Hinter Fensterscheibenglas
Fast schon dröhnend prasselt der Regen gegen die Fensterscheiben. Der Himmel mit seinem eisernen Grau und der lückenlosen Wolkendecke lässt nicht zu, dass auch nur ein einziger Lichtstrahl auf die mit Unrat übersäte Trasse fällt. Doch in meinem 42 m2 Refugium sorgt der Kamin vor mollige Wärme. Vor dem Fenster schreitet ein alter Mann und lacht aus voller Kehle, vollkommen absurd wo ihm doch der Regen, trotz des hochgeschlagenen Kragens, in den Nacken läuft und ich grübelnd seit geschlagenen zwei Stunden an die weiß getünchte Wand starre, die vom
Lichtschein des Feuers verschont ist und ganz ohne das mystische Flammenspiel auskommt, sondern halb im Dunkel liegt.
Wahrscheinlich lacht er über die Dummheiten seiner Jugend und die Frauen die ihm nur all zu schnell auf den Leim gegangen sind. Unterdess kehrt er nun zu der einen zurück die er für würdig erklärt hat seine Angetraute zu sein, Ihm einen Erben zu schenken und ihm ein Heim zu bereiten. Er hat eben die auserwählt, die es zu ihrer Bestimmung, zu ihrem Sinn im Leben gemacht hat ihn glücklich zu machen. Bei so einem zufriedenen Leben kann man ja nur lachend durch die Gassen
ziehen, ganz gleich ob es regnet oder nicht. Ja, ganz gleich.
Die Luft scheint jäh stickig, beinahe erstickend und es überkommt mich der nahezu unbändige Drang den Regen im Gesicht zu spüren und den Wind in den Haaren. Schon stehe ich. Die Hände noch auf dem Tisch. Vor meinem inneren Auge sehe ich mich den Gasthof verlassen, spüre förmlich die Regentropfen meine Nase entlang rinnen und hinunter tropfen, genauso wie den peitschenden Orkan der mich versucht zurück zu drängen. Die Kutschen würden mich auf meinem Weg mit Schlamm bespritzen, doch das wäre gleichgültig,
denn es würde nur wenige Momente dauern bis der Regen sich seinen Weg durch sämtliche Stoffschichten gebahnt hätte. Atemlos würde ich an der Brücke ankommen und in die aufgewühlte unter mir dahin schnellende graue Masse blicken. Die im Sommer so herrlich frisch erscheint und zum hereinspringen einlädt um sich für einen Moment zu erfrischen. Oft war ich versucht und habe mir gewünscht es den Straßenkindern gleich tun zu können. Im kühlen Nass zu plantschen. Doch um welchen Preis…
Jetzt würde nichts an diese Idylle erinnern. Fluss und Himmel hätten dasselbe undurchdringliche grau doch
würden sie sich nie begegnen. Denn die Silhouette der Stadt trennt die beiden, es gibt kein zusammen kommen. Und wenn ich das sehen könnte, wenn ich an dieser Brücke stünde dann würde ich fortgehen. Nur mit den Kleidern die ich trage, alles hinter mir lassen...
Doch um welchen Preis?
Das Feuer im Kamin existiert nicht mehr, die Glut leuchtet noch, doch das Feuer ist erloschen. Ich lasse mich mit weichen Knien und weiß hervortretenden Knöcheln zurück auf den Stuhl fallen. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen. Ich kann meinem Schicksal nicht entrinnen.
Die Luft ist immer noch zum schneiden dick, doch ich falte meine Hände und richte den Blick wieder auf die Wand, die nun kaum noch zu erahnen ist. Einen Blick aus dem Fenster wage ich nicht mehr. Das Geräusch des Regens scheint mir schon eine zu große Versuchung.