Vorbemerkung
Als Schriftsteller nimmt man jeden Auftrag an.
Viel Vergnügen!
(wieder eingestellt: 03.08.2017)
Copyright: G.v.Tetzeli
Bild: Dank an pixabay
Cover: Monika Heisig
www.welpenweste.de
Der Liebesbrief
Was war ich stolz!
Ich wedelte mit einem Brief.
"Schaaz, ich habe wahrscheinlich einen Auftrag. Endlich kommt Geld ins Haus. Endlich rentiert es sich, dass ich so gut schreiben kann."
Meine bessere Hälfte blieb skeptisch. Sie streichelte mich und meinte:
„Ach, Bärchen, durch Deine Schreiberei wird nie Geld verdient werden, aber ich freue mich natürlich für Dich."
Sie verschwand wieder in der Küche. Ich öffnete den Brief.
„Bitte, liebe Herr Tetzeli, du bist doch Schriftsteller. Schreiben sie mir bitte
einen Liebesbrief. Für, es soll Ralf sein. Geld dabei. Möglichst bald! Iris
Darunter war die Zusendeadresse angegeben.
10 €! Ich war etwas perplex. Nicht wegen der immensen Gage, sondern wegen der Aufgabe.
Krakelige Schrift, ein paar Tintenkleckse. Sie muss vor Verzweiflung geweint haben. Rechtschreibfehler durch innere Zerissenheit.
„Ausgerechnet einen Liebesbrief!“
Wie fange ich an? Für 10 € müsste die Sache schnell erledigt sein.
Ich ging ins Bad und betrachtete mich im Spiegel. Ich stellte mir vor, dass Ralf so
unendlich schön wie ich sei. Erste Anhaltspunkte notierte ich schnell: Ebenmäßiges Gesicht, blaue Augen, schöne Wimpern, gute Muskeln (geschummelt), Waschbrettbauch (gelogen, aber das ist schriftstellerische Freiheit).
So, noch ein paar sülzige Worte drum herum klimpern, dann habe fertig.
„Was ist es denn für ein Auftrag“, rief es aus der Küche.
„Ach, ein wichtiger Geschäftsbrief.“
„ Oh, Gott!“
Zurück im Arbeitszimmer begann ich. „Liebster Ralf,“ - und nun?
„Ich wollte schon immer mit Dir zusammen sein.“ – Blödsinn!
So geht's nicht!
„Liebster Ralf,
ich verzehre mich so nach Dir. Ich fühle mich so geborgen, wenn Deine Wimpern spielen. Ich fühle mich so sicher unter Deinen muskelbepackten Armen.“
Ich setzte ab und überlegte. Ein bisschen mehr sollte sich die Tussi schon anbiedern. Es soll ja funktionieren. Also..
„Nicht nur mein Herz öffnet sich für Dich.(Super!) Ich kann es kaum erwarten, dass wir uns und unsere Lippen sich treffen. Es muss ja nicht immer nur Nachts sein.
Ich bin schon ganz atemlos, wenn nur daran denke (Klasse!).
Deine dich liebende Iris
P.S. Ruf mich an, schicke mir eine SMS, oder Maile mir! Meine Daten hast Du ja schon, Küsschen, Küsschen, inniger Kuss!
Na, das ging ja wie geschmiert. Ich las es nochmal durch. Also ich, an Ralfs Stelle, würde nicht lange fackeln. Passt!
Ein neuer, rosa Briefumschlag war schnell gefunden (ich wühlte in dem Schreibtisch meiner besseren Hälfte).
Adresse drauf, Briefmarke. Es sollte ja schnell gehen, deshalb ging ich noch zur Post und warf ihn ein.
Tags drauf klingelte es. Es war Herr Brandon aus dem 3. Stock. Der hatte ein reizendes
Töchterchen von neun Jahren.
Er wedelte mir mit einem Brief vor der Nase herum. Er war rosafarben.
„Haben Sie das geschrieben?“
Mir wurde mulmig. Wahrscheinlich hat seine Olle, Frau Brandon, den Brief abgefangen. Na ja, als ich die Briefadresse schrieb, waren mir die Straße und auch die Hausnummer schon so merkwürdig bekannt vorgekommen. Auch der Name Brandon war mir nicht aufgefallen.
"Was soll denn dieses hinrissige Geschwafel! Meine Tochter ist gerade mal neun Jahre alt!"
Mir fiel es wie Schuppen aus den Haaren. Herr Brandon hieß mit Vornamen Ralf und seine Tochter Iris.
"Die Kleine hat Hausarrest! Wenn sie wieder so ein Pamphlet verbrechen, dann lernen Sie mich kennen!"
Ich schlug meine tollen Wimpern nieder und übergab stillschweigend die 10 €.
Plötzlich lächelte Ralf Brandon.
"Ich fand die gute Absicht von meiner Tochter so süß, dass ich ihr den Hausarrest erlassen habe.
Und Ihnen rate ich:
Hören Sie mit Ihrer Schreiberei auf!
Finden Sie irgendein anderes Betätigungsfeld!"