Nun denn...
Ich enterte die Bar und blinzelte Alois zu. Er streckte den Zeigefinger aus.
„Da drüben.“
Neben dem älteren Herren nahm ich Platz. „Ich wollte Sie interviewen und Sie haben zugesagt. Ich verstehe nur nicht, warum wir uns hier in der Ecke einer Bar treffen müssen."
„Ich mag kein Aufsehen.“
Ich schaltete die Aufzeichnung meines Geräts ein.
„Es ist der 23.,Monat Mai. Ich wende mich an Herrn Burlow, der mir sein Leben erzählt. Er behauptet, die geschilderten Ereignisse seien Seine Bestimmung gewesen."
„Ohne flüssigem Stoff geht nix!“
Ich bestellte Stoff. Er schlurfte das Bier genüsslich. Nicht nur Bayern, sondern auch Kanadier können trinken.
„Sind sie einfach so reich geworden?“
„Das war meine Bestimmung.“
„Wann spürten Sie die zum ersten Mal?“
„Schon als Kind habe ich mich ganz gut durchgeschlagen.“
„Wie das?“
„Ich habe schon als Schüler in Einkaufsläden geklaut und die Dinge dann verhökert. Damit habe ich meine ersten Tantiemen eingefahren.“
„Na gut, ungesetzlich, aber wie sind sie so weit gekommen? So weit, wie sie heute sind?“
„Es war meine Bestimmung!“
„Aha“. Ich verstand nichts.
„Wissen Sie, in der heutigen Welt ist Alles nur auf Eines fixiert, nämlich auf Geld. Da fragte ich mich, wie macht man Geld? Ich klaute also Autos. Der Gewinn war nicht übel, aber ich war noch nicht zufrieden. Das war nicht meine Bestimmung. Ich stieg also in das Drogengeschäft ein. Das war wesentlich lukrativer! Sehen Sie, wenn ich ein Auto verscherbel, haben ich einen Gewinn von 1000 zu eins. Verschiedene Arbeiten fallen ja an, Fahrgestellnummer u.ä, Sie verstehen? Bei Drogen erzielt man10.000 zu eins. Aber da beißt die Maus keinen Faden ab: Es ist zu gefährlich. Die Risikorelation stimmt nicht. Ich brauch' noch Einen."Ich
bestellte, noch Einen, weil ich das Interview grandios fand. Von ihm hatte man so etwas noch nicht gehört. Ich würde in der Redaktion einen Kracher landen können.
Ich starrte ihn gebannt an.
Nach dem nächsten Schluck fuhr er fort.
„Es war nur Canabis. Die wirklich harten Drogen waren mir doch zu suspekt.“
„Aber wenn sie schon mit 12 Jahren professionell Ladendiebstähle begangen haben, dann sind sie einfach nur eine kriminelle Natur, oder etwa nicht?“
„Nein, ich fand es nur einfach langweilig, ehrlich sein Geld zu verdienen. Oder anders ausgedrückt, es machte einfach mehr Spaß.“
„Und was war denn nun ihre Bestimmung?“
„Ich komme schon noch dazu. Jedenfalls häufte ich ordentlich „Kleingeld“ an.“
„Nie erwischt worden?“
„Nie! Gut, es war öfters knapp, aber gekriegt haben sie mich nicht. Irgendwie war ja das Verbotene gerade der Reiz. Außerdem brachte ich mir einiges selbst bei, nachdem ich damals die Schule geschmissen hatte. Sozusagen „learning by doing“. So gründete ich mehrere Firmen, machte mich mit dem Bescheißen der Steuer vertraut und war plötzlich in Mathematik richtig gut. Buchhaltung wurde eines meiner Steckenpferde. Das war auch dringend nötig, weil Geld eben reichlich floss. Außerdem wuchs ich mit meinen Aufgaben. Ich kümmerte mich um meine „Angestellten“,
bezahlte sie außerordentlich gut. Dass ich ihnen die besten Anwälte zur Verfügung stellte, wenn es tatsächlich soweit kam, war für mich selbstverständlich.“
Das Diktaphon surrte und mir wurden die Ohren warm. Mit dieser Story wurde ich ebenfalls reicher, soviel stand fest. Deshalb fiel es mir nicht schwer, eine neue Runde zu bestellen.
„Zu ihrer Bestimmung ist noch ein langer Weg, nehme ich an?“
Etwas Besseres fiel mir nicht ein, um ihn zu ermuntern.
„Tja, und eines Tages dachte ich mir, warum denn eigentlich arbeiten, um Geld zu verdienen? Meine weitläufigen Geschäfte nahmen mich doch sehr in Beschlag. Und so
kam ich auf die glänzende Idee, dass ich das Geld einfach selbst drucken könnte. Warum sollen nur die Banken verdienen? Und außerdem würde ich dann Niemanden mehr schaden. Ich schloss also mit dem Autohandel ab. Nicht ganz, aber eben nur noch legal. Die Firmen mussten bleiben, denn das Geld musste fließen.“
„Einfach so? Ich meine, das haben doch schon viele versucht. Und alle sind geschnappt worden.“
„Natürlich befasste ich mich erst einmal gründlich mit der Materie.“
„Aber das Fälschen ist doch heutzutage praktisch unmöglich! Da gibt es so viele Sicherheitsstufen. Das Papier, Druck, Farbe,
usw. Schon allein deshalb ist das doch praktisch unmöglich.“
Wie gesagt, ich habe mich schlau gemacht. Ich dachte, dass es am Besten wäre Dollar zu fälschen. Der Euro erschien mir zu anstrengend. Die Scheine des Dollarwertes nicht zu groß und nicht zu klein auswählen, dachte ich mir. Die meisten Scheine im Umlauf der USA sind die Zwanziger. Außerdem werden sie selten auf Echtheit geprüft, wenn man damit zahlt. Also woher bekomme ich die nötigen Informationen, überlegte ich. Da wurde ich auf den Webseiten der US-Bundesregierung fündig. Da stand Alles haarklein drin.
Die Beschaffenheit des Papiers,
die Farben, usw.“
Ich blubberte mit den Lippen.
„Is‘ nich‘ wahr, oder?“
„Doch! Ich recherchierte in die Tiefe. Ich brauchte Druckmaschinen, die Besten natürlich. Und sie mussten aus einem Land kommen, wo die Einfuhr nicht so auffällt, also Deutschland. Ich bestellte in Heidelberg samt Papier und Farbe. Sie waren sehr zuvorkommend. Immerhin investierte ich über 300.000 Dollar! Echte", grinste er.
"Aber ich dachte mir, wenn ich Millionen drucke, was sind da schon 300.000? Praktisch ein Klacks!“
Heidelberg, Druckmaschinen, ich konnte mir
schon Einiges denken. Da hat er wirklich geklotzt. Einzigartige deutsche Wertarbeit, Präzisionsduck, Alles was das Herz eines Fälschers begehrt. Und das im industriellen Maßstab!
„Ich hatte mir ausgerechnet, wie viel Geld man braucht, um in aller Ruhe seinen Lebensabend bestreiten zu können“,
fuhr er fort.
„ Ich habe es genau durchkalkuliert. Mit ca. 200 Millionen im Rücken, dürfte ich ziemlich sorgenfrei durchs Leben kommen.“
Ich war durchaus seiner Meinung. Das dürfte knapp reichen, sogar noch für die ordentliche Beerdigung.
„Wie gesagt, die Heidelberger waren nett. Sie willigten sogar ein, Wasserzeichen in die
Papierbögen zu drucken, die ich ihnen lieferte. Dann nahm ich noch Verbindung mit der Schweiz auf, die ebenfalls sehr zuvorkommend waren. Von dort ließ ich die Papierbögen herstellen. Es war das genaue Baumwoll-Leinen Gemisch, das nötig war. Bestellt hatte ich es über eine Briefkastenfirma, angeblich für fälschungssichere Anleihen. Dann brauchte ich nur noch eine Druckplatte mit dem Kopf eines Präsidenten der USA. Ich brauchte natürlich Andrew Jackson. Wer hatte in Deutschland schon eine Ahnung, dass dieser Kopf auf den 20 Dollarscheinen prangt? Eine Firma im rheinischen Düren war so freundlich mir einen solchen zu stechen. Ich war mit den Druckplatten außerordentlich zufrieden. Ein
echtes Meisterwerk! Fast genau nach einem halben Jahr kam die Lieferung per Schiff in Montreal an. Nun hatte ich alles, was ich brauchte. Es konnte losgehen.“
Er tippte auf das Glas. Ich bestellte neu und zwar wie wild, denn ich konnte es gar nicht erwarten, wie es weiter ging.
„Die Druckerpressen glühten. Als ich 250 Millionen zusammen hatte, da musste die Verteilung beginnen. Ich konnte ja schlecht jeden einzelnen Schein selbst ausgeben.“
„Natürlich nicht“, bestätigte ich sarkastisch, „da würde das Geld Ausgeben ja zur wahren Tortour werden."
„Genau“, bestätigte er durch das Bierglas.
"Ich gründete mehrere Scheinfirmen in aller Welt. Diese wurden dann mit dem Geld beliefert. Vor Ort, in den verschiedensten Ländern wurde dann das Geld gewaschen. Das überließ ich den dortigen„Fachleuten". Mein Beitrag war nur die Lieferung der Falschgeldscheine über die Import-Export Firmen. In den Ländern wurden dann die Scheine gegen echtes Geld verkauft. Für eine Million Falschgeld erhielt ich 300.000, echtes natürlich.“
„Und das war Ihre Bestimmung?“
„Das dachte ich, aber damit lag ich falsch. Zuerst einmal blühte das Geschäft."
„Das ist bekannt, wie das eben so bei Blüten ist“, nickte ich.
Er nahm noch einen weiteren Schluck.
„Die Scheiße fing mit Hubert an. Ausgerechnet Hubert musste der Kerl heißen.“
„Hubert?“
„Hubert Trantoid, französisch sprechender Händler in Somalia. Mit französischem Pass. 100 Millionen wollte er abnehmen. Ich verschiffte einen Container mit Kleidern. Das Geld war natürlich auch dabei. Dabei kam Hubert mir auf die Schliche. Hubert war nämlich ein eingeschleuster FBI Agent.
Im Mai, am 23., also vor genau zwei Jahren, da klickten bei mir die Handschellen zu.“
"Ich verstehe", murmelte ich weise. "Ihre Bestimmung war ehrlich zu werden, zu begreifen, dass sich Verbrechen nicht lohnt.
Was ich nicht begreife ist, warum sie jetzt hier sitzen und Bier trinken können. In Freiheit! Soviel ich weiß, wird das Geld Fälschen schlimmer, als Mord erachtet. Lebenslang wäre doch das Mindeste gewesen."
"Ich sehe schon, sie haben nichts verstanden. Ich wusste, dass es nicht meine Bestimmung war im Gefängnis zu versauern. Ich engagierte die besten Anwälte und schlug der Staatsanwaltschaft einen Deal vor.“
Ich kräuselte die Stirn.
„Die Staatsanwaltschaft hat sich darauf eingelassen?“
„Ich hatte noch einen ganzen LKW voll mit Geldscheinen. Genau genommen über 250 Millionen."
„Das wäre Ihre bescheidene Rente gewesen, oder?“
„Jedenfalls war die Staatsanwaltschaft einverstanden. Allerdings setzte sie ein Zeitlimit. Es war eine ziemliche Hetze. An einer Autobahnraststätte stand der LKW. Die Beamten untersuchten ihn und waren zufrieden. Natürlich hatten sie schon vorher versucht das gute Stück zu finden, damit der Deal platze, aber außer mir wusste niemand wo er abgestellt war. Sie wussten nicht einmal, um was für ein Auto es sich handelte. Und meine Angestellten wussten nicht einmal, dass es diesen LKW überhaupt gab.“
„Unfasslich“, schüttelte ich den Kopf. „Und jetzt halten Sie sich über Wasser? Ihnen geht nicht gut, oder?“
"Im Gegenteil! Ich habe ein Buch geschrieben, halte Vorträge über Sicherheitsbestimmungen und bin Sicherheitsberater. Unter Anderem sogar für die Regierung. Ich bin gut im Geschäft, wie man so sagt.“
Ich ließ das Gerät noch laufen, als ich ihm die entscheidende Frage stellte.
„Was war denn nun Ihre Bestimmung?“
„Erfolg, selbst gegen das System!
Ist das Aufzeichnungsgerät noch an?"
„Nö“, log ich überzeugend.
„Ich verdiene gut, ich kann mich nicht beklagen. Was die Bullen nicht wissen ist, dass ich noch einen Sprinter irgendwo habe – mit 50 Millionen im Bauch.“
Ich schnappte nach Luft.
Unbemerkt, wie nebenbei, wollte ich das Aufzeichnungsgerät in die Tasche stecken.
Da schnellte Burlow blitzschnell hervor, entriss mir das Diktaphon, legte es unter ein Stuhlbein und ließ es mit einem schnellen Beinstich zerkrachen.
"Erfolg, Jüngelchen, Erfolg ist Deine Bestimmung nicht. Ohne Beweise nützt Dir unser Treffen gar nichts. Ich werde alles abstreiten. Aber ich bin nicht so, ehrgeiziges Jüngelchen, ich ersetze Dir Dein Spielzeug."
Er fächerte 100 Dollar auf den Tisch,
dann ging er.
Ich glaube, er lachte in sich hinein.
Es waren fünf Zwanzig-Dollar-Scheine.
Für mich sahen sie echt aus.
--------------->