche die Minister stellten. Banken, Kreditgeschäfte, beinahe die gesamte Wirtschaft war mehr oder weniger abhängig vom Wohlwollen des Ministeriums. Und damit dem Wohlwollen dieses Mannes. Eine Macht, der er sich mehr als Bewusst war. Einen Augenblick lang sah es aus , als würde Szymanski nichts sagen, dann jedoch räusperte er sich ,, Mr. Flynt“ , er nickte ihm zu, ,, Dann sind jetzt wohl alle anwesend…“ Lewis Fylnt. Sein neuester Name. Abundius musste sich noch daran gewöhnen, nickte aber trotzdem ebenfalls langsam ,, Ordnung und

Licht.“ ,, Ich denke“ , fuhr der Finanzminister fort, ,, Angesichts der neuesten Entwicklungen, ist es an der Zeit ihre Ernennung zum Justizminister offiziell zu machen.“ ,, Natürlich, aber da ist immer noch Preston…“ ,, Es ist ihre Aufgabe. Wenn ein Kommissar oder eine Kommissarin abtrünnig wird, dann haben sie sich darum zu kümmern Flynt. Wir verstehen uns?“ ,, Klar und deutlich.“ Er musste mitspielen, so lange er es eben musste. ,,Und Jones ?“ ,, Er wird als Verräter gebrandmarkt

werden.“ , erklärte Ministerin Hotaru Oishi. Die Verteidigungsministerin… Abundius wusste nicht, was er erwartet hatte. Natürlich musste der Tod von Arthur Jones erklärt werden… aber so? Egal es musste getan werden… Dreißig Sekunden. Und genau das würde er nun tun. Es war ihm überlassen worden, die Informationen herauszugeben und selbst wenn nicht… er hätte darauf bestanden. Abundius war nun endgültig Justizminister. Und seinem Ziel so nahe. Aber noch zögerte er. Er musste Arthur Jones ungeschehen machen. Der Minister war beliebt

gewesen, vielleicht einer der letzten Vertreter des alten Elektorats, wie es einst einmal geplant gewesen war. Zwanzig Sekunden. Abundius sammelte sich, konnte sich aber nicht von seinen eigenen Gedanken befreien. Seinen Taten waren grausam gewesen, das war dem Mann klar, während er sich selbst in dem Spiegelfenster ihm gegenüber betrachtete. Die rote Lampe über der Tür blinkte nun schneller. Sobald sie anfing durchgehend zu leuchten, wäre die Zeit abgelaufen. Er hatte nun bereits drei Menschen verraten, die seine größten Verbündeten hätten werden können… aber es war

nötig, er konnte sich keine offenen Nähte erlauben, dafür war das zu groß, und er seinem Ziel so nahe. Er hatte einen Bürgerkrieg ausgelöst und doch hatte Abundius das Gefühl, es wäre umsonst gewesen. Er hatte die Proteste beobachtet, aber… es schien als schliefen noch immer zu viele. Versteckten sich anstatt zu kämpfen. Nein er hoffte nicht darauf das sie das Elektorat mit Gewalt zu Fall bringen konnten. Nicht so lange die Minister noch standen, solange die Ulanen befehle erhielten… Alle Minister gleichzeitig auszuschalten… das musste Erfolg haben. Darauf arbeitete e nun schon

sein ganzes leben hin. Im anschließenden Chaos konnte das Elektorat fallen. Aber nur, wenn die Menschen die Chance ergriffen. Was wenn die Menschheit nicht mehr aufwachen konnte? Wenn die Menschen nicht verstanden, wenn zu viele verlernt hatten sich zu wiedersetzen? Sie mussten einfach bereit sein. Zwanzig Sekunden Und nun war Abundius drauf und dran noch ein weiteres Leben zu opfern. Ein letztes, schwor er sich. Alles war notwendig. Aber hier wäre Schluss. Zehn… Wenn ich sage, Jones war ein Verräter,

ein Feind, wenn ich sage dass eine Kommissarin sterben muss… dann erfuhr es jeder. Dann wurde es Wahrheit. Wie viel Blut klebte schon an seinen Händen? Zu viel um es jetzt noch abwaschen zu wollen. Das Licht wurde endgültig rot. Er war zu nah dran um aufzuhören.

Kapitel 3 Morgenlicht


Der erste Schimmer von Rot zeichnete sich bereits am Horizont ab, als sie endlich die Außenbezirke erreichte. Industrieparks von Firmen wie Omnisphere und anderen reihten sich hier vor der Silhouette der Hochhäuser im Stadtzentrum aneinander bis zum Horizont. Rauch stieg aus tausenden von Kaminen auf und vermischte sich mit der Asche der Brände, die wohl bald gelöscht werden würden. Sobald die Sonne aufging, zogen sich die Aufständischen zurück, wohl aus Angst

vor einem konzentrierten Schlag des Elektorats und ein Stück Normalität kehrte wieder in die Straßen ein. Damit sollte ihre Anwesenheit hier hoffentlich weniger auffallen, dachte Mia. Sie war die ganze Nacht durchgelaufen, trotzdem spürte sie kaum Müdigkeit. . Müdigkeit war etwas, das man schnell zu ignorieren lernte, wenn man eine Weile als Kommissar gelebt hatte. Normalerweise verbrachten die wenigsten von ihnen viel Zeit auf der Erde. Meistens arbeiteten sie auf den weitab der Zentralen Kolonien und der Erde gelegenen Kolonien und erhielten dort die Ordnung des Elektorats aufrecht.

Nun jedoch befand sich ein Großteil von ihnen auf der Erde, entweder als Verstärkung für die Ulanen oder auch als Agenten für die Minister. Mia selbst war erst vor einigen Wochen von ihrem letzten Einsatz zurückgekehrt. Es war nicht grade ein Routineauftrag, der sie nach Vineta, einem Wasserplaneten ähnlich Liurie, aber mit größerer Landmasse, geführt hatte. Es handelte sich um eine der dicht besiedelten Welten, die fast völlig unter der Kontrolle des Elektorats standen und es war eigentlich ungewöhnlich, das hier ein Kommissar gebraucht wurde. Die Kontrolle über diese hoch technisierten Planeten war eigentlich immer so stark,

das es kaum Gelegenheit für Abweichler gab. Vielleicht hier und da einmal Schmuggel, aber nichts was die Anwesenheit eines Kommissars rechtfertigte. Die Kommissare sollten vor allem Richter und Vollstrecker in einem sein. Die direkte Hand des Gesetzes und Inbegriff der Gerechtigkeit. Für die kleineren Delikte hingegen, gab es immer noch die Polizei. Sie aber, die Kommissare, waren die rechte Hand und der Schild des Elektorats. In diesem Fall war sie jedoch einem Hinweis auf Nemo nachgegangen, ein Mann, der bis vo vor kurzem noch das größte Ärgernis des Elektorats gewesen

war. Eine mehr mythische als wirklich greifbare Gestalt, sah man von seinen Büchern ab, von denen immer wieder Exemplare ihren Weg in die Öffentlichkeit fanden. ,, Ordnung und Licht“ der Titel sprach dem eigentlichen Inhalt Hohn. Denn letztlich war es nichts anderes, als die Abwertung des gesamten Prinzips des Elektorats. Letztlich hatten sich alle Hinwiese und Spuren auf den Mann aber Verlaufen. Es war mehr, als würde man ein Phantom jagen, als einen Menschen. Mia beschleunigte ihre Schritte, während sie die Erinnerung abschüttelte. Es war seltsam jetzt darüber nachzudenken. Ein

Staat mit Gerechtigkeit und Gesetz als oberstes Ideal Zumindest hatte sie das bis vor kurzem immer Geglaubt. Aber war diese Gerechtigkeit noch gegeben? Ihr fehlte die emotionale Kälte, die sie sonst besaß. Ihre Gedanken schienen langsam und zäh zu sein und in seltsame Richtungen abzudriften. Richtungen und Gedanken, die sie früher für gefährlich gehalten hätte. Noch dazu Hämmerte es in ihren Schläfen und sie musste mehrmals stehen bleiben. Entzug. Mentalblocker…Sie sollten Absolute Objektivität gewähren. Ein Gedanke, der Mia ein bitteres Lächeln

entlockte. Objektivität… und gleichzeitig Lokalität zum Elektorat. Wie konnte man so blind sein? Mit jedem Schritt, den sie weiter ging erschien es ihr klarer. Trotzdem überlegte sie kurz einen Umweg zu ihrer eigenen Wohnung zu laufen. Sie hatte noch einen Vorrat… Dunkle Bilder und Erinnerungen blitzten in den tiefen ihres Verstands auf. Ein abgebrochener Flaschenhals… eine Bewegung, die sie selbst kaum wahrnahm, nicht steuerte und Blut, das ihr plötzlich über den Arm lief. Mia sperrte die Erinnerung zurück, dorthin, wo sie die letzten Jahre gelauert hatte. Jeder hatte einen Grund

Kommissar zu werden. Die Lautsprecher, die um sie herum zum Leben erwachten rissen sie aus ihren Gedanken und ließen sie einige Minuten erstarren. Was sie hörte, war ein Todesurteil. Was sie hörte, war das Schicksal von Arthur Jones. Was sie hörte, war eine weitere Lüge. ,, Der Verräter Arthur Jones wurde vor wenigen Stunden gerichtet.“ Es war nicht die übliche blecherne Bandstimme. Sondern ein raue , kalte Stimme wie Eis, die jedes Wort langsam betonte. ,, Heute ist klar, dass es das Werk des Justizministers war , das einige wenige zu ihren Angriffen auf das Elektorat, auf

seine Bürger, veranlasste. Bezirke brennen und nun haben wir den Schuldigen zur Strecke gebracht. Nun gilt es nur noch seine Mitverschwörer ebenfalls aufzuspüren. Eine davon ist uns bereits bekannt….“ Mia konnte nur reglos zuhören, wie der Sprecher eine genaue Beschreibung ihrer selbst gab. Als Verräterin beschimpft wurde, als.. Gefahr für die Gesellschaf… Und ihre Auslieferung forderte. ,, Nur dann kann der Friede wiederhergestellt werden. Ordnung und Licht. Der Justizminister, Lewis Flynt“ Sie war einige Augenblicke wie erstarrt. Irgendwie hatte Mia damit gerechnet,

seit sie das Büro des Justizministers verlassen hatte. Aber es jetzt zu hören, die letzte, absolut endgültige Bestätigung zu haben… Sie musste weg. Aaren Terrel und Jack Walt… Sie wusste nicht, ob oder wie sie die zwei finden sollte, aber das war zweitrangig, wenn man sie erwischte. Wenn sie aus der Stadt hinauskam, vielleicht aufs Land, dann hatte sie eine Chance, dem Elektorat auszuweichen. Aber wenn sie eine Patrouille fand, die die Gegend nach der Nacht wieder sicherten, dann wäre alles aus. Die Kommissarin hastete, nun eine Hand an der verbliebenen Waffe, die Straße

hinab. Die Ulanen an der Schildbarriere würden sich an sie erinnern. Und dann würde man schnell wissen, in welche Richtung sie gegangen war. Sie musste weg. Ein seltsames Geräusch brachte sie zum Straucheln, als sie grade weitergehen wollte. Ein Schlag, der das ganze Pflaster unter ihr zum Beben brachte und mehrere Glasscheiben an den Umgebenden Gebäuden zersplittern ließ. Mia blieb stehen und sah nach oben. Ein orangener Schimmer fegte am Himmel entlang. Das war keine Sternschnuppe oder ein Trümmerstück aus dem Orbit. Dafür war es bei weitem zu schnell… und zu nah. Ein Schiff vielleicht ?

Allerdings keines der dutzenden von Shuttles, die den Planeten in anderen Zeiten jeden Tag verließen und Anflogen. Das hier war viel zu schnell für einen Kontrollierten Landeanflug…. Die Kommissarin konnte jetzt auch das seltsame Leuchten zuordnen. Das Shuttle war schwer beschädigt worden und stand halb in Flammen, während es in einem steilen Flugwinkel Richtung Boden raste. Bevor sie noch Richtig registriert hatte, was eigentlich los war, flog das brennende Wrack auch schon wenige hundert Meterüber ihren Kopf hinweg, fegte dabei einen Fabrikschornstein beiseite, der in tausend Stücke zerbarst

und zu Boden rieselte, und verschwand schließlich irgendwo weiter draußen in den Außenbezirken. Minuten später, während die Kommissarin bereits einen guten halben Kilometer zwischen sich und die vermeintliche Absturzstelle gebracht hatte, sprangen erneut die Lautsprecher an und verkündete allen ruhig zu bleiben. Es sei alles in Ordnung. Die Sonne tauchte jetzt endgültig hinter dem Horizont auf. Mia wusste allerdings, das nicht in Ordnung war. In dieser Welt gab es keine Ordnung mehr. Sonea blinzelte, sobald sie ihre

Umgebung wieder wahrnahm. Sie wusste nicht sofort, wo sie sich befand. Ein seltsamer Ort, voll mit Stahl und Flammen… Aaren… Wo war er hin? Es war alles ein Chaos gewesen… sie hatte ihn nicht festhalten können. Die Hand des Kommissars, die ihr plötzlich entrissen wurde… Sie musste sich konzentrieren. Feuer schlug aus der aufgerissenen Verkleidung des Landungsschiffs. Zerstörte Kabel und Leitungen hingen nutzlos von der Decke herab. Die Steuerkonsolen, oder was davon übrig war, sprühten noch einige Sekunden Funken, bis sich der Strom endgültig

abschaltete. Durch die zersplitterte Frontscheibe konnte man lediglich das dunkle Innere einer Fabrikhalle erkennen, soweit die vereinzelten Feuer die Umgebung erhellten. Dunkle, leblose Maschinen und durch den Absturz beschädigte Rohre. Glasscherben und Metallsplitter waren über das ganze Shuttleinnere verteilt worden und mehrere Trümmer aus Gebäudeteilen hatten einige der Sitze aus ihren Verankerungen gerissen. Jack Walt hing bewusstlos im Pilotensitz. Blut lief aus einer Platzwunde an seiner Stirn und tropfte auf den Boden. Aber er atmete noch. Sonea stand langsam auf. Die Beine, die

sie im Wasser so gut trugen, zitterten leicht, als sie sich einen Weg durch das zerstörte Schiff suchte. Sie trat auf eine Glasscherbe und zuckte zusammen. Bevor sie den Fuß wieder auf den Boden setzte, war die Wunde bereits verheilt und vergessen. Andere Verletzungen aber… blieben länger. Die Narben an ihren Armen erzählten ihre eigene Geschichte. Jede verbliebene Wunde ein toter ihrer Art. Und doch konnte sie sich nicht dazu durchringen, Menschen zu hassen. Nicht alle… Sonea blieb neben dem Pilotensitz stehen, wo Jack grade anfing zu blinzeln und sich verwirrt

umsah. Wenigstens lebte er noch. Und Aaren ? Er musste leben. Er musste. Jack öffnete die Augen und sah sich verwirrt um. Ein Bündel zerstörter Kabel hing aus der Decke über ihm, in der ein faustgroßes Loch klaffte, durch das er nach draußen sehen konnte. Die Steuerkonsolen des Landungsschiffs vor ihm waren entweder dunkel oderflackerten nur noch vereinzelt auf. Der Absturz… Er setzte sich vorsichtig auf und lies sich sofort wieder zurückfallen, als ihm ein scharfer Schmerz durch die Schläfen schoss. Irgendwie musste Vämskä gewusst

haben, das sie auftauchen würden. Irgendwie… Wenn Jack die Augen kurz schloss, schien sich alles zu drehen. Blut lief ihm über die Stirn und er wischte es beinahe teilnahmslos weg. ,, Vorsicht.“ , meinte eine Stimme neben ihm. Jack stand nun langsamer auf und entdeckte Sonea. Seine Beine drohten unter ihm nachzugeben, so dass er sich an den Überresten des Sitzes festhalten musste. Hatte das Wesen grade gesprochen, oder hatte er sich das nur eingebildet? Es fiel ihm schwer sich zu konzentrieren, als er versuchte sich wieder an alles zu erinnern. Flammen

schlugen aus den aufgeplatzten und zerschmetterten Teilen des Landungsschiffs. ,, Wenn ich eins hasse, dann ist es Feuer.“ , sagte Jack laut, während er gleichzeitig seien Gedanken ordnete. Egal was sie taten…. Sie mussten hier raus und dann so weit weg wie möglich. Das Elektorat würde die Absturzstelle sicher schnell finden und dann noch schneller einen Suchtrupp ausschicken um sicherzustellen, dass sie tot waren. Hecktisch suchte er seine wenigen Habseligkeiten zusammen. Mehrere Magazine und eine Pistole, auf deren Griff sich ein silbernes Justiziablem befand. Die Waffe hatte er vor einer

gefühlten Ewigkeit von Arthur Jones bekommen, als dieser ihn auf seine Suche geschickt hatte. War das wirklich erst ein paar Wochen her? , fragte Jack sich, während er sein Energieschwert unter einem Haufen Schutt hervorzog. Die Waffe wirkte unscheinbar und im Vergleich zu einer Schusswaffe waren sie so gut wie nutzlos, aber gegen eine kinetische Panzerung kam man mit Kugeln nicht an. Die Klinge selbst war bis auf die Stärke weniger Atome zu geschliffen worden und wurde nur durch ein ständiges Schutzenergiefeld vor Abnutzung bewahrt. Ansonsten würde die Waffe bereits nach einmaligem benutzen

Stumpf werden. Er versteckte die Pistole unter seiner Jacke, die mehrere Brandlöcher aufwies und nahm die Klinge in die Hand. Verbergen konnte er das Schwert nicht, aber er würde auch keine Waffen zurücklassen, wenn das Elektorat ihnen auf den Fersen war. ,, Wir müssen weg.“ , sagte er an Sonea gerichtet. Er konnte nicht wirklich sagen, ob das Wesen ihn Verstand, das ihn nur aus golden pigmentierten Augen ansah. Scheinbar besorgt wie ihm schien. Jack konnte sich aber nicht sicher sein. In jedem Fall folgte sie ihm langsam, als er durch eine zwei Meter breite Lücke in der Außenhülle des Landungsschiffs nach

draußen trat. Das Schiff hatte die Außenwand der Fabrikhalle glatt durchschlagen wie er jetzt sehen konnte. Erste Sonnenstrahlen fielen durch die Risse und erhellten ihre Umgebung, einen offenbar schon länger stillgelegten Produktionsraum. Dicker Staub lag auf allen noch intakten Geräten, der nicht bloß vom Absturz stammte. Ein verrosteter Metallgittersteg führte über die Maschinen hinweg. Jack beachtete ihre Umgebung nur in so weit, das sie verlassen war und ihnen somit noch Zeit blieb zu verschwinden. Die Lücke, die das Schiff hinterlassen hatte war locker breit genug, das sie von dort aus auf die Straße hinaus gelangen

konnten. Frische Luft und ein Hauch von Asche und brennendem Öl strömten durch die Öffnung herein, während Jacks ich seinen Weg suchte. Sonea Stieg ihm vorsichtig über den Schutt hinterher. Das Wesen war praktisch barfuß unterwegs, auch wenn sie das kaum zu stören schien. Schließlich gelangten sie endlich nach draußen, auf die noch dämmrigen und verlassenen Straßen. Er konnte die Schleifspur erkennen, die das Shuttle bei der Bruchlandung hinterlassen hatte, aber noch war alles still. Jack ließ den Blick über die vom frühen Morgenlicht gezeichnete Silhouette der

Stadt wandern. Es wirkte anders. Vertraut, aber anders. Etwas hatte sich verändert… oder würde sich sehr bald ändern. Es war ein wenig, als hätte die Luft ein kaum wahrnehmbares Protzenteil an Dichte zugenommen. Ein beinahe elektrisierender Wiederstand. Er war zurück. Jacks sorgten sich um Aaren. Und natürlich um seine Freunde, die sich wohl nach wie vor in Gefangenschaft befanden aber… das Elektorat würde sie nicht einfach hinrichten. Das wusste er. Solange die Proteste noch tobten war es gut ein paar Schuldige in der Hinterhand zu

behalten. Wichtig war jetzt, das sie sich irgendwie orientierten… und er musste herausfinden ob Aaren noch lebte. Der Kommissar konnte den Absturz nicht überlebt haben, meinte der logische Teil seines Verstandes. Aber andererseits… Andererseits würde er die Hoffnung nicht zu früh Aufgeben.

Kapitel 4 Aaren


Sie gingen rasch die heller werdenden Straßen entlang. Desto weiter sie kamen, bevor das Elektorat die Absturzstelle erreichte, desto besser. Auch wenn er nach wie vor nicht genau wusste wohin eigentlich… Aaren suchen, schätzte Jack. Aber konnten sie sich das erlauben ? Er blieb stehen und drehte sich zu Sonea um. Sie schien sich auch Sorgen zu machen. Trübe verwirrt Augen sahen ihm entgegen, eingeschüchtert von der Silhouette der Stadt, die sich vor ihnen

und um sie herum in alle Richtungen erstreckte. Der Hive auf Liuire musste ihr schon seltsam und unübersichtlich vorgekommen sein, überlegte Jack. Wie mussten dann erst die gewaltigen Städte der Erde auf Sonea wirken, die es gewohnt war sonst nichts als Wasser und nochmal Wasser um sich zu haben? Ihn selbst überkam ein Anflug von Klaustrophobie bei dem Gedanken. Auch wenn die Straßen noch so breit waren, wenn links und rechts nur Betonwände aufragten, fühlte man sich immer eingesperrt. ,, Es ist schwer zu glauben, aber man kann tatsächlich so leben.“ , meinte

Jack, immer noch nicht ganz überzeugt, dass sie ihn wirklich verstand, während sie eine verlassene Kreuzung überquerten , die von mehreren Hochhäusern flankiert wurde. Bis in zweihundert Meter Höhe ragten die Türme aus Stahl und Glas in den sich langsam orangefärbenden Himmel. Ein paar hundert Meter weiter umgab ein hoher Bretterzaun eine still gelegte Baustelle. Wie die Rippen eines gewaltigen toten Tiers ragten Stahlträger in den Himmel, die bereits erste Spuren von Rost aufwiesen. Jack zwängte sich rasch durch eine Lücke im Zaun und winkte Sonea zu ihm zu folgen. Sie würden warten müssen,

bis es heller wurde, bevor sie wirklich etwas tun konnten. Wenn sich die Straßen mit Menschen füllten, konnten sie wenigstens bewegen , ohne sofort gesehen zu werden. ,, Aaren ?“ Soneas Stimme war leise, aber in der morgendlichen Stille kaum zu überhören. Sie sprach nur selten, wie er wusste, aber wenn… dann war es wichtig. Jack musterte das Wesen einen Augenblick stumm. ,, Wir…“Er brachte den Satz nicht zu Ende, während er sich auf dem verlassenen Baugrundstück umsah. Ein zurückgelassener Generator rostete in einer Mulde vor sich hin, etwas Unkraut

wuchs zwischen den Fundamenten der Eisenträger hindurch. Ansonsten gab es nichts als nackte Erde und einige große Betonblöcke, die langsam zerbröselten. Jack zog ein kleines silbernes Emblem aus seiner Tasche. Im Notfall würde er damit allzu aufdringliche Fragen verhindern können, aber er würde es nur im Notfall zeigen. Er wusste nicht, ob sein Kommissar-Status noch etwas galt. Jack setzte sich langsam auf eines der Fragmente, während Sonea stehen blieb und offenbar auf eine Antwort wartete. Sie zitterte leicht wie ihm auffiel. Es war nicht kalt aber… ohne ausreichend Wasser hätten sie wohl in ein paar

Stunden ein Problem. Wenn Aaren nicht darauf bestanden hätte sie mitzunehmen… Er schluckte seinen aufkommenden Ärger hinunter. Es gab wichtigeres und er konnte niemand wirklich einen Vorwurf machen. Mit ihrer Verkleidung sah das Wesen sah fast aus wie ein Mensch. Sie trug einen schlichten weißen Kapuzenpullover, der durch den Absturz nun einigen Schmutzflecken aufwies, aber Jack selber sah auch nicht besser aus. Bestenfalls hielt man sie einfach für Arbeiter aus der Nachtschicht. Nichts , um das sich das Elektorat direkt Sorgen machen würde. Die Sicherheitskräfte, die wie er wetten

würde, längst auf den weg waren, suchten nach einem einzelnen Mann oder wenn sie von Aaren wussten, nach zwei. Zumindest solange niemand zu genau hinsah und sie sich in der Menge verstecken konnten würden sie keine Probleme haben hoffte er. Mal von den grünlichen Schuppen in Soneas Gesicht abgesehen, die aber von der Kapuze weit genug verdeckt wurden, sollte die Verkleidung ihren Zweck erfüllen. Ein paar schwarze Haarsträhnen die dem Wesen über die Stirn fielen machten es noch schwieriger Auffälligkeiten zu entdecken. An den Füßen trug Sonea Wickel, da Schuhe nicht wirklich eine Option

gewesen waren. Sieben Zehen und Schwimmhäute würden jeden Schuhmacher erst einmal etwas überfordern, dachte er und lachte dabei bitter. An ihrer momentanen Situation war nichts Lustiges. Und natürlich dürfte auch niemand zu lange auf Soneas Augen achten. Ein dunkler Goldton, der jeden Gedanke, jede Gefühlsregung widerzuspiegeln schien, die das Wesen hatte. Jack musste allerdings feststellen, dass es ihm wesentlich schwerer fiel, die Gedanken des Wesens zu erraten als Aaren. Dass sie sich Sorgte war aber mehr als offensichtlich, selbst für ihn. Das Zittern der fragilen Gestalt vor ihm

kam ihm nun mehr wie eine Unsicherheits-Reaktion vor. Nichts unbewusstes, aber Angst und Sorge, die sich Ausdruck verliehen Er konnte ihr nicht sagen, das wenig Hoffnung bestand das der Kommissar den Absturz überlebt hatte. ,, Wir finden Aaren.“ , meinte er, unfähig etwas anderes zu behaupten und legte ihr vorsichtig eine Han auf die Schulter. Er wollte definitiv nicht riskieren, Sonea zu erschrecken. Zu den fünf Fingern an ihrer Hand kamen noch zwei kurze Knochendornen, die, wie er wusste absolut tödlich waren. Trotz aller Vorsicht, zuckte Sonea bei der Berührung jedoch zurück und gab en

bösartig klingendes Zischen von sich. Einen Moment waren die stumme Intelligenz und Anmut des Wesens vollkommen verschwunden, ersetzt durch reine Wut. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, hob Jack lediglich die Hände. ,, Alles In Ordnung.“ , meine er leise. ,, Tut mir leid. Du…“ Er schüttelte den Kopf. Es war schon seltsam, auf jemanden einzureden, der sich selbst im besten Fall zu einer einsilbigen Antwort herabließ. Bei Aaren war das irgendwie anders, dachte Jack, während er darauf wartete, was Sonea tun würde. Die Narben an ihren Armen, wo man ihr über Tage Blut abgenommen hatte, waren

nach wie vor deutlich zu erkennen. Es musste sie Überwindung kosten, auch nur weiterhin in der Nähe irgendeines Menschen zu sein…. ,, Wir müssen weiter.“ , sagte er schließlich. Wenn sie Aaren finden wollten… oder zumindest irgendeine Art von sicherem Versteck, dann konnten sie nicht ewig hier bleiben. Die Baustellen und offenen Gebäude in der Nähe wäre wohl das erste, was man überprüfen würde, wenn man keine Leichen beim abgestürzten Schiff fand. Sonea nickte schließlich und folgte ihm, als er sich zur anderen Seite des Trümmerfelds aufmachte. Weitere Lücken im Zaun erlaubten ihnen, wieder

hinaus auf die Straßen zu gelangen, diesmal in einen deutlich belebteren Bezirk. Dutzende von Leuten waren bereits auf, um ihre täglichen Erledigungen zu machen, oder auch nur, um wenigstens für eine Weile aus den kleinen Wohnungen, in den überall aufragenden Mietskasernen zu entkommen. Doch es waren nicht nur Bürger auf der Straße. Immer wieder erhaschte Jack auch einen Blick auf dunkel uniformierte Gestalten, die sich in kleinen Gruppen ihren Weg durch die Menschenmenge bahnten. Die meisten Leute sprangen ohnehin schneller bei Seite, als die Gestalten sie erreichen

konnten Es waren Ulanen, Jack erkannten die Panzerungen und die Bewaffnung sofort, war er doch selbst daran ausgebildet worden. Dazwischen fanden sich auch immer wieder normale Soldaten, die die Menge mit Blicken absuchten und in Richtung einer in der Ferne aufsteigenden Rauchwolke gingen, die über einer Fabrikhalle stand. Aaren Terrel schlug die Augen auf. Er lebte… Jede einzelne Faser in seinem Köper brannte, als er mit einem Schlag das Bewusstsein wiedererlangte… und es beinahe wieder verloren hätte. Er lag auf dem Rücken. Sein Körper war mit

kleineren und größeren Schnittwunden übersäht und ein brennendes Trümmerstück musste ihn an der Wange erwischt haben, denn irgendetwas brannte dort höllisch genug, das es seine übrigen Schmerzen zweitrangig machte. Der Kommissar zwang sich trotzdem, den Kopf zu heben und sich umzusehen. Vor ihm befanden sich die Überreste einer gläsernen Gebäudefront. Einzelne Glasbruchstücke hingen nach wie vor in den Fassungen des Fensters, das einstmals wohl einen wunderschönen Ausblick auf die Innenstadt geboten hatte. Der Raum, in dem er sich befand, stand jedoch offenbar leer, wie Aaren feststellte. Es gab keine Möbel, nur

einige leere Fassungen für Glühbirnen, die von der Decke hingen und sich auf dem blank polierten Holzboden spiegelten. Vielleicht eine Mietwohnung, die niemand haben wollte ? SO oder so, vermutlich erklärte das, warum bisher noch keine Polizei hier war. Die Wände waren in simplen weiß getüncht und ein opffener Durchgang führte weiter in einen angrenzenden Raum. Vielleicht gab es dort auch einen Ausgang… Aaren versuchte aufzustehen. Große und kleinere Scherben vom Fenster hatten sich über das Parkett verteilt so dass er vorsichtig sein musste, sich nirgendwo zu schneiden. Wobei es darauf wohl jetzt auch nicht mehr ankam, dachte er mit

einem bitteren Grinsen, als er endlich auf die Füße kam. Stechende Schmerzen in seiner Brust erinnerten ihn erneut daran, das er grade erst einen Absturz hinter sich hatte… den er eigentlich nicht hätte Überleben sollen. Mindestens eine angebrochene Rippe. ,, Und ich schätze, ich habe als neuer Erzfeind es Elektorats nicht einmal mehr eine Krankenversicherung.“ Vielleicht war er es nach all den Monaten mit Sonea einfach gewohnt, seine Gedanken auszusprechen, vielleicht wurde er auch nur endgültig verrückt. Aber er lachte, trotz der erneut aufflammenden Schmerzen. Er musste sich beeilen. Ewig Zeit konnte er sich nicht lassen. Früher

oder später würde jemand hier auftauchen… und sei es nur, weil mehrere Shuttle-Teile in die Gebäudefassade gekracht waren. Ob die anderen es wenigstens geschafft hatten, sicher zu landen Jack… Sonea… Es musste ihnen einfach gut gehen. Aaren schleppte sich in den angrenzenden Raum, der genau so blank war, wie der davor. Lediglich ein edel wirkender Teppich bedeckte hier den Boden und dämpfte seine Schritte. Langsam verstand er, wieso hier niemand wohnte. Es konnte sich niemand leisten. Nun.. mit den Löchern in der Fassade würde hier wohl auch niemand mehr Einziehen wollen. Er beschleunigte seine

Schritte, soweit er konnte und durchquerte noch einige weitere Räume, bis er schließlich an eine dunkle Holztür gelangte. Er zog am Türgriff. Nichts. Natürlich verschlossen.. Seine Hand wanderte zum Holster an seinem Gürtel und erleichtert stellte er fest, dass wenigstens die Waffen noch da waren. Rasch zog er eine der beiden Pistolen und zielte auf das Schloss. Der Schuss würde definitiv Aufmerksamkeit erregen, wenn jemand in der Nähe war…. Sobald die Tür offen stand, lief seine Zeit endgültig ab. Die Kugel zerschmetterte das Schloss und riss Holzsplitter aus dem Rahmen heraus, die auf einen kurzen Flur

hinausgeschleudert wurden. Aaren sah sich einen Moment um und stellte fest, dass er alleine war, bevor er weiterlief, hin zu einer offen stehenden Fahrstuhltür. War doch jemand hier oben ? Aaren hatte keine Zeit, sich großartig darüber Gedanken zu machen. Er musste weg. Und ein Treppenhaus schien es allem Anschein nach nicht zu geben. Die Wände der Aufzugskabine waren mit Holz vertäfelt und als er hineintrat, sprangen einige, vermutlich durch Bewegungssensoren gesteuerte, Lichter an. Rasch drückte er den Knopf für das Erdgeschoss und hoffte, dass unterwegs niemand zusteigen würde. Wenn das Elektorat davon ausging, das er tot war,

würde man nicht gezielt nach ihm suchen, aber die Chance, dass ihn jemand erkannte, bestand nach wie vor… Mit einem kurzen Ruck schlossen sich die Schiebetüren und die Kabine setzte sich in Bewegung. Aaren nutzte die kurze Verschnaufpause, um an sich herab zu sehen. Seine Kleidung wies mehrere deutlich sichtbare Blutflecke auf. Wenn ihn jemand so sah, würde das definitiv Fragen aufwerfen. Um wenigstens das meiste zu verdecken, knöpfte er rasch die zerschlissene Jacke zu, die er trug. So würden hoffentlich auch die zwei Pistolen an seiner Seite nicht auffallen… Einen Moment lehnte er den Kopf gegen die Wand der Kabine und atmete tief

durch. Er musste Sonea und Jack wiederfinden. Das war klar. Wenn sie noch lebten... Aaren ließ es erst gar nicht zu, weiter darüber nachzudenken. Und vermutlich brauchte er auch einen Arzt, der nicht allzu viele Fragen stellte… Der Fahrstuhl kam ohne Unterbrechung bis zum Erdgeschoss durch. Doch schon als sich die Türen vor ihm wieder öffneten, wusste Aaren, das er ein Problem hatte. Vor ihm lag ein großes Foyer, dessen Ruckwände vollständig aus Glas bestand, so dass man auf die um diese Tageszeit bereits belebten Straßen hinaus sehen konnte. Es gab eine kleine Rezeption,

die jedoch verlassen war und einen kleinen Wartebereich, in dem man neben einigen Tischen und Stühlen Topfpflanzen aufgestellt hatte. Auch hier fand sich niemand. Am Ausgang des Gebäudes hingegen, hatte sich bereits eine lange Schlange gebildet, die sich nur Träge und unter den wachsamen Blicken von mindestens zwanzig Polizeibeamten bewegte. Jede Person, die das Gebäude verlies, wurde von einem weiteren Beamten mit einem biometrischen Handscanner untersucht. Das Gerät erfasste automatisch Fingerabdrücke und Retinamuster und verglich diese mit den Datenbanken des

Elektorats. Aaren hätte am liebsten laut geflucht. Sie evakuierten das Gebäude… Und mussten damit einfach nur abwarten, wer ihnen ins Netz ging. Die ersten Wartenden hatten sich bereits nach dem einsamen Nachzügler umgedreht und musterten ihn. Wenn er noch länger einfach nur herumstand, würden auch die Polizisten früher oder später auf ihn aufmerksam werden. Aaren zwang sich, sich so langsam wie möglich in Richtung Ausgang in Bewegung zu setzen. Sein Verstand raste. Was tun? Wenn er jetzt einfach ging und versuchte, einen anderen Ausweg zu finden, würde er erst recht

auffallen, mal davon abgesehen , das das Elektorat sicher alle Ausgänge bewachen ließ, wenn sie darauf warteten, das er rauskam. Selbst wenn er warten würde, bis das Gebäude leer war, sobald das geschah, würden sie den kompletten Bau auf den Kopf stellen. Und ihn finden. ,, Ihre Hände bitte , Sir…“ Aaren sah auf und starrte direkt in das Gesicht eines jungen Polizisten, der einen Scanner in der Hand hielt. Der Mann lächelte freundlich. Noch wusste er nicht, wen er vor sich hatte. Aarens rechte Hand wanderte zu seiner Waffe, während er langsam die linke Ausstreckte und auf das Feld des Scanners legte. Zwanzig. Zwanzig waren

zu viel. Vielleicht wenn er schnell genug war und losrannte bevor… Der Scanner gab ein kurzes Piepen von sich, bevor Aarens Gegenüber ihn wieder an sich nahm… und erstarrte, als er auf die Anzeige sah. Das war der Moment, in dem er handeln sollte. Der Kommissar zog die Pistole ein Stück aus dem Holster. Der Beamte sah ihn lediglich aus weit aufgerissenen Augen an, die immer wieder kurz zwischen dem Display und Aaren hin und her wanderten. Was dann jedoch geschah, damit hatte Aaren nicht gerechnet. ,, Gehen sie.“ , flüsterte der Mann, so leise, das es außer Aaren wohl niemand

hören konnte. ,, Schnell.“ Seine Stimme zitterte vor Angst, aber auch Entschlossenheit. ,, Danke.“ , brachte er hervor. ,, Verschwinden sie endlich.“ , antwortete der Beamte. ,, Bevor sie jemand erkennt.“ Aaren fragte nicht lange, wieso er das tat. Er nickte nur, bevor er nach draußen auf die Straße trat. Die Morgensonne schimmerte zwischen den Hochhäusern der Metropole hindurch und der Staub in der Luft färbte das Licht rot-golden. Er war wieder auf der

Erde...

Kapitel 5 Neue Ziele


Sie hatte bereits die Industrieparks bereits hinter sich gelassen und eine weitere Wohngegend erreicht, als sich ihre Befürchtungen doch noch bewahrheiteten. Sie waren zu viert, wie sie sofort erkannte. Männer in dunklen Panzerungen, jeder mit einem Sturmgewehr bewaffnet, die aus dem Schatten eines Wolkenkratzers auftauchten. Noch erreichte die Sonne nicht überall die Straßen der gewaltigen Metropole, mit ihren wie Finger zum Himmel zeigenden Bauten, so dass es

auf den großen offenen Hauptstraßen bereits Taghell war, während in den Gassen, die Mia nutzte, noch Dämmerung herrschte. Trotzdem hatten die Männer sie gesehen, das wusste sie spätestens, als eine Stimme durch die Nacht halte. ,,Halt !“ Kalt und tonlos, aber bestimmt. Innerlich hatte sie darauf gehofft, dass es normale Soldaten wären, keine Ulanen. Mit denen hätte man reden oder sie austricksen können. Diese Gestalten jedoch… Ein schwerer Schlag erschütterte den Boden und riss sie aus ihren Gedanken, während die vier auf sie zukamen. Hinter ihnen bewegte sich noch etwas anderes.

Ein einzelner roter Punkt, der hoch über ihren Köpfen schwebte. Mia schluckte. Sie wusste durchaus, was sie dort sah. Das Kameraauge eines Zerstörers. Mit den Ulanen wäre sie vielleicht fertig geworden, doch die gewaltige Kampfmaschine, die ihnen folgte war etwas völlig anderes. Wie die Soldaten, war die Drohne komplett in schwarz gehalten. Auf zwei schweren, stelzenförmigen Beinen befand sich ein flacher Aufbau, mit dem Kameraauge in seinem Zentrum. Und einem Dutzend Geschützen darum herum angeordnet, die sich allesamt auf sie fokussierten. Ein einziger dieser Kriegsroboter konnte Hunderte innerhalb weniger Herzschläge

töten. Und sie war alleine… Langsam, ganz langsam wanderte ihre Hand zu der verbliebenen Pistole. Wenn sie weglief, würde sie sterben. Und wenn sie kämpfte… vielleicht genauso. Einer der vier oder die Maschine würden sie erwischen. Aber wenn das ihr Ende war… dann würde sie zumindest einen Eindruck hinterlassen, dachte sie grimmig und mit einem Blick auf die näherkommende Drohne. ,, Wer sind sie ?“ Mittlerweile waren die vier nahe genug, das Mia einzelne Züge unter den Helmen ausmachen konnte. Bald musste man auch sie erkennen. Statt einer Antwort, zog sie die Pistole,

Zielte und feuerte. Ein einzelner, greller Lichtblitz durchbrach das Halbdunkel, dann implodierte das Auge der Drohne hinter den vier Männern und wurde Dunkel. Einen Moment lang geschah gar nichts. Die gewaltige Maschine stand einfach nur erstarrt da, genau wie die vier Männer, davon abgesehen, dass sie jetzt die Waffen auf die Kommissarin richteten. Dann stürzte das Metallkonstrukt langsam zur Seite und schlug scheppernd auf den Asphalt. Funkensprühend lösten sich Kabel und Verkleidungsplatten, als die Drohne unter ihrem eigenen Gewicht teilweise zerdrückt

wurde. Das sind eure Maschinen Wert, dachte sie mit einem Gefühl der Genugtuung. Wenn sie sich nicht mehr orientieren konnten, verloren sie das Gleichgewicht. Rasch wechselte Mia ihr Ziel. Sie wusste, sie würde niemals alle Ausschalten können. Aber ein paar wollte sie wenigstens mitnehmen. Etwas, das sie bisher nur selten gekannt hatte, trieb sie an und es erschreckte sie selbst ein wenig, als sie es als das erkannte, was es war. Wut. Etwas, das ihre Gegner nie wieder kennen würden. ,, Waffe runter !“, schrie einer der Männer, während seine Finger sich bereits um den Abzug krümmten. Mia

spannte sich innerlich an für das, was gleich folgen würde. Im nächsten Moment hallte ein weiterer Schuss durch die Nacht. Nein, nicht einer, dachte Mia. Vier, in so rascher Folge, dass sie sich überlagerten. Sie zuckte unwillkürlich zusammen und stolperte rückwärts. Aber der erwartete Aufprall blieb aus. War sie getroffen? Seltsam, bisher war sie nie verletzt worden, aber sie hatte immer gedacht, sie müsste so etwas spüren. Die Kommissarin sah an sich herab. Keine Spur einer Verletzung… Langsam hob sie wieder den Blick. In die Helme der vier Ulanen war jeweils ein sauberes Loch gestanzt worden.

Einer nach dem anderen sanken die Gestalten zu Boden, genau wie zuvor die Zerstörer-Drohne. Hinter ihnen kam eine fünfte Person zum Vorschein. Eine Hand vor der Brust verschränkt, hielt sie in der anderen eine Pistole. Dunkle Augen blitzten zwischen einigen verirrten Haarsträhnen hervor, während der Mann sich aufrichtete, die Waffe aber nicht wegsteckte. Auch Mia hielt die Waffe weiterhin erhoben und richtete sie jetzt auf den Fremden. Im Halbdunkel konnte sie ihn nach wie vor nicht richtig erkennen, aber irgendwie kamen ihr seine Züge bekannt vor. Wo hatte sie ihn schon einmal gesehen? Einen Moment herrschte ein

angespanntes Patt. Dann jedoch war es der Neuankömmling, der die Pistole sinken ließ. ,, Hätte ich sie töten wollen, hätte ich das schon getan.“ , meinte er und nickte in Richtung der vier toten zu Mias Füßen. Noch zögerte sie, es ihm gleichzutun. Sie kannte ihn, da war sie sich nach wie vor sicher. Aber mit einem hatte er wohl Recht. Hätte er sie tot sehen wollen, hätte sie es nicht einmal mehr mitbekommen. ,, Gleichfalls.“ , sagte Mia schließlich und steckte die Waffe weg. Erst jetzt kam der Fremde näher. Bedächtig, so als würde jeder Schritt wehtun, stieg er über

die zusammengebrochene Drohne und die Toten auf dem Weg. ,, Wer sind sie ?“ Er musterte sie einen Moment, bis sein Blick an der kleinen, silbernen Anstecknadel an ihrem Kragen hängen blieb. ,, Sie sind eine Kommissarin.“ , stellte er fest, ohne ihre Frage zu beantworten. ,, Warum waren die hinter ihnen her ?“ ,, Sie zuerst.“ Mia war es leid, im Unklaren gelassen zu werden. Erst erzählte ihr Jones grade das, was sie wissen musste, jetzt speilte dieser Kerl scheinbar Spielchen mit ihr. Gott, sie hätte vielleicht doch die Mentalblocker holen sollen. Im Augenblick viel es ihr zunehmend schwerer, ruhig zu bleiben. ,,

Wenn sie mir erst zuhören würden, bevor sie mich erschießen.“ , meinte er. ,,Meine Name ist Aaren….“ ,, Terrel ? Der Abtrünnige ?“ Endlich wurde ihr klar, woher sie ihn kannte. Aaren Terrel. Ein Name, der sich in den letzten Wochen wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, grade bei der Kommission. Dieser Mann dort vor ihr war der Auslöser für alles gewesen. Und einer der zwei Namen auf ihrer Liste… ,, Abtrünniger, ja ? Sieht aus, als hätte ich mir wirklich einen Namen gemacht. Hören sie zu…“ ,, Mia.“ ,, Hören sie zu Mia. Da ich noch nicht tot bin, kann ich wohl davon ausgehen,

dass wir auf derselben Seite sind?“ ,, Wenn sie das so sehen wollen.“ , antwortete Mia. Sie war sich ja selber nicht ganz sicher, was hier eigentlich vor sich ging. Abtrünnige Kommissare, die plötzlich auf der Erde auftauchten, die Ulanen, die Ermordung eines Ministers… Die ganze Welt schien verrückt geworden zu sein. Noch vor ein paar Stunden hatte alles so einfach gewirkt. ,, Aber… Was machen sie hier? Es hieß sie seien auf Liruie gestorben.“ ,, Lange Geschichte.“ , antwortete der Kommissar mit einem gequälten Grinsen. Nach wie vor hielt er einen Arm dicht an den Körper gepresst und jetzt aus der Nähe war nicht mehr zu übersehen, dass

er verletzt war. ,, Wichtig ist jetzt erst einmal, das ich einige Leute wiederfinde.“ , fuhr er angestrengt fort. ,, Und ich muss mit Jones sprechen.“ Aaren wartete geduldig auf eine Antwort. Aber zu lange würde er sich nicht hier aufhalten. Jeden Augenblick stieg die Wahrscheinlichkeit, d s man sie doch noch entdeckte. Die Gassen fernab der Hauptstraße würden nur noch für einige Minuten ruhig bleiben, bevor auch hier die Leute aus ihren Häusern kamen und die allgegenwärtigen Patrouillen sich verstärkten. Und dann würde irgendjemanden schnell die zerstörte Maschine und die vier toten entdecken. ,, Arthur… der Justizminister ist tot.“ ,

sagte Mia schließlich. ,, Was ?“ Aaren hatte mit viel gerechnet. Das man Jones einsperren, das man ihn verschwinden lassen oder zum Rücktritt zwingen würde. Aber das ? ,, Die anderen Minister haben ihn getötet. Angeblich wegen Verrats. Genau genommen…“ Mia griff in ihre Jackentasche. ,, Stimmt das wohl auch.“ Aaren ertappte sich selbst dabei, wie seine Hand erneut zur Waffe wanderte. Diese ganze Situation machte ihn nervös. Und das lag nicht nur an der ständigen Gefahr, dass sie jemand bemerken könnte, dachte er. Er war jetzt lange genug auf der Flucht. Vielleicht war er einfach zu lange nicht mehr unter

Menschen gewesen. Aaren zwang sich, sich zu entspannen. Die Kommissarin zog einen Umschlag hervor, zusammen mit einer silbrigen Karte, die leicht in Aarens ausgestreckte Hand gepasst hätte. ,, Was ist das ?“ ,, Eine Zugangskarte für das Ministerium. Die von Jones. Er… wusste wohl, dass er sterben würde. Und er wollte, dass sie das bekommen. Und was in dem Brief ist weiß ich selber nicht. Sir ?“ ,, Nur Aaren.“ , antwortete der Kommissar, während er einen Blick über die Schulter warf und gleichzeitig den Umschlag, sowie die Karte an sich nahm.

Er würde ihn später öffnen. Noch war alles still, abgesehen von den gelegentlichen Funken, die aus der Hülle der beschädigten Drohne schlugen. ,, Ich glaube, die Zeiten, sind endgültig vorbei.“ Mia nickte. Sie verstand durchaus. ,, Sie haben einen Plan ?“ ,, Sicher hier zu Landen.“ , antwortete er. ,, Das hat sich bereits erledigt, fürchte ich. Ich hatte gehofft, Jones könnte mir dann weiterhelfen. Aber wenn nicht, dann ist es jetzt umso wichtiger, dass ich meine Leute wiederfinde. Ich bin nicht alleine hierhergekommen. Meine Begleiter… einer heißt Jack Walt. Die andere… nun

das ist auch wieder eine lange Geschichte.“ Sie mussten überlebt haben, dachte er nur. Wenn er es geschafft hatte, dann sie erst recht. Vor allem Sonea. Ihr konnte sicher nichts so schnell etwas anhaben. Aber alleine würde sie sich hier niemals zurechtfinden… Eine düstere Vorstellung. Nein, sowohl Jack als auch sie mussten noch am Leben sein. Das Schiff war irgendwo hier in den Außenbezirken runter gegangen. Wenn Jack schlau war, würde er sich allerdings so schnell wie möglich von dem entfernen, was jetzt noch davon übrig war… Die beiden könnten mittlerweile überall

sein. Mia lief, die Hände hinter dem Rücken verschränkt auf und ab. ,, Also schön.“ , sagte sie schließlich. ,, Ich helfe ihnen. Sie wissen aber nicht zufällig, wo wir ihre Freunde finden, oder ?“ Aaren schüttelte den Kopf. ,, Wenn er klug ist, bringt Jack sie entweder aufs Land… oder tiefer in die Stadt.“ Und so wie er ihn kannte, würde Jack nicht weglaufen. Nein. Selbst wenn er davon ausgehen musste, das Aaren bei dem Absturz umgekommen war… er würde weitermachen. Und damit gab es nur eine Richtung, die er einschlagen würde. ,, Vermutlich Richtung Innenstadt.“ ,, Dort wimmelt es von Ulanen und

Sicherheitskräften.“ , gab Mia zu bedenken. ,, Selbst wenn sie nicht bereits nach ihnen suchen, sie suchen nach mir. Und so wie sie aussehen Aaren , fallen sie garantiert auf.“ ,, Wie schon gesagt. Meine Ankunft hier war nicht grade sanft.“ ,, Das sieht man.“, antwortete Mia kühl. ,, Bevor wir irgendwo hin gehen, brauchen sie einen Arzt.“ Aaren schüttelte den Kopf. ,, Keine Zeit.“ Mit jedem Augenblick der verging, stieg die Chance, das er die anderen endgültig verlor. Und wenn er Sonea fand, wäre das vielleicht ohnehin nicht mehr nötig. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

,, Schon klar. Aber wenn sie alles vollbluten, verhaftet man uns, bevor wir das Justizministerium auch nur sehen können. Wir verstehen uns?“ ,, Und welcher Arzt bitte meldet mich nicht sofort, wenn ich dort auftauche ? Ich dürfte mittlerweile zu den meistgesuchtesten Männern auf diesem Planeten gehören. Und sie werden ebenfalls gesucht, oder ?“ ,, Im Gegensatz zu ihnen, weiß aber nicht jeder, wie ich aussehe. Und ich habe immer noch das hier.“ Sie löste die silberne Anstecknadel von ihrer Kleidung. ,, Der Ministerrat mag ja darauf abzielen, die Kommissare langsam zu ersetzen, aber in den Köpfen der

Leute hat dieses Symbol immer noch genau so viel Macht wie eh und je.“ Aaren wusste, wie sehr das stimmte. Die Kommissare waren für über ein Jahrhundert zu dem Symbol für das Elektorat schlechthin geworden. Respekteinflößende und für manche auch furchterregende Gestalten und ob man nun zu ihnen aufsah, oder wie so viele, sie eher fürchtete, das Wort eines Kommissars war das Wort des Gesetzes und der Gerechtigkeit. Oder sollte es im Idealfall sein, dachte Aaren. Die Wahrheit war freilich eine ganz andere. Denn wenn Recht und Gesetz von einzelnen gesteuert wurden, nutzte auch die Bewahrung derselben nicht mehr

viel. Mit diesem Gedanken folgte er Mia, hinaus aus der Gasse, die langsam ebenfalls vom Sonnenlicht erhellt wurde. Die hier und da verstreut stehenden Laternen erloschen flackernd vor ihnen, als sie sich auf den Weg machten. Aaren leicht hinkend und den Kopf wieder einmal voller Sorgen und die Kommissarin nach wie vor verwirrt und ohne Orientierung. Aber wenigstens, dachte Mia, gab es etwas, das sie tun konnte. Eine Aufgabe vielleicht…

Kapitel 6 Der Brief des Ministers


Auf dem Weg fasste Aaren schließlich alles zusammen, was bisher geschehen war. Mia hörte ihm lediglich aufmerksam zu, außer, wenn sie aus den noch geschützten Seitenstraßen heraus mussten und die dicht begangenen und befahrenen Asphaltstreifen überquerten, die das Herz der Stadt durchschnitten. Gebäude ragten dicht an dicht auf beiden Seiten der Straße gen Himmel und erweckten beinahe den Eindruck, man würde sich auf einem ummauerten Weg befinden. Die kleinen Abzweigungen

verschwanden vor der Kulisse der Wolkenkratzer und den hier weiß getünchten Bauten. Trotz der Aufstände wollte sich das Elektorat wohl von seiner besten Seite zeigen. Aaren glaubte jedoch nicht, dass das für die tausenden von Menschen in den Straßen gedacht war. Die Wahrheit war längst bekannt. Nur sie auch auszusprechen, das wagte kaum einer… In der Ferne konnte Aaren die aufragenden Ministeriumsbauten sehen. Vor dem inneren Bezirk stauten sich bereits die morgendlichen Pendler, die allesamt kontrolliert wurden, bevor man sie weiter ließ und auch die Fußgänger bildeten lange Schlangen vor den

Schildgeneratoren, welche mittlerweile die Regierungsviertel überall auf dem Planeten abriegelten. Und immer wieder kam es auch vor, dass die stummen Wächter an den Zugängen sich einzelne Personen aus der Menge griffen und bei Seite schafften. Wohin auch immer. Ab und an konnte man das Heulen von Sirenen und Schüsse in der Ferne hören. Jack hatte ihm bereits erzählt, welche Zustände neuerdings hier herrschten, aber erst jetzt, wo er es sah begriff er das ganze Ausmaß dessen, was sich verändert hatte. Die Angst war beinahe greifbar, hing wie eine Glocke über der Stadt… Und für all das hatte es nur

einen vergleichsweise kleinen Anstoß gebraucht. Aaren beeilte sich, Mia durch die Menschenmenge zu folgen, mitten durch den Strom der Pendler und in eine weitere Seitengasse, die im Schatten der Hochhäuser verschwand. Als er den Faden wieder aufnahm und von Sonea erzählte unterbrach Mia ihm zum ersten Mal. ,,Und sie sind sicher, dass sie nicht zu lange in der Sonne gelegen haben ?“ , fragte sie ungläubig. ,,Warten sie es ab.“ , antwortete Aaren nur. ,,Das beste kommt noch. Die Ulanen sind… vielleicht ein indirektes Ergebnis des

Ganzen.“ Mittlerweile hatten sie eine weniger hoch bebaute Gegend erreicht. Statt gewaltigen Apartmentbauten gab es hier kleinere zwei oder sogar einstöckige Häuser, manche davon sogar mit kleineren Vorgärten. ,,Das Elektorat hat also… das Blut dieser Wesen abgezapft ?“ Aaren nickte. ,,Das ist krank.“, stellte Mia schlicht fest. ,,Das ist einfach nur…. Ich verstehe langsam gar nichts mehr.“ Aaren rang sich ein Grinsen ab. Eine Geste, die er , wie so vieles, erst wieder hatte lernen müssen, nachdem er jedes Gefühl und jeden eigenständigen

Gedanken mehr als fünf Jahre lang unterdrückt hatte. Und Mia ging es wohl nicht besser, dachte er. Die Wunden, die bei ihm bereits Zeit hatten, zu heilen, waren bei ihr noch frisch, wenige Stunden alt.,, . Ja, das kenne ich, keine Sorge, man gewöhnt sich daran…“ Die Kommissarin schüttelte lediglich den Kopf, doch mehr, als wollte sie eine lästige Fliege loswerden, anstatt seine Worte zu verneinen. Sie ging zielsicher auf ein zweistöckiges Gebäude zu. Ein exakt rechteckiger Bau mit Flachdach, den ein Schild als Praxis eines Dr. Wernher auswies. Dieser erwies sich , als ihnen schließlich die Tür geöffnet wurde, als ein

übermüdet wirkender Mann mittleren Alters mit langsam schütter werdendem Haar und dunklen Ringen unter den Augen. ,,Ja ?“ , fragte er, während er seine zwei Besucher musterte, nur um gleich darauf zu erbleichen, als er die Kommissarin sah. Waffen und Anstecknadel ließen erst gar nicht zu, dass bei irgendjemanden Zweifel aufkommen könnten, mit wem er es zu tun hatte. ,,Kommission.“ , erklärte Mia mit kalter Stimme. ,,Ich kann doch reinkommen ?“ Der Mann nickte nur hastig, bevor er beiseitetrat und ihnen schlicht bedeutete, in einen kurzen Flur zu treten, der in einen Warteraum führte. Einige leere

Stühle standen in einem Halbkreis angeordnet um einen niedrigen Tisch herum. Ansonsten war niemand her. Licht viel durch ein Fenster herein, das die Schweißperlen, die dem Arzt auf der Stirn standen, sichtbar wiederspeigelten. Er hatte beinahe vergessen, welchen Eindruck ein Kommissar auf die Menschen haben konnte. Vor allem, wenn sie etwas zu verbergen hatten. Doch selbst wenn nicht machten die meisten einen großen Bogen um sie. ,,A… Also, was kann ich für sie tun?“ , fragte Dr. Wernher schließlich nervös. ,,Ich habe… Es geht doch nicht…“ Mia unterbrach ihn. ,,Nein, es geht nicht darum, das sie seit Monaten heimlich

Rezepte für Rebellen und Aufständische ausstellen.“ Die Mine des Arztes erstarrte einen Moment. ,,Ich… verstehe nicht.“ ,,Und ich bin heute bereit, darüber hinwegzusehen.“ , gab die Kommissarin zurück. War er eigentlich genau so gewesen? , fragte Aaren sich unwillkürlich. ,,Wenn sie mir einen Gefallen tun.“ ,,Gefallen… ?“ ,,Erstens, sie flicken meinen Freund hier soweit es geht wieder zusammen. Zweitens. Ich war nie hier. Verstehen wir uns?“ ,,Ich…“ ,,Wenn nicht, komme ich wieder.

Diesmal mit Verstärkung. Dann schließe ich ihre Praxis. Und sie können dann beten, das es nur dabei bleibt.“ ,,Mia… lassen sie ihn. Nicht jeder hier ist unser Feind.“ ,,Ach ja ? Wissen sie, im Augenblick bin ich mir überhaupt nicht sicher, wem ich trauen kann und ich verwette deswegen ganz sicher nicht mein Leben. Das ist…“ Sie hielt inne und stützte einen Moment den Kopf in die Handfläche. ,,Gott, das ist das reinste Chaos.“ ,,Wie gesagt, man gewöhnt sich daran.“ , meinte Aaren. ,, Wenn ich vielleicht erfahren dürfte…“ , setzte der immer noch wartenden Arzt an, während er ratlos von einem zum

anderen sah. ,,Sie haben den Rebellen hier auf der Erde geholfen ?“ , wollte der Kommissar wissen. ,,Ich würde eher sagen, dass ich niemanden wegschicke, der mich um Hilfe fragt. Ob nun Elektorat oder sonst jemand. Auch einen Abtrünnigen.“ ,,Sie wissen also, wer ich bin.“ ,,Verzeihen sie… Aaren, aber ihr Bild war die letzten Monate überall zu sehen, zusammen mit dem einiger anderer. Mir war klar wer sie sind. Aber nicht, was sie hier wollen. Mal davon abgesehen, das sie nicht besonders gut aussehen.“ Aaren nickte. ,,Genau deshalb bin ich hier. Wenn sie mir einfach irgendetwas

geben, das die Blutungen stoppt, sind wir wieder weg.“ Der Mann nickte. ,,Sicher.“ , bevor er hinzufügte : ,,Gott, dafür macht mir das Elektorat nicht nur meine Praxis dicht, sie hängen mich auch noch. Aber das ist es wert. Sie sind nicht hier, um sich zu verstecken, oder ?“ ,,Nein.“ , antwortete Aaren nur, was für den Arzt offenbar genug war. Er nickte kurz, bevor er aus dem Wartezimmer verschwand und die Tür verriegelte, bevor er durch den Flur in einem kleinen Behandlungszimmer verschwand und begann, einige Schränke zu durchsuchen. Aaren nahm derweil auf einem der Stühle Platz und zog den Umschlag

zusammen mit der Karte, die Mia ihm gegeben hatte aus der Tasche. Die Kommissarin suchte sich ebenfalls einen Platz, während er sich zuerst die Karte und dann den einfach versiegelten Brief näher besah. Es war ein simpler Plastikchip mit einem Magnetstreifen darauf, wie man ihn überall fand. Auf der Vorderseite jedoch prangten das Waagen und das Justitiaemblem des Ministeriums nebeneinander. Wenn das wirklich Jones persönlicher Pass war… Dann hatte der Mann ihnen damit einen Schlüssel gegeben, der praktisch jede Tür in dieser Stadt öffnen würde. Im Stillen dankte Aaren dem

Minister dafür. Es würde vieles einfacher machen, wenn sie es wirklich wagen sollten, sich hier dem Elektorat entgegenzustellen… und die erstickte Rebellion wieder anzufachen. Wenn er so darüber nachdachte, hätten sie sich wohl kaum eine größere Aufgabe suchen können. Aber sobald er Sonea und Jack wiederfand, würde sie vielleicht etwas weniger schwer wirken. Aaren steckte die Karte weg und hielt den Briefumschlag einen Moment gegen das Licht. Wie es aussah, befand sich ein einzelnes Blatt Papier darin. ,,Haben sie ein Messer , oder irgendwas, womit ich das hier aufbekomme ?“ , fragte er an Mia

gerichtet. Die Kommissarin zog wortlos eine etwa handlange Klinge aus ihrem Stiefel und reichte Aaren das Wurfmesser mit dem Griff zuerst. In den Silbernen Griff der Waffe war, genau wie auf die persönliche Feuerwaffe jedes Kommissars, ein Leitspruch geätzt. ,,Inter arma enim silent leges.“ , las er. Unter den Waffen schweigen die Gesetze. Es schien beinahe so, als hätte Mia damit genau die Situation kommentieren wollen, in der sie sich jetzt wiederfanden. Aber auch seine eigene Inschrift war ihm einmal viel zu treffend erschienen Ex iniuria ius non oritur. Aus Unrecht

wird kein Recht. Eine bittere Lektion für ihn. Mit einem sauberen Schnitt durchtrennte Aaren das Papier des Umschlags und fischte schließlich das darin zusammengefaltete Blatt heraus. Der Text darauf war nicht mit einem Computer oder einer Maschine verfasst, wie Aaren feststellte, sondern in einer sauberen, ordentlichen Handschrift, die wohl Arthur Jones gehören musste. Vermutlich hatte der Minister nicht riskieren wollen, dass das Dokument irgendwo Zwischengespeichert wurde. Aaren fragte sich nebenbei, wann er überhaupt das letzte Mal etwas von Hand geschriebenes gelesen

hatte. ,,Was steht drin ?“ , fragte Mia mit einem Anflug von Neugier. ,,Jack, Aaren, ich hoffe sie haben es beide geschafft. Wenn sie das lesen, bin ich vermutlich bereits tot.“ Aaren konnte nicht anders, als sich Jones vorzustellen, der seelenruhig wie immer in seinem Büro hoch über den Straßen saß… und das schrieb, was wohl sein letztes Testament werden sollte. Irgendwie würde das passen. Er hatte den Mann nie anders gekannt. ,,Ich habe eine simple Wahrheit zu spät erkannt. Etwas, für das ich keine Vergebung erwarte. Das Elektorat, dem ich gedient habe, ist gestorben. Weder

weiß ich, wann das geschehen ist, noch wieso, aber es gibt nur eine einzige Heilung. Es muss Enden. Es hätte vielleicht schon vor Jahrzehnten enden müssen. Die Pfeiler, die das Elektorat tragen, sind morsch geworden. Unser Sinn für Gerechtigkeit wurde zur Selbstgerechtigkeit, unsere Eleganz zu Arroganz. Ein Symptom davon, kann ich von meinem Fenster aus sehen. Rauchsäulen über den Außenbezirken. Feuer. Offene Rebellion in den Straßen. Ich werde das Ende nicht mehr erleben, aber egal was geschieht, die Tage des Elektorats sind gezählt. Vielleicht werden die anderen Minister es noch ein paar Jahre

zusammenhalten können, vielleicht auch ein Jahrzehnt. Aber sie müssten blind sein, den Verfall zu übersehen. Doch ich fürchte, wenn es auf diesem Weg zugrunde geht, wird das Ende des Elektorats das sein, was für die Wölfe das letzte Mal vor dem Winter ist… Etwas gutes hat unsere Ordnung immer noch, auch wenn das keiner von ihnen glauben wird. Es gibt tausende von Welten, die ohne unsere gesicherten Handels und Verwaltungswege nicht existieren würden, Millionen, vielleicht Milliarden, an Leuten, die andernfalls verhungern würden. Geht das Elektorat unter, ohne, das etwas seinen Platz einnimmt, wird das Universum ein gutes

Stück finsterer werden. Beenden sie es, bevor es dazu kommt. Ich weiß, dass sie einen Weg finden werden. Ordnung und Licht. Auf das diese Worte erneut eine echte Bedeutung bekommen. Arthur“ ,,Glauben sie, er hat Recht ?“ , fragte Mia, während der Arzt mit mehreren kleinen Tablettenfläschchen , einigen Tinkturen und Wattestückchen und einem Handscanner zurückkehrte. ,,Ich wünschte, ich könnte sagen, nein.“ , meinte Aaren nach einer Weile, während er auf eine Geste des Arztes hin Aufstand. Der Mann hielt den Scanner vor sich, der einen Moment ein

Suchraster auf Aarens Körper projizierte. ,, Sagen sie, sind sie durch ein gläsernes Nadelkissen gelaufen ?“ , fragte Wernher entsetzt, als er auf die Anzeige sah. ,,So was in der Art.“ ,,Ich kann ihre Blutungen Stillen und die tieferen Verletzungen mit Polymer-Hautersatz versiegeln, aber eigentlich müsste man sie örtlich betäuben und erst einmal die ganzen Splitter rausholen…“ ,,Desto kürzer ich an einem Ort bleibe, umso unwahrscheinlicher, das mich jemand findet.“ , antwortete Aaren. Er würde damit leben können und, das war das wichtigste, nicht mehr allzu sehr

auffallen. ,,Wenn irgendetwas knirscht, sind sie das also nur, ja ?“ ,,Wenn das ein Witz sein sollte, Mia, tuen sie mir einen gefallen.“ , erwiderte Aaren grinsend. ,, Und zwar ?“ Die Kommissarin lächelte zum ersten Mal, seit er ihr begegnet war. Ein schwaches Zucken der Mundwinkel, aber doch da. Dafür, dass sie erst seit ein paar Stunden ohne Mentalblocker war, war das beinahe schon beeindruckend. ,,Üben sie noch etwas. Sie haben ein paar Jahre

nachzuholen.“

Kapitel 7 Wiedergefunden


,,Aaren…“ Mia nickte in Richtung der Fabrikhalle auf der anderen Straßenseite. Das gewaltige Loch, das in der Außenwand des Gebäudes klaffte, war auch auf die Entfernung nicht zu übersehen. Den Rest der Halle jedoch umstellte eine dichte Barrikade aus gepanzerten Fahrzeugen und Polizeiwagen. Dutzende wenn nicht mehr Sicherheitsmänner patrouillierten um das gesamte Gelände, von dem eine ,schon von weitem sichtbare, Rauchwolke aufstieg. Der Asphalt war, soweit Aaren das sagen konnte, auf der gesamten

Länge der Straße aufgerissen worden, einzelne Trümmerstücke und Metallsplitter hatte die schiere Wucht des Aufpralls zentimetertief in Hauswände und Laternenpfosten getrieben. Das musste die Stelle sein, an der das Shuttle mit Jack und Sonea an Bord abgestürzt war, dachte er, mit einem besorgten Blick in Richtung der Ulanen und Polizisten. Für ihn und Mia schien sich glücklicherweise in dem ganzen durcheinander niemand zu interessieren. Die Männer waren viel zu beschäftigt damit, Schäden zu dokumentieren und Wrackteile zu bergen, welche die Vermutung des Kommissars endgültig

bestätigten. ,, Das sind zu viele.“ , stellte Mia fest. ,, Keine Sorge. Wenn sie Jack hätten, würden sie sich kaum die Mühe machen, alle Spuren zu sichern.“ , meinte Aaren, klang dabei aber zuversichtlicher als er sich fühlte. ,, Gehen wir, bevor uns jemand bemerkt.“ Die Kommissarin nickte. Länger als nötig wollte sie sich nicht so nahe an einer ganzen Hundertschaft Sicherheitskräfte aufhalten. Zumindest jetzt nicht mehr. Sie setzten sich die Straße hinab in Bewegung, weg von der halb zerstörten Fabrik und weiter in die Außenbezirke. Damit wussten sie zumindest, wo Aarens Freunde nicht

waren, aber wie sie sie jemals finden sollten, war ihr ein Rätsel. Sie waren von der Innenstadt aus einfach der Rauchsäule und den Sirenen gefolgt, die sie schließlich zur Absturzstelle führten, waren aber nicht einmal auf die Idee einer Spur gestoßen. Hier lebten Millionen von Menschen, wie sollten sie da zwei Personen finden, selbst wenn eine davon ein getarntes… Irgendwas war? Sie wusste nach wie vor nicht, ob Aaren nicht bloß auf eine sehr fantasievolle Art den Verstand verloren hatte. Etwas, das durchaus vorkam, wenn ein Kommissar seine Mentalblocker absetzte. Und wenn sie verrückt war ? Was genau machte sie hier

eigentlich? Aaren tauchte durch eine Lücke in einem Bretterzaun, der zu einer verlassenen Baustelle gehörte und Mia folgte ihm. ,, Wohin gehen wir jetzt ?“ , wollte sie wissen, sobald sie von der Straße runter waren. Was immer hier einmal entstehen sollte, es war offenbar schon vor einiger Zeit aufgegeben worden. ,, Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.“ , gab der Kommissar zu. ,, Ich hatte gehofft, wenn wir die anderen finden… Das wir einen Weg finden würden. Aber wenn nicht… „ Er zuckte mit den Schultern. Ja was ? Vämskä würde ihn auslachen, wenn er ihn so sehen könnte. Eine einzige Rakete hatte alles zu Nichte

gemacht. Sie waren zwei gesuchte Kommissare, denen man mit dem Justizminister auch die letzte Anlaufstelle auf diesem Planeten genommen hatte. Und Kommissare hatten keine Verbündeten. Mal von anderen Kommissaren abgesehen. Er ließ sich auf einem langsam verrostenden Generator nieder, um den bereits Unkraut und Gräser aus der Erde sprossen. ,,Verraten sie mir eines,“ , begann er schließlich. ,, Sie wussten, dass der Arzt die Rebellen mit Medikamenten versorgt. Und offenbar schon lange… Aber sie haben ihn bis heute nicht gemeldet, warum?“ Mia konnte nicht sofort antworten. Die

Wahrheit war wohl, dass sie es selber nicht hätte begründen können. Zumindest nicht vor ein paar Stunden. ,,Medikamente sind keine Waffen.“ , meinte sie schließlich. ,, Das tötet niemanden, im Gegenteil, es rettet vielleicht wenigstens ein paar Leben. Wie könnte so etwas Ungerecht sein?“ Der Kommissar kam nicht mehr dazu, zu antworten. ,, Aaren ?“ Er drehte den Kopf, als er die Stimme hörte und sah grade noch, wie eines der Bretter im Zaun bei Seite geschoben wurde. ,, Und ich dachte schon, wir hätten sie verloren.“ , meinte Jack

Walt. Nachdem sie sich in der gesamten Umgebung umgehört und gesehen hatten, ohne irgendetwas über Aaren in Erfahrung zu bringen, hatte Jack beschlossen, zur Baustelle zurück zu kehren. Es war alles andere als ein gutes Versteck, aber im Augenblick das einzige, das sie hatten. Vielleicht könnten sie auch zu seiner Wohnung, aber auf der einen Seite wollte er mit Sonea nicht durch die ganze Stadt laufen und auf der anderen…. Auf der anderen wollte er genauso herausfinden, was aus dem Kommissar geworden war. Und er hatte auf ihrem Weg durch die Stadt eine

beunruhigende Entdeckung gemacht, die er jetzt in Form eines zerknäulten Stück Papiers mit sich herumtrug. Sonea wiederum schien es ohnehin nicht besonders zu gehen. Er war das Risiko eingegangen und hatte mit dem wenigen Geld, das er bei sich trug, eine Flasche Wasser gekauft, aber das war natürlich bei weitem nicht genug. Es war eine absolut haarsträubende Idee gewesen, sie mitzunehmen, aber Aaren hatte ja darauf… ,, Aaren ?“ Er hatte grade eine Planke im Zaun gelöst um hindurch zu schlüpfen, als er zwei Gestalten bemerkte. Die erste schien eine Frau mit hageren Zügen und dunklen Haaren.

Eine Frau, die das Emblem eines Kommissars trug. Sein erster Gedanke war, sich sofort wieder zurückzuziehen und er bedeutete Sonea bereits zu warten, als diese jedoch bereits an ihm vorbei trat. Und dann erkannte er die zweite Gestalt. ,, Und ich dachte schon, wir hätten sie verloren…“ Der Kommissar drehte den Kopf in ihre Richtung und nach dem ersten Moment der Verwirrung huschte ein Lächeln über sein Gesicht. ,, Jack… Sonea. Ehrlich gesagt, ich habe das gleiche gedacht, was euch angeht… ich…“ Bevor er weitersprechen konnte, war Sonea auch schon bei ihm. Einen Moment standen der Kommissar und das

Wesen nur gegenüber, dann schlang sie ihm plötzlich einen Arm um den Hals. Bei jedem anderen hätte das vermutlich bedeutet, dass er nur noch wenige Augenblicke zu Leben hatte, dachte Jack bei sich. Aaren jedoch lachte nur, scheinbar betreten, als sie ihn wieder los ließ. Eine seltsame Geste für Sonea, die sonst scheinbar jeden Körperkontakt zu vermeiden schien. Jack wendete sich derweil an die ihm unbekannte Kommissarin. ,, Noch einer von euch hat mir wirklich gefehlt. Ich bin schon mit dem einen überfordert.“ ,, Mia.“ , stellte sie sich auf die Bemerkung vor. Das also war der Mann, dem Jones sein ganzes Vertrauen

geschenkt hatte? Ihm und Aaren…. Und ihr wohl auch. ,, Hi. Jack Walt. Und da wir noch nicht tot sind und Aaren mir sicher gleich erklären wird, was ihr hier tut, vermute ich mal, muss ich mir wegen euch keine Sorgen machen ?“ ,,Müsst ihr nicht.“ , antwortete der Kommissar bereits, bevor Mia zu einer Erwiderung ansetzen konnte. Sie kannte ihn jetzt kaum zwei Minuten und schon ging ihr der Mann auf den Geist. Oder vielleicht waren auch die fehlenden Mentalblocker schuld. ,, Und ich sollte nach euch suchen.“ , fügte sie hinzu.,, Jones ist tot.“ ,, So viel also dazu, meine Leute

freizubekommen… Verflucht. Was machen wir jetzt? Wir kommen ja nicht mal auf hundert Meter an den Regierungsbezirk ran, Aaren.“ Der Kommissar nickte. ,, Ich weiß, ich habe die Schilde gesehen. Und die Kontrollen. Die ganze Stadt geht langsam zur Hölle, Jack.“ Er seufzte. ,, Wir hätten vielleicht nicht zurück kommen sollen.“ Mia sah derweil zu Sonea. Im ersten Moment hatte sie die Gestalt für eine junge Frau gehalten, doch nun, aus der Nähe offenbarte sich, dass das, was da vor ihr stand nicht ganz menschlich sein konnte. Zwei mit goldenen Pigmenten durchsetzter Augen schimmerte unter der

Kapuze eines einfachen Pullovers hervor. Augen, in denen sich Emotionen wie Gedanken einfach widerzuspiegeln schienen, ohne das Mia hätte sagen können, woran genau es lag. Das Wesen blickte ohne Scheu zurück, während die Kommissarin es musterte und schlug die Kapuze mit einer Handbewegung zurück. Dabei rutschte auch der Ärmel des Kleidungsstücks etwas beiseite und offenbarte zwei kurze Knochendornen. ,, Ist das….“ , begann sie. ,, Lange Geschichte.“ , antwortete Aaren, worauf Sonea kurz zu nicken schien. Sie verstand sie doch nicht etwa wirklich, oder? Mia zwang sich, sich

Jack zuzuwenden, bevor sie zu lange darüber nachdenken konnte. Was Aaren ihr bisher erzählt hatte, hatte sie zwar ein wenig darauf vorbereitet, aber heimlich hatte sie einen Teil davon immer noch für das Geschwätz eines halb irren Abtrünnigen gehalten. ,, Ich sollte nach ihnen suchen.“ Jack hob eine Augenbraue, eine Geste, die wohl komisch gewirkt hätte, wäre seine Hand dabei nicht zum Griff der Energieklinge an seiner Hüfte gewandert. Das Schwert wurde zwar größtenteils von einem halblangen Mantel verborgen, aber Mia entging die Bewegung trotzdem nicht. ,, Jones hatte…. Eine letzte Nachricht

für sie. Ihre Freunde wurden offenbar von den Orbitalstationen ins Ministerium verlegt. Warum… weiß ich jedoch nicht.“ ,,Verflucht…“ Jack ließ zwar die Waffe los, dafür trat er nun jedoch mit aller Macht gegen das Generatorgehäuse, auf dem Aaren zuvor gesessen hatte. Das rostige Metall wellte sich unter der Wucht des Aufpralls. ,, Da kommen wir nie an sie ran…“ ,, Mia, die Schlüsselkarte…“ Jack sah auf. ,, Schlüsselkarte ?“ ,, Jones hat mir eine…. seine Zugangskarte gegeben.“ , erklärte die Kommissarin. ,, Ich denke, damit sollten wir beinahe jede gesicherte Tür in dieser

Stadt öffnen können.“ ,, Davon kommen wir aber immer noch nicht an die entsprechende Tür ran.“ , gab Jack zu bedenken. ,, Wir werden alle gesucht, wenn einer von uns auch nur die ersten Stufe zum Justizministerium hinaufgeht, ist er sofort erledigt. Mal von den Schilden ganz abgesehen. Und ich fürchte wir haben noch ein ganz anderes Problem…“ Er zog ein zerknittertes Blatt Papier ausseiner Tasche und strich es glatt, während die anderen neugierig näher traten. Es war ein Plakat, wie Aaren feststellte, das Jack offenbar irgendwo von einer Wand gerissen hatte. Es zeigte die

Ministeriumsgebäude und davor abgebildet jeweils den zugehörigen Minister. Mit Ausnahme jener, die es nun nicht mehr gab, natürlich. Das alleine war jedoch nicht, was ihm Sorgen bereitete. Vor dem Justizministerium stand nicht etwa Arthur Jones, oder einfach niemand, sondern eine Gestalt, die sie beide nur zu gut kannten. Spindeldürr, hochgewachsen und mit einem kaum wahrnehmbaren, selbstsicheren Grinsen auf den Lippen. ,, Abundius…“ ,, Sie erkennen ihn also auch wieder.“ , stellte Jack fest. Aaren nickte. ,, Er sieht ein wenig anders aus, als auf Liurie. Aber er ist es.

Oder unser Freund hat einen verflucht guten Doppelgänger.“ ,, Würde sie das ernsthaft wundern ?“ ,, Eigentlich nicht. Ich glaube was Abundius angeht wundert mich nur noch wenig. Aber… was bringt es ihm bitte, zu einem Minister zu werden?“ ,,Abundius ?“ , mischte sich Mia ein. ,, Der Mann der sie auf Liurie begleitet hat ?“ ,, Genau der.“ , antwortete der Kommissar. ,, Sie haben mir offenbar zugehört.“ ,, Das ist…“ , setzte sie an. ,, Verrückt.“ , beendete eine vierte Stimme den Satz für sie. Sonea war ebenfalls näher gekommen und

betrachtete das Plakat. ,, Sie kann also auch noch sprechen , ja ? Noch etwas, das ich wissen sollte.“ Mia stützte einen Moment den Kopf in die Hände. ,, Also, wir sind keinen Schritt weiter gekommen. Was machen wir jetzt?“ ,, Fürs erste sollten wir vielleicht weg von der Straße.“ , meinte Jack. ,, Das hier ist nicht grade das sicherste Versteck.“ ,, Kennen sie den einen Ort, an den wir gehen könnten ?“ ,,Ich wollte meine alte Wohnung vorschlagen.“ , erklärte er. ,, Das Elektorat hat dort mittlerweile sicher alles durchsucht, aber ich habe noch

einen Schlüssel. Das dürfte so ziemlich der letzte Ort sein, an dem sie uns vermuten.“ Mia schüttelte den Kopf. ,, Weil wir dafür auch unglaublich dämlich sein müssten.“ ,, Genau deshalb wird es ja funktionieren.“ ,, Also gut.“ , gab die Kommissarin sich geschlagen. ,, Und dann ?“ ,, Dann brauchen wir einen Plan. Ich hatte gehofft, dass wir vielleicht die verbliebenen Rebellen organisieren können, aber ich fürchte, das, was die Ulanen davon übrig gelassen haben, ist kaum der Rede wert. Gehen wir…“ Jack setzte sich über die verlassene Baustelle

in Bewegung. Mia folgte ihm mit einem Schulterzucken. Irre, alle beide dachte sie bei sich. Aber vielleicht war das auch, was sie brauchten. Zurück blieben nur Aaren und Sonea. ,, Ich denke, so hatte ich mir meine Rückkehr zur Erde wirklich nicht vorgestellt.“ , erklärte er in die plötzliche Stille hinein, während die anderen bereits durch eine Lücke im Zaun verschwanden. Sonea gab einen glucksenden, an ein Lachen erinnernden Laut von sich. ,, Du dir deine erste Reise hierher auch nicht, ich weiß.“ Er streckte ihr eine Hand hin und nach einem kurzen Moment des Zögerns legte sie schließlich ihre

hinein. Normalerweise war die Berührung für Aaren immer mit einer gewissen Kälte verbunden, diesmal jedoch fühlte sich ihre Haut ungewohnt warm an… und trocken.

Kapitel 8 Sicherheit


 Sie kamen nicht weit, bevor sie die Realität, die nun diesen Planeten beherrschte, erneut einholte. Jacks Wohnung befand sich in einen der üblichen Wohnviertel, auf halbem Weg zwischen den unruhigen Außenbezirken und dem immer mehr zu einer Festung ausgebauten Regierungssitz. Da keiner von ihnen es riskieren wollte, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen und entweder beim Kartenkauf oder beim Schwarzfahren erwischt zu werden, gingen sie zu Fuß. Eine Entscheidung, die sie zum Glück nicht alleine trafen

und so in der Masse der Leute relativ ungesehen bleiben konnten. Das hieß, bis zum Zwischenfall. Aaren und die anderen hatten grade eine Brücke überquert, die über eine Schnellstraße hinweg führte, als vor ihnen plötzlich Rufe laut wurden. Die Brücke mündete auf einem Platz, der von Hochhäusern fast vollständig eingeschlossen wurde. Die gläsernen Fassaden spiegelten das Licht der Abendsonne wieder, die sich nun langsam zu senken begann. Auf der Freifläche vor den Gebäuden hatten sich mindestens ein, wenn nicht zweitausend Menschen versammelt. Genug jedenfalls, dass sie nicht einfach vorbei gehen

konnten. Aaren gab den anderen ein Zeichen, so dass sie am Rand der Menge stehen blieben. ,, Sieht aus, als hätte es noch nicht alle jeglichen Protest aufgegeben.“ , meinte Jack während er den Blick über die Menge schweifen ließ. Diese hatte mittlerweile damit begonnen, einen einzigen Satz zu skandieren. ,, Nicht sicher ! Nicht sicher !“ Eine zu einem Chor geratene Anklage, die sie in Richtung des Regierungsbezirks schmetterten. Wo ihre Worte freilich auf taube Ohren stoßen würden. Bereits jetzt zeigten sich ersten Sicherheitskräfte, die

über eine Straßenabzweigung auf den Platz strömten. Zuerst wich niemand vor den Männern in Sturmausrüstung zurück und auch das Auftauchen mehrere Ulanen schien noch kaum jemanden zu beunruhigen. Dann schlugen die ersten zu. Schlagstöcke prallten auf Knochen. Innerhalb von Augenblicken schwang die Stimmung um. Wo eben noch eine gespannte, aber wenigstens friedliche Atmosphäre geherrscht hatte, flogen plötzlich Steine, die freilich wirkungslos an den Panzerungen von Polizei wie Ulanen abprallten. Irgendwo löste sich ein erster Schuss. Die ersten Leute gerieten in Panik und versuchten, über die wenigen Straßen vom Platz zu

entkommen. Dort jedoch erwarteten sie nur noch mehr Ulanen, die dieses Mal nicht mehr zögerten, entweder weil keine normalen Menschen unter ihnen waren, um sie zurück zu halten, oder weil der Befehl von vornherein stand. Aaren sah weg, sobald die ersten auf die Menge anlegten. Unter ihren Helmen konnte er die Gesichter der Männer nicht sehen, aber er wusste durchaus, was sich darunter verbarg. Vollkommen Ausdruckslose Minen, ohne einen Gedanken dahinter. Aaren schüttelte das Bild ab. Das Geräusch des Gewehrfeuers und die Schreie jedoch, konnte er nicht ausblenden. Als er es wagte, wieder hinzusehen,

stellte er fest, dass viele der normalen Soldaten und Polizisten sich ebenso weggedreht hatten wie er, während die Ulanen taten, zu was sie geschaffen worden waren. Diese… Dinger waren keine Menschen mehr. Und das schlimmste war, dachte Aaren, er könnte sie dafür nicht einmal hassen. Für sie war das was sie taten völlig bedeutungslos… So bedeutungslos wie Schmerz oder Trauer oder irgendetwas anderes neben ihren simplen, stumpfen Befehlen… Aaren musste sich ermahnen, bei den anderen zu bleiben und nicht selber auf den Platz hinaus zu gehen. Es würde nichts bringen, außer, dass er mit ihnen

sterben würde ohne das Geringste zu erreichen. Aber wie sollte man gegen so eine zielstrebige Gewalt überhaupt ankämpfen? Die Köpfe hinter allem saßen in ihren Festungen. Und die Leute hier draußen waren alleine zu schwach um zu kämpfen. Noch zumindest. Er wusste nicht, ob er sich damit nicht bloß einer falschen Hoffnung hingab. Aber diese Leute hier waren nicht die Asche einer gescheiterten Revolution. Sie waren die Glut. Und Glut konnte man zu einem Feuer anheizen. ,,Gehen wir.“ , meinte er schließlich nur, während einige Flüchtige an den vier Vorbeliefen , um über die Brücke zu entkommen. ,, Suchen wir uns einen

anderen Weg…“ Der Platz war mittlerweile wie leer gefegt, doch noch immer hallte das Geräusch von Schüssen aus den umliegenden Gassen. Aaren wollte nur noch weg. Götter, warum waren sie hergekommen? Jack führte sie wortlos eine kurze Treppe hinab, die zu einem Bürgersteig an der Straße führte. Der Weg wäre länger, aber im Augenblick war ihm alles recht, wenn sie nur in Bewegung blieben. Nichts hatte sich seit seiner Abreise verändert, dachte er. Vielleicht war es sogar eher schlimmer geworden. Ohnmächtige Wut loderte in ihm auf, während er seine Schritte beschleunigte.

Warum das alles ? Weil Abundius im entscheidenden Moment gezögert hatte. Die ersten Proteste hatten das Elektorat noch überrascht. Aber die gut geölte Maschinerie der Ministerien reagierte schnell. Wenn diese Leute von Anfang an jemand organisiert hätte, hätten sie eine Chance gehabt. So aber konnte das Elektorat die Situation unter Kontrolle halten. Noch. Auf Liurie hatte es nur einen kleinen Anstoß gebraucht. Aber wie sollte der hier aussehen? Die Minister zu töten, wäre ein Zeichen, aber an die kam er genau so wenig heran, wie an seine nach wie vor Gefangenen Kollegen. Falk, die Lighten-Brüder… Vermutlich wussten sie nicht

einmal, dass er noch lebte. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte, sie saßen in einer Sackgasse. Vor ihnen kamen jetzt mehrere große Wohnblock in Sicht, graue Kästen, die zwanzig oder mehr Stockwerke über die Straßen der Stadt hinausragten und den meisten Bewohnern wenn schon keine schöne Wohnung , so wenigstens doch eine die sie sich leisten konnten boten. Und irgendwo dort befand sich auch seine eigene. Er konnte nur hoffen, dass das Elektorat die Schlösser nicht ausgewechselt hatte. Und sobald er dorthin kam, würde er alles auf den Kopf stellen, um sicherzugehen, dass niemand die Räume verkabelt hatte. Das

würde ihnen grade noch fehlen. Mia versuchte derweil krampfhaft eine möglichst ausdruckslose Mine zu bewahren, aber das Geräusch der Schüsse klang immer noch in ihren Ohren nach. Sie hatte genau das gleiche Schauspiel doch schon einige Male beobachten können. Ein paar hundert Bürger, die es schafften, sich irgendwie zu organisieren, nur um bereits wenige Augenblicke später zerschmettert zu werden. Wenn das Elektorat in einem gut war, dann wenigstens den Anschein von Ordnung zu wahren, selbst in Zeiten wie diesen. Und sie hatte dazu beigetragen, nicht? Die Kommissare mochten langsam aber sicher immer mehr aus dem

Stadtbild verschwinden, ersetzt durch Ulanen und Militär, doch noch waren sie das bekannteste und vielleicht auch noch immer gefürchtetste Instrument des Elektorats. Eine Institution, die sie nun zum ersten Mal demaskiert erlebte. Oder vielleicht stimmte das nicht ganz. Sie hatte es zum ersten Mal als Mensch gesehen, nicht als Kommissar. Das war ein unterschied, dachte Mia. Einer, der ihr vielleicht noch nicht ganz klar war, aber sie konnte ihn spüren. Hilfloses Entsetzen über die Leichtfertigkeit, mit der die Minister das Leben ihrer eigenen Bevölkerung auslöschten… Sie warf einen Blick zu Aaren. Hatte er das gleiche durchgemacht? , fragte die

Kommissarin sich. Jedenfalls war das nicht der Mann, über den sich manche der anderen unterhalten hatte. Aaren Terrel war eine eigene Legende unter den Kommissaren gewesen. Gnadenlos, effizient und kalt. Etwas davon schien er sich bewahrt zu haben, zumindest glaubte Mia das manchmal. Aber es war bei weitem der geringste Teil, der diesen Mann jetzt auszumachen schien. ,, Wie weit ist es noch ?“ , fragte er. ,, Wir haben es gleich geschafft.“ , antwortete Jack. Er versuchte aufmunternd zu klingen, aber die Worte hinterließen für ihn selbst nur einen bitteren Beigeschmack. Sie ja. Der Großteil der Leute von vorhin nicht.

Eilig überquerte er in einem günstigen Moment die Straße, nach wie vor die anderen im Schlepptau und hielt auf eine der grauen Wohnbauten zu. Es begann bereits wieder dunkel zu werden und es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Ausgangssperren in Kraft treten würden. Ab Sonnenuntergang gehörten die Straßen jetzt allein dem Militär… und den verstreuten Rebellengruppen, die sich ihnen noch entgegen stellten. Viele würden die Säuberungen der letzten Zeit nicht Überstanden haben. Jack hielt vor der Tür des Hochhauses inne. Etwas jedenfalls hatte sich auch hier geändert. Normalerweise war

zumindest das Treppenhaus des Gebäudes nicht verschlossen. Jetzt jedoch, befand sich neben der Tür ein Scanner, wohl als Reaktion auf die Unruhen. Niemand wollte, das sich flüchtige Aufständische zufällig hierher verirrten. Etwas, das das Militär und grade die Ulanen zum Anlass nehmen konnten, einfach den ganzen Block zu verhaften. Und wer Wiederstand leistete, würde erst gar keinen Prozess mehr bekommen. Jack hatte die Nachrichten während seiner Zeit auf Liurie verfolgt. Es jetzt jedoch zu sehen… Es war wieder wie an dem Abend, an dem er und seine Leute von Abundius hintergangen worden waren. Unglaube ,

Angespanntheit… ,, Was ist los ?“ , fragte Aaren. Jack deutete nur auf den Scanner. ,, Ich schätze, damit hat sich die Sache mit dem Versteck erledigt. Selbst wenn ich eine Zugangskarte hätte, in jeder Polizeistation in dieser Stadt würden vermutlich sofort sämtliche Sirenen anspringen…“ ,, Was ist mit Jones Karte ?“ , warf Mia ein. ,, Wenn ein gesuchter Rebell das Elektorat nicht aufschreckt, dann vielleicht ein toter Minister.“ Sie schüttelte den Kopf. ,, Ich bin mir sicher, dass er daran gedacht hat. Sonst würden wir damit auch nicht ins

Ministerium gelangen.“ ,, Was wir ohnehin nicht tun…“ Jack seufzte. ,, Also schön, versuchen sie es. Wir merken vermutlich ziemlich schnell, ob es funktioniert. Und ich halte es nicht für eine gute Idee. Aaren… tuen sie mir einen gefallen und halten sie ein Auge auf die Straße, während wir unser Glück versuchen?“ Der Kommissar nickte, bevor er die beiden am Hauseingang zurück ließ. Sonea folgte ihm in einigem Abstand, den Blick auf die Hochbauten gerichtet, die im fernen Herzen der Stadt dicht an dicht standen. Wie mahnende Finger. Oder monumentale Grabsteine. Tausende Lichter erzeugten einen

orangefarbenen Schimmer um und über ihnen, der bis zu den Wolken herauf reichte, so das man beinahe meinen konnte, eine zweite, sehr viel schwächer leuchtende Sonne hätte den Platz der ersten eingenommen, die vor einigen Minuten am Horizont versunken war. ,, Es hat seinen eigenen Charme, oder ?“ , fragte Aaren, während er sich am Bordstein niederließ. Da bisher noch keine Sirenen durch die Nacht heulten und die Straßen leer waren, glaubte er nicht, das sie sich in Gefahr befanden. Trotzdem war er sich des Gewichts der zwei Waffen die er trug mehr als Bewusst.. ,, Ich bin hier aufgewachsen. Das war natürlich vor all dem.

Irgendwann gewöhnt man sich sogar an den Lärm, keine Sorge.“ Das Wesen setzte sich zu ihm. Er konnte Sonea ansehen, das sie ihm nicht glaubte. Und vielleicht war ihr erster Eindruck von dieser Welt auch nicht grade der beste. Er wäre ja selber nicht hier, wenn es nicht absolut nötig wäre. Liurie war ein kleiner Sieg gewesen. Und es wäre ein kurzlebiger, sobald das Elektorat davon Wind bekäme. Keiner der Minister würde zulassen, dass eine abtrünnige Welt lange Bestand hatte, schon gar nicht in Zeiten wie diesen. Eine einzelne Kolonie konnte sich nicht gegen tausende Welten stellen. Und Aaren kannte die Methoden des

Elektorats wenn es sich bedroht sah nur zu gut. Dazu hatte es die niedergeschossenen Demonstranten nicht gebraucht. Sonea schüttelte lediglich den Kopf, als hätte sie seine Gedanken so leicht erraten, wie er manchmal ihre. Für sie war das alles sicher nicht verständlich. Für ihn ja auch nicht, wenn er ehrlich war. ,, Diese Welt ist verrückt geworden.“ , gab Aaren ihr recht. ,, Ich glaube Callahan wollte genau darauf hinaus. Ein Schiff ohne Steuermann… Oder vielleicht besser, mit einem Betrunkenen. Und ich habe immer noch keine Ahnung, wie wir das alleine

ändern sollen. Wir haben nichts, Sonea.“ Natürlich gab sie keine Antwort, aber für einen kurzen Moment huschte der Anflug eines Lächelns über ihr Gesicht, als wüsste sie etwas, das er nicht wusste… oder schlicht übersah. Vielleicht täuschte er sich da auch nur. Ein Lächeln könnte alles Mögliche für Sonea bedeuten. Bevor er jedoch weiter darüber nachdenken konnte, hallte plötzlich ein Schuss durch die Nacht. Aaren war sofort auf den Beinen, eine Hand am Griff der Pistole. Mia stand derweil immer noch vor dem Türscanner, diesmal jedoch die Waffe in der Hand. ,, Die Tür ist offen.“ , meinte Jack ungehalten. ,, Hoffentlich hat das

niemand gehört…“ ,, Sie waren dagegen, die Karte zu verwenden.“ , erinnerte die Kommissarin ihn. ,, Als ob mir einer von eurer Sorte nicht wirklich gereicht hätte… Wenigstens sind wir hier in Sicherheit.“

Kapitel 9 Unerwarteter Besuch

Jack dämpfte das Licht, während die anderen an ihm vorbei in die Wohnung traten. Nichts hatte sich verändert und er war nicht lange genug weg gewesen, das sich viel Staub angesammelt hätte. Alles war noch genau da, wo er es zurück gelassen hatte. Offenbar hatte das Elektorat es doch nicht für nötig befunden, die Wohnung auf den Kopf zu stellen. Wozu auch ? Ihr Urteil über ihn hatten sie zu dem Zeitpunkt längst gefällt gehabt. ,, Es ist nicht viel.“ , erklärte er, als er Aaren , Mia und Sonea schließlich ins Wohnzimmer

folgte. ,, Aber Zuhause ist nun mal Zuhause, wie immer das auch aussehen mag. Allerdings… ich hätte schon vor einer ganzen Weile mal wieder aufräumen müssen.“ Leere Pizzakartons und Verpackungen lagen aufgestapelt neben einem abgewetzten Sofa. Auch genau da, wo er es zurück gelassen hatte. ,, Bei mir sieht es vermutlich schlimmer aus.“ , meinte Aaren mit einem kurzen Grinsen. ,, Sie haben eine Wohnung auf der Erde ?“ , fragte Jack überrascht, während er sich auf das Sofa fallen ließ. Er wusste nicht mehr, wann er überhaupt das letzte Mal gesessen hatte. Vermutlich war das

noch in einer Gefängniszelle auf Liurie gewesen. Und damit mehr als 48 Stunden her. Das Lächeln auf Aarens Gesicht verlosch derweil nd machte wieder der kühlen, beherrschten Mine eines Kommissars Platz. ,, Ich war seit fünf Jahren nicht mehr dort.“ , erklärte er, während er ans Fenster trat. Irgendwo in der Nähe raste ein Wagen mit Blaulicht durch die Straßen und verfärbte das Halbdunkel zu einem Muster aus rot und Blautönen. Normalerweise hätte ihn der Anblick unruhig gemacht, aber wenn das Elektorat wüsste, dass sie hier wären, hätten sie das schon mitbekommen. Der

Streifenwagen verschwand irgendwo in der Nacht, die sich endgültig über die Stadt gelegt hatte. Aaren wollte sich grade wieder abwenden, als ihm etwas auffiel. Auf der Fensterbank lag ein Buch. Er kannte den Titel. ,, Ordnung und Licht.“ , murmelte er, als er den Band in die Hand nahm und sich wieder zu den anderen umdrehte. ,, Woher haben sie das ?“ ,, Soll das ein Verhör werden ?“ , fragte Jack, der inzwischen wieder aufgestanden und in der Küche verschwunden war. ,, Ich habe es von Abundius. Bin nie dazu gekommen, es vollständig zu lesen. Aber nach allem, was der Mann getan hat, habe ich das

auch nicht mehr vor. Und wirklich in Schwierigkeiten bringen kann es mich auch nicht mehr. Das Elektorat jagt mich längst wegen ganz anderer Dinge, als Schriften von der Liste unerwünschter Bücher.“ ,, Sie haben es nie offiziell zensiert.“ , warf Mia ein. ,,Nein, aber es hat durchaus seinen Grund, warum ich diese Liste auswendig gelernt habe.“ , antwortete Aaren. ,, Manchmal vergesse ich, was sie sind.“ , gab sie zu. ,, Sie verhalten sich nicht wie ein Kommissar. Meistens zumindest.“ ,, Nicht mehr, trifft es vielleicht eher.“ Sonea hatte derweil damit begonnen,

sich neugierig im Zimmer umzusehen. Von Schiffen und einigen Gängen auf dem Hive abgesehen, hatte sie wohl noch nie eine menschliche Behausung von innen gesehen. Aaren war sich nicht einmal sicher, ob sie mit dem Begriff etwas anfangen könnte. Sie tippte vorsichtig mit einem Finger gegen den Stoff der Couch, bevor sie sich, wie Jack zuvor, einfach darauf fallen ließ. Mit einem überraschten, aber scheinbar auch zufriedenen Ausdruck auf dem Gesicht, blieb sie einen Moment liegen. ,,Und sie ist wirklich…“ , setzte Mia an, während sie das Wesen beobachtete, das sich scheinbar schnell eingelebt

hatte. ,, Was ?“ ,, Intelligent ?“ Die Kommissarin flüsterte die Worte fasst. ,, Glauben sie mir, sie haben keine Ahnung wie Intelligent. Sie hat es einmal fertig gebracht, mir meine Waffen zu stehlen, ohne, dass ich es auch nur gemerkt hätte.“ ,, Nun, in dem Fall könnten sie sie fragen, was sie essen will. Hier herrscht ziemliche Leere.“ , schallte derweil Jacks Stimme aus der Küche. ,, Ich glaube Essen ist unsere geringste Sorge.“ , bemerkte Mia. ,, Ihr habt wirklich keinen Plan ?“ Aaren zuckte mit den Schultern. ,,

Hierher gelangen war Schritt eins. Schritt zwei… ist vermutlich noch schwieriger. Was auf dem Hive funktioniert hat, kann auch hier funktionieren, ich habe nur keine Ahnung, wie wir das anstellen sollen.“ ,, Einen Nachrichtenknoten kapern.“ , meinte Jack. ,, Wenn wir die Leute organisieren wollen, dann über die Medien. Das Problem ist, nach meinem letzten Versuch werden sie die Sicherheitsvorkehrungen ganz sicher verschärft haben.“ ,, Vielleicht kann einer von uns es Morgen wagen, sich eines der Gebäude näher anzusehen.“ , schlug Mia vor. ,, Wir werden alle gesucht, aber Aaren, sie

hält man sicher für Tod.“ ,,Vielleicht…“ Sonea stand derweil wieder von ihrem Platz auf. Als sie auf die Füße kam, schwankte das Wesen. Aaren war sofort da, erstarrte aber, als sie versuchte, das Gleichgewicht zu halten und ein Knochendorn eine Handbreit an seinem Gesicht vorbei jagte. Für einen Wimpernschlag bewegte sich niemand. Ein paar erschrocken aufgerissene goldene Augen starrten Aaren entgegen. ,, Alles in Ordnung.“ , meinte er beschwichtigend. ,, Wirklich…“ Er legte ihr vorsichtig eine Hand auf den Arm. Wie er schon zuvor festgestellt hatte, ihre Haut fühlte sich viel zu warm an.

Eigentlich hätten sie damit rechnen können. Hier gab es nicht überall Wasser wie auf Liurie… Sonea schien nicht überzeugt, richtete sich aber zumindest wieder ganz auf. ,, Haben sie Wasser da ?“ , fragte Aaren an Jack gerichtet, der wieder aus der Küche getreten war, wohl vor allem, um nach dem Rechten zu sehen, nachdem eben alle verstummt waren. ,, Für Sonea ?“ ,, Sie kann ja ein Bad nehmen.“ , meinte Mia sarkastisch. ,,Gar keine so schlechte Idee….“ , erwiderte Jack, während er auf eine Tür auf der anderen Raumseite deutete. ,,Das Bad ist da drüben. Ich weiß nicht ob ich

warmes Wasser habe, aber ich glaube, das macht für sie keinen Unterschied, oder?“ ,, Das meinen sie jetzt nicht ernst…“ ,, Doch durchaus. Aaren ?“ Der Kommissar nickte, bevor er Sonea bedeutete, mit ihm zu kommen. ,, Wie sind sie überhaupt auf die Idee gekommen… sie auf die Erde zu bringen ?“ , wollte Mia wissen, sobald sie sicher war, das sowohl Aaren als auch das Wesen von Liurie außer Hörweite waren. ,,Ihre Entscheidung.“ , gab Jack nur zurück. ,, Und Aarens wenn ich recht überlege. Verraten sie mir etwas?“ Er warf einen Blick auf die immer noch hell erleuchtete Stadt hinaus. Die

wenigsten Leute würden in diesen Zeiten früh schlaf finden. Was hier geschah betraf alle und wenn sich einige nur Gedanken machten, wie sie rechtzeitig vor der Ausgangssperre wieder nach Hause kamen. ,, Was ?“ , wollte Mia wissen. ,, Ich habe Aaren ehrlich gesagt nie gefragt, aber , wie ist das für einen Kommissar, wenn er seine Mentalblocker absetzt ? Ich habe gehört, ihre Reflexe lassen etwas nach?“ ,, Wenn das das Einzige wäre, glauben sie wirklich, es würde vielen so schwer fallen ? Es ist wie ein Schlag vor den Kopf, bei zu viel Promille. Das reinste Chaos. Können sie sich vorstellen, wie

es ist, wenn einem die eigenen Gedanken plötzlich in die Quere kommen?“ ,,Ehrlich gesagt, ja. Das passiert jedem ab und an mal.“ , meinte Jack. ,,Dann stellen sie sich vor, sie hätten ein Jahrzehnt ohne solche… Störungen gelebt. Mein Kopf ist plötzlich voll mit dummen Ideen, Zur Hölle, das hier alles ist vielleicht die dämlichste davon. Und trotzdem helfe ich ihnen. Weil es sich richtig anfühlt… „ Mia schüttelte den Kopf. ,, Das ist ein schlechter Witz, eine Kommissarin, die über Gefühle urteilt. Ich sollte Aaren fragen, wie er damit klarkommt.“ ,,Ich glaube, der hat es aufgegeben, dagegen anzukämpfen. Ich kannte vor

ihm nur einen anderen Kommissar. Einen Mann namens Falk.“ ,,Ich kenne den Namen. Einer der älteren Kommissare. Er… wurde vor knapp einer Woche verhaftet.“ ,, Er hat es auch irgendwie Überstanden. Wenn ihnen das hilft.“ ,, Ich warte nur auf den Moment, an dem ich einfach Wahnsinnig werde.“ , erklärte Mia lediglich, während sie begann , langsam auf und ab zu laufen. Es war zumindest Beschäftigung. Jack schaltete unterdessen einen schwarzen Bildschirm an der Wand gegenüber dem Sofa ein. Flackernd erschien das Bild eines Nachrichtensprechers, der, dank des

fehlenden Tons, stumm seine Meldungen verlas. Was der Mann sagte interessierte Jack auch nicht. Es wäre genau das, was man ihm vorgab. Aber die Bilder im Hintergrund erzählten ihre eigene Geschichte. Mehrmals tauchten erstaunlich gute Phantomzeichnungen von ihm selbst, Aaren oder Mia auf. Das Elektorat wusste genau, nach wem es zu suchen hatte. Und das hieß, dass ihre Chancen nicht grade größer wurden. ,, Würden sie mir auch verraten, wie sie eigentlich Kommissarin geworden sind ?“ , fragte er an Mia gerichtet. ,, Das ist… nicht grade eine Frage, die man jemanden wie mir stellen sollte. Jeder hat einen

Grund.“ ,, Ich glaube Falk hat mal etwas ähnliches gesagt. Also…“ Jack zögerte. Was konnte einen Menschen überhaupt dazu treiben, lieber sämtliche Emotionen auszublenden, als weiter damit zu leben. ,, Was war ihrer ? Das heißt, nur wenn sie es mir verraten wollen…“ ,, Mein erster Mord.“ Mia sackte an ihrem Platz am Fenster sichtbar in sich zusammen. ,, Oder… ich schätze nach dem Gesetzt ist es keiner gewesen. Notwehr… Das ändert aber wenig daran, was es für mich war. Wenn man einem anderen Menschen eine Glasscherbe in den Hals treibt, jemand, dem man zu sehr vertraut hat…“ Sie verstummte.

„Wie gesagt, jeder hat einen Grund.“ Jack wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Einen Moment sah er nur Betreten zu Boden und bereute es, überhaupt gefragt zu haben. Natürlich brauchte es einiges, um einen Menschen zu einem Kommissar zu machen. Hatte er irgendetwas anderes erwartet? So oder so. Es sollte ihn nicht wundern. Bevor er zu einer Entschuldigung ansetzen konnte, ließ ihn jedoch ein Geräusch aufschrecken. Etwas, das er definitiv nicht hätte hören dürfen…. Die Türklingel… Jack erstarrte wo er war, während Mia sich sofort am Fenster duckte, eine Hand am Waffengriff. Vielleicht hatte sich

jemand in der Tür geirrt, hoffte er. Oder jemand machte sich einen Spaß daraus, an allen Wohnungen im Gebäude zu klingeln. Jack ließ das Energieschwert lautlos aus der Magnetfassung gleiten, die es festhielt. Auf so engem Raum wäre die Klinge vielleicht sogar nützlicher als eine Feuerwaffe. ,, Was machen wir ?“ , flüsterte Mia. ,, Ruhig bleiben.“ , antwortete Jack. ,, Wenn das Elektorat wüsste, wo wir wären, würden sie sich sicher nicht die Mühe machen anzuklopfen. Vielleicht nur…“ Er konnte den Satz nicht beenden, bevor es ein zweites Mal klingelte. Verflucht. Offenbar würde der jemand da draußen nicht einfach

aufgeben wie es aussah. Jack stand auf und machte einen Schritt auf die Tür zu. Also gut. Wer immer da draußen war, musste sich schlicht geirrt haben, so einfach war das. Er würde die Tür einen Spalt breit öffnen und ihn dann wegschicken. Kein Grund, Paranoid zu werden. In der einen Hand das Schwert, streckte er die andere nach dem Türknauf aus und drehte daran. Die Tür sprang auf. Alle von Jacks Plänen und Befürchtungen waren in dem Moment wie weggespült, in dem er erkannte, wer davor stand. ,, Sie…“ Sein erster Impuls war, den Mann sofort zu töten. Darauf folgte jedoch bereits die Frage, welcher

Wahnsinn ihn getrieben hatte, hierher zu kommen. Oder woher er wusste, wo sie sich aufhielten… ,, Ich.“ , antwortete Abundius kühl. ,, Lassen sie mich jetzt rein, oder wollen sie mir noch lange im Weg stehen, Jack ?“ ,, Ich werde…“ , setzte er an, wurde dann jedoch leiser. ,, Ich werde sie umbringen, wenn sie mir keinen guten Grund geben, das nicht zu tun. Und zwar jetzt.“ ,, Wie wäre es damit.“ , meinte Abundius. ,, Sie leben noch und ihre Wohnung wird grade nicht von einer Einheit Ulanen gestürmt. Haben sie wirklich gedacht, niemand würde den

plötzlichen Ausfall eines Türscanners an ihrem Wohnhaus mit ihnen in Verbindung bringen? Sie haben Glück, das es mir vor allen anderen Ministern zugetragen wurde. Also lassen sie mich jetzt rein?“ Jack zögerte, doch dann trat er schließlich bei Seite. Was konnte es Schaden? Er könnte Abundius auch später noch aus dem Fenster werfen. Und immer noch hatte er nicht erklärt, was er überhaupt hier wollte. Mia richtete sofort die Waffe auf ihn, als sie Abundius ebenfalls erkannte. ,, Lewis…“ , Es klang mehr wie ein Knurren. ,, Was soll das, Jack ?“ ,, Ich habe keine Ahnung , Mia.“ ,

erklärte er, während er die Tür wieder hinter sich verriegelte. ,, Aber wenn er auch nur komisch schaut, haben sie meine ausdrückliche Erlaubnis, ihm ein drittes Auge zu verpassen. Also… was tun sie hier?“ Im gleichen Moment schwang auch die Tür zum Bat wieder auf Aaren trat heraus, aus irgendeinem Grund bis auf die Haut durchnässt. ,, Was ist hier los ?“ ,, Das versuchen wir grade herauszufinden.“

Kapitel 10 Sonea

Ein überraschter Ausdruck trat auf Soneas Gesicht, als sie einen Fuß in die Wanne hielt. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass das Wasser darin warm sein würde. ,,Vorsicht. Du verbrennst dich sonst noch.“ , meinte Aaren. Der Kommissar trug die Verkleidung des Wesens auf dem Arm. Wenn sie länger hier blieben und danach begann es immer mehr auszusehen, würde er sich wohl etwas anderes überlegen müssen. Aber für den Moment schien es, waren sie in

Sicherheit. Sonea ließ sich trotz Aarens Warnung mit Schwung ins Wasser gleiten. Eine kleine Welle schwappte über den Rand der Wanne und flutete über den Boden. Der Kommissar versuchte noch zurückzuspringen konnte aber nicht mehr verhindern, das seine Beine durchnässt wurden. ,, Großartig.“ Als Antwort erhielt Aaren nur ein mühsam unterdrücktes Lachen aus der Badewanne, das kurz darauf verstummte, als Sonea die Augen schloss und halb unter der Wasseroberfläche verschwand. ,, Na wenigstens einer von uns hat seinen Spaß.“ Er ließ sich mit dem

Rücken gegen die Emaille sinken. Viel nasser konnte er nicht mehr werden. Zum ersten Mal, seid ihrer Ankunft hier, war er nicht auf der Flucht. Das war immerhin etwas. Trotzdem hatte er nach wie vor keinen konkreten Plan, wie es jetzt weitergehen sollte. Aaren spürte, wie auch seine Augen zufallen wollten. Er war müde, immer noch weit davon entfernt wieder ganz auf den Beinen zu sein und wieder einmal in einer Sackgasse angekommen. ,, Wenn das nicht funktioniert, weiß ich nicht, ob einer von uns je nach Liurie zurückkehrt, Sonea. Wir werden wohl kaum einfach irgendwo ein Shuttle stehlen können.“ Und das hieß, das nicht

nur er und Jack hier festsaßen, sondern auch sie. ,, Tut mir leid. Ich hätte dich vermutlich nie herbringen dürfen.“ Eine Weile saß er einfach nur da, bis er über sich ein leises Plätschern hörte. Aaren sah auf und damit direkt in zwei golden schimmernde Augen. Langsam schüttelte sie den Kopf. Nein. Er hatte sie nicht hergebracht. Das war ihre Entscheidung gewesen. ,,Ich sollte mir weniger Sorgen machen, ja ? Ich werds versuchen“ , meinte Aaren und rechnete halb damit, dass das Gesicht über ihm gleich wieder verschwand. Sonea schüttelte wieder nur den Kopf. Aaren richtete sich halb auf und drehte sich zu ihr

herum. ,, Was dann ?“ , fragte er. ,, Sonea ?“ Statt einer Antwort legte sie eine Hand auf seine Rechte. Aaren ließ es geschehen. Den Blick halb zu Biden gerichtet, drehte sie seinen Arm sanft herum, strich dabei über die Stelle, wo sich zwei dunkle Narben über den Handrücken zogen. Ihre Finger wanderten weiter und stoppten schließlich an seinem Handgelenk, so dass sie seinen Puls spüren musste. Auch wenn er die Geste nicht kannte, verstand er sie doch, auf seine Weise. Angst und Gewissheit schienen ihn einen Moment gleichermaßen zu vereinnahmen. ,, Ich weiß.“ , sagte Aaren schließlich.

Sonea hob den Kopf. Nur eine Frage spiegelte sich in ihren Zügen wieder. Wie lange schon? ,, Eine Weile. Vielleicht länger als ich je zugeben würde. Ich…“ Bevor er selber wusste, was er tat, hatte er sich bereits vorgebeugt. Sonea wich nicht zurück, als sich ihre Lippen fanden. Im nächsten Moment schlang sie ihm die Arme um den Hals. Die Berührung war kühl, wie gewohnt und jagte einen Schauer über seinen Rücken. Er merkte grade noch, wie sie ihn mit sich zog. Aaren brachte grade noch eine ersticktes: ,, Moment…“ zustande, bevor er im Wasser landete. Bei Sonea. Vielleicht war es besser, einfach nicht darüber

nachzudenken, was er tat. Oder wie zur Hölle er erklären sollte, wieso er nass bis auf die Haut war. Sonea sah ihn an, als wüsste sie nicht, ob sie etwas falsch gemacht hatte. Aaren brachte nur ein dünnes Lächeln zustande. Es war seltsam. Daran konnte es keinen Zweifel geben. Es hatte einen Punkt in seinem Leben gegeben, ab dem hatte er allem abgeschworen, was dieses Wort ausmachte. Und seitdem hatte er Stück für Stück immer mehr davon zurückerlangt, wenn auch nicht ohne Preis. Aber das hier… Es war, als hätte er grade gefunden, was ihm gefehlt hatte. Ob er es wagte, dem einen Namen zu geben oder nicht. Und vielleicht

brauchte es das auch gar nicht. Dieses Mal war es Sonea, die plötzlich ihren Mund gegen seinen drückte. Sanft. Unsicher, dann entschlossener, nachdem sie keinen Wiederstand fand. Ein Geräusch ließ ihn aufschrecken. Sonea fuhr zurück. Aaren bedeutete ihr sofort, dass alles in Ordnung war. Oder war es das? Er brauchte einen Moment, um den Klang zuzuordnen. Sein Verstand schien sich wie durch Sirup zu kämpfen. Die Türklingel… Sicher war es nichts, dachte er. Es gab niemanden, der wusste, dass sie überhaupt hier waren. Geschwiege denn, würden diejenigen, die es interessierte sich die Mühe machen, zu klingeln. Er wendete sich wieder

Sonea zu. Was machte er jetzt? Der Gedanke war wie ein Schlag vor den Kopf. Das machte nichts einfacher… Aber das störte ihn kaum. Die Antwort würde sich ergeben, dachte er, während er Sonea an sich zog. Nur jetzt wünschte er sich wirklich, sie hätten sämtliches Gepäck nicht beim Absturz verloren. Er könnte definitiv einen zweiten Satz Kleidung gebrauchen… In diesem Moment klingelte es zum zweiten Mal. ,,Nützt ja alles nichts.“ , murmelte er, auf der einen Seite allerdings auch froh, eine Ausrede zu haben, aus dem langsam kälter werdenden Wasser zu kommen. ,,

Irgendjemand da draußen ist ziemlich hartnäckig. “ Und was immer der Grund dafür war, er war lieber vorbereitet. Einen Moment sah ihm sein triefendnasses Ebenbild aus einem Spiegel entgegen, dann fand er in einem der Schränke im Bad ein paar Handtücher. Ihm blieb keine Zeit seine Kleidung zu trocknen, aber wenigstens könnte er verhindern, überall wo er stand eine Wasserlache zu hinterlassen. Von draußen waren mittlerweile Stimmen zu hören, während Aaren Sonea aus der Wanne half und versuchte, wenigstens seine Haare wieder trocken zu bekommen. Er gab es schließlich auf. ,, Gehen wir.“ Ihm würde schon eine

Erklärung einfallen, dachte Aaren, bevor er die Hand nach der Türklinke ausstreckte und sie aufzog. Vor ihm im Flur standen sich drei Personen gegenüber. Jack, ein Energieschwert in der Hand und offenbar bis aufs äußerste gespannt. Mia, die sich auf sicherer Schussdistanz hielt. Und ein Mann, von dem Aaren nicht erwartet hätte, ihn jemals wiederzusehen. Abundius… ,,Was ist hier los ?“ ,, Das versuchen wir grade herauszufinden.“ , antwortete Jack. Wenig später saßen sowohl Aaren und

die anderen, als auch Abundius an einem Tisch in der Küche der Wohnung. Der Kommissar hatte eine Pistole demonstrativ in Reichweite vor sich auf die Tischplatte gelegt, während er darauf wartete, das Abundius etwas sagte. Der Mann hatte sich seit ihrer letzten Begegnung verändert. Er wirkte müde und zwischen den braunen Haaren auf seinen Kopf schimmerten einzelne graue Strähnen. ,, Also, warum sind sie hier ?“ , wollte Jack wissen. ,, Und sie haben besser eine gute Erklärung dafür, den im Moment hält mich wirklich wenig davon ab…“ ,, Wir wollen alle das gleiche, Mr.Walt und ich bin mir des Bluts an meinen

Händen mehr als bewusst, glauben sie mir das.“ ,, Sie haben Jones getötet…“ , rief Mia und sprang von ihrem Platz auf. Abundius blieb jedoch ruhig sitzen, während ,, Habe ich das… Mia ?“ , wollte er wissen. Die Kommissarin kniff misstrauisch die Augen zusammen, als sie ihren eigenen Namen hörte. Natürlich wusste er, wer sie war. Sie erkannte seine Stimme durchaus wieder. Er hatte befohlen Jagd auf sie zu machen. Und plötzlich bedeutete das alles nichts mehr und er setzte sich mit ihnen an einen Tisch? ,, Und sie wollten auch mich töten

lassen.“ ,,Meine Befehle, lauteten sie gefangen zu nehmen, nicht sie zu töten. Wie das aufgegriffen wurde… nun das können sie mir schlecht zur Last legen.“ Er zuckte mit den Schultern, eine Geste, die an ihren Nerven zehrte. Tat er die übrigen Leben, die seinen… Plänen zum Opfer gefallen waren auch so einfach ab? ,, Was Jones angeht, die anderen Minister haben lange geplant, ihn zu ermorden. Ich habe lediglich nichts getan, das zu unterbunden. Er hätte niemals Erfolg gehabt. Und ich glaube, das war ihm auch klar. Und doch hat er mir vielleicht den Weg geebnet. Sie werde keinen zweiten Verräter in ihrer Mitte

vermuten, Aaren.“ ,, Moment… alles, was sie getan haben, all das hier, ihre ganzen Pläne, der fingierte Aufstand auf Liurie, die Rebellion in den Straßen…“ ,,Es hat mir erlaubt, an die Minister heranzukommen. Ich bin da, wohin niemals ein Feind des Elektorats gelangen sollte.“ ,, Sie haben uns alle hintergangen.“ , erwiderte Jack. ,, Jack… Sie waren ein billiges Werkzeug, nicht weiter. Dank ihnen war es mir möglich, genau die Krise auszulösen, die ich brauchte, um das Vertrauen der Minister zu gewinnen. Und Aaren… sie starben grade. Weder

verlange ich, noch hoffe ich, dass sie mich verstehen. Das ist auch nicht nötig.“ ,, Wir hätten das hier lange beenden können.“ , protestierte er. ,, Das ganze Chaos auf den Straßen, die Ausganssperren, die Toten… Wenn sie gleich einen Aufstand organisiert hätten, anstatt sich alleine in die Ministerien einzuschleichen, wäre das Elektorat vielleicht bereits Geschichte.“ ,, Oder aber, das Elektorat hätte jeden Wiederstand zerschmettert, was es auch jetzt tun. Ehrlich gesagt, ich bezweifle, dass die Leute da draußen jemals geschlossen für etwas aufstehen werden. Nicht nach mehr als einem Jahrhundert

unter der Herrschaft des Elektorats. Sie überlassen das lieber ein paar wenigen. Ich tue nur, zu was sie nicht in der Lage sind.“ ,, Sie klingen wie Skye.“ , bemerkte Aaren. Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Das hier sicher nicht. Auch wenn er es nicht mit Gewissheit sagen konnte… er glaubte vielleicht zum ersten Mal keine Maske vor sich zu haben, hinter der sich der Mann verbarg, der schon so viele Namen gehabt hatte. , Die Leute, Abundius, sind vielleicht die einzige Hoffnung, wie wir wirklich haben. Alleine sind wir alle Chancenlos.“ ,, Und genau das glaube ich nicht. Ich

kann jedenfalls nicht zulassen, dass einer von ihnen mir dabei in die Quere kommt. Gleichzeitig kann ich auch schlecht weitere Ressourcen für die Jagd nach ihnen abziehen, ohne den gesamten Ministerrat zu informieren. Wir haben Verbindungen zueinander. Alle. Und jeder von ihnen könnte meine Position gefährden, wenn man sie erwischt und zum Reden bringt.“ Sofort hatten sowohl Jack als auch Mia die Waffen auf Abundius gerichtet. Nur Aaren blieb ruhig neben Sonea sitzen. ,, Sie hätten uns schon in dem Moment ausschalten können, in dem sie wussten, wo wir uns befinden. Trotzdem haben sie es nicht getan, sondern sind

hergekommen um mit uns zu reden. Wie genau sieht ihr Plan also aus ? Sie sind jetzt ein Minister… Alles, was sie getan haben, hat genau darauf abgezielt. Also… ich höre…“ ,, Mit einem zumindest haben sie Recht, Aaren. Ich habe Jahrzehntelang auf genau diesen Moment hingearbeitet. Mit der Zeit bin ich zu einem einfachen Schluss gekommen. Wenn ich das Elektorat nicht von unten besiegen kann… reiße ich seine Türme eben von oben ein. Wo Jones versagt hat, werde ich Erfolg haben. Wenn ich alle Köpfe dieser Schlange auf einmal abtretten, abgesehen von dem, den ich selbst repräsentiere… dann kann ich sie

kontrollieren.“ ,, Sie wollen den Ministerrat ausschalten und sich selbst an dessen Stelle setzen ?“ , fragte Mia. ,, Genau das.“ Jack ließ die Waffe sinken und stützte den Kopf einen Moment in die Hände. Dieser Mann war verrückt. Vielleicht hatten sie ein ähnliches Ziel, aber er war ohne Zweifel verrückt. Oder einfach nur Skrupellos. ,, Und wer bitte versichert uns, das sie, sobald sie die Macht dazu haben, nicht ihre eigene kleine Diktatur erschaffen und genau da weitermachen, wo das Elektorat aufgehört hat ?“ ,, Niemand außer mir.“ , antwortete Abundius, klang dabei jedoch noch

ernster, als zuvor. ,, Glauben sie wirklich ich habe den Großteil meines Lebens de, Kampf gegen das Elektorat gewidmet, nur um seine Fehler zu wiederholen ?“ ,, Zumindest weiß ich nicht, ob ich ihnen trauen kann.“ , erwiderte er. ,, Aber… Nein. Ich glaube nicht, das sie das tun würden.“ So gerne er auch das Gegenteil behaupten würde. Hilfesuchend sah er zu Aaren. Der Kommissar schien ebenfalls in Gedanken. Nach wie vor waren deutliche Wasserflecken auf seiner Kleidung sichtbar. ,, Und warum sind sie dann überhaupt hier ?“ , fragte Aaren, während nun auch

seine Hand in Richtung Waffe wanderte. ,, Das verstehe ich immer noch nicht. Es sieht nicht so aus, als würden sie uns brauchen…“

Kapitel 11 Raushalten


Aaren ließ Abundius keinen Augenblick aus den Augen. Dieser Mann hatte sie alle schon einmal getäuscht. Trotzdem glaubte ein Teil von ihm seinen Worten, auch wenn er nicht sagen konnte wieso. Vielleicht einfach die Überzeugung, dass die Person, die er auf Liurie kennen gelernt hatte nicht völlig gespielt gewesen war. Diese Welt hatte viel verändert, wenn er genau darüber nachdachte. Hätte r Jones darum gebeten, jemand anderen zu senden, nachdem ihm Abundius vorgestellt worden war… vermutlich hätte er einen anderen Weg

genommen, dachte Aaren. Vielleicht gäbe es auch heute keine Kolonie mehr auf den Planeten, wer wusste das schon. Früher wäre er nie auch nur auf die Idee gekommen, die Dinge derart zu hinterfragen. Aber das war vorbei. Seine Gedanken wanderten weiter, während er immer noch auf eine Antwort wartete. Sonea… Abundius auftauchen hatte ihm kaum Zeit gelassen, über das Geschehene nachzudenken. Aaren sah kurz zu ihr herüber und einen Moment traf sich ihr Blick. Der kurze, auf seine eigene Art wundervolle, Moment im Bad ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Wie ausgerechnet ihm so etwas passieren konnte wusste er genau

so wenig, wie ob er nicht einfach etwas missverstanden hatte. Es als nichts abzutun, wäre sehr viel einfacher. Gleichzeitig jedoch brauchte er nur einen Augenblick ihre Züge zu studieren. Sonea schien mindestens genauso verunsichert wie er sich fühlte. Aaren hatte nicht gelogen. Irgendwie hatte er es gewusst, nicht wahr? Und doch nützte ihm dieses Wissen jetzt gar nichts. Vielleicht wurde er wirklich nur verrückt? Er wünschte sich, einfach nur dieser seltsamen, schweigenden Runde entkommen zu können, egal wie. Vielleicht einen langen Spaziergang durch die dunklen Straßen zu machen,

um den Kopf frei zu bekommen. Das Risiko, dabei auf eine Patrouille zu stoßen, war ihm fast schon egal. Abundius holte ihn ungewollt zurück in die Wirklichkeit, als er endlich antwortete. ,, Ich bin aus einem einzigen Grund hier, Aaren. Um sie zu warnen und sie aufzufordern, sich aus allem rauszuhalten. Ich kann keinerlei Einmischungen gebrauchen und ich werde auch keine erlauben. Das hier wird bald alles vorbei sein.“ ,, Und wenn ich zu dem Schluss komme, das ihr Plan Mist ist und ich das Risiko eingehe, sie hier und jetzt loszuwerden ?“ , fragte

Jack. ,, Ich bin im Augenblick ihre beste Chance.“ , meinte Abundius ruhig. ,, Das Elektorat steht so kurz davor, zu fallen wie in den zweihundert Jahren seiner Geschichte nicht mehr. Sie werfen das nicht weg, Jack. Ich kenne sie gut genug.“ ,, So schwer es mir fällt das zuzugeben, er ist… vielleicht nicht unbedingt einer von den Guten, aber vielleicht wirklich unsere beste Möglichkeit.“ , sagte Aaren. ,, Wir sind hierhergekommen, um das Elektorat zu vernichten. Und wir haben keine Ahnung, wie. Abundius hingegen, ist schon kurz

davor.“ Der Kommissar nahm die Waffe vom Tisch und ließ sie wieder im Holster verschwinden. ,, Das meinen sie jetzt nicht ernst ?“ , fragte Mia laut. Abundius ließ sich ein Stück auf seinem Platz zurück sinken. ,,Ich wusste, sie vor allen anderen würden es verstehen.“ Ein schwaches Lächeln huschte über das bleiche Gesicht des Mannes. Jack schloss einen Moment die Augen. Er würde Abundius nicht weiter trauen, als absolut nötig. Doch bei aller Abscheu, mit einem hatte der Kommissar genauso Recht, wie der neue Minister. Es war eine Chance und zwar eine

greifbare. Trotzdem würde er ganz sicher nicht hier herumsitzen, nur weil er ihn darum bat. Aber es gab noch etwas Wichtigeres… ,, Nur angenommen, sie haben Erfolg. Was machen sie mit den Gefangenen? Ihre alten Leute. Was geschieht mit denen?“ ,, Sie wissen es noch nicht ?“ Abundius klang ernsthaft überrascht. ,, Was ?“ Jack war erneut halb von seinem Platz aufgestanden. ,, Der Ministerrat hat beschlossen, das ab sofort keines der Individuen, die gegen die Ordnung verstoßen noch eine… Existenzberechtigung hat. Es wird keine Gefangenen mehr geben. Und an

denen die sie schon haben… soll ein Exempel statuiert werden.“ ,, Sie lügen….“ Jack wurde bleich, während seine Hände sich zu Fäusten ballten. Er war doch hier, dachte er. Er hatte alles getan, was er konnte… ,, Sehen sie selbst.“ Abundius nickte in Richtung Tür, die zurück ins Wohnzimmer führte. ,, Ich bezweifle, dass sie es sich entgehen lassen werden daraus eine… Show zu machen.“ ,, Sie hätten das Verhindern können !“ Dieses Mal war er endgültig aufgesprungen, doch da war nichts, gegen das er seine aufflammende Wut richten könnte. Nur Abundius… Selbst in dem Moment, wo er das erste Mal

erkannt hatte, wer da vor seiner Tür stand war er nicht so nah dran gewesen, ihn ohne ein weiteres Wort zu erschießt. Dann jedoch sammelte er sich. Es brachte nichts. Vielleicht log er ja. Wieder einmal. Das musste es einfach sein. Jack drehte sich um und hastete hinaus ins Wohnzimmer, während die anderen noch einen Moment am Tisch sitzen blieben. Aaren sprang als zweiter auf, direkt gefolgt von Sonea, Mia… und schließlich Abundius, der sich langsam erhob und ihnen folgte. Jack hatte bereits den Fernseher eingeschaltet und ging die einzelnen Sender durch. Wann immer er auf eine

Nachrichtensendung traf, hielt er einen Moment inne und wartete, ob es etwas Neues gab. Zuerst dachte er tatsächlich noch, das Abundius sie belogen hatte. Es gab Berichte über die Erfolge der Ulanen, dabei die Aufstände einzudämmen, sogar eine Randnotiz über die Proteste , die sie am Nachmittag miterlebt hatten, aber keine Erwähnung einer neuen Direktive, was Gefangene anging. Dann jedoch wurde das Programm plötzlich unterbrochen. Das Bild des Nachrichtensprechers verschwand mit einem kurzen Aufflackern und wurde ersetzt durch eines, das den Eingang des Justizministeriums zeigte. Aaren

erkannte den Ort sofort wieder, war er doch selber oft genug die gleichen Stufen hinauf gegangen, die nun von einer Phalanx aus Ulanen flankiert wurden. Durch den schmalen Durchgang, den die bewaffneten, gesichtslosen Männer frei ließen, wurden vier Leute geführt, jeder von ihnen mit Handschellen an Händen und Füßen. Als ob sie irgendwo hingekonnt hätten. Mit den Ketten war es kaum verwunderlich, das mehr als einmal einer von ihnen unter den Stößen ihrer Bewacher strauchelte, während sie auf den Platz vor dem Ministeriumsgebäude getrieben wurden. Jack erkannte Falk. Einen Moment

schwenkte eine der Kameras direkt auf das Gesicht des alten Kommissars. Müdigkeit spiegelte sich in seinen Zügen wieder, gemischt mit stummer Entschlossenheit. Er zögerte kein einziges Mal, trotz der ständigen Behinderung durch die Ulanen. Sonst schien auch niemand Anwesend zu sein, wie Jack feststellte. Kein Minister und kein einziger anderer Kommissar… Waren sie mittlerweile tatsächlich alle ersetzt worden oder wagte es das Elektorat schlicht nicht, sie mit einem Verräter aus ihren eigenen Reihen zu konfrontieren? Wenn man bedachte, was bereits Aarens Abfall vom Elektorat bewirkt hatte, war

wohl keiner im Ministerrat darauf aus, herauszufinden, was ein weiterer Abtrünniger auslösen würde. Ein wirklicher Trost jedoch, war das nicht, dachte Jack, während er zusehen musste, wie die vier endgültig auf die Freifläche hinaus tragen. Mitten im Herzen des Regierungsbezirks. Und damit unerreichbar für ihn… Die Gegend war weiträumig abgeriegelt, auch wenn die Kameras die Energieschilde nicht zeigten. Er hatte sie gesehen und wusste, dass sie da wären. Er wollte etwas tun… irgendetwas. Abundius töten vielleicht. Aber irgendetwas hielt ihn fest wo er war, die Augen nach wie vor auf den Bildschirm

gerichtet, der nun eine Reihe von weiteren Soldaten zeigte, die auf dem Platz Aufstellung nahmen. Nun kam auch zum ersten Mal Ton dazu, als eine monotone Stimme das verlas, was man nur als Todesurteil verstehen konnte. ,, Diese Männer wurden für schuldig befunden, sich gegen den Ministerrat, das Elektorat und die Ordnung unserer Gesellschaft selbst verschworen zu haben. In Übereinstimmung mit den neunen Gesetzen zum Schutz für uns alle, wird es ab sofort keine Kompromisse beim Kampf gegen Anarchisten geben. Soll ihr Beispiel heute als Warnung dienen, für alle, die

den Frieden bedrohen. Ordnung und Licht.“ Die Worte verstummten und Stille senkte sich erneut über die Szenerie. Für wen diese Rede bitte gedacht sein sollte, konnte Jack nicht verstehen. Selbst die, die nichts taten müssten doch mittlerweile Verstanden haben, was sie unter der weiteren Herrschaft des Elektorats erwartete. Das, woran Arthur Jones geglaubt hatte, das, was die Gründer der Ministerien vielleicht einmal gehofft haben mochten, war längst Geschichte. Hier ging es nicht mehr um irgendeine Form von Gerechtigkeit… Cooper war der erste. Der Mann, den

Jack einmal im Verwaltungsbau einer Kaserne kennen gelernt hatte, schien während seiner Gefangenschaft bereits deutlich gealtert zu sein. Trotzdem blieb er nicht stehen, oder wurde langsamer, als er auf die andere Seite der Freifläche trat. Jack, der nach wie vor gebannt das Geschehen verfolgte, entging jedoch nicht, dass er die Augen schloss, als er schließlich das Ende seines Wegs erreicht hatte. Im nächsten Moment hob das Erschießungskommando bereits die Waffen. Mit einem sich überlagernden, metallischen Klicken wurden die Gewehre entsichert. ,, Ich werde…“ , setzte Cooper an. Seine

letzten Worte gingen im Geräusch der Schüsse unter. Jack sah Weg und wartete, bis die Waffen endlich verstummten. Es dauerte viel zu lange, dachte er. Es reichte ihnen nicht einfach nur, die Männer, die sie zu Verbrechern erklärt hatten, einfach zu töten. Sie vernichteten auch, was von ihnen übrig sein könnte. Vermutlich würde man die Überreste später einfach irgendwo verbrennen. Bei dem Gedanken stieg Übelkeit in ihm auf. ,,Warum haben sie das nicht verhindert ? Wir haben ihnen mal vertraut, Abundius !“ , schrie er, musste dem aufsteigendem Wahnsinn, der von ihm Besitz ergreifen wollte, irgendwie Luft machen. Und er

hatte einen Schuldigen hier. Direkt vor sich greifbar. ,, Ich habe das eine getan, was ich konnte.“ , antwortete der Mann, seine Stimme klang jedoch längst nicht mehr so kühl und distanziert wie zuvor. ,, Sehen sie selbst.“ Jack wusste nicht, worauf er hinaus wollte. Und für den Moment war es ihm egal. Aber irgendwie kamen die Worte doch durch den roten Nebel, der sich über ihn gelegt hatte… Er musste sich zwingen, den Blick noch einmal auf den Fernseher zu richten, aber welche große Wahl blieb ihm? Wenigstens das war er ihnen schuldig, wenn er ihnen auch nicht helfen konnte.

Der Gedanke nagte immer noch an ihm. Er sah grade rechtzeitig auf, um zu sehen, wie John und sein Bruder vorgeführt wurden… und dann im Kugelhagel dort zusammenbrachen, wo zuvor schon Cooper gefallen war. Und damit… blieb nur noch Falk. Der Kommissar riss sich von einem seiner Bewacher los. Anstatt jedoch irgendetwas zu tun, um zu entkommen, schritt er lediglich zügig zu der mittlerweile von Einschusslöchern gekennzeichneten Mauer herüber. Ruhig und Entschlossen blieb er stehen und drehte sich zu den Männern des Erschießungskommandos um. Die alte Entschlossenheit, die der Kommissar

ausstrahlte, wich auch jetzt nicht. Und Jack verstand nicht, woher er sie nahm. Er würde sterben, wie die anderen zuvor. Nur weil er nicht schnell genug gewesen war… Erneut wurden ein dutzend Gewehre gleichzeitig durchgeladen und richteten sich auf die einsame Gestalt, die über drei deutlich erkennbaren Blutflecken am Boden stand. Doch dann geschah etwas. Jack wusste zuerst nicht, was passiert war, aber im nächsten Moment verschwand der Platz in einem Lichtblitz, der die Kameras blendete. Das Bild wurde für ein oder zwei Herzschläge vollkommen weiß, bevor es langsam zurückkehrte. Nur

einen Moment lang, konnten sie noch den Platz sehen, oder das, was davon übrig geblieben war, dann wurde das Bild endgültig dunkel und wurde schnell durch das des vorher verschwundenen Nachrichtensprechers ersetzt, der fortfuhr, als wäre nichts geschehen. Aber nicht nur Jack hatte gesehen, was Falk getan hatte. Auch wenn er sich nicht erklären konnte, wie das möglich war. Er sah zu Abundius. Oder vielleicht doch… Der gesamte Platz hatte einem Kriegsgebiet geglichen. Von dem Erschießungskommando war nichts mehr zu sehen gewesen, genau so wenig von den meisten Ulanen. Stattdessen war das

Pflaster durch eine Explosion aufgerissen worden, Trümmer und Betonbrocken über die die gesamte Gegend verteilt. Dutzende von reglosen Gestalten lagen am Boden…. Langsam setzte Jack die einzelnen Puzzleteile zusammen. ,, Was haben sie ihm gegeben ?“ , fragte er an Abundius gerichtet, bevor er den Bildschirm ausschaltete und auf dem Sofa in sich zusammensackte. ,, Das waren 20 Kilogramm Plastiksprengstoff versetzt mit CL-20 .“ , antwortete dieser. ,, Ich hatte eigentlich gehofft, die Hinrichtung würde direkt im Ministerium stattfinden. Von dem Gebäude und den Ministern

wäre nur Staub geblieben. Soviel zu Plan A….“

Kapitel 12 Ein Versteck


,, Was jetzt ?“ , fragte Mia, die es als erste wieder wagte, zu sprechen. Die Bilder hatten sich offenbar nicht nur ihr eingebrannt. Soweit war es also mit dem Elektorat gekommen. Wenn sie noch einen Rest Vertrauen in die Minister gehabt hatte, so war der im Laufe des Abends endgültig verschwunden. ,,Zumindest können sie nicht hier bleiben.“ , erwiderte Abundius. Seine Stimme klang belegt und zum ersten Mal schwang so etwas wie Unsicherheit darin mit. ,, Ja… Wir… Sie müssen weg. Ich kann sie nicht ewig verbergen.

Irgendwann wird jemand hier nachsehen. Wenn ich euch finden kann, dann können das auch andere.“ ,, Die Frage ist wohin.“ , meinte Aaren. ,, Es ist nicht wirklich so, dass wir uns frei bewegen können oder viele Optionen hätten. Sobald wir draußen auf der Straße erkannt werden, ist es vorbei und wir haben unser Glück schon strapaziert.“ ,, Es gibt vielleicht einen Ort.“ , erwiderte Abundius und sah dabei zu Jack. Der Mann saß, den Kopf in die Hände gestützt, auf der Couch und starrte ins Leere. ,, Ist es dort noch sicher ?“ , fragte er , als er träge aufsah. Aaren erschien es

beinahe so, als hätte jemand den sonst so impulsiven, von einem beinahe unvernünftigen Tatendrang beseelten, Mann völlig ausgewechselt. ,, Ich bin seit einer Weile nicht mehr da gewesen. Und auch sonst niemand. Ich bezweifle also, das das Elektorat überhaupt weiß, dass der Ort existiert. Und von den anderen hat keiner geredet.“ ,, Würde mir bitte jemand verraten, wovon wir hier eigentlich sprechen ?“ , warf Mia ein, die fragend in die Runde sah. Jack seufzte und setzte sich auf. ,, Bevor ich nach Aaren gesucht habe, bevor alles begann so schrecklich schief zu gehen…

haben Abundius, ich und die anderen uns in einer verlassenen Kneipe versteckt. Das Gebäude ist ein Stück von hier, aber wir könnten es schaffen. Von außen recht unauffällig und wenn stimmt, was er sagt, wird man uns dort nicht finden können. Die einzigen, die Verraten könnten, wo es sich das Haus befindet, sind tot. Mit Ausnahme von mir… und Abundius.“ ,, Es müsste noch alles da sein.“ , fuhr dieser fort. ,,Vorräte, Ausrüstung, ein paar Karten. Sie könnten dort für Monate untertauchen, wenn nötig und ich brauche nur zwei Tage… um meine Pläne zu vollenden. Dann ist eine Gesamtsitzung des Ministerrats geplant.

Und an ihrem Ende, wird es keinen Ministerrat mehr geben.“ ,,Was werden sie tun ?“ , fragte Jack. ,, Was glauben sie ?“ , antwortete Abundius düster und machte sich auf den Weg in Richtung Tür. ,, Wichtig ist erst einmal, das sie alle hier verschwinden. Wenn sie jetzt gleich losgehen, kann ich sie hinbringen. Niemand da draußen wird einem Minister viele Fragen stellen.“ ,,Und ich bin immer noch nicht sicher, ob ich ihnen vertraue.“ , erklärte Mia skeptisch. Jack, der mittlerweile ebenfalls aufgestanden war stimmte ihr mit einem nicken zu. ,, Ich weiß nicht, was ich noch tun soll, um sie zu überzeugen. Wollte ich sie

loswerden hätte ich das schon getan. Seltsamerweise bin ich jedoch unbewaffnet hierhergekommen, nur um sie zu warnen. Aber bitte…“ Er breitete die Arme aus. ,, Wenn sie glauben mir nicht vertrauen zu können, sollten sie es vielleicht auch unter Beweis stellen. Erschießen sie mich. Und ihre einzige sichere Chane, das Elektorat jetzt noch aufzuhalten gleich mit.“ ,,Also gut… „ Mia gab sich einen Ruck. ,, Halten wir einfach fest, mir gefällt das hier nicht. Aaren, was ist mit ihnen? “ Der Kommissar hatte dem Gespräch nur halb gelauscht. Es gab nach wie vor genug andere Dinge, die ihn beschäftigen

und sie schienen sich ohnehin nur im Kreis zu drehen. ,, Ich sage, wir gehen mit ihm. Wir können nicht alle für uns alleine arbeiten, so ungern ich das zugebe.“ , erklärte er schließlich. ,, Und wenn wir bis morgen früh warten, könnte man uns schon aufgespürt haben. Ehrlich gesagt, habe ich nach allem nicht vor herauszufinden, was das Elektorat mit mir anstellt. Oder Sonea, was das angeht.“ ,, Mich wundert, dass sie es für eine gute Idee hielten sie hierher zu bringen.“ Soneas Mine verdüsterte sich bei diesen Worten sichtbar. ,, Manchmal glaube ich, ich habe sie früher besser

Verstanden, Aaren.“ ,, Sagt der Mann, der seinen eigenen Namen nicht mehr weiß. Und das beruht dann wohl auf Gegenseitigkeit.“ Abundius lächelte, ein kurzes Aufblitzen von weißen Zähnen, das sofort wieder einer stoischen, kalten Mine wich. Wenige Minuten später befanden sie sich bereits draußen auf den Straßen. Nach wie vor war es überraschend warm, obwohl die Sonne bereits vor mehreren Stunden untergegangen war. Die Hochhäuser und der Asphalt speicherten die Wärme des Tages und gaben sie nur langsam wieder ab. Aaren hatte sich an die deutlich kühleren Nächte auf Liurie gewöhnt. Jetzt wieder auf der Erde zu

sein… er wusste nicht, ob er sich je ganz erneut daran gewöhnen könnte. Wenigstens stießen sie auf keine Patrouille. Entweder kannte Abundius die Pläne für die Ulanen-Garde tatsächlich auswendig, oder sie hatten lediglich mehr Glück als Verstand. Aaren wusste nicht genau, welche Möglichkeit davon die beunruhigender war. Abundius führte sie hinaus aus den Wohnsiedlungen und durch die verlassen liegenden Straßen in einen Teil der Stadt, den Aaren zu seiner eigenen Überraschung nicht kannte. Sie mussten zwar in der Nähe des Regierungsbezirks sein, den er konnte das kaum sichtbare

schimmern der Energieschilde über den Ministerien, in der Dunkelheit sehen, aber wo genau, das konnte er nicht sagen. Im Vergleich zur restlichen Stadt niedrige, höchstens drei Stockwerke hohe Bauten säumten die Straße und stellenweise gab es tatsächlich einzelne Bäume, die in Aussparungen im Bürgersteig eingetopft waren. Graue, blattlose Dinger, aber immerhin Vegetation. Irgendwann bedeutete Abundius ihnen stehen zu bleiben und deutete über die Straße zu einer dunklen Glastür, die zu einem Gebäude gehörte, dass sich kaum von einem der anderen unterschied. Lediglich ein verblasstes Schild wies es

als Kneipe aus und in den Rahmen über der Tür befanden sich kaum mehr erkennbare Buchstaben, offenbar mit einem Messer oder einem anderen scharfen Gegenstand dort eingeritzt. ,,Veritas filia temporis“ , las Aaren leise vor. Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit. ,, Das ist es.“ Abundius zog einen Schlüsselbund aus seiner Tasche und öffnete die Tür. Sie schwang ohne einen laut auf und Aaren folgte dem neu ernannten Minister ins Innere. Sonea, Jack und Mia folgten ihm auf dem Fuß, letztere mit den Waffen im Anschlag. Im inneren selbst war alles dunkel, bis Abundius mit einer Bewegung das Licht einschaltete.

Eine Reihe schwacher Glühbirnen, die unter altmodischen Lampenschirmen an der Decke hingen, tauchte den Raum in schummriges Licht. Irgendwie hatte der sauber aufgeräumte Raum etwas Unheimliches. Eine Reihe von Stühlen stand vor einer leeren Theke, zusammen mit einigen Tischen, die natürlich ebenfalls verlassen waren. Eine geschlossene Tür führte aus der Bar in einen angrenzenden Raum, vielleicht gab es auch eine Treppe zum nächsten Stockwerk. So oder so… Aaren trat an eines er Fenster, vor dem jemand einen schweren Stoffvorhang zugezogen hatte und spähte durch eine Lücke im Stoff nach draußen. Wenn das Gebäude

offiziell verlassen war, müssten sie vorsichtig sein, damit niemand Licht oder ähnliches bemerkte… ,,Merkt eigentlich niemand, wenn hier der Strom anspringt ?“ , fragte Mia, die offenbar den gleichen Gedanken gehabt hatte. ,, Das Elektorat hat vermutlich wichtigeres zu tun, aber plötzlicher Energieverbrauch in einem verlassenen Haus würde mich misstrauisch machen…“ ,, Im Keller gibt es einen Generator, der alles versorgt. Damit sind wir praktisch unabhängig vom Stadtnetzwerk.“ , erklärte Abundius und nickte in Richtung Tür, die aus der Bar hinaus führte. ,, Ich habe mir durchaus Gedanken gemacht,

als ich diesen Ort als Zuflucht gewählt habe. Da hinten sollten sie noch jede Menge Vorräte finden. Essen, alles, was bei meinen Operationen an Ausrüstung geblieben ist. Es gibt außerdem einige renovierte Zimmer oben. Die habe ich allerdings nie genutzt.“ ,, Wieso nicht ?“ , wollte Jack wissen. Seiner Stimme war allerdings anzumerken, das ihn die Antwort eigentlich nicht interessierte. Stumpf vor sich hin starrend, ließ er sich auf einen Platz im hintersten Winkel des Raums fallen. Falk hatte hier gesessen, Cooper etwas weiter. Der grimmige Türsteher… Gott, er hatte seinen Namen beinahe vergessen. Aber es waren Gesichter

gewesen, die er gekannt und gemocht hatte. Und jetzt war keiner mehr davon übrig. Er hatte versagt, selbst wenn sie irgendwie Gewinnen sollten… das machte keinen von ihnen wieder Lebendig. ,, Ich habe mich in den letzten zehn Jahren meines Lebens, von Ausnahmen abgesehen, nie länger als ein paar Stunden an ein und demselben Ort aufgehalten.“ Er wendete sich zum Gehen. ,, Ich muss vor Sonnenaufgang zurück im Ministerium sein. Halten sie sich einfach bedeckt und wir sollen keine Schwierigkeiten bekommen. In 48 Stunden ist das hier alles vorbei.“ Aaren hätte es gerne geglaubt. Zwei

Tage nur…das war wenig Zeit. Und irgendwie wirkte Abundius trotz der Kälte, die er nach außen abstrahlte besorgt. Er hatte offenbar fest damit gerechnet, dass der Sprengsatz zumindest einen Teil des Rats töten würde. ,, Wir könnten ihnen immer noch helfen.“ , erklärte er. Abundius hielt an der Tür inne. ,, Nicht das ich undankbar wäre, aber… nein. Ich habe alleine angefangen. Und genau so werde ich es jetzt auch zu Ende bringen. Trotzdem… Ich bin irgendwie froh, dass sie noch leben, Aaren.“ Mit diesen Worten verschwand er, hinaus auf die Straßen, die nun schon von einem ersten, silbrigen Schimmer erhellt

wurden. Vielleicht noch eine Stunde, bis die Sonne aufging und die Stadt erneut zum Leben erwachte, sobald Ulanen und Militär ihre Patrouillen beendeten. Und vermutlich würde es auch heute nicht ruhig bleiben, überlegte Aaren, während er sich auf einen Stuhl fallen ließ. ,,Wir bleiben nicht wirklich hier und warten ab, oder ?“ , wollte Mia wissen. Sonea hatte derweil ebenfalls begonnen, sich in dem Raum umzusehen, offenbar fasziniert von allem, angefangen von den Holzimitatböden, bis zu den vergilbten Lampenschirmen und dunklen Vorhängen. Es hatte etwas seltsam beruhigendes ihr einfach nur zuzusehen. Selbst wenn sie hier alles andere als in

ihrem Element war, schien sie sich doch die gleiche Anmut und Neugier bewahrt zu haben. Aaren hatte sich eigentlich vorgenommen, fürs erste nicht über das Geschehene nachzudenken, aber… Aaren schüttelte den Kopf. ,, Wir haben zwei Tage, uns etwas Besseres auszudenken.“ Aber vor allem brauchte er ein paar Stunden Schlaf. Er musste mittlerweile bestimmt drei Tage auf den Beinen sein. Die Müdigkeit war eher ein stetiger Begleiter geworden, als etwas, das er noch bewusst wahrnahm und den anderen konnte es wohl kaum besser gehen. Bevor er es merkte, waren seine Augen bereits halb

zugefallen. ,, Was ist mit ihrem Plan, sich einen der Netzwerkknoten anzusehen ?“ , wollte Mia wissen und riss ihn damit wieder vom Rand der Bewusstlosigkeit zurück. ,, Das habe ich immer noch vor.“ , antwortete er. ,,Und wenn wir eine Möglichkeit finden… Wir bräuchten Ausrüstung. Waffen.“ Seine Gedanken begannen träge wieder zu fließen. Er traute Abundius durchaus zu, Erfolg zu haben. Aber was danach geschehen würde, wusste er nicht. Besser, sie folgten einem eigenen Plan. ,, Abundius meinte, er hätte noch alles hier, was er während… meiner Zeit hier angesammelt hat.“ , meinte Jack, ohne

echte Begeisterung. ,, Ich werde gleich nachsehen, was noch alles da ist.“ ,, Und es geht ihnen gut ? Nach allem was passiert ist…“ ,, Nein, Aaren, es geht mir nicht gut!“ Jack war von seinem Platz aufgesprungen. Der Stuhl auf dem er gesessen hat kippte und schlug auf dem Boden auf. ,, Ich weiß bei ihnen ist das vielleicht noch nicht angekommen, aber meine Leute sind alle tot. Führen sie beide nur ihren Krieg weiter. Ich bin fertig damit.“ Stille senkte sich über den kleinen Raum, nur unterbrochen von den leisen Motorengeräuschen der Stadt. Selbst Sonea war stehen geblieben wo sie war und sah zu dem schwer atmenden

Menschen. Jacks Hände hatten sich zu Fäusten geballt. Er könnte spüren, wie sich seine eigenen Fingernägel in die Haut ritzten, aber das war ihm im Augenblick egal. Im gleichen Augenblick taten ihm seine Worte auch schon leid. Sie saßen alle im selben Boot. Nur wirklich besser machen, tat es das nicht… ,, Wie gesagt…ich sehe nach, was noch da ist.“ , erklärte Jack schließlich, vo allem, um überhaupt etwas zu sagen. Damit drehte er sich um und verschwand durch die Tür am anderen Ende der Bar. Lediglich Aaren, Sonea und Mia blieben zurück, die den Kopf in die Hände sinken

ließ. ,, Kommt er wieder in Ordnung ?“ , wollte sie halblaut wissen. ,, Er beruhigt sich wieder.“ , meinte Aaren nur und hoffte, damit auch recht zu behalten. ,,Und sie wollen nicht mit ihm reden ?“ Er schüttelte den Kopf. Wenn er eines mittlerweile über Jack wusste, dann das der Junge unglaublich stur sein konnte, wenn er wollte. ,, Wenn sie ihr Glück versuchen wollen, bitte…“

Kapitel 13 Ein Plan


Mia schüttelte lediglich den Kopf, bevor sie sich daran machte, Jack zu folgen. So hatte sie sich das ganz sicher nicht vorgestellt, als Jones sie losgeschickt hatte, die beiden zu suchen. Weder Jack noch Aaren schienen irgendwie in das Bild zu passen, das sie sich anfangs gemacht hatte. Von Sonea ganz zu schweigen. Ohne noch einmal einen Blick zurück zu werfen, stieß sie die Tür hinter der Theke auf und trat hindurch. Vor ihr lag ein kleiner, fensterloser Büroraum. Es gab einen Schreibtisch, auf dem allerdings bereits eine dünne

Schicht Staub lag. Ansonsten standen lediglich mehrere Aluminiumbehälter aufgestapelt in einer Ecke. Hauptsächlich um etwas Zeit zu gewinnen, trat Mia an den Tisch und öffnete einige der Schubladen. Darin befanden sich, zwischen Papierbögen und Stiften verborgen, offenbar mehrere holographische Karten. Sie zog eine davon heraus. Die dünne, von kaum sichtbaren Leitern durchzogene Folie hatte noch Energie. Mit einem kurzen Aufflackern von Licht entstand ein dreidimensionales Abbild eines Stadtteils. Einem, dem sie wiedererkannte. Der Regierungsbezirk und im Zentrum der Ministeriumsbau.

Das könnte durchaus nützlich werden, dachte sie, bevor sie die Karte wieder deaktivierte und zurücklegte. Aber es nützte ihnen freilich nichts, wenn sie hier herumsaßen. Nicht zum ersten Mal hinterfragte sie, in was sie sich eigentlich hatte reinziehen lassen. Heute Morgen war noch alles in Ordnung gewesen und das schlimmste, was sie zu erwarten schien, war ein Gespräch mit dem Justizminister gewesen. Und vielleicht eine Suspendierung. Jetzt wünschte sie sich beinahe, es wäre dabei geblieben. Doch nur beinahe. Ignoranz hätte nichts besser gemacht, im Gegenteil. Hätte sie nicht mit Jones gesprochen, sie hätte wohl bis

in alle Ewigkeit geglaubt, dem Elektorat zu dienen sei das Richtige. Ein Grundsatz, dem sie ihr Leben lang gefolgt war. Jetzt plötzlich, war da nichts mehr. Aber sie wusste, was sie zu tun hatte nicht? Sie hatte es bisher nur nicht gewagt, es sich ganz und gar einzugestehen. Ordnung und Licht. Jones hatte gemeint, sie sollten diesen Worten wieder eine Bedeutung geben. Alles, was das Elektorat jetzt verkörperte stand dem entgegen… ,,Es muss fallen…“ Sie flüsterte die Worte nur, doch es klar auszusprechen hatte etwas unglaublich erleichterndes. Es war eine Aufgabe. Und sie brauchte dafür sowohl Aaren als auch Jack. Sie

waren so schon zu wenige. Mia schloss die Schublade wieder und machte sich den Weg die Treppe hinauf. Irgendwo musste er ja sein. Das Holz knarzte bedrohlich, hielt aber. Natürlich hielt es, schalt sie sich selbst. Jack wog mehr als sie und hatte vermutlich nicht wirklich darauf geachtet, ob der Aufgang sein Gewicht auch trug. Es war schwer, sich ohne Mentalblocker auf solche kleinen Details zu konzentrieren. Details, die einem unter Umständen Zeit sparten oder das Leben retten konnten. Am Ende der Treppe führte eine offen stehende Tür auf einen kurzen Gang hinaus, von dem weitere Zimmer abzweigten. Am Kopfende des Flurs

wiederum befand sich ein einzelnes Fenster vor einer Nische, in der jemand eine Kommode aufgestellt hatte, die wohl ebenfalls schon bessere Zeiten gesehen hatte. Jack hatte sich dagegen gelehnt du sah aus dem Fenster, durch das bereits der erste rötliche Lichtschimmer drang. ,,Tut mir leid, Aaren.“ , meinte er, als Mia näher kam. Offenbar hatte er ihre Schritte gehört. ,,Ich habe vielleicht etwas… überreagiert, schätze ich.“ ,,Ich bin vielleicht nicht Aaren, aber schön, dass sie das einsehen.“ Jack lachte. Ein kurzer, irgendwie falsch klingender Laut. Er drehte irgendetwas zwischen den Händen und Mia brauchte

einen Moment, bis sie es als die Zugangskarte erkannte, die Jones ihr gegeben hatte. ,,Ich schätze, die brauche ich jetzt wohl nicht mehr…“ , meinte er betreten. ,,Es ist noch nicht vorbei. Das Wissen sie genau so gut wie ich. Wenn sie also nicht vorhaben einfach aufzugeben…“ Er schüttelte den Kopf. ,,Nein. Ich hatte nur bis zuletzt noch gehofft, dass ich meine Leute raushauen kann. Irgendwie. Ich glaube ein Teil von mir wusste von Anfang an, dass mir das nicht gelingen würde. Vielleicht weil ich es einfach gewohnt bin, mit dem Kopf gegen eine Wand zu rennen. Und jetzt …“ Er ließ die Karte in seiner Tasche verschwinden.

,,Was bleibt mir noch ?“ ,,Das fragt ihr mich ? Ihr könnt es ihnen wenigstens immer noch heimzahlen.“ Ihr selber blieb diese Möglichkeit nicht. Nicht wirklich zumindest, dachte Mia. Sie hatte gewusst, für wen sie arbeitete, das aber nie wirklich in Frage gestellt. Jack stand auf, während er in Richtung eines der Zimmer nickte. ,,Ich habe mir angesehen, was Abundius zurück gelassen hat. Das dürfte ihnen gefallen.“ ,,Unten gibt es ein paar Karten.“ ,,Wir haben was Besseres, als Karten.“ , erklärte Jack nur grimmig. Aber wenigstens nicht mehr am Boden zerstört, wie Mia für sich feststellte. Sie betraten eine kleine Kammer, die sich

den Dachschrägen nach zu urteilen wohl direkt unter dem Dach des Gebäudes befinden musste. Wie schon unten stapelten sich hier dutzende von kleineren und größeren Kisten übereinander, alle mit Metallbeschlägen verstärkt. ,,In den übrigen Räumen sieht es ähnlich aus.“ , erklärte Jack, während er einen der Behälter aus einem Stapel herauszog und die Scharniere öffnete, die den Deckel hielten. ,,Neben einer ziemlich heruntergekommenen Küche und ein paar liegen, hat Abundius hier glaube ich alles für einen kleinen Krieg vorbereitet.“ Mit diesen Worten hatte er die Truhe

auch bereits geöffnet. Im inneren lagen, auf einem dunklen Schaumstoffpolster verteilt, mehrere gleichförmige Gegenstände. Schwarze Rechtecke , mit einem eingebauten Display, das jedoch dunkel und erloschen war. Jack nahm einen der etwa faustgroßen Kästen heraus. An der Seite des Gehäuses befand sich ein kaum sichtbarer Schalter. Im gleichen Moment, in dem er diesen herabdrückte, flackerte das Display auf und irgendwo an der dunklen Verkleidung sprang eine einzelne rote Lampe an. ,,Sprengladungen.“ , stellte Mia fest. Jack nicke, bevor er den Zünder wieder deaktivierte. ,,Ich schätze mal, das

gleiche hat er… Falk gegeben. Wenn man einmal eine Zeit eingestellt hat, glaube ich nicht, dass man sie noch abschalten kann. Keine Ahnung, was er sonst noch hier gelassen hat.“ Mia hatte sich derweil einem großen Regal zugewandt, das bis auf eine einzige, silberne Kiste leer stand. Es gab ein Zahlenschloss, das allerdings offenstand, wie sie feststellte, sobald sie versuchte, den Deckel anzuheben. In diesen Wiederum war eine schwere Metallplatte eingelassen worden, die mit irgendetwas beschichtet war. Offenbar eine Abschirmung, wenn man das ganze durch einen Waffenscanner bringen musste, denn was dort vor ihr auf einem

weiteren Kunststoffpolster lag, wurde selbst vom Militär des Elektorats nicht mehr verwendet. Mia erkannte das Waffenprofil jedoch sofort wieder. Es gab mehr als eine Liste, die die Kommissare auswendig kennen musste. Darunter auch die mit illegalen Waffen. ,,Was ist das ? Ein Scharfschützengewehr ?“ ,,Fast“ , antwortete Mia, während sie das Gewehr vorsichtig in den Händen wog. Es war überraschend leicht. Das matt versilberte Gehäuse fing das Licht ein und der Armstutzen war mit mehreren Metallstreben verstärkt worden. Dort jedoch, wo das Magazin sich normalerweise befinden sollte, gab es

lediglich einen dunklen, mit der Waffe verschmolzenen Metallblock. ,,Eine Gauswaffe. Auf jedem Planeten von hier bis zu den äußeren Kolonien illegal. Und das aus gutem Grund. Das Teil beschleunigt ein Projektil aus einer ferromagnetischen Titanlegierung auf zehn bis zwölffache Schallgeschwindigkeit. Nichts hält dem Stand, auch kein Kinetik-Gewebe. Die Kugeln durchschlagen sogar Schiffs-Hüllen.“ ,,Nett.“ , bemerkte Jack. ,,Wir haben also alles was wir brauchen um dem Elektorat mal richtig wehzutun.“ ,,Wenn sie dabei sind ?“ ,,Jetzt fehlt uns nur immer noch ein

passendes Ziel…“ ,,Sonea ?“ Aaren hatte gewartet, bis Mias Schritte auf der Treppe nach oben verstummt waren. Er wusste nicht genau wann oder ob er sonst noch einmal die Gelegenheit bekommen würde, alleine mit ihr zu sprechen. Er hatte sich an einem der Tische im Raum niedergelassen. Die Müdigkeit, die ihn zuvor noch fast übermannt hatte schien zumindest für den Moment wieder verflogen, Während von draußen die ersten Lichtstrahlen durch die Vorhänge fielen. Sonea ihrerseits hatte sich bisher damit begnügt, sich weiterhin mit all dem

neuen zu beschäftigen, das sie hier fand. Eine der Glühbirnen unter den Lampenschirmen hatte es ihr offenbar angetan und sie hatte nicht lange gebraucht, um die Birne aus ihrer Fassung zu drehen, nur um enttäuscht festzustellen, dass das Licht im gleichen Augenblick verlosch. Wieder einmal fragte Aaren sich, wie schnell sie eigentlich lernte. Soweit sie wussten, war Soneas Volk Technologie wie ihre völlig unbekannt. trotzdem schien sie sich weder davor zu erschrecken noch einen gesunden Respekt davor zu haben, im Gegenteil. Sorgen brauchte er sich wohl nicht machen. Nach allem was er wusste,

konnte ihr wohl kaum etwas wirklich etwas anhaben. Nun jedoch hielt sie in der Bewegung inne und drehte sich zu ihm um. Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Züge, dass sie sich wohl von ihm oder einem der anderen abgeschaut haben musste, wenn er recht darüber nachdachte. Sonea trat zu ihm und setzte sich selbst auf einen der Stühle, ihm gegenüber. Dann sah sie ihn lediglich fragend an. ,, Es… ist nichts.“ , meinte er. Und gleichzeitig stimmte das nicht. Er wusste nur nicht, wie er es formulieren sollte. Sie musste es unter allen Umständen verstehen. Für ihn gab es hier keinen Raum für ein

Missverständnis. ,, Lüge.“ Es kam selten genug vor, das Sonea selbst sprach. Wenn dann schien sie damit leider aber immer recht zu haben, dachte Aaren bei sich. Es klang nicht wie eine Anschuldigung, es war nur eine ganz simple Feststellung. ,, Ja ich lüge. Weil ich keine Ahnung habe wie…was…“ Aaren hielt sich selbst davon ab weiterzusprechen. Er war ein Kommissar. Von ihm wurde erwartet, dass er ohne zu stocken ein Todesurteil verlesen konnte. Und jetzt brachte er es nicht einmal fertig eine einfache Frage zu stellen. Aber das war ein anderer Mensch gewesen, wenn er genauer darüber nachdachte. Einer, der er nie

wieder sein wollte. Ein wenig Unsicherheit war da ein kleiner Preis. ,,Was ist da vorhin zwischen uns passiert ? Und bitte, tu jetzt nicht so, als ob du mich nicht verstehst. Ich brauche einfach nur eine Antwort. Egal wie sie lautet…“ Er wusste ja nicht einmal, welche Antwort er erwartete. Dachte Aaren. Er hatte einmal erlaubt, dass ihm jemand alles bedeutete… und das hatte ihn beinahe zerstört. Es hatte ein halbes Jahrzehnt gedauert, bis die Narben soweit verheilt waren, das er sich überhaupt wieder vorstellen konnte, jemanden zu … ja was? Zu Lieben. Wenigstens zu sich selbst konnte er ehrlich sein.

Irgendetwas an Sonea hatte ihn von Anfang an in den Bann geschlagen, selbst als er geglaubt hatte, sterben zu müssen. Sanft, anmutig aber auch tödlich, wenn man ihr einen Grund dazu gab, wie er nur zu gut wusste. Und irgendwie war in den letzten Monaten mehr daraus geworden, schleichend, ohne dass er es selber direkt gemerkt hätte. Zumindest bis jetzt. Eine Bewegung riss Aaren schließlich aus seinen Gedanken. Sonea war aufgestanden und stand nun direkt vor ihm. Obwohl sie so knapp auf Augenhöhe waren, hatte Aaren trotzdem plötzlich das Gefühl, sie würde ihn

überragen. Einen Moment war da wieder die Spur eines Lächelns, diesmal jedoch ernster. Sie wusste vielleicht nicht, was er dachte, aber sie hatte ihn verstanden, dachte Aaren .Er hatte mehr als nur eine Antwort erhalten. Langsam stand er auf. Sonea blieb wo sie war, so dass sie sich plötzlich viel zu dicht gegenüberstanden. Aarens Hände wanderten Soneas Arme hinauf. Selbst durch den Stoff konnte er spüren wie sie erschauerte. Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Bevor er wusste, was geschah, hatte Sonea sich vorgelehnt. Er spürte ihren Atem auf dem Gesicht. Vorsichtig berührten seine Lippen die ihren. Aaren schmeckte einen leichten Hauch von

Salz. Er hatte das, was von seiner Seele übrig gewesen war, grade erst wieder gekittet. Und jetzt setzte er genau das auf Spiel nicht? Aber er wollte und würde es riskieren. Wie auch immer das alles ausging eines stand für ihn fest, es würde nicht mehr nur sein Schicksal bestimmen. Obwohl er es nicht wollte, zwang Aaren sich doch, sich wieder von Sonea zu lösen, die ihn lediglich erwartungsvoll ansah. Die Luft im Raum schien schwerer, die Zeit irgendwie langsamer. Der rationale Teil von Aarens Verstand ermahnte ihn das das natürlich nicht möglich war. Ihr war das alles genau so bewusst wie

ihm. ,,Aaren ?“ Er seufzte innerlich, als er die Stimme hörte und sich wiederwillig umdrehte. In der Tür standen sowohl Jack als auch Mia, beide bepackt mit Karten, Dokumenten und Ausrüstung. Wenigstens schien der Mann sich wieder gefangen zu haben. ,, Ja ?“ , fragte er und versuche dabei sich möglichst nichts anmerken zu lassen. Keiner der beiden schien sich groß darüber zu wundern, ihn und Sonea umschlungen in der Mitte des Raums anzutreffen. ,, Wir haben vielleicht eine Möglichkeit gefunden, Abundius zuvor zu kommen.“ , erklärte die Kommissarin

derweil.

Kapitel 14 Aufbruch

Wenige Minuten später saßen sowohl Aaren, als auch Mia, Sonea und Jack am Schreibtisch im Hinterzimmer der Kneipe. Die Kommissarin hatte bereits damit begonnen, mehrere holographische Karten auf der Oberfläche des Tischs zu sortieren, so dass allmählich eine dreidimensionale Ansicht des kompletten Regierungsbezirks mitsamt den umliegenden Bezirken entstand. Die Gebäude und Straßenschluchten aus erstarrtem Licht erfüllten den Raum mit einem schummrigen Wechsel aus Farben.

,, Wir starten unsere eigene Revolution, bevor Abundius dazu kommt.“ , erklärte

Mia, sobald das letzte Kartenteil an seinem Platz war. ,, Ob ich ihm vertraue oder nicht, ich glaube , wir haben zumindest genau so gute Chancen wie er.“ ,,Glauben sie wirklich immer noch , nach heute hat da draußen noch irgendjemand den Mut, sich gegen das Elektorat zu stellen ?“ , fragte Jack. Der Mann wirkte nicht mehr so abgeschlagen wie zuvor, wie Aaren erleichtert feststellte, trotzdem schien er ihre Erfolgschancen wohl nicht all zu hoch einzuschätzen. Etwas, bei dem ihm Aaren unter anderen Umständen vielleicht sogar zugestimmt hätte. ,,Wenn nicht, hätte Abundius recht.“ ,

antwortete die Kommissarin. ,, Und dann wäre alles was wir hier tun ohnehin umsonst.“ ,, Sie wollen nicht daran glauben.“ , stellte Aaren fest. ,, Nenne sie es Intuition.“ Er nickte. ,, Man hat mir auch einmal gesagt, den Hive einzunehmen wäre nicht möglich. Am Ende hat es trotzdem funktioniert.“ Jack lachte. ,, Seit wann sind sie den bitte zum Optimisten geworden ?“ ,, Seit die Alternative darin besteht abzuwarten, ob Abundius auch wirklich so schnell willens ist, seine Macht wieder abzugeben, wenn er sie erst einmal hat. Ich glaube es zwar… aber

Glaube allein ist so ein Risiko schlicht nicht wert. Also, Mia, was haben wir?“ Die Kommissarin deutete auf einen Punkt auf der Karte, der daraufhin mit einer grünen Markierung hervorgehoben wurde. Von außen sah es aus wie ein simpler, zwanzig Stockwerke hoher Bürobau, wie man sie überall finden konnte. ,, Ich weiß noch aus dem Kopf, wo sich einige der Netzwerkknoten für die Nachrichtenwege der Stadt befinden. Das ist einer davon. „ , erklärte Mia, als eine vergrößerte Ansicht des Baus erschien. ,,Er befindet sich recht nah am Regierungsviertel , daher ist er vermutlich noch am ehesten aktiv. Und

wohl auch entsprechend gut bewacht. Aber das wollten sie ja in Erfahrung bringen, nicht?“ Aaren nickte. ,, Ich bin immer noch der unter uns, der hoffentlich als Tot gilt.“ Und er wusste etwas, das er den anderen bisher vorenthalten hatte. Er musste an den Polizisten zurück denken, der ihn durchgelassen hatte, als er aus dem Hochhaus geflohen war. Nicht der gesamte Sicherheitsapparat des Elektorats stand gegen sie. Wenn möglich wollte er herausfinden, wie weit die Loyalität von Polizei und Militär überhaupt noch stand. Von den anderen Kommissaren ganz zu schweigen. Auch wenn das alles andere als ungefährlich

wäre… ,,Wir werden allerdings so oder so kaum kampflos da reinkommen, oder ?“ , fragte Jack. Die Situation kam ihm zu vertraut vor. Und warum auch nicht. Sie taten genau das, was Abundius, er und die anderen schon versucht hatten. Auch wenn es diesmal nicht darum ging, geheime Berichte unter die Leute zu bringen sondern sie ganz einfach zu einer gesammelten Revolte aufzufordern. Etwas, das funktionieren könnte, oder auch nicht… ,, Nein. Darauf können wir wohl nicht hoffen.“ , stimmte Mia ihm zu und sah dabei zu Sonea. ,, Verraten sie mir eines, kann sie… mit einer Waffe

umgehen ?“ ,, Ja und nein.“ Aaren wusste durchaus, das sie das konnte. Aber er konnte sich auch noch gut an ihren Gesichtsausdruck erinnern, als sie zum ersten und bisher letzten Mal jemanden erschossen hatte. ,, Ich werde das nicht für sie entscheiden.“ Er sah zu Sonea, die bisher stumm neben ihm gesessen und die Karte studiert hatte. Offenbar war ihr ziemlich schnell klar geworden, was sie da vor sich hatte. Langsam schüttelte sie den Kopf. Nein. Die Antwort war deutlich genug, dachte Aaren. Und er konnte sie nur zu gut verstehen. Er hätte selbst gerne darauf verzichtet, je wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen, doch die Wahl hatte er

leider nicht. Nicht wenn das hier alles endlich ein Ende finden sollte... Mia verfolgte die kurze Szene irritiert. Es war immer noch seltsam, dass das schweigsame Wesen ihr gegenüber scheinbar wirklich jedes Wort verstand. ,,Schade.“ , erklärte sie schließlich nur. ,, Wir hätten eine zusätzliche Hand gebrauchen können.“ Ihr war durchaus klar, das es wohl kaum Sinn hätte, darüber zu diskutieren. Und zwingen konnte sie Sonea wohl zu nichts. Aber das machte ihr vorhaben nicht wirklich einfacher. Jack hatte offenbar ebenfalls noch seine Zweifel. ,, Nur einmal angenommen, wir schaffen es tatsächlich, einen

Knotenpunkt einzunehmen und uns Zugang zu den Nachrichtensystemen des Elektorats zu verschaffen... wie genau wollen wir die Leute dazu bringen , sich uns anzuschließen ? Wenn wir das nicht schaffen, können wir uns die ganze Sache leider auch Sparen.“ Aaren schloss einen Moment die Augen. Damit zumindest hatte er definitiv recht. Ab dem Moment, wo sie die Netzwerke unter Kontrolle hätten, läge die Sache nicht mehr in ihrer Hand... sondern in der von tausender, vielleicht Millionen von Menschen. Und es hinge an dem, was diese dann tun würden. Das Elektorat hatte den ersten Wiederstand zerschlagen. Beim zweiten, durfte das

schlicht nicht passieren... ,, Alles was sie brauchen, ist ein kleiner Funke.“ , murmelte er, mehr zu sich selbst, als das mit einem der anderen Sprach. ,,Bitte ?“ Mia sah ihn fragend an. ,, Ein... alter Freund sagte mir einmal, die Leute würden solange folgen, wie sich alle auf den Kapitän verlassen können. Dem Mann am Ruder... Bedauerlicherweise sieht es jetzt jedoch so aus, als würde alles außer Kontrolle geraten. Das Ruder ist längst führerlos, ob es jemand merkt oder nicht. Was würde passieren, wenn sie jemand darauf hinweist ?“ ,, Das vollkommene Chaos.“ , stellte

Jack fest. ,, Oder etwas Vergleichbares. Es muss einfach funktionieren. Niemand da draußen kann noch behaupten, das er mittlerweile nicht das wahre Gesicht des Elektorats gesehen hätte oder selber Opfer davon geworden wäre... Abundius glaubt vielleicht, es wäre den Ministern gelungen, jeden Wiederstand zu brechen, aber dann würden wir auch nicht mehr hier sitzen. Nein, wenn wir den Leuten zeigen, dass das Elektorat nicht gewonnen hat, das es immer noch Leute gibt, die bereit sind zu kämpfen, dann werden sie sich uns anschließen.“ ,, Ich würde es zumindest gerne glauben.“ , gab Mia zu. ,, Also gut...

aber wir haben immer noch ein Hindernis vor uns und das dürfte vielleicht sogar das Gefährlichste sein. Der Regierungsbezirk ist nach wie vor Abgeriegelt. Nicht nur durch die Ulanen und ihre Drohnen, sondern auch durch ein ganzes Netzwerk an Schilden. Jeder einzelne Zugang verfügt über eine Energiebarriere. Das Elektorat müsste sie nur einschalten und der komplette Aufstand verpufft in diesen Feldern zu Asche oder kommt zumindest ziemlich schnell ins Stocken. Und dann können die Ulanen den Rest aufräumen. Solange wir nicht an de Ministerrat herankommen werden wir scheitern.“ ,, Aber sie haben schon einen Plan ?“ ,

fragte Aaren. Mia grinste. ,, Vielleicht etwas... extrem, aber es dürfte funktionieren. Wir kommen nicht an die Kontrollen der Schilde ran. Die sind dahinter und damit abgeriegelt, solange sich keiner von uns in den Regierungsbezirk schmuggeln würde. Und das wäre bei jedem von uns Selbstmord. Mich will man ohnehin als Zeugen ausschalten , Jack ist ein gesuchter Rebell und sie Aaren, sind ein wandelnder Toter für sie.“ ,, Aber ?“ ,, Aber, das müssen wir auch gar nicht.“ Mia wendete sich wieder der Karte zu, die nach wie vor das Bürogebäude zeigte, in dem die Datenserver des

Elektorats lagen. Mit einer Geste vergrößerte sie den Kartenausschnitt wieder, bis erneut der Regierungsbezirk mit den darum liegenden Straßenzügen sichtbar wurde. Dann hob die Kommissarin eine Reihe von Gebäuden hervor, die direkt an den Regierungsbezirk grenzten. Gehobene Wohnblocks, wie sie die erfolgreichere Mittelsicht bewohnte, etwa zehn Stockwerke hoch und normalerweise nichts, dem man große Aufmerksamkeit schenkte. ,, Die Aus und Eingänge liegen auf der Seite der normalen Stadtbezirke.“ , meinte Jack, der bereits eine Vermutung hatte. ,, Da kommen wir nicht durch.

Und Fenster gibt es augenscheinlich auch nur in den oberen Etagen welche, falls sie also kein Sprungnetz organisieren können, sehe ich nicht, wie wir dadurch in die nähe der Ministerien....“ Er stockte, sah dann zu Mia, zurück auf die Karte und wieder zu Mia. ,, Sie sind völlig Wahnsinnig. Ich habe Aaren mal für verrückt gehalten, aber das ist... absoluter Irrsinn.“ ,, Die Gebäude wurden während der Proteste evakuiert und werden für den Moment nicht mehr bewohnt. Es passiert niemanden was, keine Sorge...“ ,, Würde mich vielleicht mal jemand aufklären ?“ , fragte Aaren. ,, Wie sieht ihr Plan

aus.“ Jack seufzte. ,, Sie will die ganze Häuserzeile sprengen. Die Lücke wäre viel zu groß, um sie mit einem tragbaren Schildgenerator zu schließen und es würde wohl zu lange dauern, genug Sicherheitskräfte zusammenzuziehen um alles dicht zu machen. Wir... schaffen uns unseren eigenen Zugang zum Regierungsbezirk.“ ,, Nicht grade subtil, aber es sollte funktionieren. Mit dem Sprengstoff, den Abundius uns hier gelassen hat, könnten wir wohl auch die Schilde ausschalte, aber die Straßen können auch von Ulanen und Militär wieder gesichert werden. Eine solche Lücke hingegen

nicht. Zumindest nicht schnell genug. Des weiteren liegen die Gebäude in der Nähe des Knotenpunkts, den ich ihnen gezeigt habe. Wer immer die Sprengsätze dort verteilt muss ohnehin schnell sein... und könnte zumindest einen Teil der Wachen ablenken.“ ,,Ich melde mich freiwillig.“ , bemerkte Jack mit einem grimmigen Lächeln. ,, Dann kann ich gleich was zurückzahlen.“ ,, Die Sprengsätze oben sollten stark genug sein, die Gebäude zu destabilisieren, wenn sie sie nahe genug heranbringen. Einer alle paar Meter die gesamte Straße entlang und der Ministerrat kann sich von seiner vermeintlichen Festung im Herzen der

Stadt verabschieden.“ ,, In diesem Fall, sehe ich mir heute also den Netzwerkknoten an.“ , meinte Aaren. ,, Sobald wir wissen, mit wie vielen Wachen wir zu rechnen haben, kann es losgehen. Wir haben weniger als 48 Stunden übrig, bis Abundius selbst zuschlägt. Bis dahin, haben wir entweder Erfolg gehabt... oder sind tot. Was werde sie tun, Mia ?“ ,, Wir haben ein Gaußgewehr.“ ,, Bitte ?“ , fragte Aaren ungläubig. Eine voll geladene Gaußwaffe richtete gut und gerne genau so viel Schaden an, wie eine Rakete, wenn nicht mehr, je nachdem, wie die Waffe eingestellt wurde. Grade das hatte dazu gefügt, das

die Technologie auf fast allen Planeten verboten worden war. Die Zerstörung, die eine einzelne Person anrichten konnte, war enorm, mal davon abgesehen, das die Waffen verhältnismäßig leicht zu verbergen waren. ,, Ich werde mir also einen Platz hoch oben suchen und ihnen beiden Feuerschutz geben. „ , führe Mia aus. ,, Von einem er gegenüberliegenden Gebäude sollte ich sowohl sie, als auch Jack im Auge behalten können. Die Ulanen werden nicht einmal mehr wissen, was sie getroffen hat, wenn ich mit denen fertig bin.“ ,, Dann ist es also entschieden.“ , stellte

Jack fest. ,, Es kann immer noch sein, dass das Elektorat den Nachrichtenknoten stillgelegt hat.“ , gab Aaren zu bedenken. Allerdings glaubte er nicht daran. Mit einem hatte Mia jedenfalls recht, der Bau lag sehr nahe am Regierungsviertel und damit in der Zone, die der Ministerrat wohl noch als sicher ansehen würde. Wenn man sich auf eines verlassen konnte, dann auf die Selbstüberschätzung des Elektorats. Und genau das würden sie sich letztlich zu nutze machen. Mit einem derart großangelegten Angriff würden sie niemals rechnen. ,, Ich helfe.“ , meinte da eine

entschlossene Stimme, direkt neben ihm. Er hatte Sonea schon wütend gesehen, neugierig, nervös , gefasst oder auch schlicht verwirrt. Aber noch nie so. Ruhig, gefestigt und absolut entschlossen. Sie wusste genau so gut, wie er, was jetzt auf dem Spiel stand. Sie würde helfen, vielleicht nicht mit einer Waffe, aber die brauchte sie auch nicht wirklich, wie Aaren nur zu gut wusste. Durch die Tür, die zurück in die Bar führte, fiel nun bereits deutlich sichtbares Tageslicht. Goldene Lichtbahnen, die den Staub in der Luft zum leuchten brachten. Es war an der Zeit aufzubrechen. Ab jetzt lief die Zeit endgültig gegen

sie.

Kapitel 15 Der Netzwerkknoten


Das Gebäude vor ihm unterschied sich nur geringfügig von seinem holographischen Ebenbild, das er heute Morgen gesehen hatte. Ein hoher Bürobau, dessen breite Glasfront verspiegelt war und die Abendsonne reflektierte, so das er regelmäßig wegsehen musste. Doch er hatte bereits alles gesehen, was er sehen musste. Das Gebäude war nicht verlassen. Im Gegenteil. Aus einer Seitengasse heraus beobachtete er das halbe duzend Wachposten, die sich um das Gelände

vor dem Haupteingang verteilten. Nur zwei trugen tatsächlich Uniform und sichtbare Waffen, aber jeder, er geduldig genug war, bemerkte schnell, das sich eine kleine Gruppe von Passanten nie weit von dem Bau entfernte. Weitere Wächter, vielleicht sogar Kommissare, den Ulanen konnten sich unmöglich verbergen. Dazu fehlte es diesen lebenden Toten einfach zu sehr an Fantasie oder irgend einer anderen menschlichen Eigenschaft, was das anging. Die Kommissare hingegen erinnerten sich wenigstens daran, wie sich ein normaler Mensch verhielt... Sechs Wachen und Nachts würden die Poste sicher noch einmal verstärk. Mal

von denen abgesehen, die im inneren des Gebäudes wache halten würden. Aaren hatte genau darauf geachtet, wer es in den letzten Stunden betreten und verlassen hatte. Alles in allem schätzte er, müssten es wohl zwanzig Leute sein. Selbst wenn er welche verpasst oder übersehen hätte, waren es also insgesamt wohl unter vierzig Posten, diese jedoch bestens ausgerüstet und offenbar darauf vorbereitet, das jemand den Knotenpunkt angriff. Trotzdem... ,, Was meinst du ?“ , fragte er an Sonea gerichtet, während er sich etwas weiter in die Gase zurück zog, um nicht doch noch entdeckt zu werden. Einmal hatte er bereits geglaubt, das ihn einer der

Männer in Zivil gesehen hatte. Der Posten hatte eine ganze Weile genau in seine Richtung gestarrt, bevor er sich dann doch wieder seiner Arbeit zugewendet hatte. Sonea beschrieb eine Geste mit der Hand. Fünf Finger. Dann keine mehr. Wieder fünf. R nickte. ,, Es sind zu wenige, oder ?“ Vierzig Mann, egal wie gut ausgerüstet , waren zu wenige, wenn es um die Sicherheit des gesamten Datenverkehrs ging... Oder vielleicht hatte er die Selbstsicherheit des Ministerrats trotz allem noch maßlos unterschätzt... Das Wesen neben ihm nickte Sie trug erneut die Verkleidung, die Aaren sich

auf Liurie überlegt hatte, allerdings leicht ergänzt . Ein dünnes paar Handschuhe verbargen die Knochendornen , genau wie die Schwimmhäute zwischen den Fingern. Solange ihr niemand direkt ins Gesicht sah, würde sie unerkannt bleiben. Und die wenigsten Leute gingen heutzutage noch erhobenen Hauptes durch die Straßen. Seit dem frühen Morgen warteten sie bereits hier und hielten das Gebäude im Auge, während Mia und Jack auf eigene Faust losgezogen waren, um die Gegend auszukundschaften... und ihnen ein Fahrzeug zu besorgen. Jack würde schnell sein müssen, wenn er die

Sprengsätze anbringen und dabei dem Elektorat entkommen wollte Mia wiederum war vermutlich jetzt irgendwo auf den Ächern unterwegs, um das Gaußgewehr an einer günstigen Stelle zu positionieren und dort zu verstecken, bis sie es brauchten. Und das würde wohl eher früher als später der Fall sein... Innerlich hoffte er wieder, das Abundius wirklich zwei ganze Tage brauchen würde, für was immer er auch vorhatte. Wenn der Mann schon heute Abend zuschlug, wäre alles umsonst. Aber was auch immer geschehen würde, hier hatte er zumindest alles gesehen. ,,Komm.“ , meinte er an Sonea gerichtet. ,, Verschwinden wir hier.“ Er warf einen

letzten Blick zurück, froh, diesem Ort fürs erste den Rücken kehren zu können. Wenn er das nächste mal hier wäre, würde sich alles entscheiden müssen. Der Gedanke jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Und dann erstarrte er. Hinter der Absperrung, die den Eingang des Gebäudes umgab, stand einer der getarnten Männer, die er zuvor schon beobachtet hatte. Doch anstatt sich in der Umgebung umzusehen, war der Posten stehen geblieben... und Blickte jetzt genau in seine Richtung. Aarens Hand wanderte instinktiv zum Pistolengriff an seiner Hüfte, während er innerlich bereits die Sekunden zählten. Schließlich drehe der Mann sich jedoch

um und nahm seine Route über das Gelände wieder auf. Der Kommissar atmete erleichtert auf. Das war knapp gewesen, dachte er. Zu Knapp. Er gab Sonea rasch ein Zeichen, während sie die Gasse hinab verschwanden. Die Gebäude rechts und links von ihnen standen so dicht, das kaum Tageslicht bis hinab auf die Straßen drang. Lediglich einige Lampen sorgten für genug Licht, damit man sich noch orientieren konnte. Am anderen Ende der Gasse jedoch , stolperten sie auf eine der breiten Hauptstraßen hinaus. Große, mit Menschen überlaufene Bürgersteige säumten eine dreispurige Straße, die das Herz der Stadt einmal

durchschnitt, während überall kleinere Straßen, wie Blutbahnen von einer Schlagader, abzweigten. Aaren tauchte ohne aufzusehen in die Menge ein und suchte dabei Soneas Hand. Auf der einen Seite wollte er nicht riskieren, sie im Durcheinander zu verlieren, während sie sich einen Weg zurück in Richtung ihres Verstecks suchten. Und auf der anderen... war es einfach angenehm, gab er zu, während sie eine Absperrung passierten, hinter der sich eine ganze Abteilung Sicherheitskräfte in Sturmpanzerung bereit machte, eine Tür einzutreten. Der Anblick von spontanen Hausdurchsuchungen war her beinahe schon zur Gewohnheit geworden, dachte

Aaren. Die meisten Leute gingen unbekümmert einfach weiter, nur einige wenige drehten kurz den Kopf, nur um sofort wieder wegzusehen, wenn sie einer der in dunkles Kevlar oder kinetisches Gewebe gekleideten Männer bemerkte. Aaren veralasste der Anblick allerdings, sich einen anderen Weg zu suchen. Sobald sie die Absperrung hinter sich ließen, lenke er seine Schritte weg von der großen Lebensader der Stadt und erneut auf die ganz so stark frequentierten Nebenstraßen. Sie passierten einige Geschäfte, die aber entweder bereits als Vorbereitung auf die Ausgangssperre geschlossen hatten... oder vielleicht auch überhaupt nicht

mehr öffneten. Schließlich wurden die Gebäude generell immer niedriger, bis sie sich in einem kleinen Vorort wiederfanden, der ihm seltsam vertraut vorkam. Er hatte in den letzten halben Jahrzehnt nicht viel Zeit hier verbracht, daher konnte er sich auch täuschen. Die Städte veränderten sich schnell... Einstöckige Wohnbauten säumten die hier praktisch verlassenen Straßen, wenn man von den auch hier allgegenwärtigen Patroullien absah. Aaren hatte mittlerweile herausgefunden, wie er sie am besten umging. Wann immer ihnen ein Uniformierter Posten zu nahe kam, tauchte er rasch in der Menge unter. Hier draußen konnte er das jedoch

vergessen. Zum Glück jedoch war den Ulanen mit ihrem freien Willen und sämtlichen Emotionen offenbar auch etwas sehr viel wichtigeres abhanden gekommen... und das war jede Form von Intuition. Solange ihn niemand direkt erkannte, war er , trotz der Nervosität, die er nie ganz verbergen konnte, nur ein weiterer Bürger... Allerdings wollte er nicht herausfinden, was passierte, wenn ihn doch jemand identifizierte. Und das würde zwangsläufig passieren, je länger sie hier blieben. ,, Beeilen wir uns besser.“ , meinte er an Sonea gerichtet. ,, Wir haben unser Glück heute schon überstrapaziert.“ Das Wesen nickte und Aaren wollte

wieder einen Bogen in Richtung der belebteren, aber wohl auch sichereren Hauptstraße schlagen, als die Siedlung plötzlich endete. Oder vielleicht war Ende nicht das richtige Wort. Die Reihen aus weiß getünchten Fertighäusern wurde durch eine Mauer ersetzt, die sich gut fünfhundert Meter die Straße hinab zog. Dahinter konnte Aaren nicht sehen, lediglich die Wipfel einiger angeschlagen wirkender Bäume ragten hinter dem Wall auf. Ein Anblick, der selten genug war. Aaren wusste, was er vor sich hatte, noch bevor er die schmiedeeisernen Tore erreichte. Und plötzlich wusste er auch, wieso ihm dieser Ort vertraut vorkam. Es hatte sich

wirklich einiges verändert , dachte er. Selbst die Mauer war bei seinem letzten Besuch noch nicht da gewesen. Friedhöfe waren im Lauf der letzten Jahrhunderte zunehmend aus dem Stadtbild verschwunden, doch einige wenige gab es noch. Einäschern und dann verteilen war letzten Endes einfach billiger und wurde sogar vom Elektorat gefördert, vor allem aus Platzgründen. Auf einem Planet, der sich zunehmend in eine einzige Betonfläche verwandelte, war jede Freifläche wertvoll. Aaren wurde langsamer, als sie das Tor passierten. Innerlich sagte er sich, das er es gut sein lassen und einfach weitergehen sollte. Es gab keinen Grund

mehr, alte Wunden aufzureißen. Er hatte damit abgeschlossen. Zum Großteil. Trotzdem blieb er fast gegen seinen Willen doch stehen. Eine Weile sah er unschlüssig zur anderen Straßenseite herüber. Die Tore standen offen und gaben den Blick frei, auf eine große Grünfläche, durch die sich zu Rechtecken angeordnete Wege zogen. Sonea sah ihn fragend an, als ihr auffiel, das er angehalten hatte. ,,Würdest du kurz hier warte ?“ Jetzt wo er einmal hier war, wusste er, das er nicht mehr einfach gehen konnte, egal was die Logik gebot. Mia und Jack würden wohl auch erst kurz vor

Sonnenuntergang zurückkehren. Und noch hatte er etwas Zeit, bis die Ausgangssperren in Kraft treten würden. Soneas Züge nahmen einen besorgten Ausdruck an. Was hatte er vor ? ,, Keine Sorge, mir passiert nichts. Es gibt nur... eine Sache, die ich noch tun muss... Und ich weiß nicht ob ich sonst noch einmal die Gelegenheit dazu bekomme. Ich komme gleich wieder.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und lief über die Straße. Am Tor hielt er noch einmal inne, dann trat er hindurch. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, das Sonea ihn keinen Moment aus den Augen ließ. Aber das hier war sein Päckchen, das er zu tragen hatte.

Alleine. Trotzdem half das wenig gegen das mulmige Gefühl in seinem Bauch, als er einem der Pfade durch die aus kurz geschnittenem Gras bestehende Landschaft folgte. Die meisten Gräber hier waren alt und stammten teilweise noch aus der Zeit vor der Erfindung von ÜLG-Reisen, desto weiter er jedoch kam, desto jünger wurden auch die Daten auf den Steinen. Doch das Grab das er suchte, weiß keine Daten auf, keine Inschrift. Er hatte bewusst darauf verzichtet, hatte sich ihm doch alles, was wichtig war unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt. Seit seiner Ernennung zum Kommissar war er nicht mehr hier gewesen... fünf Jahre. Eine

lange Zeit, dachte Aaren wieder, während er einer Abzweigung folgte, die zum Randbereich es Friedhofs führte. Hier war die Mauer wieder sichtbar, wenn sie auf dieser Seite auch dicht mit Efeu bewachsen war, so das man nur stellenweise Beton erkennen konnte. Im Schatten dieser teilweise Meterdicken Schicht aus Gewächsen, fand er schließlich, was er gesucht hatte. Fünf Jahre waren nicht nur eine lange Zeit gewesen. Es war zu lange, dachte er bei sich. Der einfache, halbrunde Stein war ebenfalls von mehreren Ranken überwachsen, die niemand mehr entfernt hatte. Eine heruntergebrannte Kerze steckte in einem zerbrochenen

Glasbehälter. Einige vertrocknete Blumen ragten aus der mit Moosen und Gras überwachsenen Erde. Es wirkte einfach nur... trostlos, stellte er Kommissar fest. Aaren hatte mit viel gerechnet, als er vor einigen Minuten durch das Tor der Anlage gegangen war. Das er es gar nicht fertig bringen würde, bis hierhin zu gehen, das er erneut in seine alten Schuldgefühle zurückfallen würde, das er weinen, das er vielleicht wütend werden würde... Seine Gefühle schienen ohnehin bereits ein nicht immer willkommenes Eigenleben entwickelt zu haben. Aber nicht das. Ernüchterung. Die Trauer war noch da, genau wie alles andere, aber gut verborgen und

abgeschwächt, irgendwo in den hintesten Winkeln seines Verstands. Was überwog war schlicht, kalt und Unnachgiebig. Er hatte sich schon vor einer Weile vergeben, so schwer der Weg bis dahin gewesen war. Und irgendwie hoffte er, das Sophie das auch gekonnt hätte... Aaren räumte behutsam die lange toten Pflanzen bei Seite und warf sie achtlos in die nahegelegene Efeuhecke. Dann durchsuchte er seine Taschen und fand tatsächlich ein kleines Streichholzheftchen. Wie lange auch immer das schon dort sein mochte, die Zündhölzer funktionierten noch, als er eines davon Anriss und damit die Kerze entzündete. Ebenfalls verwunderlich, das

diese noch funktionierte. Vielleicht hatte er aber auch zur Abwechslung einmal Glück. Es war wenigstens etwas. Langsam senkte sich die Dämmerung endgültig über die Stadt und zeichnete lange Schatten. Aaren stand auf und wollte sich auf den Weg zurück zu Sonea machen. Jetzt würden sie sich doch beeilen müssen, um rechtzeitig zurück zu sein, dachte er. Aber immerhin, das würde ihm weniger Zeit lassen, endlos darüber nachzugrübeln, was Morgen sein würde. Ihnen blieb nur noch ein kleines Zeitfenster. Übermorgen um diese Zeit musste alles gelaufen sein... oder Abundius würde herrschen. Und wie das bei allem Vertrauen ausging, wollte er

nicht wissen. Bevor Aaren jedoch dazu kam, sich umzudrehen, drückte sich etwas metallisches gegen seinen Hinterkopf. Der kalte Lauf einer Waffe...

Kapitel 16 Kriegserklärung


,,Keine Bewegung...“ . Die Stimme direkt hinter ihm klang ruhig und entspannt. Oder besser, es gab gar nichts darin, was irgendeine Emotion verraten hätte. Nach wie vor verschwand die Waffe keine Sekunde aus seinem Genick, oder wurde auch nur der ruck darauf geringer. Sie mussten einen seltsamen Anblick bieten, dachte Aaren bei sich. Zumindest dann, wenn zufällig jemand vorbeigekommen wäre. Er konnte seinen Gegner nicht sehen, aber da er noch nicht von einer Abteilung Polizisten

oder Ulanen zu Boden gerungen wurde, war der Mann wohl alleine. Und damit gab es nur eine Möglichkeit, mit was er es zu tun hatte. ,, Sie sind ein Kommissar.“ , meinte er und stellte fest, das ihm die Stimme versagen wollte. Zum ersten mal seit langem hatte er Angst. Nicht um andere, sondern Todesangst um sich selbst. ,, Sind sie mir gefolgt ?“ Er wusste doch das ihn am Netzwerkknoten jemand gesehen hatte... ,, Ich stelle hier die Fragen.“ , kam die Antwort. Aaren wagte es den Kopf etwas zu drehen und erhaschte aus dem Augenwinkel einen Blick auf einige braune Haarsträhnen, die ein auf den

ersten Blick Jung wirkendes Gesicht umrahmten. ,, Also, was zur Hölle haben sie vor ?“ ,, Ich glaube, das sehen sie doch, oder ?“ , fragte Aaren mit belegter Stimme bevor er in Richtung des Grabs nickte. Nur mit Mühe kämpfte er die Angst nieder und zwang sich, sich zu konzentrieren. Er musste hier raus, sagte er sich. Aber wie ? Und noch etwas wollte nicht ins Bild passen. Etwas, das ihm selbst in seiner aufkommenden Panik noch auffiel. Warum war der Mann alleine ? Seine eigene Hand wanderte Stück für Stück zum griff der Pistole, die aus seiner Jacke herausragte. Wenn er

schnell genug wäre und seinen Gegner überraschen konnte... ,, Weg damit. Langsam.“ Aaren hielt in der Bewegung inne. Verflucht. Natürlich, einen Kommissar täuschen zu wollen, war ein Kunststück für sich... ,, Und wenn nicht ?“ , fragte er trotzdem. ,, Erschieße ich sie auf der Stelle.“ In der Stimme des Mannes lag nicht das geringste zögern. Allerdings kaufte Aaren ihm das wiederum nicht ab. Selbst wenn diese Begegnung nicht schon unmöglich genug war, das Elektorat würde nicht grade erfreut darüber sein, wenn ihn jemand einfach erledigte.

Nein... Sie würden Antworte wollen. Und dann würden sie eine Show aus seinem Tod machen wollen. ,, Alleine die Tatsache, das sie mir alleine gefolgt sind, anstatt mir eine Abteilung Ulanen auf den Hals zu hetzten bedeutet, das sie das nicht tun werden. Sie wissen wer ich bin...“ Es war keine Frage, trotzdem Antwortete der Mann. ,, Aaren Terrel. Der eine Kommissar, der alles Verraten hat, wofür wir stehen.“ ,, Habe ich das ? Vielleicht. Wenn das, wofür wir stehen ist, was ich in dieser Stadt gesehen habe... dann ja.“ ,, Die Kommissare verkörpern die Gerechtigkeit. Das wussten sie.“ Die

Waffe in seinem Nacken verschwand nicht, aber Aaren spürte, wie der andere Mann kurz zitterte. ,, Und trotzdem haben sie uns alle hintergangen.“ ,, Wenn jemand hintergangen wurde, dann ich. Wir alle wurden das...“ Aaren drehte sich um. Mittlerweile waren ihm die Folgen sogar egal. Oder vielleicht war er einfach nur Müde. So oder so, er hatte genug davon... Sollte er ihn doch endlich erschießen. Vielleicht hatte er sich getäuscht und der Mann war einfach nur dumm genug gewesen, ihm alleine Nachzuspüren. Davor zumindest schützten Mentalblocker nicht. ,, Aber augenscheinlich, hat das außer mir noch niemand gemerkt. Und trotzdem hat das

ausgereicht, oder nicht ? Wie lange noch, bis das Elektorat uns alle Ersetzt, jetzt wo sie gemerkt haben, das ihr System nicht mehr funktioniert ?“ Aarens erster Eindruck von dem Mann bestätigte sich. Er war etwas kleiner als er selbst, mit kurzgeschnittenen braunen Haaren und entspannten Gesichtszügen. Das silberne Emblem der Kommissare glänzte am Aufschlag einer dunkelblau gefärbten Jacke. Die gravierte Pistole hielt er dabei mit beiden Händen umklammert und direkt auf seinen Kopf gerichtet. Aaren konnte die Inschrift auf den Waffenläufen mit etwas Mühe entziffern. Si vis pacem, cole iustitiam. Wenn du Frieden willst, pflege die

Gerechtigkeit. ,, Es ist nicht an mir, das zu beurteilen. Die Minister wissen, was sie tun und sobald die Ordnung wiederhergestellt ist...“ Aaren war es Leid, gegen eine Wand anzureden. ,,Es wird nie wieder so etwas wie Ordnung geben ! Entweder, sind sie hier, weil ihnen das irgendwie bereits klar geworden ist, oder sie sind einfach nur absolut dämlich, aber hören sie mit diesem Schwachsinn auf. Ich habe genau das gleiche ein halbes Jahrzehnt lang jeden Tag gesagt, also sparen sie sich die Predigt ! Erschießen sie mich oder lassen sie es bleiben...“ Einen Moment glaubte er, das der

Kommissar ihm gegenüber genau das tun würde. Aaren konnte sehen, wie sich seine Muskeln anspannten, sich ein Finger um den Abzugsbügel er Waffe legte... und dann doch innehielt. ,, Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich bitte noch glauben soll.“ , erklärte sein Gegenüber, nun zum ersten malt mit einer Spur von Emotion in der Stimme. ,, Man hat uns beigebracht, diese Gesellschaft zu schützen. Seltsamerweise bedeutet das in letzter Zeit immer öfter, auf unbewaffnete Zivilisten zu feuern. Und seltsamerweise scheint sich das Elektorat seiner... Beschützer gleichzeitig nach und nach zu entledigen. Allein in der letzten Woche

sind über einhundert Kommissare... verstorben.“ Aaren nickte und versuchte sich nichts anmerken zu lassen, als er eine Bewegung wahrnahm. Eine einzelne Gestalt in einem weißen Kapuzenpullover kam einen der Pfade herauf, die vom Friedhofstor wegführten. Sonea... Eigentlich war ihm schon klar gewesen, dass sie kaum ewig warten würde und nun war er sogar froh darüber. Aber wenn der andere Kommissar sie bemerkte... Er musste ihn weiter beschäftigt halten. Und er durfte sich nicht das Geringste anmerken lassen... ,, Und trotzdem dienen sie ihnen

weiter...“ ,, Welche Wahl haben wir den ? Die Alternative ist Anarchie. Fällt das Elektorat... fällt der Rest de Galaxie mit ihm, ob wir das wollen oder nicht.“ Aaren ging der Brief wieder durch den Kopf, den Arthur ihm hinterlassen hatte. Genau das war auch die Befürchtung des alten Justizministers gewesen. Der Preis der Freiheit könnte am Ende zu hoch sein. ,, Nein. Das glaube ich nicht. Ich habe bereits gesehen, dass es anders geht. Liurie ist bereits frei... und natürlich gibt es dort Probleme. Jede Veränderung bringt Risiken mit sich verdammt. Aber wenn das der einzige Grund ist, aus dem

sie mich aufhalten wollen, dann tun sie nicht ihre Pflicht... dann sind sie nur eines und das ist Feige. Dieser ganze Planet versinkt bereits im Chaos und nur falls sie das irgendwie nicht mitbekommen haben sollten… daran hat das Elektorat seinen Anteil !“ Aaren verstummte und wartete darauf, wie der Mann reagieren würde. Der Kommissar runzelte die Stirn, ließ die Waffe jedoch nicht sinken. Er könnte ihn immer noch mit einer Bewegung des Fingers töten, das war Aaren klar. Aber er glaubte längst nicht mehr daran. ,, Sie wissen ich muss…“ Weiter kam er nicht mehr, bevor Sonea sie endlich erreicht hatte. Sie war tödlich schnell.

Mit einer Bewegung war der Handschuh an ihrer linken abgestreift, während die rechte Hand bereits den anderen Kommissar packte und zurückriss und zwei messerscharfe Dornen an seinen Hals legte. Der Mann erstarrte genauso, wie zuvor Aaren, unfähig auszumachen, wer da hinter ihm stand, oder was auch nur vor sich ging. Aaren wusste, im Zweifelsfall er würde nicht einmal mehr mitbekommen, was ihn eigentlich getroffen hatte. Geschweige denn würde er noch in der Lage sein, den Abzug zu drücken. ,, Nein warte…“ Sonea hielt in der Bewegung inne und sah ihn überrascht an, ihr Griff um Schulter und Hals des

Mannes lockerte sich jedoch nicht. ,, Sie haben jemanden mitgebracht.“ , stellte sein gegenüber mit einer Spur Nervosität fest. ,, Was ist das ?“ Er spürte ganz klar den schwachen Druck der zwei Spitzen an seinem Hals, konnte sich aber wohl nicht erklären, zu welcher Waffe diese gehören sollten. ,, Nur so viel, wenn sie sich bewegen, sterben sie, verstanden ?“ ,, Und sie mit mir.“ , erwiderte der Mann, die Pistole nach wie vor zielsicher auf Aaren gerichtet. Dieser hatte endgültig genug. Das hier war ein Spiel, das er schon viel zu lange mitspielte. Aaren wirbelte herum und trat seinem Gegner die Waffe aus der

Hand. Seine Reflexe waren nach wie vor dieselben. Und mittlerweile war er sich sicher, dass der immer noch namenlose Kommissar nicht auf ihn schießen würde. Die Pistole segelte durch die Luft und schlug in sicherer Entfernung im Gras auf. Der plötzlich entwaffnete Mann wäre wohl zurückgestolpert, wären da nicht immer noch die zwei undefinierten Klingen direkt an seiner Schlagader gewesen. ,,Schon gut.“ , meinte er an Sonea gerichtet. ,, Er tut mir nichts. Lass ihn los. Aber langsam.“ Er konnte Sonea ansehen, das sie von der Idee alles andere als begeistert war,

trotzdem verschwand ihre Hand endlich von seinem Hals, während sie einen Schritt rückwärts trat, weg von dem sich überrascht umsehenden Mann. Als er Sonea entdeckte, wurde sein Gesichtsausdruck noch verwirrter, sofern das überhaupt möglich war. Während des kurzen Kampfes war ihr die Kapuze vom Kopf gerutscht und offenbarte nun ein, hinter einem Vorhang aus dunklen Haaren verborgenes, Gesicht, das definitiv nicht menschlich war. Kaum wahrnehmbare, silbrig grüne Schuppen bedeckten die Haut und zwei golden schimmernde Augen bedachten den Kommissar mit einem misstrauischen Blick. Etwa genauso hatte sie ihn bei

ihrer ersten Begegnung auch einmal angesehen, dachte Aaren. Er wusste nicht, wie der Kommissar reagieren würde. Aaren wollte ihn nicht töten, stellte sich aber bereits innerlich darauf ein, ihn notfalls bewusstlos zu schlagen. Das war immer noch besser, als wenn er einen Giftdorn in den Körper gejagt bekam. ,,Was…“ setzte der Mann an, schielte aber gleichzeitig nach seiner verlorenen Waffe. ,, Vergessen sie es besser gleich. Sie ist schneller als sie, glauben sie mir das einfach. Wenn sie es selbst herausfinden müssen wird das ziemlich schmerzhaft.“ Der Kommissar drehte sich wieder zu

Aaren um. ,, Sie wissen, dass das Elektorat nie aufhören wird, sie zu jagen.“ ,,Ich habe nicht vor, ihm noch lange Gelegenheit zu lassen, mir nachzustellen.“ , gab Aaren zurück. ,, Die alte Ordnung ist tot. Jones ist tot. Ermordet von seinesgleichen. Und die Kommissare sterben aus, wie sie selbst erzählt haben. Es wird nicht mehr lange dauern, da werden die, die noch übrig sind, sich entscheiden müssen, ob sie echter Gerechtigkeit dienen… und damit auch allem, was das an Unsicherheit mit sich bringen mag… oder weiterhin nur dem Namen nach. Es wird in diesem Krieg keine Neutrale Position geben

können.“ ,, Es gibt auch keinen Krieg gegen das Elektorat.“ ,, Noch nicht, ich habe allerdings vor einen anzufangen. Und ich habe mir geschworen, dass das nur auf eine Art endet. Ich werde die Ministerien einreißen, Stein für Stein wenn nötig. Aber ich hoffe einfach, das wird es nicht. Es wird Tote geben und ich habe davon schon genug gesehen und um noch mehr zu verhindern, werde ich die Hilfe der Kommissare brauchen. Ersetzt oder nicht, für die Leute da draußen sind wir das Elektorat. In dem Moment, wo wir uns gegen den Ministerrat stellen, werden uns alle folgen, nicht nur die

Zivilisten. Denken sie darüber nach. Viel Zeit bleibt ihnen nicht mehr.“ Mit diesen Worten drehte Aaren sich um und bedeutete Sonea, ihm zu folgen. Das Wesen warf noch einen Blick zurück in Richtung des wie angewachsen vor dem Grab stehenden Kommissars. ,, Das ist alles ?“ , rief er ihnen nach. ,, Sie können mich nicht einfach so stehenlassen…“ ,, Ich kann und ich werde.“ , antwortete Aaren ihm lediglich, bevor er ebenfalls nicht mehr zurück sah. Auch wenn es nicht den Anschein hatte, er hatte heute gleich zwei wichtige Dinge erfahren. Erstens, das der Netzwerkknoten zwar bewacht war, aber bei weitem nicht so

schwer, wie er sollte… und das er nicht alleine war. Am Ende, würden die Kommissare entscheiden müssen, wie das alles enden würde. Und vielleicht hatte er grade einen Verbündeten gewonnen. Seine namenlose Bekanntschaft wusste es vielleicht noch nicht, aber er war auf dem richtigen Weg. Sie passierten das Tor des Friedhofs und machten sich auf in Richtung ihres Verstecks. Hoffentlich hatten Mia und Jack ebenfalls Erfolg. Ihnen blieb nur ein einziger Tag, um alles vorzubereiten ihre Pläne in die Tat umzusetzen.

Kapitel 17 Diebstahl


Mia konnte von ihrer Position aus fast die gesamte Stadt überblicken. Im Norden wo die größten Industriebezirke lagen, stieg Dampf aus einer Reihe gewaltiger Schlote zum Himmel und vermischte sich mit den Wolken zu einem dunklen, an Asche erinnernden Farbton. Weiter im Stadtinneren wiederum überragten die Gebäude des Justizministeriums alles, und zeichneten sich als immer präsente Silhouette am Horizont ab. So nahe war sie dem Regierungsbezirk nicht mehr gekommen, seit das alles begonnen hatte, überlegte

die Kommissarin, während sie den Blick wieder auf das wesentliche richtete. Sie konnte die verspiegelte Fassade des Bürobaus sehen, in dem sich der Netzwerkknoten befinden musste. Von hier aus konnte sie fast das gesamte Gelände darum herum einsehen, zusammen mit den meisten Straßen. Perfekt. Mia stand auf dem, von einer niedrigen Brüstung umlaufenden, Dach eines Wohnhauses, das sich fünfzehn Stockwerke weit in den Himmel über der Stadt erhob. Es war nicht der höchste Bau in der Umgebung, aber der einzige, der Öffentlich zugänglich und gleichzeitig für ihre Zwecke geeignet

war. In einemgrauen Koffer in ihrer Hand befand sich das auseinandergebaute Gaußgewehr. Die Waffe würde erst zum Einsatz kommen, wenn sie gebraucht wurde, war aber alles andere als unauffällig. Und wenn es erst einmal so weit war, würde sie kaum die Muse haben, die einzelnen Teile des Gewehrs wieder zusammenzubauen. Mia duckte sich hinter der schmalen Brüstung und klappte den Behälter auf. Rasch begann die Kommissarin damit, Laufstücke, magnetische Spulen und Kabel wieder an ihre Plätze zu bringen. Eine kleine Box, die etwa zwanzig der für das Gewehr erforderlichen Kugeln enthielt, verbarg sich unter dem abmontierten Griffstück.

Jedes einzelne der Projektile wog fast so viel, wie ein kleines Magazin vergleichbarer Munition. Die Wucht, die jedes davon beim Aufprall entwickelte… Mia wollte es sich nicht vorstellen müssen, auch wenn sie das ganze wohl früh genug noch in Aktion erleben würde. Während sie weiter die einzelnen Teile zusammenfügte, schaltete sie nebenbei das Funkgerät an, das sie verborgen im Aufschlag ihres Mantels trug. Die Geräte waren nicht sehr viel größer als ein Fingernagel und hatten sich ebenfalls unter den Vorräten gefunden, die Abundius offenbar nie gebraucht hatte. Der Mann hatte einen anderen Weg eingeschlagen wie sie. Und

vielleicht war er dabei ja auch auf seine Weise Erfolgreich wenn sie es nicht waren. Irgendwie war der Gedanke nicht wirklich tröstlich… ,, Sehen sie Aaren noch ?“ , fragte da Jacks Stimme, leicht verzerrt durch die Übertragung und die Verschlüsselung. Nach allem was Mia wusste, waren die Funkgeräte modernster Militärstandard. Es würde schon einiges erfordern, ihr Gespräch mitzuhören. ,, Nein. Er müsste mittlerweile auf Position sein, aber ich habe ihn aus den Augen verloren. Was vermutlich gut ist. Ich sehe den Knoten und das Gelände, aber die ganzen Seitenstraßen… keine Chance. Er kann schon auf sich

aufpassen. Und wie läuft es bei ihnen?“ ,, Ich habe vielleicht einen fahrbaren Untersatz gefunden.“ , antwortete Jack. ,,Vielleicht ?“ Mia setzte das letzte fehlende Stück der Waffe zusammen, bevor sie Aufstand, um sich nach einem guten Versteck dafür umzusehen. Den Koffer hingegen ließ sie stehen wo er war. Sie würde ihn nicht mehr brauchen. ,, Nun mir stehen geschätzte zehn Ulanen im Weg.“ ,, Machen sie bitte nichts dummes…“ Mia sah sich weiter auf dem Dach um. Nach hier oben verirrte sich wohl wirklich nur selten jemand, trotzdem wollte sie ganz sicher kein Risiko eingehen. Entdeckte man die Waffe oder

sie, war alles vorbei. ,, Keine Sorge.“ , meldete sich da wieder Jacks Stimme. ,,Ich hole sie gleich ab. Aber sie stehen besser bereit. Das wird etwas holprig…“ Damit brach die Verbindung ab. Offenbar hatte er das Funkgerät abgeschaltet, um zu verhindern, dass ihn ein unbeabsichtigt übertragenes Geräusch verriet. Aber was bitte meinte dieser Irre damit, dass es holprig werden könnte? Mia entschied, dass sie es nicht herausfinden wollte… und sich deshalb besser beeilte. Mittlerweile hatte die Kommissarin gefunden, was sie gesucht hatte. Zwischen einem Lüftungsschacht und der umlaufenden Schutzmauer gab es einen

schmalen Spalt, in dem sie das Gewehr verschwinden ließ. Solange niemand danach suchte, würde man es auch nicht finden… Einen Moment zögerte sie noch, dann jedoch hallten plötzlich Schüsse aus den Straßen zu ihr herauf. Sie waren noch entfernt, näherten sich aber ganz ohne Zweifel… Jack. Nun zumindest wusste sie jetzt, was der Mann gemeint hatte, dachte Mia, unsicher ob sie darüber lachen oder wütend werden sollte. So schnell sie konnte hastete sie zurück über das Dach zum Aufgang, der ins Treppenhaus des Gebäudes führte. Die Stufen zogen sich in einer beinahe endlos erscheinenden, rechteckigen

Spirale abwärts. Sie hatte für den Weg hinauf fast eine halbe Stunde gebraucht und wagte es schlicht nicht, den Aufzug zu verwenden. Hier war die Chance jemanden zu begegnen um einiges geringer. Dafür büßt er mir, dachte sie bei sich, bevor sie sich, zwei Stufen auf einmal nehmend an den Abstieg machte. Jack beobachtete das Schauspiel jetzt schon gute zehn Minuten lang und so wie es aussah, würde sich daran auch in den nächsten zehn Minuten wenig ändern. Es hatte beinahe etwas lächerliches, das sich in diesen Zeiten noch jemand um einen Falschparker kümmerte, aber das Auge

des Gesetzes, oder zumindest von dem, was Vorgab, das Gesetz zu sein, schlief nicht. Anfangs waren es nur zwei Beamte gewesen, die jedoch mittlerweile durch mindestens zehn Ulanen verstärkt worden waren. Ihre Patrouillen waren nach wie vor überall und der Lärm des Streits hatte sie angezogen. Wie Fliegen… Schwer bewaffnete Fliegen in Kugelsicherer Ausrüstung. Die zwölf Männer hatten sich etwas Abseits an einer Hauswand um einen Mann in grauer Kunststoffkluft versammelt, der wütend auf die Bewaffneten einredete. Nach dem Ton zu urteilen, dachte Jack, brachte er sich damit wohl bald um Kopf und Kragen,

den zumindest die anwesenden Ulanen wirkten nicht so, als würden sie sich die Beschwerden lange anhören. Die beiden normalen Polizisten hingegen hielten, zunehmend nervöser werdend, dagegen und versuchten, den Mann dazu zu bringen, sich ruhig zu verhalten. Zu seinem eigenen besten, wie Jack wusste. Über die Ulanen geboten sie nicht, das tat nur der Ministerrat. Und sie würden bald genug tun, was man ihnen einprogrammiert hatte… Diese Männer konnten nur auf eine Art mit Problemen umgehen und die kannte Jack nur zu gut. Allerdings würden sie sich bald um etwas ganz anderes kümmern müssen, wenn alles nach Plan lief.

Der Ursprung des ganzen Streits, ein Motorrad, stand am Bordstein geparkt. Offenbar war es ein älteres Modell, wie Jack feststellte, denn statt einem der modernen Kartenschlösser, die man nur über einen Ausweis oder einer anderen Identifikationsmethode, manche der teureren besaßen gleich Retina und Fingerabdrucks-scanner, aktivieren konnte, steckte hier ein einfacher Zündschlüssel. Das hatte ihn ja überhaupt erst auf die Idee gebracht, sich die Maschine als Ziel auszusuchen. Ein Fahrzeug zu stehlen war auch ohne, das die Sicherheitskräfte des Elektorats ein Auge auf alles hatten, schwierig

genug. Doch hier schien sich jetzt die Gelegenheit zu bieten. Und nicht nur, das er den Ulanen eines auswischen konnte, er würde sie wohl auch davon abhalten, den Besitzer einfach zu töten, sobald sie die Geduld verloren. Auch wenn dieser das wohl kaum zu schätzen wissen würde, dachte Jack bei sich. Offenbar hatten die Beamten diesen angehalten, als er grade wieder fahren wollte und ihm damit nicht einmal Zeit gelassen, die Schlüssel wieder an sich zu nehmen. Er war vielleicht wütend, aber sicher nicht dumm genug, seinen Hals zu riskieren, indem er die Männer warten ließ. Das einzige, was damit zwischen Jack

und der Möglichkeit stand, das Motorrad zu stehlen, war die Kette mit der einer der Polizisten es bereits gesichert hatte. Allerdings, dachte er, würde das kaum etwas gegen ein Energieschwert ausrichten. Er trug die kurze Klinge gut Versteckt unter seiner Kleidung und nun tastete seine Hand nach dem griff, während der Streit erneut lauter wurde. Ein letztes Mal atmete Jack tief durch und überzeugte sich davon, dass die gesamte Aufmerksamkeit im Augenblick tatsächlich bei dem unglücklichen Fahrer lag, dann trat er aus seinem Versteck hinter einer Mauerecke hervor. Ihm würden nur Sekunden bleiben, bevor jemand merken würde, was vor sich

ging. Den Blick gesenkt, so als wollte er lediglich so schnell wie möglich an den in dunkle Kinetikpanzerungen gehüllten Ulanen vorbei, lief er, bis er auf Höhe der Kette war… und schlug dann zu. Die Energieklinge durchtrennte das Hindernis ohne auf den geringsten Wiederstand zu stoßen. Im gleichen Moment, wo der nun von nichts mehr gehaltene Stahl zu Boden fiel, war Jack auch schon auf dem Sitz der Maschine , drehte den Zündschlüssel… und betete, das sie auch anspringen würde. Spätestens, als der Motor stotternd zum Leben erwachte, wurden die ersten Ulanen aufmerksam und auch die beiden Beamten drehten sich stirnrunzelnd nach

dem Geräusch um. Jack wartete erst gar nicht, was passieren würde, sondern gab Vollgas. Ohne auf den Verkehr auf der Straße zu achten, schlug er einen Bogen, um zurück auf den Weg zu gelangen, der ihn auf dem schnellsten Weg zu Mia und den anderen bringen würde. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass die Ulanen bereits die Gewehre im Anschlag hatten und auf ihn anlegten. Innerlich stellte er sich bereits darauf ein, gleich von einer Kugelsalve durchsiebt zu werden, während er grade noch rechtzeitig einem Fahrzeug auswich, das wegen des plötzlichen Tumults stehen geblieben war. Dann übertönte auch schon

Maschinengewehrfeuer alles andere. Jack spürte den Luftzug eines Projektils, das ihn knapp verfehlte. Andere prallten gegen die umstehenden Fahrzeuge oder zerschmetterten einige Schaufenster auf der anderen Straßenseite… Diesen Bastarden war offenbar völlig egal, wie viele Zivilisten ihnen grade im Weg waren. Jack sah mehrere Fußgänger zu Boden stürzen, ob getroffen oder nur um sich in Deckung zu bringen, wusste er jedoch nicht. Dann schnitt plötzlich etwas, wie ein heißes Messer durch seinen Arm. Er musste sich zusammennehmen, damit er nicht die Kontrolle über das Motorrad verlor, während er auf das Münzgroße Loch

starrte, das in seinem Oberarm klaffte. Endlich jedoch, verlor sich das Kugelgewitter etwas und nur noch vereinzelte Geschosse fanden ihren Weg bis zu ihm. Funkensprühend durchschlug eine davon die Karosserie, beschädigte aber ansonsten nichts weiter. Zumindest hoffte Jack das. Solange das Motorrad noch fuhr, war alles in Ordnung. Er warf einen weiteren Blick zurück. Er war so gut wie außer Reichweite… Jetzt müsste er es nur noch auch bis zu Mia zurück schaffen. Die Gebäude der Stadt jagten in einem ständigen Schleier aus Glas und Beton an ihm vorbei, bis er schließlich den Bürobau sehen konnte, in dem der Netzwerkknoten lag. So schnell

er es mit dem verletzten Arm wagte, fuhr er weiter, bis er auch das Gebäude sehen konnte, an dem er Mia, Aaren und Sonea zuvor zurück gelassen hatte. Mit der gesunden Hand schaltete er das Funkgerät an seinem Kragen wieder ein ,, Mi ? Sie beeilen sich besser. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis das Elektorat weiß, wo ich bin.“ Seine Antwort erhielt er in Form einer auffliegenden Tür, durch die eine sichtlich abgehetzte Kommissarin stürzte, die Waffe im Anschlag. Als sie ihn erkannte atmete sie einen Moment erleichtert auf, bis ihr die Wunde an seinem Arm auffiel. ,, Gott, Jack, was haben sie gemacht ?“

Er grinste unwillkürlich, während er abstieg und das Motorrad abstellte. Noch konnte er keine Sirenen oder ähnliches hören. Sie hatten also noch einen Moment Zeit. Und das Elektorat würde nach einem flüchtigen Fahrer suchen, der wie der Teufel unterwegs sein würde, keinen, der am Straßenrand plauderte. ,, Ehrlich gesagt, ich dachte erst gar nicht, dass das überhaupt klappt.“ , antwortete er schließlich. ,, Und desto schneller wir das hier…“ Er klopfte gegen das Lenkrad der Maschine. ,, Von der Straße schaffen, desto besser.“ Mia nickte, bedachte ihn dann aber mit einem skeptischen Blick, wie er

versuchte, das Motorrad mit einer Hand zu balancieren und gleichzeitig wieder zu starten. Die Kommissarin sah ihm eine Weile dabei zu, wie er den Motor dreimal abwürgte, dann gab sie ihm lediglich ein Zeichen bei Seite zu treten. ,, Ich fahre.“ , erklärte sie. Jack gab sich nur allzu bereitwillig geschlagen. Die Wunde würde noch ein Problem werden, dachte er bei sich. Eine Pistole konnte er benutzen, aber er würde weder fahren, noch ein Gewehr bedienen können.

Kapitel 18 Heilung


Sie erreichten ihren Unterschlupf erst, als es bereits fast dunkel war. Die Straßenlaternen erwachten grade flackernd zum Leben und tauchten die Wände der umliegenden Häuser in kaltes, weißes Licht, das allem scharfe Konturen verlieh. Vermutlich hatte Aaren sie gehört, denn sobald sie sich der leer stehenden Kneipe näherten, wurde auch schon die Tür geöffnet. Der Kommissar nickte ihnen nur wortlos zu, während Mia das Motorrad abstellte. Jack war froh, endlich absteigen zu können. Zwar war es während ihrer Fahrt durch die

Stadt zu keinem weiteren Zwischenfall mehr gekommen, aber die Wunde an seinem Arm schmerzte und pochte mittlerweile bei jeder Bewegung unangenehm. Und damit war jede Erschütterung eine kleine Tortur geworden… Er ging ohne ein Wort in Richtung Tür, nur darauf aus, möglichst eine ruhige Ecke zu finden und sich wenigstens so gut es ging um die Verletzung zu kümmern. Es war ein glatter Durchschuss, das war zumindest etwas… Jack stützte sich am Holzrahmen mit der ihm altbekannten Schnitzerei ab, während er sich zu den anderen

umdrehte. ,, Wo bitte habt ihr das aufgetrieben ?“ , fragte Aaren als er das Motorrad bemerkte. ,,Glauben sie mir, das war gar nicht so einfach.“ , meinte Jack und zwang sich zu einem matten grinsen. ,, Er hat sich von einem Ulanen erwischen lassen.“ , erklärte Mia. ,, Keine Sorge, das ist nur halb so schlimm wie es aussieht. Ich spreche aus Erfahrung.“ Sie versetzte Jack einen schwachen Hieb auf den Rücken, der wohl freundschaftlich wirken sollte, dem Mann aber lediglich zum keuchen brachte. Einen Moment sah er Sterne und musste

sich tatsächlich am Türrahmen festhalten, damit er nicht in die Knie ging. ,, Danke.“ , brachte er schließlich hervor. ,, Jetzt geht es mir schon viel…“ Jack stockte, als er eine Berührung am Arm spürte, die sich hinauf zu der Verletzung tastete. Mittlerweile war auch Sonea Aaren gefolgt und in die Tür getreten. Das Wesen hatte eine Hand ausgestreckt und legte sie vorsichtig über die klaffende Wunde. Jacks erster Impuls war, sie daran zu hindern, doch dann überlegte er es sich anders. Was konnte schlimmstenfalls schon passieren… Er erhielt die Antwort, als sich plötzlich

brennende Hitze von der Wunde her ausbreitete, als hätte jemand flüssiges Blei hineingegossen. Trotzdem gelang es ihm nicht, den Arm wegzuziehen. Es war, als hätte er jegliche Kontrolle darüber verloren, während sich das unsichtbare Feuer weiter durch seine Adern fraß. Dann, so schnell wie alles begonnen hatte, war es auch schon vorbei. Sonea nahm die Hand weg und trat einen Schritt zurück. Jack starrte ungläubig auf die Stelle, wo wenige Augenblicke zuvor noch eine aufgerissene Wunde gewesen war. Jetzt war dort nur noch glatte Haut, die leicht Kribbelte, als er darüber strich. ,,Danke.“ , brachte er schließlich hervor.

Sonea nickte lediglich, während Mia nur verwundert zusah. ,, Was… wie…“ Aaren grinste. ,, Sie haben mir ja nicht geglaubt, als ich ihnen davon erzählt habe.“ Die Kommissarin gab es offenbar auf, irgendetwas erwidern zu wollen. ,, Schaffen wir das hier nach drinnen.“ , meinte sie und nickte in Richtung des Motorrads. ,, Vermutlich hält jeder Ulan in dieser Stadt mittlerweile die Augen danach offen.“ ,, Was uns gelegen kommen könnte.“ , bemerkte Jack, der , immer noch fasziniert, den nun schmerzfreien Arm bewegte. ,, Dann werden sie hinter mir

her sein und nicht hinter ihnen, Aaren.“ ,, Sie wollen also wirklich den Köder spielen ?“ , fragte der Kommissar, während sie das Motorrad durch die Tür ins Innere der verlassenen Bar schoben. Jack nickte. ,, Solange Mia mir Feuerschutz gibt, sollte ich die meisten Wachen vor dem Gebäude ablenken können… ohne dabei selber wieder als Schweizer Käse zu enden.“ Sie stellten die Maschine, auch vor neugierigen Blicken durch die Fenster geschützt, hinter der Theke ab, bevor die vier sich selbst einen Platz an einem der Tische suchten. Es würde jetzt nicht mehr lange dauern, dachte Aare. Morgen Abend, kurz vor der Ausgangssperre

würden sie sich vor dem Bürobau einfinden, der ihr Ziel darstellte. Und dann würde sich alles entscheiden müssen. Er zog die Karte aus der Tasche, die Mia von Jones bekommen hatte. Das wäre ihr Schlüssel zu den Serverräumen. Hoffentlich hatte der alte Justizminister wirklich dafür gesorgt, dass sie immer noch funktionierte. Wenn nicht… würde er das schnell merken. Nacheinander erzählten erst Jack und dann Mia, was ihnen zugestoßen war, bevor Aaren endlich dazu kam, ihnen von seiner Begegnung mit dem Kommissar zu erzählen. Er ließ dabei jedoch aus, wo er den Mann getroffen

hatte. Das ging keinen der beiden etwas an, dachte er. Auch wenn es keine Rolle mehr zu spielen schien… Wenn das alles vorbei war und wenn er dann noch lebte, würde er nach Liurie zurückkehren und das alles endgültig vergessen können. ,, Vielleicht haben wir ein paar Verbündete unter den Kommissaren.“ , schloss er. ,, Sie meinen außer den offensichtlichen ?“ , fragte Jack. ,, Vielleicht…“ ,, Oder er geht jetzt los und erzählt erst einmal allen, das sie noch leben.“ Mia lehnte sich auf ihrem Platz zurück. ,, So oder so… wir sollten alle zusehen, das wir vor Morgen noch etwas Schlaf bekommen.“ Mit diesen Worten stand die

Kommissarin auf und entfernte sich. Auch Jack blieb nicht mehr lange, sondern folgte ihr schließlich, o das nur noch Aaren und Sonea zurück blieben. Ihm war bereits klar, dass er heute keine Ruhe finden würde. Noch immer gingen ihm zu viele Dinge gleichzeitig durch den Kopf, angefangen von Abundius Plänen, über ihre eigenen, bis zu seiner Begegnung heute auf dem Friedhof. Am Ende spielten sie alle ihr eigenes Spiel und jetzt würde sich erweisen, wer die besseren Karten hielt. ,, Geh du auch.“ , meinte er nach einer Weile. ,,Ich… komme nach.“ Sonea zögerte offenbar, ihn alleine zu lassen, stand dann jedoch ebenfalls auf.

,, Aufpassen.“ , murmelte sie leise und Aaren war sich nicht sicher, was sie damit meinte. ,, Keine Sorge, das mache ich.“ , erklärte er daher einfach nur und hoffte, dass es die richtige Antwort war. Ein kurzes Lächeln huschte über die Züge des Wesens, bevor es auf der Treppe zum Obergeschoss verschwand. Mia wachte in vollkommener Dunkelheit auf. Bevor sie noch richtig wach war, hatte sie bereits die Pistole von dem kleinen Nachtschrank genommen und zielte vor sich in die Finsternis. Erst jetzt gewann langsam wieder der bewusste Teil ihres Verstands die

Oberhand. Sie konnte die immer gegenwärtigen Geräusche der Stadt hören, das beständige Summen von Motoren, Lampen und Stromleitungen. Ansonsten aber war es so Still, wie es überhaupt sein konnte. Und doch war sie aufgewacht… aus Träumen, die sie lieber vergessen wollte. Wirre Gedanken, darüber, was passieren mochte, wenn sie versagten, Feuer, brennende Gebäude und über allem endlose Kolonnen aus in schwarze Kampfpanzerung gekleideten Soldaten. Mia schüttelte die düsteren Nachbilder ab. Mentalblocker schwächten normalerweise auch das ab. Ein Blick auf die im Dunkeln leuchtende Anzeige ihrer Uhr sagte ihr, dass es kurz

vor fünf war. Eigentlich hätte sie noch mehrere Stunden Schlaf vor sich. Aber wenn dieser nur düstere Visionen mit sich brachte… Darauf konnte sie verzichten, dachte Mia, während sie die Waffe wieder zurück an ihren Platz legte. Die Kommissarin setzte sich auf und tastete nach einem Lichtschalter. Nur langsam viel ihr wieder ein, wo sie sich befand. Im Obergeschoss einer lange geschlossenen Kneipe, die ihnen als vorübergehendes Versteck diente. Zumindest, bis morgen die Sonne unterging… Als sie den Schalter endlich fand, blendete das Licht sie einen Moment.

Eine einzelne nackte Glühbirne hing von der Decke herab und tauchte ihre Umgebung in diffuse Helligkeit. Die Kommissarin stand vorsichtig auf und sah sich um. Bis auf eine einfache, zusammenfaltbare Liege war der Raum praktisch leer, sah man von einigen leeren Kisten einmal ab, in denen sich einmal Waffen oder Munition befunden haben mochten. Alles was sie brauchten, lag jedoch längst bereit. Mia lauschte einen Moment einfach nur, ob sie etwas hörte, aber alles blieb so ruhig wie eh und je. Vor Ende der Ausganssperre würde sich daran wohl auch nichts mehr ändern… Vielleicht konnte sie unten warten, bis die anderen

aufwachten, dachte sie und trat aus dem Raum auf den kurzen Flur im Obergeschoss des Hauses. Es war kalt geworden, wie sie feststellte, als sie den Gang erreichte. Das allgegenwärtige Holz hier speicherte die Wärme des Tages nicht so gut, wie die moderneren Materialien. Trotzdem gefiel ihr das irgendwie. Es erinnerte sie entfernt an ihre Kindheit. Ihre Eltern waren vielleicht einige der letzten gewesen, die noch auf dem Land lebten und Mia hatte die Entscheidung, in die großen, zusammengewachsenen Metropolen zu ziehen bisher nie bereut. Oder vielleicht hatte sie das einmal, dachte die Kommissarin, aber Drogen und ihre

Aufgabe ließen dafür keinen Raum mehr. Schon als Mia die Treppe erreichte, bemerkte sie, das sie doch nicht so alleine war, wie sie gedacht hatte. Das Holz knarrte unter ihren Schritten. Vermutlich hatte sie das aufmerksam gemacht, denn am unteren Ende des Abstiegs, bewegte sich ein im Halbdunkel nur schwer auszumachendes Schemen. Erst, als Mia zwei golden schimmernde Augen erkannte, wusste sie, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Es war Sonea. Das Wesen saß auf dem untersten Stufenabsatz und schien sie auch schon nicht mehr zu beachten, sobald es sich überzeugt hatte, dass sie keine

Bedrohung darstellte. Mia hingegen trat, nun deutlich vorsichtiger geworden, näher. Die Tür, die aus dem kleinen Büro hinaus in den angrenzenden Barraum führte, war nur halb geschlossen, so dass sie durch den Spalt einen Blick auf die verlassenen Tische erhaschen konnte. Oder besser, fast verlassen. An einem davon saß nach wie vor eine einzelne Gestalt, die sie rasch als Aaren erkannte. Der Kommissar hatte den Kopf in die Hände gestützt und schien durch eines der verhängten Fenster ins nichts zu starren. In den Händen hielt er ein Stück Papier, das Mia wiedererkannte. Der Brief, den Jones ihm gegeben

hatte. Sie sah zu Sonea, die nur mit den Schultern zuckte, als wollte sie sagen: Was soll ich sonst machen? Und vermutlich bedeutete es auch genau das, überlegte Mia. Das Wesen hatte sich eine einfache Decke um die Schultern gelegt, die sie wohl irgendwo zwischen dem Sammelsurium aus Kisten hier gefunden hatte. Zögerlich setzte Mia sich neben sie, achtete allerdings darauf, genug Abstand zu halten, um notfalls.. ja was eigentlich ? , fragte sie sich selbst. Na vielleicht um einen vergifteten Dorn entkommen zu können, antwortete eine zweite Stimme

sarkastisch. ,, Sag mir jetzt nicht, du passt auf ihn auf…“ Mia wusste nicht, ob sie ihr überhaupt zuhörte. Sonea drehte den Kopf, dann nickte sie lediglich. Es war seltsam, sich mit jemanden zu unterhalten, der scheinbar nie antwortete… und gleichzeitig doch so viel zu sagen schien. Mia beobachtete fasziniert, wie sie Emotionen und Gedanken praktisch exakt in ihrer Mimik widerzuspiegeln schienen. ,, Also…“ Mia wusste nicht genau, wie oder wo sie anfangen sollte oder ob sie sich überhaupt weiter mit Sonea unterhalten sollte, was das anging. ,, Du magst ihn wirklich, wie

?“ Das Wesen zuckte wieder mit den Schultern, eine Geste, die diesmal jedoch eher resigniert wirkte. War das so offensichtlich? ,, Um ehrlich zu sein, ja. Allerdings gäbe es kaum eine andere Erklärung, dich um fünf Uhr in der Früh hier zu finden, nur um darauf zu achten, das Aaren nichts Dummes anstellt. Und ich glaube, dieser Mann hat den Kopf voller Dummheiten, was das angeht. Und… danke übrigens für Jack.“ Ein kurzes Lächeln, oder zumindest etwas, das dem sehr nahe kam, stahl sich auf das Gesicht des Wesens. Sie war hier um zu helfen, wie? Das hatte sie selber

gesagt, auch wenn Mia bis vor kurzem nicht geglaubt hätte, das sie irgendetwas ausrichten könnte. Wie es aussah, hatte sie sich damit geirrt, gab die Kommissarin innerlich zu. Eine Weile saßen sie lediglich schweigend auf der Treppe, während Aaren draußen langsam zur Seite wegnickte. Der Kopf des Kommissars landete auf der Tischplatte, während ihm der Brief aus der Hand fiel. Na wenigstens schlief er irgendwie etwas, dachte Mia. Sie würden ihn heute genau wie alle anderen brauchen. Sonea neben ihr stand nun jedoch leise auf, die Decke jetzt im Arm und trat zu dem schlafenden Kommissar. Mit einer beinahe übervorsichtig wirkenden Geste,

legte sie ihm die Decke um die Schultern, bevor sie genauso lautlos wieder zu Mia zurückkehrte. ,, Ich könnte jetzt wirklich einen Kaffee vertragen. Vielleicht gibt es hier irgendwo welchen “ , bemerkte die Kommissarin. Als ihr Soneas fragender Blick auffiel, fügte sie hinzu: ,, Ach ja… du weißt vermutlich gar nicht was das ist…. Weißt du was? Ich zeigs dir einfach. Und keine Sorge. Ich habe heute ein Auge auf beide, so gut ich kann. Weder Jack noch Aaren passiert was, wenn ich es verhindern kann.“

Kapitel 19 Anlauf


Jack zählte die Sekunden. Die Zeit schien nur noch träge dahinzufließen, während er auf den Zeiger seiner Uhr achtete… und wartete. Es würde schnell gehen müssen, dachte er, während er das Motorrad anwarf und das Magazin seiner Pistole überprüfte. Es war Arthur Jones gewesen, der ihm die Waffe gegeben hatte… vor einer Gefühlten Ewigkeit, obwohl es noch gar nicht so lange her war. Die Schatten wurden bereits länger, als er das Fahrzeug aus einer Seitengasse und auf die kaum mehr befahrenen Straßen lenkte. Zwei große Wohnbauten

versperrten ihm noch die Sicht auf sein Ziel .Auf einem davon würde sich jetzt bereits Mia befinden, bereit, ihm Feuerschutz zu geben, sollte das nötig werden. Und davon war er überzeugt. Er konnte nicht einfach das Feuer eröffnen und wegfahren, das würde seinen Zweck verfehlen. Nein, er musste tatsächlich dafür sorgen, dass sie ihm folgten. Jack rückte mit einem Arm den Rucksack zurecht, den er an der Seite des Motorrads befestigt hatte. Darin lagen die bereits aktivierten Sprengsätze. Es war ein gefährliches Spiel, das sie hier spielten, aber vielleicht hatten sie ja wirklich bessere Karten, als er dachte. So oder so, zumindest das Elektorat

würde sich noch eine ganze Weile an diesen Tag erinnern. Jack beschleunigte die Maschine, während vor ihm nun die verspiegelte Fassade in Sicht kam, die sie den letzten Tag beobachtet hatten. Von außen wirkte das Gebäude nicht wirklich besonders, doch spätestens die gut zwei Dutzend Gestalten, die sich mehr oder weniger Auffällig vor dem Eingang tummelten mussten einen stutzig machen. Ob sie Zivil trugen oder nicht, niemand versammelte sich in diesen Zeiten noch derart in der Öffentlichkeit. Nicht, seit die Ulanen auf alles feuerten, was für sie nach Rebellion aussah. Grade als er auf Höhe des Eingangs war, zog Jack die Waffe und schoss blind auf

die Wächter. Die meisten Kugeln trafen entweder die Fenster oder die Umgebung, aber einige wenige fanden auch ihr Ziel und mehr als einer der Männer blieb verletzt oder tot liegen. Jack hatte jedoch kaum Zeit, sich davon zu überzeugen, was nun wirklich der Fall war. Und er musste sie nicht töten, nur auf sich aufmerksam machen. Die ersten rannten bereits los und Jack wurde unmerklich langsamer. Sie durften ihn nicht verlieren, erinnerte er sich. Einige der mehr geistesgegenwärtigen Poste versuchten gar nicht erst, ihm zu Fuß zu folgen, sondern rannten zu einer Reihe von Fahrzeugen, die im Schatten des Gebäudes geparkt waren. Motoren

erwachten brummend zum Leben und Jack gab wieder Gas. Jetzt würden sie ihn um jeden Preis verfolgen, dachte er, während er das leergeschossene Magazin austauschte. Er lenkte die Maschine weg von den grade verlaufenden Hauptstraßen und in die verwickelteren Gassen der Stadt. Jack wusste, wohin er musste und wenn alles nach Plan verlief würde die Verfolgungsjagd dort auch enden. Ein gepanzerter Wagen holte hinter ihm auf und kam ihm langsam bedrohlich nahe. Jack schoss über den Rücken auf die Scheibe des Autos, was jedoch nur dazu führte, das die Kugeln in hohem Bogen davon jagten. Kugelsicher und vermutlich hatte das Teil sogar einen

schwachen Schildgenerator, der es vor direktem Beschuss schützte. Ähnliche Fahrzeuge folgten und langsam aber sicher wurde der Abstand knapp. Die ersten Wächter wagten es und eröffneten nun ihrerseits das Feuer auf ihn. Ein Projektil streifte seine Haare und schlug vor ihm in die Straße ein. Dann detonierte das ihm nächste Fahrzeug plötzlich in einem Feuerball. Die Karosserie wurde auf einer Seite eingedrückt, als hätte ein Elefant dagegengetreten, während die Fenster gleichzeitigzrsplitterten. Jack duckte sich unter dem plötzlichen Trümmerregen weg, suchte jedoch gleichzeitig die nahe gelegenen

Häuserdächer ab. Eine einzelne, nur schemenhafte Gestalt stand ganz oben auf einem davon. Er nickte ihr kurz zu, bevor er sich erneut auf die Straße vor ihm konzentrieren musste. Noch war es nicht geschafft und die nächsten Fahrzeuge kamen bereits wieder näher. Vor ihm tauchte nun endlich das auf, was er gesucht hatte. Eine lange Reihe luxuriös wirkender Wohnbauten, die sich direkt an den Außenbereichen des Regierungsbezirks entlang zogen. Die wenigen Fußgänger, die hier unterwegs waren, brachten sich rasch in Sicherheit, als sie die kleine Kolonne Fahrzeuge hinter ihm bemerkten. Gut so, desot weniger Leute noch hier wären, desto

besser. Immer noch flogen ihm einzelne Kugeln um die Ohren, die ihn bisher jedoch alle verfehlten. Jack hoffte, dass es so bleiben würde. Zumindest, bis er getan hatte, wozu er hier war. Er ließ die erneut leergeschossene Pistole in einem Halfter verschwinde. Jetzt blieb ihm im Zweifelsfall nur noch das Energieschwert. Stattdessen griff er jedoch nach einem der kleinen Päckchen aus dem Rucksack. Er warf es achtlos neben sich, wo es auf dem Bürgersteig aufschlug und in den Schatten eines der Gebäude rollte. Dem ersten Sprengsatz folgte ein zweiter, dann ein dritter, ein vierter… Er hörte auf zu zählen. Wie viel Zeit blieb ihm,

bis die ersten hochgingen? Jack wusste es nicht genau, aber bis es so weit war, hatte er besser etwas Abstand zwischen sich und diesen Ort gebracht. Mittlerweile musste er wohl außerhalb von Mias Reichweite sein, den er hatte seit dem letzten Schuss, der ihm das Leben gerettet hatte, nichts mehr von ihr gehört oder gesehen. Damit war er jetzt auf sich gestellt. Der letzte Sprengsatz landete direkt vor dem Eingang eines weiteren Gebäudes. Offenbar ein Hotel, das jedoch wie alles hier leer und dunkel da stand, trotz der hereinbrechenden Dämmerung. Er beschleunigte noch einmal, um seine Verfolger nun endlich abzuhängen und tatsächlich bleiben die

schweren Fahrzeuge auf der Strecke, während er langsam aber sicher außer Reichweite gelangte. Das war beinahe zu einfach gewesen… Grade als er das dachte, viel ihm die einzelne Gestalt auf, die dort mitten auf der Straße stand. Anfangs hatte er sie gar nicht bemerkt oder für einen weiteren Flüchtling gehalten, der sich in Sicherheit bringen wollte. Doch nun wurde ihm schlagartig klar, dass das nicht stimmte. Der Mann trug eine blaue Militäruniform und hielt etwas in der Hand, das Jack erst erkannte, als es schon zu spät war. Eine Energieklinge… Er versuchte noch, in einem weiten Bogen um den Mann herumzufahren,

doch zu spät. Er schlug zu und die Klinge schnitt ohne Wiederstand durch die Verkleidung und die Maschinerie des Motorrads. Jack schlug hart auf dem Boden auf und schlitterte ein Stück über den Asphalt, als die Maschine unter ihm zusammenbrach. Kleine Steine und Schmutz wurden in seine Haut getrieben und schürften Arme wie Beine auf. Auch die leere Pistole, sowie der Rucksack wurden davongeschleudert… Einen kurzen Augenblick, blieb er wie betäubt liegen, bevor er sich dann doch zwang, wieder aufzustehen… und erkannte, wer ihn da so unsanft ausgebremst hatte. Dunkle Haare mit einer Spur von grau umrahmten den

Kopf des Mannes. Und die Uniform… ,, Hallo Jack…“ Vämskä…. Aaren sah aus seinem Versteck heraus zu, wie Jack an den Wächtern vor dem Netzwerkknoten vorbeifuhr und dabei das Feuer eröffnete. Er würde bei dem allen das größte Risiko tragen, dachte der Kommissar bei sich. Ein Teil von ihm sorgte sich um den Mann. Doch dafür war jetzt keine Zeit, erinnerte er sich, während die ersten der Männer die Verfolgung aufnahmen, manche zu Fuß, andere mit ihren Fahrzeugen. Nur einige wenige blieben tatsächlich zurück, wie Aaren feststellte, vielleicht fünf oder

sechs Männer, statt der vorherigen vierzig. Damit konnte er fertig werden, dachte der Kommissar. Er trat aus seinem Versteck, einer im Schatten liegenden Gasse zwischen zwei Hochhäusern. Es war weniger eine Straße, als eine bloße Lücke, die die Bauvorschriften zwischen die beiden Gebäude gezwungen hatten. Das Licht der Sonne färbte die Kulisse der Stadt dunkelrot, während Aaren nach den zwei Pistolengriffen unter seiner Kleidung tastete. Sonea folgte ihm und er bedeutete ihr, in jedem Fall Abstand zu halten. Die verbliebenen Wächter, die nicht getroffen oder verwundet am Boden

lagen, hatten sich inzwischen wieder gefangen, aber mehr als einer starrte immer noch in die Richtung, in der zuvor Jack verschwunden war. Andere hatten jedoch bereits den zweiten Fremden bemerkt, der sich, in Begleitung eines dritten, über die Straße näherte. Zwei Bewaffnete kamen ihm entgegen, die Gewehre im Anschlag. ,,Halt. Wer…“ , setzte der erste von ihnen an. Aaren ließ ihm keine Gelegenheit, den Satz zu beenden. Ex iniuria ius non oritur. Aus Unrecht wurde kein Recht. Die zwei schweren Pistolen blitzten auf, bevor einer seiner zwei Gegner reagieren konnte. Die erste Kugel durchschlug den Brustkorb des

einen Wächters, die zweite den Schädel des anderen. Noch bevor die beiden Körper in sich zusammenbrachen, hechtete Aaren los. Sein Ziel war eine kleine Mauer in der Nähe des Eingangs. Er erreiche sie grade, als der erste Wächter tot auf dem Boden aufschlug. Erst jetzt drehten sich die übrigen Soldaten um und begriffen wirklich, was geschehen war. Aaren nutzte den kurzen Moment der Ablenkung und tauche aus seiner vorübergehenden Deckung auf. Ein weiterer Schuss hallte über den Platz und riss einen der Männer von den Füßen. Nun eröffneten auch Aarens Gegner das Feuer. Rasch warf der Kommissar sich wieder in Deckung.

Mehr als ein Projektil aus den Gewehren durchschlug die dünne Betonbarriere, hinter der er sich in Sicherheit gebracht hatte. Aber keine traf ihn. Einige jagten dicht über seinen Rücken hinweg. Dann endlich verstummte das Waffenfeuer. ,,Ist er tot ?“ , fragte eine gedämpfte Stimme. ,, Sieh halt nach. Das hat uns grade noch gefehlt. Zwei Irre auf einmal. Das ist kein Zufall. Ich sende Nachricht an das Hauptquartier. Wir brauchen hier Verstärkung.“ Aaren blieb ruhig liegen und zwang sich dazu, flach zu amten, während er den sich nähernden Schritten lauschte. Ein Schatten fiel über die zertrümmerte

Betonmauer und löschte einen Moment das Sonnenlicht um Aaren aus. Trotzdem befahl er sich, weiterhin ruhig zu bleiben. Der Lauf einer Waffe wurde ihm in die Seite gestoßen und er ließ sich auf den Rücken fallen. ,, Ich glaube der ist hinüb…“ Der Kommissar packte den Waffenlauf und sprang im gleichen Moment wieder auf die Füße. Ein Stoß und der Mann, der über der Mauer stand stolperten zurück, das Gewehr entglitt seinen Händen. Aaren riss die Waffe endgültig an sich, drehte sie herum… und feuerte. Der Wächter ging zu Boden, als eine Salve seine Beine zerschmetterte. Erneut hatte der Kommissar das Ziel gewechselt,

bevor sein letzter Gegner überhaupt zu Boden gegangen war. Es waren noch zwei, einer ein Funkgerät in den Händen, wohl um Verstärkung anzufordern. Der andere hob die Waffe und eröffnete das Feuer auf ihn. Aaren spürte, wie etwas ihn knapp verfehlte… und dann ein zweites Projektil seine Hüfte traf. Das Bein knickte unter ihm Weg, aber nicht, bevor er nicht selber dazu kam, den Abzug zu ziehen. Die Projektile trafen den Schützen in die Brust und brachten den Posten am Funkgerät zum Stolpern, als eines ihn in die Schulter traf. Ein zweites fand sein Ziel im Schädel des Mannes und zerstörte gleichzeitig das Funkgerät, das zu einer Wolke aus

Metallschrott zerbarst. Aaren wankte zurück zur Mauer und setzte sich, so gut das seine Beinverletzung zuließ. Der Platz, er vor wenigen Minuten noch Ordentlich und sauber gewirkt hatte, glich jetzt einem Schlachtfeld. Querschläger hatten kleine Splitter aus den Steinplatten auf dem Weg geschlagen und teilweise die Glasfassade des Gebäudes an dessen Ende durchschlagen. Hätte es noch irgendeinen Zweifel daran gegeben, was hier geschehen war, so hätte das halbe Dutzend Tote, die über den Platz verstreut lagen diese wohl beseitigt. Es sah nicht nur aus wie ein Schlachtfeld. Aaren warf das Gewehr

weg. Wo war Sonea? In dem Moment, wo der Kampf begonnen hatte, hatte er alles andere um sich herum ausgeblendet. Jetzt jedoch kehrte die Wirklichkeit langsam zurück. Zu seiner Erleichterung entdecke er sie schließlich am Straßenrand. Ob sie sich Versteckt oder einfach nur beobachtet hatte, wusste er nicht zu sagen, aber ihr Blick verriet ihm alles, was er wissen musste. Das all das hier nötig gewesen war, das diese Leute ihn niemals einfach hätten passieren lassen, änderte nichts an der Tatsache. Er war endgültig wieder zum Töten gezwungen gewesen. Aaren kam schwerfällig wieder auf die Füße, während Sonea immer

noch das Chaos betrachtete, das er angerichtet hatte… Ihre Mine verriet zum ersten mal vielleicht, nicht, was sie dachte, aber das war auch nicht nötig. Aaren kannte die Antwort. ,,Ich weiß.“ , meinte er düster, als das Wesen ihn schließlich erreichte. ,, Und bevor dieser Tag endet , werden noch mehr sterben. Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, glaub mir, ich würde sie in Erwägung ziehen. Aber die gibt es einfach nicht…“ Sonea nickte lediglich. Er hatte sie selten so… Schweigsam gesehen, dachte er. Nicht mit Worten natürlich, aber ihre ganze Ausstrahlung nahm einen Moment etwas Kaltes an, abgeschottetes, dann

nickte sie nur wieder. Die Ablehnung schien etwas aus ihren Zügen zu verschwinden, während sie eine Hand ausstreckte und über die Schusswunde an seinem Bein strich. Aaren spürte das altvertraute brennen… ,, Wir müssen weiter.“ , erklärte er, obwohl es schwer war, sich für den Moment auf irgendetwas zu konzentrieren, außer dem flüssigen Feuer, das sich einen Weg durch seinen Blutstrom suchte.

Kapitel 20 Botschaft


Aaren hielt die Zugangskarte vor den Scanner, der in der Tür eingelassen war. Wie der Rest der Fassade, war der gläserne Durchgang verspiegelt, er hatte also keine Ahnung, was ihn auf der anderen Seite erwartete. Innerlich rechnete er bereits damit, das Jones Ausweis nicht mehr funktionieren oder sogar einen Alarm auslösen würde, aber nichts dergleichen Geschah. Stattdessen sprang lediglich eine Lampe auf der Vorderseite des Scanners von Rot auf grün und die Tür schwang automatisch zur Seite auf. Der Kommissar ging

sofort in Deckung und bedeutete Sonea, das gleiche zu tun. Eine Weile wartete er, neben den offen stehenden Eingang gekauert, aber nichts rührte sich. Vorsichtig machte er schließlich einen Schritt vorwärts und warf einen ersten Blick in das Innere des Gebäudes. Vor ihnen lag ein lang gezogenes Foyer. Grauer und schwarzer Stein bildeten ein Schachbrettmuster auf dem Boden, auf dem das Geräusch seiner Schritte wiederhallte. Sich nach allen Seiten absichernd, trat er in die Halle. An den Seiten gab es einige kleinere Nischen mit Bänken und Pflanzen, ganz so, als wäre das hier tatsächlich ein Ort, den häufiger jemand besuchte. Die Wahrheit

sah natürlich ganz anders aus. Hier würde niemand außer den Ministern jemals vollen Zugang erhalten. Die Waffe immer noch im Anschlag, beeilte er sich jetzt, den Raum zu durchqueren. Jack würde nicht ewig durchhalten und Mia irgendwann entdeckt werden und er musste immer noch herausfinden, wo genau sich die Serverräume des Netzwerkknotens befanden. Das Gebäude hatte mehrere Stockwerke und die alle zu durchsuchen würde auch so lange genug dauern. Am anderen Ende der Halle gab es etwas, das wie eine kleine Rezeption wirkte. Einsam und verlassen summte ein einzelner Computer an einem hohen

Tisch vor sich hin. Das Material des Tischs war offenbar so bedruckt worden, dass es Holz imitierte, doch schon auf die Entfernung bemerkte Aaren den künstlichen Schimmer von Kunststoff. Ein Teppich lag auf halbem Weg das Foyer hinab und dämpfte seine, sowie Soneas Schritte schließlich. Dieser ganze Ort war beinahe zu still. War hier drinnen denn wirklich absolut niemand? Er hatte zumindest damit gerechnet, dass sich ein paar Wachen auch im Inneren der Anlage aufhalten würden. ,, Hörst du irgendetwas ?“ , fragte er an Sonea gerichtet. Sie schüttelte den Kopf. Nein. Also gut… Aaren ließ die Waffe sinken,

als sie die Rezeption erreichten. Dahinter führte eine gewundene Treppe nach oben, vermutlich bis unter das Dach des Gebäudes. Aber davon wusste er immer noch nicht, wo er hin musste. Er sah sich rasch auf dem Tisch um, es gab jedoch weder herumliegende Papiere noch irgendetwas, das darauf hindeutete, dass je ein Mensch hier gewesen war. Dieser ganze Ort war letztendlich nur eine Fassade, dachte er bei sich. Auch der laufende Computer gab ihm keine Hinweise. Passwortgeschützt. Also blieb ihm wirklich nur die Treppe. Er hastete die Stufen hinauf, Sonea dicht hinter sich. Als er den ersten Stock erreichte, wusste er bereits, dass er hier

falsch war. Die Tür aus dem Treppenhaus heraus stand offen und gab den Blick frei, auf ein vollkommen leeres Stockwerk. Eine große Halle mit gefliestem Boden, in der es absolut nichts gab… Durch die großen Fenster konnte er einen Blick auf die Stadt hinaus werfen. Irgendwo in der Ferne waren Sirenen zu hören, die ihn wieder daran erinnerten, dass er kaum Zeit zu verschwenden hatte. ,, Das war schon mal nichts.“ , meinte Aaren, während er und Sonea sich auf dem Weg weiter die Treppe hinauf machten. Die Stufen bestanden aus dünnen Metall-Platten, die unter jedem seiner Schritte leicht erzitterte. Im

zweiten Stock bot sich das gleiche Bild. Ein leerer, nur unzureichend ausgebauter Raum. Langsam fürchtete er, es könnte überall so aussehen. Das würde bedeuten, dass Mia sich geirrt hatte… Nein, das konnte einfach nicht sein. Er hatte noch mehrere Ebenen vor sich. Aaren wollte sich schon abwenden, als ihm dann doch etwas ins Auge fiel. Es passte nicht, dachte er. Der Raum war leer, wirkte aber trotzdem irgendwie… gedrungener als der letzte. Sonea musste es auch aufgefallen sein, denn das Wesen trat an ihm vorbei in die verlassene Halle und sah sich nach allen Seiten um. ,, Irgendetwas stimmt hier nicht.“ ,

meinte er und das Wesen nickte zustimmend. Ganz und gar nicht sogar. Es war beinahe wie bei einer optischen Täuschung. Man wusste, es gab einen Trick, aber konnte beim besten Willen nicht sagen, worin dieser Bestand. Und dann traf es ihn wie der Blitz. Er war zu klein. Der Raum hier oben war ein gutes Stück schmaler als der unten, als wären die Wände allesamt dicker als sie sein mussten. Aaren trat an eine davon heran und klopfte dagegen. Hohl… Langsam glaubte er zu verstehen und begann den Raum genau wie Sonea abzusuchen, bis er fand, was er erwartet, aber genauso wie die Wandstärke zuvor

einfach übersehen hatte. Ein schwarzer Kasten, so geschickt in die Wand eingelassen, das man ihm vom Eingang aus nicht entdecken würde. Man musste schon mitten im Saal stehen. Es war ein Scanner, genau wie der, den er auch unten an der Tür gesehen hatte. Blieb nur die Frage ob ihm Jones Ausweis hier weiterhelfen würde… Aaren zog die Karte aus seiner Tasche. Hoffentlich funktionierte das… In dem Moment wo er die Zugangskarte vor den Scanner hielt, hielt er auch den Atem an. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit sprang die Anzeige an dem Kasten um. Im selben Moment veränderte sich der Raum. Was die Wände anging, hatte er

richtig gelegen. Ein Teil davon war nur Verkleidung, die nun automatisch im Boden verschwand, vielleicht sogar bis ganz ins Stockwerk darunter. Das würde erklären, warum es dort keinen solchen Aufbau gegeben hatte. Und wenn sich das System nach oben fortsetzte, wäre es so unmöglich, auf mehr als eine Serverebene gleichzeitig zuzugreifen. Zumindest nicht manuell. Denn genau das befand sich hinter den falschen Wänden. Dutzende von grauen Schaltkästen und Bilschirmen die ein kaum wahrnehmbares Summen und Knistern von sich gaben. Offenbar hatte man die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Statt normaler Wächter setzte

das Elektorat nun offenbar auch auf Tarnung. Er hatte gefunden, was er gesucht hatte. Jetzt musste er nur noch rausfinden, was er damit anstellte. Einen Moment glaubte er zu verstehen, wie Abundius sich in seiner Position fühlen musste. All das hier kontrollierte einen ganzen Planeten. Unvorstellbare Datenmengen liefen sekündlich durch das Filtersystem des Elektorats. Und er könnte es jetzt, genau hier unterbrechen, umschreiben, nutzen… Die Macht einen Verstand zu formen. Oder zumindest hatte das alles hier einmal dafür gestanden. Sonea legte ihm eine Hand auf die Schulter. Offenbar eingeschüchtert von

der ganzen Maschinerie, sah sie sich mit großen Augen um. Es war auch leicht schwindelerregend, wie Aaren zugab, während er an eine der Schnittstellen trat. Er hatte Zugriff auf alles. Nachrichtenkanäle, die automatisierten Lautsprecherdurchsagen, E-Zeitungsartikel… Auf dem Bildschirm vor ihm strömte alles in einer nicht enden wollenden Folge aus Bildern und Zeichencodes vorbei, fast so schnell, das er mit den Augen nicht folgen konnte. Mit einem einzigen Befehl löschte er alles. Von einem auf den anderen Schlag wurde der Schirm vor ihm leer und dunkel. Gleichzeitig geschah dasselbe auch mit jedem einzelnen Fernsehschirm

auf dem Planeten. Lautsprecherdurchsagen verstummten, E-Zeitungsartikel verschwanden ohne Vorwarnung aus dem Netz, holographische Werbebanner verloschen… Von all dem bekam Aaren im Inneren des Gebäudes nichts mit, aber er konnte es sich nur zu gut vorstellen. Und jetzt, war es an der Zeit, das er das alles Ersetzte. Mit einer einfachen Botschaft. Er drehte sich kurz zu Sonea um, während er an die Tastatur trat und zu tippen begann. Die Nachricht würde gleichzeitig verschickt werden, überall sichtbar sein… und sie begann mit wenig mehr als vier Worten… Heute erheben

wir uns. Jack beobachtete den Mann vor ihm schweigend. Vämskä hatte sich seit ihrem letzten Treffen nicht verändert. Und er konnte sich noch zu gut daran erinnern. Es war der Admiral gewesen, der seine Hinrichtung letztendlich angeordnet und ihn und zweifelsfrei auch die anderen gefoltert hatte. Die anderen… die jetzt alle tot waren. Weil er zu langsam gewesen war. Aber nicht heute, dachte Jack. Und Vämskä stand ihm im Weg… Bevor er noch richtig darüber nachgedacht hatte, hatte er bereits die Pistole gezogen und zielte auf den nur wenige

Schritte entfernt stehenden Mann. ,,Ich habe keine Ahnung, was sie wollen oder woher sie wussten, dass sie hier auf mich warten müssen, aber sie treten Beiseite. Jetzt.“ ,, Haben sie wirklich geglaubt, sie wären unbeobachtet geblieben ?“ , fragte der Admiral entspannt. ,, Ich habe keine Ahnung, was sie vorhaben, aber sie sind während der letzten Tage mehrmals gesehen worden. Also… sie kommen hier nicht raus, Jack. Wieso legen sie nicht die Waffe weg?“ Bevor Jack etwas erwidern konnte, geschah etwas. Von einem Moment auf den anderen schien die gesamte Elektronik in dem Straßenzug verrückt

zu spielen, in dem sie sich befanden. Die hier und da an Geschäften oder Masten aufgehängten Lautsprecher gaben ein hohes Störgeräusch von sich, wie bei einer Rückkopplung und mehrere Reklametafeln erloschen flackernd. Einige Bildschirme, die sich im Schaufenster eines Elektrogeschäfts befanden vielen aus, das eben noch klare Bild ersetzt durch weißes Rauschen. Und es war nicht nur diese eine Straße, wie Jack plötzlich klar wurde. Es war das Viertel, die ganze Stadt, vielleicht der Planet… Aaren. Der Kommissar musste Erfolg gehabt haben, dachte er. Es gab keine bessere Erklärung, die ihm einfallen

wollte. Und hatte Vämskä eben noch Selbstsicher gewirkt, so schien das jetzt vergessen. ,, Was haben sie getan ?“ , verlangte er zu wissen. ,, Ich ? Gar nichts.“ Jack konnte nicht anders, er freute sich innerlich darüber den Mann derart verunsichert zu sehen. ,, Noch nicht zumindest… Aber heute endet es Vämskä. Das Elektorat findet hier sein Ende. Und sie können entweder bei Seite treten oder mit ihm untergehen.“ ,, Wir werden sehen.“ Vämskä machte einen Hechtsprung nach vorne, das Energieschwert zum Schlag erhoben. ,, Nein. Sie nicht.“ Jack drückte den

Abzug der Pistole durch. Nichts. Nur ein trockenes Klicken. Natürlich, verfluchte er sich selbst. Das Magazin war schon bei seiner Flucht durch die Straßen leer gewesen… Er bemerkte seinen Fehler grade noch rechtzeitig um der messerscharfen Klinge auszuweichen. Das Schwert durchtrennte lediglich ein Stück seiner Jacke, das in die Quere kam. Er ließ die nutzlose Pistole fallen und griff stattdessen nach dem Griff des Energieschwerts, das er nach wie vor sorgfältig unter seiner Kleidung verborgen trug. Die beiden Waffen trafen aufeinander und prallten an den Energieschilden ab, die jede der Klingen umgaben. Jack stolperte zurück. Die

Schockwelle ging ihm durch Mark und Bein. Vämskä hingegen hatte diese Probleme offenbar nicht und setzte sofort nach. Es gelang ihm grade noch, den Hieb erneut zu Parieren. Bereits jetzt schmerzte sein Handgelenk. Diese Waffen waren nicht dazu gedacht, sich damit einen allzu langen Schlagabtausch zu liefern, im Gegenteil. Die ganze Idee dahinter bestand darin, einen Gegner mit ein oder zwei Streichen unschädlich zu machen. Dem Admiral jedoch war das offenbar völlig egal. Entweder war der Mann um einiges kräftiger als Jack… oder er konnte die Anstrengung schlicht besser verbergen. Und damit hatte er definitiv die

Oberhand… Jack versuchte in die Seite seines Gegners zu kommen, war jedoch zu langsam. Vämskä wehrte den unsauber geführten Angriff ab und setzte sofort selbst nach. Dieses Mal kam Jack nicht mehr ganz davon. Seltsamerweise spürte er jedoch kaum Schmerz, als die Energieklinge ihn in die Seite traf und wie ein heißes Messer durch Butter Gewebe durchtrennte. Er fiel rückwärts, einen länglichen Schnittdirekt über den Nieren und schlug auf dem Asphalt auf. Das Energieschwert wurde ihm aus der Hand geprellt, während Vämska bereits wieder über ihm war, diesmal um ihm den Rest zu geben. So oder so. Die

Sprengsätze waren verteilt, dachte Jack. Mit oder ohne ihn, sie würden Erfolg haben… Vämskäs Schatten fiel über ihn, während der Mann die Waffe hob, diesmal um sie ihm in die Brust zu stoßen. Bevor er jedoch dazu kam, zog eine weitere Gestalt seine Aufmerksamkeit auf sich. ,, Hey.“ Der Admiral drehte wiederwillig den Kopf und Jack tat es ihm gleich. ,, Währen sie das mal ab.“ Im nächsten Moment gab es einen gewaltigen Donnerschlag, bevor der Körper des Admirals förmlich pulverisiert wurde. Was eben noch ein Lebewesen gewesen war, war wenige Augenblicke Später nur noch Asche im

Wind und einige schwelende Kleidungsreste, die langsam zu Boden rieselten. Mia setzte das Gaußgewehr ab. ,, Das man sie auch keine Sekunde aus den Augen lassen kann.“ , meinte sie, während sie rasch zu dem gestürzten Jack rannte, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. ,, Danke.“ , erwidere er. ,, Aber wir sollten uns in Deckung bringen. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir noch haben.“ IM selben Moment wo er wieder auf die Füße kam, flackerten die vorher erloschenen Bildschirme und Anzeigetafeln wieder auf. Und alle

zeigten dieselbe Botschaft. Heute erheben wir uns… ,, Weg hier.“ , meinte Mia nur, bevor sie sich so schnell es ging von den dem Untergang geweihten Gebäuden entfernten.

Kapitel 21 Rebellion


Er hörte die Explosion, bevor er sie sah. Ein tiefes Grollen, das selbst die Grundfesten der Ministeriumsgebäude zum Zittern brachte. Scheiben zerbrachen, lose befestige Schränke kippten… Abundius schenkte dem allem nur wenig Beachtung, während er aus dem Fenster seines Büros auf die Stadt unter sich starrte. Irgendwo im Norden stieg eine gewaltige Staubwolke auf, während der Boden nur langsam wieder zur ruhe kam. Der Mann der vielen Namen sah zu, wie sich der aufgewirbelte Schutt langsam

über der Stadt verteilte und wie grauer Regen zu Boden fiel. Große Risse liefen durch das Glas der Scheibe vor ihm. Aber zumindest hatte sie standgehalten. Er wusste, was er da sah, genauso wie er wusste, wer dafür verantwortlich war… und was nun geschehen würde. Hatte er zu lange gewartet? , fragte er sich innerlich. Aaren und die anderen hatten ganz offenbar ihren eigenen Plan gefasst und waren ihm damit zuvor gekommen. Das machte alles komplizierter. Und was er nun tun musste, umso schwerer. Ein einziger Tag, mehr Zeit hätte er nicht gebraucht um seine eigenen Pläne umzusetzen. Er hatte immer noch genug Asse im Ärmel gehabt. Oder zumindest

hatte er das geglaubt. Abundius stand von seinem Platz auf, der vor weniger als einer Woche noch Arthur Jones gehört hatte. Den kompletten Ministerrat zu vergiften oder anderweitig unauffällig aus dem Weg zu schaffen, wenn sie sich das nächste Mal trafen, wäre eine Möglichkeit gewesen. Doch jetzt hatte er nichts hier, das ihm weiterhelfen könnte… Er schloss die Augen, als sich die Freisprechanlage im Raum einschaltete. ,,Flynt ? Ich glaube ich brauche ihnen nicht sagen, was da draußen los ist.“ , meinte eine Stimme, die er unschwer als die von Daniel Symanski erkannte. Der

Finanzminister. Der Mann klang irgendwie immer herablassend, selbst wenn man ihn einmal in seine Schranken verwies. ,,Wir werden unser Treffen vorverlegen müssen. In einer halben Stunde.“ Das war keine Bitte gewesen, dachte Abundius, während er eine der Schubladen des Schreibtischs öffnete und zwei Gegenstände herauszog. Der erste war eine schwere, mit einer silbernen Gravur versehene Pistole. Die Waffe hatte Jones bei sich getragen… Das zweite war ein Buch mit einem roten Umschlag. Abundius ließ die Pistole in seiner Tasche verschwinden, während er das

Buch an sich nahm, das ihn nun seit einer ersten Reise nach Liurie begleitete. Es gab noch eine Sache, die er tun konnte, wie riskant es auch immer war. Jones war daran gescheitert. Vielleicht würde es aber grade den Ausschlag liefern, der über Erfolg oder Misserfolg dieser Rebellion entscheiden würde. Keine Minister bedeutete, keine Organisation. Er trat durch die Tür seines Büros auf einen der Flure des Justizministeriums hinaus. Die Gänge hier waren praktisch ausgestorben, wenn man von den überall Wache haltenden Ulanen einmal absah und diese Wesen waren… weniger als Gegenstände. Maschinen, die taten, was man ihnen

sagte, ohne eigene Gedanken oder Ziele. Abundius suchte sich seinen Weg durch die Gänge des Gebäudes, bis er schließlich den Versammlungssaal erreichte. Die große, runde Kammer im Erdgeschoss des Gebäudes war noch verlassen, als er eintraf. Die übrigen Minister waren sicher bereits Unterwegs, würden aber länger brauchen. Vor allem jetzt, wo ein Teil der Stadt zerstört war oder in Flammen stand. Abundius dachte wieder an die Rauchwolke, die er gesehen hatte. Was hatten Aaren und die anderen bloß vor? Wände, Boden und Decke des Raums waren in dem gleichen, konturlosen Grauton gehalten, der sich in einer dunkleren Spielart auch in einer

Reihe von Säulen wiederfand, welche das Dach und die darüber liegenden Stockwerke stützten und sich in einem Hexagramm an den Wänden anordneten. Abundius ging langsam den Zwischenraum zwischen den Säulen und der Wand an, während er nachdachte. Die Waffe in seiner Tasche wog schwerer, als er es in Erinnerung hatte. So hatte das alles eigentlich nicht laufen sollen. Vielleicht könnte er es immer noch korrigieren. Aaren, Jack und Mia könnten versagen, wenn er sich nicht einmischte. Sein Weg würde Erfolg haben. Ihr Weg dagegen…. Er wusste nicht einmal, wie dieser aussah.

Vielleicht hatte er in all den Jahren auch einfach verlernt, sich auf irgendjemanden anders zu verlassen. War es das? Er trat in die Mitte des Saals, wo ein gewaltiger Tisch einen annähernden Halbkreis bildete und ließ sich auf einen der Plätze daran fallen. Vielleicht war es das. Aber da war noch mehr. Er hatte Angst. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit würde er gezwungen sein, Blind zu handeln. Nach seinem Gefühl, nach seiner Intuition, wie immer er es auch nennen sollte. Er hatte Gedacht, sich das abgewöhnt zu haben. Genau wie das Elektorat… Stimmte das denn? In der Stille, die ihn umgab, konnte er

jetzt Schritte hören, die sich der Tür näherten. Das mussten die anderen Minister sein. Keiner von ihnen würde diesen Raum wieder verlassen… War er nach all der Zeit wirklich geworden, was er ursprünglich bekämpfen wollte? Abundius zog die Waffe, hielt sie aber nach wie vor unter dem Tisch verborgen, während die Türen des Saals aufschwangen und die zehn Personen eintraten, die das weitere Schicksal dieser Stadt bestimmen wollten. Und nicht nur dieser Stadt. Jeder Stadt, auf jedem Planeten… Er erhob sich nicht, als die ersten eintraten, allen voran Szymanski, der trotz der gegenwärtigen Lage etwas

abstrahlte, das Abundius immer wieder einen Schauer über den Rücken jagte. Wäre es nur Hochnäsigkeit gut, damit konnte er arbeiten, aber der Mann war zuweilen so kalt, das selbst ihm dabei nicht wohl war. Ihm folgten die übrigen in rascher Folge. Jeder hatte es heute eilig, wie Abundius feststellte. Es schien ein Witz zu sein, den niemand der hier Anwesenden später zu schätzen wissen würde. Erst, als er sah, wie der letzte Minister eintrat und die ihnen auf Schritt und Tritt folgenden Ulanen nachströmten, stand er auf. Die meisten sahen die Waffe zu spät. Die meisten. Die erste Kugel fällte bereits zwei von ihnen, die zu dicht beieinander standen.

Andere erstarrten wo sie waren. Nur einige wenige, darunter der Finanzminister besaßen die Geistesgegenwart, sich in Deckung zu bringen. Damit, dachte Abundius, hatten sie schlicht nicht gerechnet. Das sie erneut jemand in ihrem innersten Heiligtum angreifen könnte… Eine Welle aus Euphorie und Erleichterung überfiel ihn. Gleichzeitig spürte er jedoch auch leichte Übelkeit in sich aufsteigen. Er hatte direkte Gewalt immer abgelehnt, wenn es einen besseren Weg gab. Jetzt jedoch war die Zeit des Subtilen endgültig vorbei. Und irgendwie, war es Befreiend… Im nächsten Moment jedoch reagierten

bereits die Ulanen. Zwei Dutzend oder mehr Waffen richteten sich zeitgleich auf ihn und wurden durchgeladen. Abundius kümmerte es nicht. Ihn interessierten nur die bereits am Boden liegenden Gestalten, während er die jetzt leer geschossene Waffe fallen ließ. Neun rührten sich nicht mehr. Aber Neun… waren genau einer zu wenig. Daniel Szymanski erhob sich hinter einer mit Einschusslöchern übersäten Säule und klopfte sich den Staub aus der Kleidung. Einen Moment traf sich sein Blick mit dem von Abundius. Ihm hatte genau eine Kugel gefehlt… Aaren stolperte durch die zunehmend

chaotischer werdenden Straßen. Die gewaltige Staubwolke, die keinen halben Kilometer von ihm entfernt aufstieg, wallte in die Straßen und überzog alles mit einer dunklen Schicht aus fein zermahlenem Beton. Für einige Augenblicke wurde es dunkel, als Staub und Asche die Sonne verdunkelten. Trotzdem strömten jetzt überall, soweit er noch sehen konnte Leute auf die Straße. Hunderte, tausende… Als hätte er ein Ventil geöffnet. Sonea sah sich ebenfalls mit einer Mischung aus staunen und entsetzen um. Innerhalb weniger Herzschläge war aus der oberflächlich aufrechterhaltenen Ordnung ein Hexenkessel geworden. Einer, der sich

dieses Mal nicht mehr beruhigen würde. Mit einem hatte Abundius sich getäuscht, dachte der Kommissar. Diese Leute waren mehr als bereit zu kämpfen. Es hatte nur einen kurzen Anreiz dafür gebraucht. Er beschleunigte seine Schritte, immer noch das Dröhnen der in sich zusammenstürzenden Häuserzeile in seinen Ohren. Halb blind und taub, wäre er beinahe in Jack hineingestolpert. Der Mann kämpfte sich genau wie er durch Staub und die Menschenmasse, stützte sich dabei jedoch auf Mia, die ihrerseits wiederum ein schweres Gewehr über der Schulter trug. Die Kommissarin schien genau so überrascht, ihn zu sehen, wie er

sie. ,, Ich werde irgendwann aufhören mich darüber zu wundern, wie wir uns begegnen.“ ,, Ich könnte das gleiche sagen.“ , erwiderte Aaren mit einem Blick auf Jack. ,, Was ist passiert ?“ ,, Nun, wir haben ein Problem weniger.“ , antwortete der Mann mit einem Grinsen, das ihm aber augenscheinlich nicht richtig gelingen wollte. ,, Allerdings hat dieses Problem auch mich erwischt. Vämskä…“ ,, Er ist tot.“ , erklärte Mia nur und nickte in die Richtung, aus der die Staubwolke kam. Langsam aber sicher setzte sich diese wieder, so dass die untergehende

Sonne erneut als blassrote Scheibe am Himmel zu erkennen war. Während dessen war Sonea ohne ein Wort zu Jack getreten und besah sich die Verletzung des Mannes. ,, Hatte ich schon erwähn, das das Höllisch brennt ?“ , fragte Jack. ,, Könntest du…“ Weiter kam er allerdings schon nicht mehr, als Sonea eine Hand auf die Wunde legte. Jak keuchte, als Gewebe und Blutbahnen sich mit atemberaubender Geschwindigkeit wieder zusammenfügten und neu entstanden. So schnell alles auch wieder vorbei war, so wenig erpicht war er darauf, das ganze jemals wieder durchleben zu müssen.

Nach heute würde das auch hoffentlich nicht mehr nötig sein. Aaren war derweil auf eine Straßenabsperrung aus Betongeklettert, von der aus er die Menge überblicken konnte, die sich um sie sammelte. Noch waren sie ziellos. Mehr als einer hatte bereits inne gehalten, als er die Gestalt bemerkte, die aus der Menge hervorragte. Aber was sollte er jetzt tun? Aaren sah zu Sonea, dann weiter zu Jack und schließlich Mia. Es war eine lange Reise bis hierhin gewesen, nicht? Und wie immer es endete… es endete noch bevor die Sonne erneut aufging… Er zog die Waffe deutete damit in Richtung des nun offenen

Regierungsbezirks. ,, Ich war ein Kommissar.“ Die Kraft seiner eigenen Stimme überraschte ihn. Oder vielleicht war es die Tatsache, dass die Menge von einen Moment auf den anderen zur Ruhe kam? ,, Ich habe das Elektorat und für was es steht immer verteidigt. Und ein Teil von mir mag auch jetzt noch daran glauben, das wahre Gerechtigkeit und Sicherheit Werte sind, für die es sich zu kämpfen lohnt. Aber das, was der Ministerrat heute verkörpert hat nichts mehr das Geringste damit zu tun. Irgendwo… haben sie den Weg verloren. Das haben wir alle, den wir haben dabei nur zugesehen und es erlaubt. Aber nicht länger, keinen

Moment länger sage ich. Das Elektorat kann besiegt werden. Die Kolonie auf Liurie ist schon frei. Ich sage, tuen wir es ihnen gleich und schleißen uns ihnen an. Heute werden sich die Minister vor uns verantworten, nicht mehr umgekehrt.“ Aaren wusste, dass er Erfolg hatte, als sich die Leute wie auf ein stummes Kommando hin wieder in Bewegung setzten. Und jetzt wussten sie auch wohin… Der Kommissar sah zu, wie die ersten in Richtung Regierungsbezirk stürmten und über die Trümmer hinwegsetzten, die die Explosion hinterlassen hatte. Es gab keine Schilde mehr, die sie aufhalten konnten. Die

ersten Schüsse fielen, noch bevor Aaren die Schutthaufen selbst erreichte. Einige Ulanen hatten sich bereits eingefunden und feuerten auf die Menge. Ohne Gedanken, ohne Warnung. Doch dieses Mal hatten sie sich verrechnet. Die Männer in den dunklen Panzerungen wurden einfach überrannt, als sich der Zorn von zehntausend Menschen, die Angehörige, Freunde und Bekannte an die Brutalität der neuen Ordnungshüter verloren hatten entlud. Einige wenige Polizisten und normale Soldaten hatten sich ebenfalls eingefunden, doch mehr als einer davon warf ,bereits beim ersten Blick auf die Menge, die Waffe weg… oder richtete sie sogar gegen die noch

stehenden Ulanen. Aaren hatte sich mit den anderen derweil fast an die Spitze der Leute gekämpft, die nun geschlossen in Richtung der Ministeriumsgebäude strebten. Dort jedoch wartete bereits etwas auf sie, das Aaren das Blut in den Andern gefrieren ließ. Er hatte nicht mehr damit gerechnet, nicht einmal gedacht, dass so viele übrig wären… Vor ihnen stand eine dichte Mauer aus Männern und Frauen, die alle das gleiche, silberne Justiziablem an ihrer Kleidung trugen. Und alle waren mit gleichförmigen nur an Größe und Gewicht angepassten Pistolen bewaffnet. Zum ersten Mal wurde die Menge hinter

Aaren langsamer… und bleib schließlich tatsächlich stehen, weniger als fünf Meter vom Beginn der menschlichen Barriere entfernt.

Kapitel 22 Die Entscheidun der Kommissare


Nichts rührte sich in den zwei sich gegenüberstehenden Reihen. Auf der einen Seite, die Bevölkerung einer Stadt, die zu lange in Ketten gelegen hatte. Auf der anderen… das vielleicht größte Symbol ihrer Kerkermeister. Das würde in einem Blutbad enden, dachte Aaren. Und doch bewegte sich niemand. Der Kommissar trat langsam vor und breitete die Arme aus. ,,Was jetzt ?“ , fragte er laut. In der plötzlichen Stille klang seine Stimme erneut Lauter, als sie sollte. ,,Hm ?

Worauf wartet ihr noch? Ich bin hier, falls es euch entgangen ist.“ Diese Männer und Frauen waren seine Brüder und Schwestern gewesen. Er brauchte sich nur umsehen und entdeckte mehr als ein Dutzend bekannte Gesichter. Er kannte sie… ihre Geschichten, lautete sie am Ende doch für jeden Kommissar gleich. ,, Also… hier bin ich. Der Abtrünnige, der Aufrührerische… sucht euch etwas aus. Wenn ihr jemanden töten wollt bitte.“ Er machte einen Schritt weiter vor. Im nächsten Moment richteten sich auch schon dutzende von Pistolenläufen auf ihn. ,, Aber vielleicht solltet ihr darüber nachdenken, wem ihr eigentlich

dient. Ich war und bin einer von euch. Wir sollen ungetrübte Urteile fällen. Ist das ein klares Urteil? Ich glaube nicht. Wir sollten der Gerechtigkeit dienen und nichts anderem. Keinen Ministern, keinen Soldaten, keiner einzelnen Person… Und jetzt seht euch einmal um. All diese Leute, jeder einzelne ist hier weil er offenbar besser beurteilen kann, was richtig und falsch ist, als ihr alle zusammen. Wie kann das sein? Oder aber… gibt es die Möglichkeit, nur die geringste Chance, das ihr falsch liegt, das ihr die Leute schützt, die ihr bekämpfen solltet?“ Aaren machte einen weiteren Schritt vorwärts. ,, Wenn nicht, dann bitte. Tötet mich. Aber wenn dem

so ist, wenn meine Worte wahr sind… was dann ?“ Er stand jetzt direkt vor der nach wie vor regungslose Mauer aus Kommissaren, nur von den ausgestreckten Waffen auf Distanz gehalten. Ein Lauf war direkt auf seiner Augenhöhe. Sollten sie sich falsch entscheiden, würde er das Ergebnis nicht mehr mitbekommen. Und das wollte er auch nicht… Wenn das Elektorat in einem Feuerregen unterging, dann würde Jones Recht behalten. Nichts würde so schnell zur Ruhe kommen. Aber wenn sie ihnen halfen, wenn sie nur die Minister ausschalteten… Was wurde dann alles möglich? Er warf einen Blick zurück zu der

wartenden Menge. Sonea und die anderen standen in der ersten Reihe, warteten, genau wie er… Der erste Kommissar nahm die Waffe runter. ,, Das ist nicht, wofür ich mich gemeldet habe.“ , erklärte er lediglich und drehte sich langsam um. Ein weiterer tat es ihm gleich. Ein dritter, ein vierter… Langsam aber sicher löste sich die gesamte Phalanx aus Bewaffneten auf und trat bei Seite, so dass eine Gasse entstand. Aaren konnte den Platz und den Zugang des Ministeriums erkennen. Es war lange her, das er das letzte Mal hier gewesen war, dachte er. Wie in Zeitlupe

beobachtete er, wie sich Kommissare wie Bürger über den Platz verteilten. Stellenweise lieferten sich ersterer kurze Feuergefechte mit den Ulanen. Die meisten Drohnen jedoch, die bei weitem die größere Gefahr darstellten, waren längst in sich zusammengebrochen. Entweder hatte die Explosion sie beschädigt oder das, was er im Netzwerkknoten angestellt hatte, hatte sehr viel weitreichendere Folgen gehabt. Auch die Maschinen wurden letztendlich Zentral kontrolliert. Aaren suchte nach Jack und den anderen und fand sie schließlich bereits auf halbem Weg die Stufen zum Ministeriumseingang hinauf. ,, Das ist es ?“ , fragte Mia unsicher,

während sie zur Tür hinauf sah. Aaren nickt lediglich. Sie waren am Ziel… Noch immer hallten vereinzelte Schüsse über den Platz, als sie schließlich durch die Türen traten. Die Eingangshalle des Justiz-Ministerium war ein großer, schlicht gehaltener Saal, in dessen Mitte sich eine gut drei Meter hohe Justitia-Statue erhob. Dahinter zweigten mehrere Türen ab. Und eine davon, die offen stand, musste in den Versammlungssaal der Minister führen. Wenn sie noch hier waren. Sollten sie fliehen… er wusste nicht, was dann geschehen würde. Sie könnten Verstärkung von den übrigen Welten rufen… und den Aufstand hier

niederschlagen. Das durfte nicht geschehen. Aaren wusste nicht mehr genau, wann er diesen Saal das letzte Mal betreten hatte damals jedoch war hier noch alles voller Menschen gewesen. Beamte, Kommissare, Boten, die ihrer Arbeit nachgingen. Jetzt jedoch, war davon nichts mehr zu sehen. Es herrschte lediglich gähnende Leere. Entweder waren bereits alle geflohen oder, was vielleicht sogar wahrscheinlicher war, der Ministerrat hatte auch seine eigenen Angestellten ausgeschlossen. Aarens Schritte hallten von den Steinfliesen wieder, während er, die Waffe im Anschlag, in den Raum trat.

Die meisten Ulanen hatte es wohl bereits draußen erwischt, aber hier war es einfach… zu ruhig. ,, Sind sie gekommen , um es zu Ende zu bringen, ja ?“ , fragte eine Stimme. Eine einzelne Gestalt stolperte hinter der Statue hervor. Aaren erkannte Abundius. Der Mann wirkte mitgenommen und noch übermüdeter als sonst und über einem Auge prangte eine gewaltige Platzwunde. Hinter ihm tauchten nun weitere Personen auf, ein gutes Dutzend davon in den typischen Panzerungen der Ulanen-Garde. Und von ihnen flankiert folgte schließlich eine weitere Gestalt, die Aaren zu seinem Leidwesen sofort erkannte. Daniel Szymanski. Der

Finanzminister. Aber wo waren die anderen? Mia richtete sofort das Gewehr auf die kleine Gruppe. Jack und Aaren taten es ihr gleich. ,, Ich an ihrer Stelle würde mir das gut überlegen.“ , meine der Finanzminister. Einer der Ulanen trat vor und hielt Abundius eine Waffe an die Schläfen. ,, Man sollte ihnen fast gratulieren, Aaren. Beinahe hätten sie Erfolg gehabt.“ ,, Beinahe, Minister ? Ich weiß nicht, ob sie heute schon aus dem Fenster gesehen haben, aber da draußen stehend mehr als zehntausend Menschen. Wenn sie glauben ihre Handvoll Ulanen beschützt sie davor, fürchte ich, dann haben sie sich

verschätzt… Wir sollten die Hoffnung für die Menschheit sein, Minister. Nicht ihre Sklaventreiber. Dafür erhalten sie heute die Rechnung.“ ,, Waren wir das nicht ?“ Szymanski breitete die Arme aus. ,, Wir sind schon der Weg für die Zukunft der Menschen. Sehen sie sich doch um.“ Aaren musste laut lachen, als er Verstand, worauf der Minister hinauswollte. ,, Diese Kreaturen ? Wirklich ?“ Er schüttelte den Kopf. ,, Das , was sie aus ihnen gemacht haben, ist das Ende jeder Zukunft. Es sind leere Hüllen, ohne Verständnis dafür, was Menschen antreibt, ohne Überzeugungen. Ich kann sie nicht einmal ernst nehmen.“

Skye auf Liurie war ein Gegner. Vämska war einer. Und wohl auch Abundius… Aber das hier ? ,, Es sind bestenfalls Sklaven.“ ,,Glauben sie , was sie wollen. Ihr Kollaborateur jedenfalls hat versagt. Ich lebe noch. Und sie werden jetzt bei Seite treten und mich durch lassen. Ich warte nur noch auf ein Shuttle, das mich von hier wegbringt.“ ,, Ich bezweifle, dass es kommt.“ , bemerkte Jack kühl, die Waffe nach wie vor auf den Minister gerichtet. ,, Was sie glauben oder nicht ist irrelevant, Sie machen jetzt Platz. Oder ihr Komplize hier stirbt.“ Wie um die Worte zu unterstreichen,

versetzte einer der Ulanen Abundius einen Stoß. Der Mann lachte bitter, bevor er aufsah. ,, Aaren. Wenn sie ihn jetzt entkommen lassen, war alles umsonst. Und leider kenne ich sie schon zu gut. Das werde ich nicht zulassen…“ Mit diesen Worten drehte er sich zum Minister um, während gleichzeitig eine seiner Hände in der Tasche verschwand. ,,Was haben sie…“ , setzte Aaren an, als er auch schon sah, was Abundius nun hervorholte. Ein vielleicht faustgroßes, dunkles Päckchen, an dem eine einzelne rote Lampe über einem Schalter leuchtete. ,,Tut mir leid.“ , meinte er, bevor er den

Schalter umlegte. ,, Alle raus hier !“ Aaren achtete nicht mehr darauf, was sonst um ihn herum geschah. Er machte auf dem Fuß kehrt und riss die anderen dabei mit sich, weiter in Richtung Tür. Bevor sie jedoch den Ausgang erreichte, zündete bereits der Sprengsatz. Aaren warf einen letzten Blick zurück und sah grade noch, wie sowohl der Minister, als auch Abundius und die Ulanen in einer Feuerwolke verschwanden, die sich rasch in alle Richtungen ausbreitete. Auch die Statue wurde von der Explosion zermalmt und stürzte langsam zur Seite. Dann hatte die Druckwelle auch sie erreicht und Aaren spürte, wie er den Boden unter den

Füßen verlor, während das Gebäude über ihnen allmählich in sich zusammensackte. Die Leute draußen auf dem Platz hielten inne, als plötzlich Feuer aus den Fenstern des Ministeriumsgebäudes schlug, bevor die Fassade nachgab und einstürzte.

Epilog


Die Sonne spiegelte sich auf dem blauen Wasser. Kleinere Wolken zogen über den Himmel, ansonsten jedoch war das Wetter erstaunlich ruhig für Liurie. Die letzten zwei Wochen hatten beständige Stürme die Station erschüttert, die sich hinter ihnen aus dem Wasser erhob. Die zahllosen Aufbauten auf dem Hive glitzerten im Licht, zusammen mit einer Anzahl von Schiffen, die sich um die Station herum anordneten. Dazu kamen hunderte, wenn nicht mehr Shuttles, welche die Landeplattformen besetzten, welche die Station umgaben. Beinahe

hätte man meinen können, die halbe bekannte Galaxie wäre hier zusammengekommen und wenn man es genau nahm, stimmte das Wohl auch, dachte Aaren. Er saß an einem Steg, der vom Hive wegführte uns ließ die Füße ins Wasser baumeln. Einen Arm trug er dabei in einer Schlinge. Über ihm tauchte grade ein weiteres Shuttle auf, das wenige Meter über seinem Kopf flog und dann in Richtung eines der wenigen noch freien Landeplätze verschwand. ,, Wenigstens leben sich die Kommissare langsam ein .“ , meinte eine Stimme neben ihm. Jack stand neben ihm, auf Mias Schulter gestützt. Sie hatte mehr

Glück gehabt und war mit ein paar Schrammen davon gekommen. Andere hingegen nicht. Ohne Mentalblocker hatten die Kommissare für viele ausgedient, doch noch immer waren es , zumindest für den Moment, die alten Ordnungshüter, die alles zusammenhielten, was sich einmal Elektorat genannt hatte. ,,Ja.“ , meinte er. ,, Das ist wenigstens etwas.“ Es schien das erste Mal seit sie nach Liurie zurückgekehrt waren, das er so etwas wie Ruhe fand. Hatte er geglaubt, das Elektorat zu besiegen war anstrengend gewesen ? Hinter dem Ministerrat aufzuräumen und die

Ordnung zu erhalten erwies sich mittlerweile als der schwierigere Teil. Liurie war schnell als die Welt bekannt geworden, die sich als erste gegen die herrschende Ordnung gestellt hatte und in den letzten Tagen wurden es immer mehr, die sich endgültig lossagten, jetzt, nachdem die Erde frei war. Und wie von selbst schien es, kamen alle hierher... Wenn das so weiterging, würde Liurie früh genug zum Sitz eines neuen Regierungsnetzwerks werden. Hoffentlich eines besseren… Aber dafür zu sorgen, das lag jetzt nicht mehr nur an ihnen. ,, Tian wollte nachher noch mit uns sprechen.“ , bemerkte Mia. ,, Ich fürchte

der arme weiß bald nicht mehr, wo ihm der Kopf steht.“ Jack lachte. ,, Das können sie laut sagen.“ Aaren antwortete eine Weile nicht, während sein Blick auf das Meer gerichtet blieb. ,, Sagen sie ihm… ich komme nach.“ Mia nickte lediglich, bevor sowohl die Kommissarin als auch Jack sich auf dem Weg zurück zur Station machten und Aaren damit alleine zurück ließen. Oder vielleicht nicht ganz alleine. Ihm war die Gestalt im Wasser schon zuvor aufgefallen, aber erst jetzt kam sie wieder näher und tauchte direkt neben ihm am Steg auf. Sonea musterte ihn

einen Moment skeptisch. ,, Ja ich weiß, ich sehe furchtbar aus.“ , meinte er grinsend, während sie sich neben ihn setzte. Statt einer Antwort fanden sich ihre Lippen. Widerstandslos ließ er sich von ihr mit ins Wasser ziehen. Tian würde eben etwas länger warten müssen…

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abschuetze Alle Teile gelesen und nun kommt die Komplettfassung in mein Favo-Regal :))
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EagleWriter 

:-)
lg
E:W
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