Dr. Freya war seit spät gestern Abend noch mit seinen Untersuchungen fortgefahren. Ihm bot sich ein schreckliches Bild, schrecklich war nicht mal annähernd das richtige Synonym für etwas so grauenvolles. Gestern um 16 Uhr bekam er einen Anruf direkt in seine Praxis. Man hatte ihm aufgetragen, sofort ins Leichenschauhaus zu fahren. Er griff im Halbschlaf nach seinen Autoschlüsseln und murmelte etwas unverständliches ins Telefon, wie
'Bin sofort da'. Als Dr. Freya seinen Wagen aus der Garage fuhr und sich zur Parkavenue aufmachte, fiel ihm etwas eigenartiges auf. Mehrere Autos standen quer nebeneinander, er konnte keine Insassen darin erkennen. Vielleicht lag es auch nur an seiner nicht so ausgeprägten Sehkraft, dennoch, es war eigenartig. Er hupte einmal kräftig und wartete ein paar Sekunden, bis er noch mal hupte und nochmal, immer energischer, als wolle er etwas unsichtbares auf seinem Lenkrad plattdrücken. Er zwang sich zur Ruhe. Vergeblich.
Er versuchte sich mit seinem Auto
zwischen die Fahrzeuge nach vorn zu schlängeln. Er schaffte es. Bis er einen anderen Wagen, der ihm plötzlich so unbegreiflich nahe schien, mit seinem geliebten Van streifte. ' Oh Scheiße!' dachte er. Was auch immer es war, er würde vor Wut zergehen, wenn sich auch nur ein kleiner, dummer Kratzer an seinem Wagen verirrte. ,, Hey !", schrie er und streckte seinen Kopf aus dem Fenster. ,, Können sie nicht aufpas..." Er stockte. Ihm blieb die Luft stecken. Er hörte seinen eigenen Aufschrei nicht mehr, der Anblick brannte sich in seinen Kopf, er stöhnte verzweifelt
auf, versuchte das Lenkrad vernünftig zu packen und den Anblick abzuschütteln. Die Kraft in seinen Armen und Händen ließ nach. Seine Sicht wurde unschärfer, bis er nur noch Dunkelheit erkennen konnte und dieses grauenhafte Bild ihn verschluckte. Tief in eine Ohnmacht.
Tief in eine Misere.
Tief in ein Familiendrama.
Er wünschte, er wäre tot. Aber nein. Das wäre viel zu einfach.