Fürst Estoban schreckte auf, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Schlaftrunken blickte er zur verschwommenen Gestallt hinauf. Unfähig irgendwas zu machen sass er auf dem unbequemen Stuhl des Krankenzimmers. »Ich bin es nur, verehrter Onkel«, drang die vertraute Stimme seines Neffen an sein Ohr. »Seid ihr die ganze Nacht hier gewesen?« Fürst Estoban rieb sich die Augen wach, bis er wieder klar sehen konnte. »Ist denn schon der Morgen angebrochen?«, sah er aus dem Fenster
und erblickte den perlgraue gewordenen Horizont, der einen strahlenden Morgen ankündigte. Er vermochte nicht mehr zu sagen, wann er das letzte mal die ganze Nacht ausserhalb seines eigenen Bettes verbracht hatte. Vielleicht als seine Frau noch unter den Lebenden weilte. Da hatte er noch Ausflüge in die Städte gemacht, und in den Residenzen übernachtet. Hin und wieder nahmen sie auch Esmeralda mit, die dann mit den anderen Kindern tobte und spielte. Er erinnerte sich noch recht gut, wie Amidala Zeit mit der kleinen Prinzessin verbrachte. »Wie geht es ihr?« Irritiert sah der Fürst seinen Neffen an
und setzte zu einer Antwort an, um ihm zu sagen, dass seine Frau bereits seit zehn Jahren tot sei, hielt im letzten Moment inne. Im letzten Moment kam ihm der Gedanke, dass er Esmeralda meinte, weshalb er schliesslich sagte: »Sie ist gestern wach geworden und erfreut sich bester Gesundheit.« »Welch eine Freude«, lächelte Neal glücklich. »Jetzt zu dem Grund, aus dem ich euch aufsuche. Es ist eine Gruppe Ranger ins Drachenauge gekommen, die euch ihre Dienste anbieten wollen. Deshalb brauchen sie eine Audienz.« »Sag ihm, er soll wieder verschwinden«, sagte der Fürst leicht gereizt. »Ich habe keine Zeit für eine
Audienz.« »Seit ihr sicher?« Fürst Estoban massierte ungeduldig seine Schläfe. Sein Blick ruhte dabei auf die tief schlafende Prinzessin. Sein Herz wurde schwer bei dem Gedanken, was sie in den Fängen des verdammten Totenpriesters durchmachen musste. Er hatte ja keine Ahnung, was mit ihr angestellt wurde, geschweige, wie er es wieder gut machen konnte. Mehr als Wache zu halten, wenn sie schlief. Sie wirkte wie ein unschuldiges, wehrloses Kind. Genau das war sie ja auch. Gerade dies wurde ihr zu Verhängnis. Er verfluchte sich selbst, dass er nicht zur rechten Zeit bei ihr war um das Unheil
abwenden zu können. Er wusste nicht, was er mit dem Mann getan hätte, wenn er ihn in die Finger gekriegt hätte. Mit einem Schlag kam ihm der Traum, denn er am Vortag gehabt hatte, in den Sinn. Der Traum von seiner verstorbenen Frau, wie sie seiner Tochter von bösen Männern gewarnt hatte, die zum Drachenauge unterwegs waren. »Onkel? Alles in Ordnung bei euch?« Mit weit aufgerissenen Augen und heruntergefallenen Kiefer starrte er seinen Neffen an. Der Schock dauerte nicht länger als einen Augenblick. Doch dann sagte er: »Sag Varro, er kann mit seinen Rangern in einer Stunde in den
Thronsaal kommen.« »Woher der Sinneswandel?«, fragte Neal neugierig. Doch der fordernde Blick seines Onkels lies ihn wissen, dass er sich spurten solle, statt Fragen zu stellen. Leander kam noch rechtzeitig in den Thronsaal. Als Neal ihm bescheid gab, dass er bei der Audienz anwesend sein soll, hatte er sich seinen feinen Wams übergestreift und sein Schwert an die Hüfte geschnallt. Denn Anhänger, denn er von Esmeralda geschenkt bekommen hatte, stülpte er unter das Kettenhemd. Er war der letzte von Fürst Estoban's Leibwache für diese Audienz. Neben
Neal und dem Fürsten waren auch noch der Feldmarschall, der Leibwächter Chavo und die beiden Magier Csardas und Callisto anwesend, die dem Fürsten als Berater dienten. Eilig stellte er sich an der Seite von Gandor und dachte im stillen, dass nur noch Tyson und Mateo fehlen würde, um das Befreiungstrupp vollzählig zu machen. Als die vierköpfige Rangertruppe denn Saal betraten, wischte sich Leander alle überflüssigen Gedanken fort, stellte sich stramm hin und beobachtete konzentriert die Szenerie. »Wir grüßen euch, Fürst Estoban Gomez,
Herrscher über die Festung Drachenauge«, sagte der Mann mit dem Zwicker auf der Nase, dessen Gläser verdunkelt waren. »Ich grüße auch euch, Varro Mendes«, antwortete der Fürst. »Was ist euer begehren?« »Wir haben den Wunsch euch unsere Dienste anzubieten.« »Und welche Dienste sollen es sein? Was genau schwebt euch vor?« »Wir hatten gehofft an eure Seite zu sein und euch als Leibwache dienen zu dürfen.« Nachdenklich blickte der Fürst den Anführer der Ranger an und sagte schliesslich: »Ihr wisst, dass das
Vertrauen zu euch noch nicht soweit ist, dass ich euch so Nahe an mich heran lassen kann?« »Ich verstehe nicht. Ihr kennt mich doch schon seit Jahren. Ich habe euch sogar zwei meiner Männer überlassen, als ich das letzte mal hier war.« »Ihr sagt es. Das letzte mal wart ihr vor mehr als Zehn Jahren hier. In der Zeit haben die Bennet-Brüder ihr Vertrauen verdient und sind der Garde beigetreten. Ihr seid nach wie vor ein wandernder Söldner im Aufzug eines Rangers. Und eure Begleiter sehe ich zum ersten mal«, erwiderte der Fürst sachlich. »Wenn ich auch was sagen darf«, mischte sich Valentino
ein. »Nein, dürft ihr nicht«, fuhr der Fürst ihn an. »Wer seid ihr eigentlich, dass ihr glaubt ohne Erlaubnis sprechen zu dürfen?!« Der Anfuhr des Fürsten setzte dem Edelmann zu und spiegelte sich auch in seinem Gesicht wieder. Es fiel ihm sichtlich schwer von einem Adeligen den Mund verboten zu bekommen. »Ich bin Valentino Vega aus dem Hause Vega«, stellte sich der Edelmann vor. »Ihr seit niemand, denn ich kenne. Also habt ihr auch zu schweigen. Es sei den, ich spreche euch an. Verstanden?« Valentino konnte nur noch ein zögerndes Nicken
geben. »Was bewegt euch mir eure Dienste anzubieten?«, wandte sich der Fürst wieder Varro zu. »Wir hatten von der Entführung eurer Tochter gehört und beschlossen euch zur Seite zu stehen, damit es nicht noch einmal geschehen kann.« »Edle Absichten habt ihr. Doch ich möchte einen Beweis haben, dass ich euch vertrauen kann. Was seit ihr bereit dafür zu tun?« »Alles, was ihr wünscht.« »Nun gut«, sagte der Fürst nachdenklich und beratschlagte sich leise mit den Magiern und fuhr schliesslich fort: »Ihr werdet eine Reihe von Aufgaben erfühlen
müssen. Ihr kennt doch sicherlich den Garden, ausserhalb von Kap Drago.« »Ihr meint sicherlich den großen Garten mit den hohen Mauern, der von Wachmännern beschützt wird.« »Genau den meine ich. Wenn ihr es schafft da reinzukommen, denn Anhänger mit dem Rubin zu holen und zu mir zu bringen, habt ihr die erste Aufgabe gemeistert. Dann werde ich euch die nächste Aufgabe mitteilen« »Ich denke nicht, dass die Wachen uns da einfach so reinlassen werden, geschweige uns erlauben den Anhänger mitnehmen«, meinte Varro verunsichert. »Wir sind Fremde, wie ihr bereits
sagtet.« »Das ist die Schwierigkeit dabei. Wenn ihr es schafft den Anhänger zu besorgen und mir bringt. Dann habt ihr die erste Prüfung bestanden.« »Und was wird die nächste Aufgabe sein?« »Das erfahrt ihr im Anschluss.« »Wann sollen wir mit der Aufgabe anfangen?« »Wenn es euer Wunsch ist, jetzt gleich.« Verwirrt sahen sich die Ranger an. Konnten nicht mit Sicherheit sagen, ob es der Fürst ernst meinte oder ob es schon der erste Test war. »Dann ziehen wir los und besorgen das schöne Schmuckstück«, verabschiedete
sich Varro und zog mit seinen Gefährten los. »Neal«, rief der Fürst seinen Neffen zu sich, als die Ranger den Thronsaal verliessen. »Was musste ich von Csardas hören?« Neal zuckte innerlich zusammen, als er dies hörte. Ein ekelhafter Kloss bildete sich in seinem Hals. Er konnte spüren wie der eiskalte Schweiss den Rücken runter lief. Auf alles gefasst trat er zu seinem Onkel und bereitete sich innerlich auf das vor, was auf ihn zukommen mochte. Aus dem Augenwinkel sah er Leander, dem es nicht besser zu gehen
schien. »Was hast du dem Schatten über Lucor erzählt?« »Nur das er einst euer Berater war und ihr ihn wegen Anwendung schwarzer Magie hinrichten liesset.« »Hast du auch von den Katakomben erzählt?« »Nein, Onkel, das schwöre ich«, antwortete Neal ehrlich, obwohl das leichte Zittern in seiner Stimme durchkam. Der Fürst blickte zu dem Schatten hinüber um ihn zu mustern. Obwohl die selbe Furcht, wie bei Neal auch, in Leander's Gesciht abzulesen war, kam auch die Unwissenheit hinzu, bei der
Erwähnung der Katakomben. »Kannst du mir versichern, dass er nichts ausplaudern wird?« »Gewiss, verehrter Onkel.« »Kannst auch du für seine Loyalität bürgen, Gandor?«, wandte sich der Fürst an den Kommandanten. »Ich kenne ihn zwar nicht so lange, aber in der Zeit, die er bei uns ist, konnte ich seine Entschlossenheit und Willen für die Festung zu kämpfen sehen. Ich kenne kaum einen Schatten, der mehr Ehrgeiz in seiner Ausbildung zeigte als Leander«, meinte Gandor. »Ich bürge mit allem was ich habe und was mir heilig ist für diesen Jungen und seiner
Loyalität.« »Na schön«, atmete der Fürst einmal tief durch. »Ihr beide wisst, dass für Aussenstehende nicht gestattet ist zu wissen, was da unten ist. Denkt ihr, er ist würdig genug für das wissen?« »Fürst Estoban. Ihm haben wir zu verdanken, dass eure Tochter schnellstens in Sicherheit gebracht werden konnte. Er hat sich mehr dafür eingesetzt, als es von einem Schatten verlangt werden konnte. Und mehr als manch ein Gardist tun würde. Er ist mehr als würdig genug in der Garde einen Platz zu bekommen«, erklärte Gandor. »Wenn ihr es mir gestattet, dann würde ich ihm auf der Stelle die Prüfung
zum Gardisten unterziehen.« »Hast du vielleicht daran gedacht, dass er unter umständen vom Entführer beeinflusst wurde um uns zu Esmeralda zu führen?« »Überlegt einmal, verehrter Fürst, was hätte das für einen Sinn gehabt? Wäre es nicht für Lucor besser, wenn er nicht zu sich geführt hätte?« »Vielleicht ist es eine List.« »Was hätte Leander zu gewinnen, wenn er dem Totenpriester helfen würde?« »Vielleicht hat er ihm meine Tochter als Trophäe versprochen«, es fiel dem Fürsten sichtlich schwer diese Worte in Gedanken zu formen. Und noch viel schwerer sie laut
auszusprechen. »In Leander steckt zu viel Ehre, als das er ein solches Angebot je annehmen könnte. Für derlei Angebote wäre Leutnant Orlando Gaan eher empfänglichsten. Aber ganz sicher nicht Leander. Und wie ihr wisst, bevorzugt Orlando billige Dirnen.« »Nun gut, Kommandant Gandor«, gab der Fürst nach. »Ihr habt mich überzeugt. Unterzieht ihm die Prüfung. Du weisst, was zu tun ist.« »Ich leite alles in die Wege«, antwortete Gandor. »Halte Still!«, schrie Lucor den dunklen Assassinen an, als er mit seinen
knochigen Fingern die Kristalle in die, inzwischen nachgewachsenen Händen von Sagat rein drückte. »Ich hätte nicht geglaubt diese Prozedur noch einmal durchmachen zu müssen«, knurrte Sagat durch die zusammengebissenen Zähne. »Halt endlich die Klappe und ertrage den Schmerz wie ein verdammter Mann!«, forderte Lucor von ihm, eher dieser inne hielt. »Was ist, alter Mann?« »Unser Bote hat sich gemeldet«, flüsterte der Totenpriester vor sich hin und lächelte zufrieden. »Die Ranger sind zum Garten aufgebrochen.« »Na und?«, fauchte Sagat ihn an.
»Beende, was du angefangen hast. SOFORT!«
LunaBielle mir gefällt diese Kapitel wieder sehr gut, jede Menge einzelner Geschichten gehen voran und endlich geht es wieder einmal und den Anhänger, auf das warte ich schon die ganze Zeit! :) |