Kapitel 10 SoneA
Ein überraschter Ausdruck trat auf Soneas Gesicht, als sie einen Fuß in die Wanne hielt. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass das Wasser darin warm sein würde.
,,Vorsicht. Du verbrennst dich sonst noch.“ , meinte Aaren. Der Kommissar trug die Verkleidung des Wesens auf dem Arm. Wenn sie länger hier blieben und danach begann es immer mehr auszusehen, würde er sich wohl etwas anderes überlegen müssen. Aber für den Moment schien es, waren sie in
Sicherheit.
Sonea ließ sich trotz Aarens Warnung mit Schwung ins Wasser gleiten. Eine kleine Welle schwappte über den Rand der Wanne und flutete über den Boden. Der Kommissar versuchte noch zurückzuspringen konnte aber nicht mehr verhindern, das seine Beine durchnässt wurden.
,, Großartig.“
Als Antwort erhielt Aaren nur ein mühsam unterdrücktes Lachen aus der Badewanne, das kurz darauf verstummte, als Sonea die Augen schloss und halb unter der Wasseroberfläche verschwand.
,, Na wenigstens einer von uns hat seinen Spaß.“ Er ließ sich mit dem
Rücken gegen die Emaille sinken. Viel nasser konnte er nicht mehr werden. Zum ersten Mal, seid ihrer Ankunft hier, war er nicht auf der Flucht. Das war immerhin etwas. Trotzdem hatte er nach wie vor keinen konkreten Plan, wie es jetzt weitergehen sollte. Aaren spürte, wie auch seine Augen zufallen wollten. Er war müde, immer noch weit davon entfernt wieder ganz auf den Beinen zu sein und wieder einmal in einer Sackgasse angekommen.
,, Wenn das nicht funktioniert, weiß ich nicht, ob einer von uns je nach Liurie zurückkehrt, Sonea. Wir werden wohl kaum einfach irgendwo ein Shuttle stehlen können.“ Und das hieß, das nicht
nur er und Jack hier festsaßen, sondern auch sie. ,, Tut mir leid. Ich hätte dich vermutlich nie herbringen dürfen.“
Eine Weile saß er einfach nur da, bis er über sich ein leises Plätschern hörte. Aaren sah auf und damit direkt in zwei golden schimmernde Augen. Langsam schüttelte sie den Kopf. Nein. Er hatte sie nicht hergebracht. Das war ihre Entscheidung gewesen.
,,Ich sollte mir weniger Sorgen machen, ja ? Ich werds versuchen“ , meinte Aaren und rechnete halb damit, dass das Gesicht über ihm gleich wieder verschwand. Sonea schüttelte wieder nur den Kopf. Aaren richtete sich halb auf und drehte sich zu ihr
herum.
,, Was dann ?“ , fragte er. ,, Sonea ?“
Statt einer Antwort legte sie eine Hand auf seine Rechte. Aaren ließ es geschehen. Den Blick halb zu Boden gerichtet, drehte sie seinen Arm sanft herum, strich dabei über die Stelle, wo sich zwei dunkle Narben über den Handrücken zogen. Ihre Finger wanderten weiter und stoppten schließlich an seinem Handgelenk, so dass sie seinen Puls spüren musste. Auch wenn er die Geste nicht kannte, verstand er sie doch, auf seine Weise. Angst und Gewissheit schienen ihn einen Moment gleichermaßen zu vereinnahmen.
,, Ich weiß.“ , sagte Aaren schließlich.
Sonea hob den Kopf. Nur eine Frage spiegelte sich in ihren Zügen wieder. Wie lange schon?
,, Eine Weile. Vielleicht länger als ich je zugeben würde. Ich…“ Bevor er selber wusste, was er tat, hatte er sich bereits vorgebeugt. Sonea wich nicht zurück, als sich ihre Lippen fanden. Im nächsten Moment schlang sie ihm die Arme um den Hals. Die Berührung war kühl, wie gewohnt und jagte einen Schauer über seinen Rücken. Er merkte grade noch, wie sie ihn mit sich zog.
Aaren brachte grade noch eine ersticktes: ,, Moment…“ zustande, bevor er im Wasser landete. Bei Sonea. Vielleicht war es besser, einfach nicht darüber
nachzudenken, was er tat. Oder wie zur Hölle er erklären sollte, wieso er nass bis auf die Haut war.
Sonea sah ihn an, als wüsste sie nicht, ob sie etwas falsch gemacht hatte. Aaren brachte nur ein dünnes Lächeln zustande. Es war seltsam. Daran konnte es keinen Zweifel geben. Es hatte einen Punkt in seinem Leben gegeben, ab dem hatte er allem abgeschworen, was dieses Wort ausmachte. Und seitdem hatte er Stück für Stück immer mehr davon zurückerlangt, wenn auch nicht ohne Preis. Aber das hier… Es war, als hätte er grade gefunden, was ihm gefehlt hatte. Ob er es wagte, dem einen Namen zu geben oder nicht. Und vielleicht
brauchte es das auch gar nicht. Dieses Mal war es Sonea, die plötzlich ihren Mund gegen seinen drückte. Sanft. Unsicher, dann entschlossener, nachdem sie keinen Wiederstand fand.
Ein Geräusch ließ ihn aufschrecken. Sonea fuhr zurück. Aaren bedeutete ihr sofort, dass alles in Ordnung war. Oder war es das? Er brauchte einen Moment, um den Klang zuzuordnen. Sein Verstand schien sich wie durch Sirup zu kämpfen. Die Türklingel… Sicher war es nichts, dachte er. Es gab niemanden, der wusste, dass sie überhaupt hier waren. Geschwiege denn, würden diejenigen, die es interessierte sich die Mühe machen, zu klingeln. Er wendete sich wieder
Sonea zu. Was machte er jetzt? Der Gedanke war wie ein Schlag vor den Kopf. Das machte nichts einfacher… Aber das störte ihn kaum. Die Antwort würde sich ergeben, dachte er, während er Sonea an sich zog.
Nur jetzt wünschte er sich wirklich, sie hätten sämtliches Gepäck nicht beim Absturz verloren. Er könnte definitiv einen zweiten Satz Kleidung gebrauchen…
In diesem Moment klingelte es zum zweiten Mal.
,,Nützt ja alles nichts.“ , murmelte er, auf der einen Seite allerdings auch froh, eine Ausrede zu haben, aus dem langsam kälter werdenden Wasser zu kommen. ,,
Irgendjemand da draußen ist ziemlich hartnäckig. “ Und was immer der Grund dafür war, er war lieber vorbereitet. Einen Moment sah ihm sein triefendnasses Ebenbild aus einem Spiegel entgegen, dann fand er in einem der Schränke im Bad ein paar Handtücher. Ihm blieb keine Zeit seine Kleidung zu trocknen, aber wenigstens könnte er verhindern, überall wo er stand eine Wasserlache zu hinterlassen.
Von draußen waren mittlerweile Stimmen zu hören, während Aaren Sonea aus der Wanne half und versuchte, wenigstens seine Haare wieder trocken zu bekommen. Er gab es schließlich auf.
,, Gehen wir.“ Ihm würde schon eine
Erklärung einfallen, dachte Aaren, bevor er die Hand nach der Türklinke ausstreckte und sie aufzog. Vor ihm im Flur standen sich drei Personen gegenüber. Jack, ein Energieschwert in der Hand und offenbar bis aufs äußerste gespannt. Mia, die sich auf sicherer Schussdistanz hielt. Und ein Mann, von dem Aaren nicht erwartet hätte, ihn jemals wiederzusehen.
Abundius…
,,Was ist hier los ?“
,, Das versuchen wir grade herauszufinden.“ , antwortete Jack.
Wenig später saßen sowohl Aaren und
die anderen, als auch Abundius an einem Tisch in der Küche der Wohnung. Der Kommissar hatte eine Pistole demonstrativ in Reichweite vor sich auf die Tischplatte gelegt, während er darauf wartete, das Abundius etwas sagte. Der Mann hatte sich seit ihrer letzten Begegnung verändert. Er wirkte müde und zwischen den braunen Haaren auf seinen Kopf schimmerten einzelne graue Strähnen.
,, Also, warum sind sie hier ?“ , wollte Jack wissen. ,, Und sie haben besser eine gute Erklärung dafür, den im Moment hält mich wirklich wenig davon ab…“
,, Wir wollen alle das gleiche, Mr.Walt und ich bin mir des Bluts an meinen
Händen mehr als bewusst, glauben sie mir das.“
,, Sie haben Jones getötet…“ , rief Mia und sprang von ihrem Platz auf. Abundius blieb jedoch ruhig sitzen, während
,, Habe ich das… Mia ?“ , wollte er wissen. Die Kommissarin kniff misstrauisch die Augen zusammen, als sie ihren eigenen Namen hörte. Natürlich wusste er, wer sie war. Sie erkannte seine Stimme durchaus wieder. Er hatte befohlen Jagd auf sie zu machen. Und plötzlich bedeutete das alles nichts mehr und er setzte sich mit ihnen an einen Tisch?
,, Und sie wollten auch mich töten
lassen.“
,,Meine Befehle, lauteten sie gefangen zu nehmen, nicht sie zu töten. Wie das aufgegriffen wurde… nun das können sie mir schlecht zur Last legen.“ Er zuckte mit den Schultern, eine Geste, die an ihren Nerven zehrte. Tat er die übrigen Leben, die seinen… Plänen zum Opfer gefallen waren auch so einfach ab? ,, Was Jones angeht, die anderen Minister haben lange geplant, ihn zu ermorden. Ich habe lediglich nichts getan, das zu unterbunden. Er hätte niemals Erfolg gehabt. Und ich glaube, das war ihm auch klar. Und doch hat er mir vielleicht den Weg geebnet. Sie werde keinen zweiten Verräter in ihrer Mitte
vermuten, Aaren.“
,, Moment… alles, was sie getan haben, all das hier, ihre ganzen Pläne, der fingierte Aufstand auf Liurie, die Rebellion in den Straßen…“
,,Es hat mir erlaubt, an die Minister heranzukommen. Ich bin da, wohin niemals ein Feind des Elektorats gelangen sollte.“
,, Sie haben uns alle hintergangen.“ , erwiderte Jack.
,, Jack… Sie waren ein billiges Werkzeug, nicht weiter. Dank ihnen war es mir möglich, genau die Krise auszulösen, die ich brauchte, um das Vertrauen der Minister zu gewinnen. Und Aaren… sie starben grade. Weder
verlange ich, noch hoffe ich, dass sie mich verstehen. Das ist auch nicht nötig.“
,, Wir hätten das hier lange beenden können.“ , protestierte er. ,, Das ganze Chaos auf den Straßen, die Ausganssperren, die Toten… Wenn sie gleich einen Aufstand organisiert hätten, anstatt sich alleine in die Ministerien einzuschleichen, wäre das Elektorat vielleicht bereits Geschichte.“
,, Oder aber, das Elektorat hätte jeden Wiederstand zerschmettert, was es auch jetzt tun. Ehrlich gesagt, ich bezweifle, dass die Leute da draußen jemals geschlossen für etwas aufstehen werden. Nicht nach mehr als einem Jahrhundert
unter der Herrschaft des Elektorats. Sie überlassen das lieber ein paar wenigen. Ich tue nur, zu was sie nicht in der Lage sind.“
,, Sie klingen wie Skye.“ , bemerkte Aaren. Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Das hier sicher nicht. Auch wenn er es nicht mit Gewissheit sagen konnte… er glaubte vielleicht zum ersten Mal keine Maske vor sich zu haben, hinter der sich der Mann verbarg, der schon so viele Namen gehabt hatte. , Die Leute, Abundius, sind vielleicht die einzige Hoffnung, wie wir wirklich haben. Alleine sind wir alle Chancenlos.“
,, Und genau das glaube ich nicht. Ich
kann jedenfalls nicht zulassen, dass einer von ihnen mir dabei in die Quere kommt. Gleichzeitig kann ich auch schlecht weitere Ressourcen für die Jagd nach ihnen abziehen, ohne den gesamten Ministerrat zu informieren. Wir haben Verbindungen zueinander. Alle. Und jeder von ihnen könnte meine Position gefährden, wenn man sie erwischt und zum Reden bringt.“
Sofort hatten sowohl Jack als auch Mia die Waffen auf Abundius gerichtet. Nur Aaren blieb ruhig neben Sonea sitzen.
,, Sie hätten uns schon in dem Moment ausschalten können, in dem sie wussten, wo wir uns befinden. Trotzdem haben sie es nicht getan, sondern sind
hergekommen um mit uns zu reden. Wie genau sieht ihr Plan also aus ? Sie sind jetzt ein Minister… Alles, was sie getan haben, hat genau darauf abgezielt. Also… ich höre…“
,, Mit einem zumindest haben sie Recht, Aaren. Ich habe Jahrzehntelang auf genau diesen Moment hingearbeitet. Mit der Zeit bin ich zu einem einfachen Schluss gekommen. Wenn ich das Elektorat nicht von unten besiegen kann… reiße ich seine Türme eben von oben ein. Wo Jones versagt hat, werde ich Erfolg haben. Wenn ich alle Köpfe dieser Schlange auf einmal abtrenne, abgesehen von dem, den ich selbst repräsentiere… dann kann ich sie
kontrollieren.“
,, Sie wollen den Ministerrat ausschalten und sich selbst an dessen Stelle setzen ?“ , fragte Mia.
,, Genau das.“
Jack ließ die Waffe sinken und stützte den Kopf einen Moment in die Hände. Dieser Mann war verrückt. Vielleicht hatten sie ein ähnliches Ziel, aber er war ohne Zweifel verrückt. Oder einfach nur Skrupellos. ,, Und wer bitte versichert uns, das sie, sobald sie die Macht dazu haben, nicht ihre eigene kleine Diktatur erschaffen und genau da weitermachen, wo das Elektorat aufgehört hat ?“
,, Niemand außer mir.“ , antwortete Abundius, klang dabei jedoch noch
ernster, als zuvor. ,, Glauben sie wirklich ich habe den Großteil meines Lebens dem, Kampf gegen das Elektorat gewidmet, nur um seine Fehler zu wiederholen ?“
,, Zumindest weiß ich nicht, ob ich ihnen trauen kann.“ , erwiderte er. ,, Aber… Nein. Ich glaube nicht, das sie das tun würden.“ So gerne er auch das Gegenteil behaupten würde. Hilfesuchend sah er zu Aaren. Der Kommissar schien ebenfalls in Gedanken. Nach wie vor waren deutliche Wasserflecken auf seiner Kleidung sichtbar.
,, Und warum sind sie dann überhaupt hier ?“ , fragte Aaren, während nun auch
seine Hand in Richtung Waffe wanderte. ,, Das verstehe ich immer noch nicht. Es sieht nicht so aus, als würden sie uns brauchen…“