Kapitel XII
Hoffnungsschimmer
Langsam öffnete Miranda ihre Augen. Das Blut an ihren Haaren war bereits getrocknet, doch ihr Kopf schmerzte immer noch. Ein pulsierender Schmerz der ihr schwer zu schaffen machte. Sonst jedoch schien es ihr gut zu gehen. Überall leichte Schrammen, aber keine weiteren schweren Verletzungen. Glück gehabt, wollte sie sich gerade noch denken. Als ihr aber dann ihre jetzige Situation wieder bewusst wurde musste sie fast schon lachen. “Glück“ war das falsche Wort.
Sie lag auf einer durchlöcherten mit
Steinplatten verzierten Straße. Ein kurzer Blick zu dem Notfallbunker hinter ihr und sie hätte schon wieder losheulen können.
Sie waren so nah dran und dann stürzte dieses Raumschiff einfach so vom Himmel und verwandelte ihre letzte Hoffnung in ein brennendes Loch. Ob die karonischen Truppen kommen und die Überlebenden des Raumschiffs töten würden? Sollen sie doch, dachte sich Miranda. Ihr war inzwischen alles egal. Sie hatte ihre gesamte Familie an diese Monster verloren. Ihren geliebten Vater. Die zwei älteren Brüder, welche sie zwar immer hänselten sie aber ebenso liebten. Ihr Mutter die mit ihr all ihre
Trauer geteilt hatte und mit der sie gemeinsam stark wurde. Und …
Miranda sprang auf und suchte nach Thomas. Vielleicht ein wenig zu schnell, denn ein schlimmes Schwindelgefühl überkam sie, doch sie musste ihn finden.
Er lag einige Meter von ihr entfernt mit dem Rücken zu ihr. Sofort erkannte Miranda den dünnen Fremdkörper über Thomas Hüfte herausragen. Sie stolperte zu ihm und wollte ihm helfen, doch sie wusste nicht was sie tun könnte. Sie nahm seinen Arm und versuchte einen Puls zu fühlen. Sie konnte nichts fühlen.
Sie fiel auf die Knie und presste ihre Hand an Thomas Hals.
Da! Ein
Puls.
„Thomas. Kannst du mich hören? Thomas, bitte wach auf.“, flehte sie ihren Freund an.
Sollte sie das Rohr welches in seiner Seite steckt heraus ziehen? Sie wusste rein gar nichts über solche Sachen.
Sie holte tief Luft und nahm das Rohr vorsichtig aber fest in die Hand. Thomas schrie auf.
„Oh Gott. Du bist wach?“, konnte sie es kaum fassen.
Er sah zu dem länglichen Objekt in seinem Körper hinunter und kniff sich die Augen zusammen. „Miranda?“
„Ja ?“
„Versuch bitte nicht es heraus zu
ziehen.“
„Ok. Tut mir leid.“
„Schon ok. Wir brauchen einen Verband oder irgendetwas um die Blutung zu stoppen., erklärte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Nach kurzer Überlegung zog Miranda ihr Shirt aus und hielt es ihm hin.
„Geht das auch?“
Thomas öffnete die Augen und schloss sie sogleich wieder.
„Es.. Es tut mir leid. Ich wollte nicht...“
„Ist das dein ernst jetzt?“
„'Tschuldige. Ja das geht auch.“
„Was muss ich tun?“
Gemeinsam wickelten sie das Shirt um das Rohr und die Wunde und versuchten
es so gut wie möglich zu verbinden.
„Kannst du aufstehen?“, fragte Miranda danach.
Thomas versuchte es, doch mit jeder Bewegung hatte er das Gefühl wieder Ohnmächtig zu werden.
Miranda sah zum brennenden Bunker. Sie stand auf und holte eine Plexiglasplatte von einen der Trümmer neben der Straße. Sie schob die Platte neben Thomas und er Verstand was sie vorhatte.
„Du kannst mich nicht den ganzen Weg hinter dir herziehen.“
„Stimmt. Ich kann dich aber schnell irgendwo verstecken und dann nach Schmerzmittel suchen gehen.“, erklärte
sie gefasst. Sie beugte sich zu ihm vor und sah ihm tief in die Augen.
„Wenn das für dich okay ist.“, sagte sie mit sanfter Stimme.
Er hatte Angst doch er versuchte sich auf die improvisierte Trage zu heben. Miranda zog ihren Freund unter ein herabgestürztes Gebäudestück.
Sie sah ihrem Freund noch einmal an und er nickte ihr zuversichtlich zu.
„Ich komme wieder. Versprochen.“, versicherte Sie ihm.
„Ich weiß. Sei vorsichtig!“, antwortete er mit möglichst ruhiger Stimme.
Miranda machte sich auf den Weg und ließ ihren besten und einzigen Freund zurück.
Die Daten waren eindeutig. Der Kampfverlauf stand fest. Die Allianz war dem Feind zahlenmäßig überlegen und der Planet den die Menschen zu retten versuchten war bereits nichts mehr als ein großer Friedhof.
Uley stellte den Kampflog ab. Er sah auf den Sitz neben sich und sah wie Ben hoffnungslos aus dem Sichtfenster der Brücke schaute. Er hatte seit dem blinden Sprung kein Wort mehr verloren. Uley war sich nicht sicher was ihn mehr beunruhigte. Die Tatsache, dass sie gesprungen waren ohne zu wissen was auf der anderen Seite auf sie
wartete oder die Tatsache, dass Bal vollkommen zerstört wurde. Susan wurde in ihre Kabine gebracht. Sie kam nicht damit zurecht, dass alle ihre Freunde und Familienangehörigen mit einem Schlag fort waren. Keera war im Labor und forschte wie verrückt an diesem “Ding“. Uley vermutete, dass sie sich so abzulenken versuchte. Was den Doktor angeht. Der versteckte sich immer noch in seiner Kabine und antwortete auf keinen Funkspruch.
„Was wollen wir hier?“, fragte Ben plötzlich.
Uley sah ihn verwundert an.
„Wir verstecken uns vor dem Raumschiff von
Ziveran.“
„Wir könnten uns überall verstecken. Warum ausgerechnet hier?“
„Wir wissen nicht welche Technologien das Schiff hat. Vielleicht ist es schneller als die Human Curiosity? Im Moment ist dieses Schlachtfeld das beste Versteck.“
„Das ist kein Versteck. Das ist ein Grab, Uley.“
„Nicht unser Grab. Keine Sorge.“
Eine Hand hatte Uley immer auf den Schalter für einen Notstart ruhen. Bei einem Notstart wurden alle unnötigen Systeme abgeschaltet und die Energie auf die Antriebe umgeleitet. Selbst die Schilde würden sich erst aktivieren sobald dass Schiff gestartet
war.
„Gibt es Überlebende?“, wollte Ben nun wissen.
Uley betätigte einige Knöpfe zu seiner rechten.
„Im Bunker unter uns sind derzeit knapp 13.000 Flüchtlinge.“ Irgendetwas schien den jungen Sicherheitsoffizier zu stören. Ben merkte das auch und hakte sofort nach.
„Was ist?“
„In 20 Kilometer Entfernung wurden vor kurzen auch noch 15.000 Überlebende registriert.“
„Was ist dort passiert?“, wollte Ben wissen.
Uley schaltete einen Monitor um und
man konnte ein abgestürztes Schlachtschiff erkennen.
„Es ist direkt auf den Bunker gestürzt. Niemand hat überlebt.“
Ben starrte wie gebannt auf den Monitor.
„Wie viele Personen passen auf das Schiff?
„Ben...“
„Wie viele Leute können wir retten?“, ließ er nicht locker.
„Willst du runtergehen und tausenden von Menschen sagen, dass wir 20 oder vielleicht 30 von ihnen retten können, aber der Rest muss hierbleiben?“
Ben schluckte einmal kräftig und verstand die Sorgen seines Kollegen. Er wollte lediglich eine Sache noch
wissen.
„Wie lange bleiben wir hier?“
Miranda kroch unter einem verbogenen Türrahmen. Man sollte meinen in einen Notfallbunker würde man mehr Erste Hilfe Kasten finden, doch sie suchte bereits seit zehn Minuten und konnte nicht einmal einen Verband auftreiben. Dafür hatte sie schon mindestens 5 tote Menschen gefunden. Bei jedem von ihnen wollte sie am liebsten zusammenbrechen und auf ihren Tot warten, doch sie musste ihrem Freund helfen. Dieser Gedanke trieb sie an. Zwang sie weiterzumachen, obwohl sie
nicht wusste was sie danach tun sollten.
Endlich!
An der Wand war ein weißer Kasten mit einem roten Kreuz befestigt. Sie öffnete es und staunte nicht schlecht als sie den überfüllten Inhalt sah. Sie nahm mit was sie tragen konnte. Zwei Fläschchen Medigel, eine Rolle Verband und eine K.O.-Spritze. Sie überlegte kurz ob sie die Adrenalinspritze auch mitnehmen sollte. Es würde sicher nicht Schaden falls sie wieder weglaufen müssten also packte Miranda auch noch zwei davon in ihre Hosentasche.
Miranda wollte gerade zurück rennen als neben ihr ein Terminal zu blinken begann. Sie blickte auf den Monitor und
bemerkte eine eingehende Nachricht. Miranda drückte Bestätigen und hörte sich die Nachricht an.
„Hallo? Ist da noch jemand unter dem abgestürzten Schiff? Falls es Überlebende gibt, dieser Notfallbunker funktioniert noch und wir befinden uns nur 20 Kilometer von euch entfernt! Wenn ihr vorsichtig seid könnt ihr es schaffen! Wir haben genug Essen und Platz für weitere tausend Überlebende!“
Miranda schaltete die Nachricht ab.
Einen Moment stand sie einfach nur da und dachte nach. Sollten sie einfach zum nächsten Bunker laufen? Kann Thomas überhaupt soweit laufen? Sie würde ihn entscheiden lassen, was sie nun tun
sollen. Ein weiterer Blick auf den Monitor lies Miranda erschaudern.
“Flüchtlingsverzeichnis“ stand dort. Miranda drückte das Feld und eine Liste aller Menschen die es in den zerstörten Bunker geschafft hatten öffnete sich vor ihr.
Thomas hörte Schritte näher kommen. Miranda kam zum Vorschein. Sie hatte eine Umhängetasche gefunden und diese vollgepackt mit dem Inhalt des Erste Hilfe Kastens.
„Wow! Ich hätte nicht gedacht, dass du gleich alles mitnimmst.“, staunte er begeistert. Vorsichtig wickelte sie ihr durchblutetes Shirt wieder herunter. Sie
verteilte eine ganze Flasche Medigel auf der Wunde. Das grünliche Gel betäubte die Wunde und hatte auch noch den Effekt die Wunde ausgesprochen schnell zu heilen. Anschließend benutzte sie den Verband um die Wunde zu verbinden. Thomas bemerkte ihr monotones Gesicht.
„Was ist los Miranda?“, fragte er doch er ahnte bereits was geschehen war.
„Ich habe eine Liste gefunden. Von allen Menschen die in diesem Bunker waren...“, erklärte sie leise.
„Es tut mir so leid, Miranda.“
„Meine Mutter war nicht dabei...“
„Dann könnte sie ja noch...“, wollte Thomas sie trösten, doch Miranda unterbrach
ihn.
„Was? Noch am Leben sein? So wie wir gerade noch so am Leben sind?“, schrie sie ihn an.
„Miranda...“, flüsterte Thomas traurig vor sich hin.
„Was sollen wir jetzt tun? Einfach zum nächsten Bunker laufen? Der ist 20 Kilometer entfernt!“
Er blickte zu ihr auf. Woher wusste sie das so genau? Miranda konnte seinen Blick verstehen und beruhigte sich wieder ein wenig.
„Ich habe eine Nachricht gefunden. Es gibt noch Überlebende.“
Thomas nahm Miranda bei der Hand und versuchte so aufmunternd wie möglich zu
schauen.
„Weißt du noch was dein Vater immer zu dir gesagt hat?“, fragte er sie mit ruhiger Stimme.
Miranda schloss die Augen und eine Träne lief über ihre Wange.
Vor geschlossenem Auge erblickte sie ihren Vater. Er lächelte sie an und stand im Garten. Neben ihm ein Modellflugzeug, welches Miranda einst gebastelt hatte. Sie konnte sich noch gut daran erinnern wie sehr sie dieses Modell gehasst hatte. Es flog nicht so wie es sollte. Der Grund war, dass Miranda schlampig mit dem Aufbau der Flügel und der Minimotoren war und deshalb stürzte es immer wieder ab. Ihr
Vater jedoch ermutigte sie damals jedes mal aufs Neue.“
„Auch wenn es noch so schwer erscheint. Aufgeben ist keine Lösung.“, antwortete Miranda auf Thomas Frage.
Er hatte recht. Weder ihr Vater noch irgendein anderer von ihrer Familie würde wollen, dass sie nun aufgibt.
„Kannst du aufstehen?“, fragte sie ihren Freund besorgt.
Das Medigel wirkte sehr schnell und Thomas stand nach einigen Versuchen wieder auf zwei Beinen.
„Lass uns zum nächsten Bunker gehen.“, stimmte Miranda zu und gemeinsam gingen sie los in Richtung des vielleicht letzten Notfallbunkers auf
Bal.