Kurzgeschichte
Frühlingsspaziergang mit Willy

0
"Frühlingsspaziergang mit Willy"
Veröffentlicht am 07. April 2015, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: diavolessa - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich wohne in der Oberlausitz und schreibe gern über meine schöne Heimat, schon seit der ersten Klasse. Ich liebe meine vier Kinder und bin sehr stolz auf sie. Nun sind sie in die Welt gezogen von Berlin bis Tokio, also besorgten wir, mein Mann und ich uns zwei neue Babies: Katze Nala und Hund Willy. Jeder von uns hält einen im Arm.
Frühlingsspaziergang mit Willy

Frühlingsspaziergang mit Willy

Frühlingsspaziergang mit Willy

Die Gardine im Haus wackelt, als ich die Autotür zuschlage. Am Fenster erscheint ein schwarzes Schnäuzchen. Willy hat das Haus bewacht wie jeden Tag.

Nun fliegt er vor Freude fiepend mir entgegen, kaum, dass ich die Haustür öffne.

„Ja, mein Junge, du warst brav.“ Na, ganz so brav wohl doch nicht, die Schlafzimmertür steht offen, Katze Nala beherrscht das Türöffnen perfekt, und Willy hat den kleinen Teddy erbeutet und nach Raubtiermanier begonnen, ihn auszuweiden. Lauter weiße Fusseln schweben durch den Hausflur. Ach, was soll`s.

Ich ergreife die Hundeleine, schon stürmen wir los, in diesen späten Frühlingsnachmittag hinein. Der Nachbar ist nicht zu sehen. Willy verharrt kurz und beschnuppert die Stalltüre, hinter der die Kiste mit den Hundekeksen steht. Pech gehabt, heute fällt die Vesper für ihn aus.

Weiter stürmen wir ganz in Junghundmanier zwischen den Häusern hindurch auf die alte Betonstraße. Ein kurzes Kommando: „Sitz!“, welches Willy nur zu gern befolgt. Danach ist er frei und auf „Voraus!“ überspringt er den kleinen Wassergraben und rast über das große Rapsfeld. Die Mäusebekämpfung ist schwierig geworden dank zahlreicher Umweltauflagen und Interventionen der Grünen.

Das erfreut die Mäuslein, die sich ungehemmt vermehren können und bald zur Plage werden, es teilweise auch schon sind. Doch Willy freut das ebenfalls Er eilt hin und her. Welches ist das beste Loch zum Buddeln? Ich rufe, doch Willy hat zugeknöpfte Schlappohren.

Hinter mir versinkt langsam die Sonne in einem blutroten Bett. Morgen wird auch wieder ein schöner Tag.

Willy ist nach wie vor mit den Mäusen beschäftigt, und der Schlag ist zu groß, um ihm nachzulaufen. Ich weiß, ich bin inkonsequent und mach einen Fehler. ich gehe trotzdem weiter und genieße für mich allein die kühle klare Abendluft und das Rot der untergehenden Sonne. Diesem Genuss

scheinen sich auch die Schwäne vom nahe gelegenen Stausee hinzugeben, 28 zähle ich. Tagtäglich finden sie auf dem Rapsschlag ihr Ruheplätzchen, heute schimmert ihr weißes Gefieder rosa wie das der Flamingos.

Rechts, auf der Wiese neben der Betonstraße grüßen mich neuerdings junge Bäume. „Conference“, „Alexander Lucas“, „Gute Luise“, „Prinz Albrecht“ lese ich auf den Schildchen sieh an, hier ist nach altem Vorbild eine Streuobstwiese entstanden.

Ich schreite zügig aus, laufe in Richtung der knorrigen alten Eichen, die den Querweg säumen. Hier biegen wir normalerweise links ab, Willy und ich. Nur heute ist kein Willy zu sehen. Hinter den Eichen ducken sich, schon halb verfallen, die einstigen Kälberställe des

Landwirtschaftbetriebes. Keine 10 Meter von hier, im Haupthaus, saßen wir jeden Freitag zusammen, wir Futterökonomen, um über die Versorgung unserer Tiere zu beraten. 3000 muhende Mäuler hatte ich satt zu bekommen, die anderen Genossenschaften hielten ähnlich viel Vieh. 4000 l Milch gab jede Kuh im Jahr, das ist nun ein viertel Jahrhundert her. Heute sind zwar 10.000 l pro Kuh keine Seltenheit mehr, doch in unserem Dorf gibt es kein Muhen mehr, auch kein Grunzen. Selbst private Hühner sehe ich auf meinen Streifzügen mit Willy sehr selten.

Als die Kinder klein waren, stand hinter unserem Haus jedes Jahr eine Mutterkuhherde. Die Kinder streichelten und liebkosten die Kälbchen. 

Unsere Kinder sind jetzt längst aus dem Haus, und das Rindfleisch kommt inzwischen aus Polen oder Argentinien. Und mit den Rindern gingen die Schwalben, die sonst Jahr für Jahr unter unserem Dach nisteten.


Ich habe mir einen Zweig abgebrochen, nun muss ich mich doch um den Schlingel kümmern. Der Stock als Verwarnung vorgezeigt kann nicht schaden.

Da jagt auf der Betonstraße ein schwarzer Punkt dahin, wird schnell größer und schießt freudig an mir vorbei. „Willy, hier!“ Sofort kommt er und setzt sich, argwöhnisch auf die Gerte schielend, an meine linke Seite. „Fuß“ Wir laufen noch eine Runde um das nächste Rapsfeld. Mit schnarrenden Lauten fliegt ein

Graureiherpaar über unsere Köpfe, wenig später lassen sie sich bei einer Reihergruppe auf dem Feld nieder. Auch ihr Zuhause ist der Quitzdorfer Stausee.

Schneller als erwartet bricht die Dunkelheit herein, die Eichen als stumme Wächter sind nur noch schemenhaft auszumachen. In ihren Wipfeln jammert ein Käuzchen, ein schauriger Gegensatz zum Pfeifen der Reiher vorhin.

Willy schmiegt sich an mein Bein. Ich lobe ihn: „Braver Hund.“ Gelernt ist eben gelernt, auch wenn Mäuse manchmal interessanter sind für einen jungen Vierbeiner.

Das Käuzchen schickt uns seinen Nachtgruß hinterher. Ich atme nochmals entspannt die kühle Abendluft ein. Wie schön, dass ich

täglich dem Werden, Wachsen und Vergehen hier in der Natur begegnen darf.

0

Hörbuch

Über den Autor

Albatros99
Ich wohne in der Oberlausitz und schreibe gern über meine schöne Heimat, schon seit der ersten Klasse.
Ich liebe meine vier Kinder und bin sehr stolz auf sie.
Nun sind sie in die Welt gezogen von Berlin bis Tokio, also besorgten wir, mein Mann und ich uns zwei neue Babies: Katze Nala und Hund Willy. Jeder von uns hält einen im Arm.

Leser-Statistik
99

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Annabel ich hab dich gern begleitet. Super beschrieben. Lieben Gruß an dich
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Herzlichen Dank, dass du noch mal diesen Weg mit mir gegangen bist und ein wunderschönes Osterfest!
LG Christine
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Ich habe unlängst einen ähnlichen Spaziergang gemacht, aber kann es nicht so schön beschreiben, wie du es getand hast. Hund habe ich leider auch keinen, aber immerhin heiße ich mit zweitem Vornamen "Willy". Das ist besser als nichts.
b.G.
Willy
Vor langer Zeit - Antworten
Feedre Wunderschöner Spaziergang Christine
hab dich gerne begleitet...:-))
Herbstgruß von mir
Feedre
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Herzlichen Dank, da wird der Frühling also im Herbst nochmals lebendig. Ach, von mir aus könnte es schon wieder so weit sein, mir graut immer vor der nun folgender Zeit.
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks wie sehr hat mir der Spaziergang mit dir und deinem Hund gefallen. Sogut folgt meiner nicht immer, abeer das Mausgraben liebt er ebenso. Ja, der Wandel der Dörfer, auch hier in Ungarn.
Deine geschichte hat mir in ihrer Tiefe und Weite gut gefallen.
Danke dafür. lg der Klecks
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Eine schöne, berührende Geschichte, Christine, hast du da hingezaubert.
Und auch die Schmerzen kann ich nachfühlen. Und nun stell dir vor, wir würden ewig leben. Es wären nur noch Schmerzen! Z. B,, wenn der digitale Bauer seine Kühe per App melkt ....
Liebe Grüße
Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Hallo, Peter, schön, wieder was von dir zu hören. Ich hatte dich schon vermisst. (Wir wollten mit Louis - Bleistift- einen Diskutierklub der "Weltverbesserer" und "Vordenker" gründen und dich da aufnehmen - grins!) Hatten ausführlich über sein letztes Drabbel diskutiert. Aber vermutlich sind wir schon ins Visier vom BND geraten, das geht ja in diesem ach so freien Ländle sehr schnell.
na, ich wünsch dir `ne schöne Woche und bis bald
liebe Grüße
Christine
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Ein wunderschön beschriebener Abendspaziergang in Hundebegleitung ... die schöne Stimmung eingefangen ... die Freude an der Natur ... ich habe Euch gerne begleitet ...
LG Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Danke für die Begleitung beim Hund ausführen. Ich treffe mich gern mit dir.
Lieben Gruß
Christine
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
32
0
Senden

127979
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung