Ein verpatztes Rendezvous
oder Der Platzhirsch
Nun war es so weit. Der gefürchtete Tag war da. Heute war mein Rendezvous. Nach einer Woche Nervenstress, Hadern (was ich mir da angetan habe), Selbstzweifel und Komplexen, mache ich mich mit dem Bus auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Noch ein Blick in den Spiegel, und was ich sah, konnte sich sehen lassen. Nun war ich gespannt auf diesen Herrn Jungblut. Marita hatte ihn als groß und stattlich beschrieben. Na mal
sehen!
Nachdem ich den Bus verlassen hatte, konnte ich schon das Cafe´sehen. Die Fenster waren sehr groß und die Tische direkt daran plaziert, so dass die Gäste gut nach draußen sehen konnten. Ob er wohl schon dort saß und mich beim Aussteigen beobachtete? Also Schultern zurück! Brust raus ! Ein kleines Lächeln aufsetzen ! Macht immer einen guten Eindruck !
Nun musste ich noch eine Ampel überqueren ! Eine endlos lange Ampelphase ! Weiter Lächeln, er könnte Dich sehen !
Da ging doch ein mittelgroßer Herr mit Schiebermütze gerade die Stufen zum
Cafe´hoch und in das Lokal hinein. Konnte er das sein ? Aber nein, er sollte ja groß und stattlich sein. Endlich „Grün“! Aufatmend überquerte ich die Straße und betrat das Lokal. Suchend schaute ich mich um, und da war er ganz hinten und winkte mir zu. Er erhob sich, um mich zu begrüßen, setzte sich aber sofort wieder hin. O, denke ich Knigge nicht gelesen und schaute mich nach einer Garderobe um. Ich hatte erwartet, dass er mir die Jacke abnehmen würde, doch er bedeutete mir , sie auf den Nebenstuhl zu legen. Also 1. Minuspunkt.
Die Bedienung erschien, und wir bestellten unsere Getränke. Dann
lächelte er mir jovial zu. „Nun wollen wir doch mal sehen, was aus uns Beiden heute wird. Ich sagte Ihnen ja schon, dass ich eine feste Beziehung suche. Ich kann nicht gut alleine sein und wir sind ja in einem Alter, da kann man mal krank werden und dann ist keiner da, der sich um einen kümmert. „ Aha, registriere ich, er braucht eine Pflegerin.
„Bisher habe ich immer noch nicht das Richtige für mich gefunden. Ich erzähle Ihnen jetzt erst mal ein bisschen aus meinem Leben.“
Und dann ging es los ! Von seiner unglücklichen Ehe, in der seine Frau so dominant war, dass sie immer das Fernsehprogramm bestimmte. Es endete
so, dass er auf dem Boden in einem kleinen Kämmerchen in einen kleinen Fernseher schauen mußte. Es war wirklich nicht zum Aushalten ! Der Arme, ja so wird man einsam,dachte ich mitfühlend. Dann die nächste Beziehung, die immerhin 7 Jahre gehalten hat. Diese Frau kam vom Land und ich wüßte schon, dass auf dem Land immer viel getrunken würde. Und sie wäre oft so ausfallend geworden, ja sie hätte sogar mal zugeschlagen. Das war dann das Ende. Dann hätte er noch mehrere Damen kennen gelernt. Er musste schon überlegen, ob es 4 oder 5 waren. Aber nie war das Richtige dabei. Eine war ein Messi, die andere konnte nicht kochen ,
eine hatte kein Geld und hat nur auf seine Kosten gelebt, und wiederum eine war so sozial eingestellt, dass sie die meiste Zeit nur für andere tätig war . Die hatte ein Problem. Sie hatte Minderwertigkeitskomplexe und suchte Liebe, die sie in ihrer Kindheit vermisst hat. Aber es ist doch positiv zu werten, wenn einer in dieser egoistischen Welt für andere da ist, wage ich einzuwerfen. Aber nein, widersprach er, er hätte ja Verständnis, dass ihr Sohn als erstes kommt, aber danach hätte er wohl ein Anrecht. Doch diese hat ihre Freunde vorgezogen. Sie hatte nur einmal die Woche Zeit für mich. Aber der habe ich es gezeigt. Als sie mir ein Datum sagte,
hatte ich nämlich keine Zeit. Er grinste mich Beifall heischend an.
„Und, könne Sie sich vorstellen, wie manche aussehen, wenn sie zu einem Date kommen? Da kann man wirklich was erleben, eine kam mit dicken Strickstrümpfen im Zopfmuster und Dirndlkleid. Es fehlte nur noch, dass sie jodelte !“ Na, dachte ich, vielleicht hat sie das später getan, als sie ihn los war.
Und dann kam er zu meinem Angstthema, dem Sex. Ja, das wäre schon wichtig für ihn. „Haben sie zufällig gestern Abend den Film auf Arte gesehen. Da ging es um eine Dreiecksbeziehung. Da war der Mann bisexuell. Hat also auch ein Verhältnis mit dem Liebhaber seiner
Frau gehabt. Und zum Schluss lagen alle Drei in einem großen Bett in Löffelchenstellung. Erst die Frau, dann die beiden Männer hintereinander. Und dann ging das Bett langsam weit weg. Das war der Schluß.“
Ich war beeindruckt !! Nun wollte er wissen, warum ich denn einen Mann suchen würde. Ich versicherte ihm, dass ich eigentlich gar keinen suchen würde, sondern es nett wäre, ab und zu mal mit einem Mann irgendwelche Events zu besuchen oder nett zu plaudern, und dass ich eigentlich erwartet habe, dass Männer seines Alters die Sexphase abgelegt hätten. „Aber da sind sie auf dem Holzweg, ein Mann hat immer dazu
Lust“ „Ja, Lust schon, aber es kann doch nicht mehr so klappen wie früher“, entgegnete ich. „Na, dafür gibt es ja etwas“ erwiderte er. „Wissen Sie, dass ist wie im Tierreich. Da kommt der männliche Hirsch.“ - Gibt es auch weibliche Hirsche ? -
denke ich so bei mir. Und als ob er meine Gedanken erraten hätte, verbesserte er sich. „Also der Hirschbock. Und wenn der Lust hat, dann röhrt er. Die Hirschkühe kommen dann zu ihm, ganz von selbst.“ Ja, das könnte ihm gefallen. In Gedanken sehe ich ihn vor mir mit zurückgeworfenem Kopf, brünstige Schreie ausstoßen inmitten einer Herde von Frauen, denen der Geifer
die Mundwinkel hinab läuft, und muss an mich halten, um nicht laut los zu lachen. Er bemerkte wohl das Zucken in meinem Gesicht, schaute auf die Uhr und sagte, dass da noch 2 weitere Verabredungen wären, er aber eigentlich keine Lust mehr dazu hätte. Ich riet ihm dringend, diese Verabredungen einzuhalten. Vielleicht wäre ja eine dabei, die willig wäre. Na, da hatte ich aber was gesagt. Darum ging es ihm doch wirklich nicht. Er wäre schließlich kein Sexmonster. Er würde ja auch alles tun, um eine Frau glücklich zu machen. Da kennt er kein Tabu. Das wäre für ihn Liebe. Er würde ja auch warten. Natürlich wenn sich nach 2 Monaten
noch immer nichts tut, dann ist sie auch nicht die Richtige.
Er erhob sich „Wir können ja am Tresen bezahlen.“ Er sagte „WIR“. Das hieß selbst die Geldbörse zücken. Aber das hätte ich sowieso gemacht.
Bei seinen vielen Dates immer ein Kaffee, kann ja auf die Dauer teuer werden. Wie er so neben mir stand, und sich verabschiedete wehte ein etwas übel riechender Atem zu mir herüber. Kein Wunder, seine Zähne schienen auch dringend einer Behandlung zu bedürfen. Aber wahrscheinlich wäre das zu teuer. Er überreichte mir seine Visitenkarte und bedeutete mir, mir das alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.
Ich könnte ihn dann ja anrufen. Ich schielte auf die Karte, um seinen Vornamen zu lesen.
Auch das noch
HORST