Mateo und die Waldläuferin hatten die Fürstin einige Lumpen übergezogen und sie in das obere Stockwerk des Lagerhauses gebracht. Auf einer Kiste hockend sah er ungläubig zu der bewusstlose Frau vor ihm. Er versuchte immer noch den Schock zu verdauen, und zu begreifen wie das alles möglich sein konnte. Die Fürstin war vor zehn Jahren gestorben. Er hatte ihre Leiche gesehen, war sogar bei der Bestattung, als ihr Leichnam in der Familiengruft eingeschlossen wurde. Wie also konnte es sein, dass eben sie, nach all den Jahren, höchst persönlich und mehr als
lebendig vor ihm lag? »Das kann unmöglich sein«, murmelte er immer vor sich hin. Die Waldläuferin legte ihre Hand auf seine Schulter. Mateo zuckte zusammen und blickte zu ihr hoch. Er hatte ihre Anwesenheit vollkommen vergessen. »Mateo, ich brauche deine Hilfe«, fing sie an. Er rieb sich mit beiden Händen über die Augen und Gesicht, um die Verwirrtheit und Müdigkeit zu vertreiben. »Tyson muss erfahren, was im Drachenauge vor sich geht.« »Er ist doch im Drachenauge. Wenn, dann weiss er mehr, als wir zwei zusammen.«, entgegnete
er. »Als ihr aus der Hütte vor zwei Tagen kamt, seit ihr Feldmarschall Wolfson in die Arme gelaufen.« »Ja, und?« »Er hatte einen Mann dabei, der von sich behauptet ein Söldner und ein Kopfgeldjäger zu sein.« »Kann schon sein. Was ist mit ihm?« »Sein Name ist Scipio und er ist ein Dunkelgeborener« Ungläubig sah Mateo in die Schlitze ihrer Maske und versuchte zu erkennen ob sie mit ihm üble Scherze treiben will. Kein Zeichen deutete darauf hin. »Was meinst du damit,
Dunkelgeborener?« »Er wurde als ein Wesen der Nacht geboren und kann von jemanden mit den entsprechenden Fähigkeiten manipuliert werden. Wenn Lucor noch da draußen ist und weiß, dass Scipio in der Festung ist, dann kann es nicht gut ausgehen.« »Verdammte Scheiße«, zuckte Mateo innerlich zusammen. Er musste schnellstens was dagegen unternehmen. Er stand auf und wollte schon aus dem Lagerhaus stürmen, als die Waldläuferin ihn am Arm packte. »Noch eine Sache«, sagte sie. »Es sind Ranger in die Festung gekommen.« »Was für Ranger?«, hackte Mateo genervt nach, überdrüssig ihr alles aus
der Nase ziehen zu müssen. »Was sagen dir die die Namen Varro Mendez und Resnec?« Mateo musste überlegen. Die Namen kamen ihm vertraut vor, auch wenn ihm nicht einfallen wollte, wo er sie schon gehört hatte. »Varro und Resnec sind Ranger, die in der ganzen Welt unterwegs sind um Aufträge im Namen von Gordovan auszuführen. Sie waren auch diejenigen, die damals die Bennet-Brüder zum Drachenauge brachten.« »Ach, ja«, die hab ich ja fast schon vergessen«, huschte ein erfreutes Lächeln über sein Gesicht. »Resnec, dieser grauäugiger Bastard ist
hierfür verantwortlich«, sie zog ihre Maske runter und gab eine grauenhafte Brandwunde auf ihrer linken Gesichtshälfte preis. »Er hatte mich mit einer brennenden Fackel misshandelt, kurz nachdem der Fürst mich verbannt hatte.« »Ich dachte, es sei ein Unfall am Lagerfeuer gewesen«, wunderte sich Mateo. »Ich hatte es aus Angst gesagt. Ich schämte mich dafür. Und jetzt will ich Gerechtigkeit haben«, antwortete sie. »Wenn es soweit ist, will ich ihn eigenhändig erwürgen. Hast du mich
verstanden?« »Müssen wir uns diese Dekadenz wirklich antun?«, fragte Valentino den Anführer der Ranger. Als die vierköpfige Truppe das Tor der Festung passierten, folgten sie dem Jubel in die Arena. Das Hauptspektakel schien dieser Hüne von einem besoffenen Mistkerl zu sein, der die Menge anpöbelte und nach einem Gegner verlangte. Entweder waren die Männer zu feige, oder nicht dumm genug zu sein um gegen ihn anzutreten. Varro ruckte seinen Zwicker zurecht und sagte: »So läuft das hier, Valentino. Wenn du dich hier beweisen willst, dann
musst du dir das antun, oder du stehst selber in der Arena um prügelst dich. Wenn du versuchst hier jemanden in den Arsch zu kriechen, wie du das so gerne machst, dann wirst du sofort wieder ausgeschissen und aufgeschlitzt.« »Deine Ausdrucksweise lässt wieder zu wünschen übrig. Ausserdem sind das keine zivilisierte Menschen, so wie ich, sondern wilde Barbaren, die nichts weiter können als sich zu prügeln und abzuschlachten. Die sind nur für den Krieg gut um für Leute wie mich zu streiten«, hielt Valentino seine Arroganz im Zaum. »Wir sind nicht her gekommen, um einen halbnackten Trunkenbold in der Arena torkeln zu
sehen, sondern um dem Fürsten unsere Dienste anzubieten.« »Wenn du mal deinen Kopf aus denn Ärschen deiner reichen Freunde ziehen würdest, dann hättest du zumindest den Hauch einer Ahnung, wie die reale Welt funktioniert«, entgegnete Varro sachlich. »Wenn du hier im Drachenauge zum Fürsten kommen willst, müssen die Gardisten und Wachen wissen, wer du bist. Entweder bist du ein Verwandter, jemand der ihm schon mal das Leben gerettet hat, oder du bezwingst den ein oder anderen Gardisten in der Arena.« »Oder ihr kommt gleich zu dem Kommandanten, der euch länger kennt, als den
Fürsten.« Die Ranger drehten ihre Köpfe zum Sprecher um, der sich an sie herangeschlichen hatte. »Und wer soll das sein? Du etwa?«, fragte Varro leicht zynisch. »Kennt ihr denn noch jemanden?«, konterte Gandor lässig. »Ja, deinen Bruder«, antwortete Varro und versuchte seine Miene ernst wirken zu lassen, was ihm nach wenigen Momenten wie eine Sache der Unmöglichkeit erschien. Das Lachen, das Varro von sich gab, steckte auch Gandor an: »Was treibt dich hier her, alter Freund?« »Wir hatten gehört, was passiert ist«,
wurde Varro wieder ernst. »Daher hatten wir gedacht, wie kommen vorbei und bieten dem Fürsten unsere Dienste an.« »Fürst Estoban ist zur Zeit nicht in der Verfassung Besuch zu empfangen, geschweige eine Audienz. Und ausserdem, um diese Tageszeit lässt er keine Fremde zu sich, es sei den der Besuch hat sich vorher angekündigt und er hat zugesagt.« Die Arena leerte sich allmählich und die Ranger schauten verwirrt drein von dem scheinbar abrupt endenden Veranstaltung. »Wo wollt ihr hin?«, konnte man Orlando über das Gemurmel der Gardisten hinweg hören, der sich im
Kreis drehte um nach einen potenziellen Kontrahenten Ausschau hielt. »Ich will endlich einen eben würdigen Gegnern haben!« »Sie gehen in die Taverne«, erklärte Gandor den Rangern. Von einem Augenblick in den nächsten änderte sich der Gesichtsausdruck und die Haltung des Schädelpsalters, der umzukippen drohte. Breitbeinig und mit hängenden Schultern versuchte er sein Gleichgewicht zu halten. »Was ist mit dem los?«, wollte Varro wissen. »Hat sein letzter Gegner ihn so sehr fertig gemacht, dass die Wirkung erst jetzt zu tage kommt?« »Hier gibt es niemanden, der es mit ihm
aufnehmen kann, Varro«, konnte Gandor das Grinsen nicht unterdrücken. Wie aufs Stichwort kippte Orlando der länge nach um. »Bist du dir sicher?« »Absolut. Versuche du erst einmal zwei Tage lang, ununterbrochen und ohne Schlaf, Alkohol in dich rein zu schütten. Du würdest auch nicht lange auf den Beinen bleiben. Er hingegen kann in diesem Zustand jeden x-beliebigen Gegner mit blossen Fäusten ins Koma prügeln, auch wenn dieser in voller Kriegsmontur wäre.« »Bitte, was?!«, konnte Varro die Worte nicht fassen. »Du glaubst gar nicht, was für
Fähigkeiten dieser Kerl hat. Er ist zwar ein chronischer Säufer und Schürzenjäger und ein undiszipliniertes Riesenarschloch, doch wenn er sich mal zusammenreisst, dann ist er eine unbändiges Kriegsmonster, dem man nicht in seiner Nähe haben will, wenn der mal ausrastet.« Einige der Gardisten hatten den Schädelpsalter auf eine Barre gelegt um ihn aus der Arena zu bringen. »Der arme Medicus, der ihn behandeln muss«, dachte Varro laut nach. »Er wird nicht zum Medicus gebracht.« »Wohin denn dann?« »In die Taverne.« »Und wieder eine dekadente
Angewohnheit des Pöbels.« »Wie oft soll ich dir sagen, dass du ohne diese Leute nichts wärst?«, fuhr Varro ihn böse an. »Deren Glück, dass sie für niedere Handlungen zu gebrauchen sind. Ansonsten hätte ich sie schon längst entledigen lassen. Allesamt.« Gandor verspürte den Drang diesem arroganten Bastard einen zweiten Mund in den Hals zu schlitzen. Stattdessen sagte er zu Varro: »Wie bist du eigentlich an ihn gerate?« »Das ist eine lange Geschichte.« »Wir habe Zeit«, sagte Gandor lässig. »Vor morgen früh werdet ihr sowieso nicht zum Fürsten
kommen.«