Romane & Erzählungen
Die Nähe eines Augenblicks

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"Die Nähe eines Augenblicks"
Veröffentlicht am 24. März 2015, 132 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Die Nähe eines Augenblicks

Die Nähe eines Augenblicks

Kapitel 1


Pferchtal, 2006

Es war Frühling und im strahlenden Licht, das durch das offene Fenster fiel, tanzten Sonnenstäubchen. Der helle Schein durchflutete das gesamte Zimmer und ließ den Kerzenleuchter auf dem Mahagonitisch leuchten. Der Gesang der Vögel und das leise Flüstern des Bachs untermalten die friedliche Stille in dem kleinen Ort. Luisa sah aus dem Fenster und hielt ihr Gesicht in die Sonne. Bald schon würde sie hinter den Hügeln verschwinden und dunkle Schatten auf

den Rasen werfen. Luisa hatte die Augen geschlossen, den Kopf geneigt und lauschte den Stimmen aus der Vergangenheit. Aus dem Salon hörte man Stimmgewirr. Elisabeth und ihre älteste Tochter Helena unterhielten sich. Luisa hörte sie reden. "Sie wird bald hier sein", sprach Helena. Sie lief in den Flur und schob die Gardine im Flur zur Seite und blickte hinunter auf den Kiesweg. "Ja", sagte Elisabeth. Helena wechselte das Thema und es dauerte nicht lang, bis sie sich angeregt unterhielten und lachten. Luisa wurde aus ihren Gedanken gerissen, als einige Minuten später, ein Auto geräuschvoll den Kiesweg hinauf fuhr. Sie schmiss das

Lehrbuch auf ihr Bett und stürmte aus ihrem Zimmer. Sie rannte die Treppe hinunter, sodass das ganze Haus bebte. Elisabeth ermahnte sie streng, doch Luisa nahm ihre Worte nicht wahr. Sie riss die Tür auf und rannte ihrer allerliebsten Schwester freudestrahlend entgegen, die gerade aus dem Taxi stieg. Helena betrat währenddessen den Salon, um den anderen Bescheid zu geben.

Luisa umarmte ihre Schwester stürmisch und vergrub ihr Gesicht in ihren Haaren, so wie sie es immer tat. "Oh meine Luisa. Ich hab dich so vermisst", schluchzte sie. "Ich dich auch und wie", sprach Luisa schluchzend. "Lass dich anschauen." Sie betrachtete ihre kleine

Schwester ausgiebig und lächelte. "Und?,wollte Luisa wissen. "Du bist groß geworden. Und wie hübsch du bist", sagte sie bewundernd und stolz. "Danke", sprach Luisa und lächelte verlegen. Ihre Schwester bezahlte den Taxifahrer und bedankte sich. Das Widersehen und die Freude waren so überwältigend, das ihnen die Worte ausblieben und sie sich einfach nur anlächelten. "Lass uns ins Haus gehen", meinte Luisa schließlich. Die beste Idee war dies sicher nicht, dachte sie. Ihre Schwester nickte und während sie sich dem Eingang näherten, trat Paul, der Mann von Helena, aus dem Haus. Er lächelte und war auf einmal sehr

aufgeregt, als er sie sah. Es irritierte ihn. Ihr Anblick verschlug ihm, für einen Moment, die Sprache. Sie sahen sich eine zeitlang einfach nur an. Sie sah toll aus und ihr dunkelbraunes Haar glänzte wie Seide in der Sonne. Ihre Haare waren kürzer und sie sah sehr erwachsen aus. Sie trat näher an ihn heran. Der Kies knirschte unter ihren Schuhen. Wow, sie ist wunderschön, dachte er." Die Sonne schien hell und freundlich, dennoch war die Luft recht kühl. Paul bekam Gänsehaut, da er nur ein T-Shirt trug. "Wanda", sprach er. Er war unsicher und verwirrt. "Hallo Paul, sprach Wanda und lächelte ihn an.

Luisa beobachtete die Szene. Sie wusste nicht was es war, doch so hatten sich Wanda und Paul noch nie angesehen. Es lag etwas in ihrem Blick, was sie nicht deuten konnte und wohl auch noch nicht verstand.

"Es ist lange her", sprach Paul. "Ja das ist es. Hast mich anscheinend vermisst", sagte Wanda und grinste.

"Hm...eigentlich nicht um ehrlich zu sein", so Paul und lachte.

"Du bist gemein. Weißt du das?"

"Ja ich weiß", entgegnete Paul ihr und verzog keine Miene. Wanda musste lachen. Wie schaffte er es nur, sich auf einmal so unter Kontrolle zu haben,

dachte sie.

"Wie war die Fahrt?, wollte Paul wissen. "Es ging." Sie standen nun im Flur und der Rest der Familie trat aus dem Salon.

Pferchtal, 1998

Helena lief die Treppe hinunter. Der Absatz ihrer Schuhe klapperte auf den Stufen der Holztreppe. Sie trug eine lange schwarze Hose, die ihre langen schlanken Beine vorteilhaft betonte. Ihr grüner enganliegender Pullover mit Ausschnitt betonte ihre schlanke Taille. Ihre blonden Haare hatte sie hochgesteckt. Elisabeth musterte ihre Tochter eingehend. "Oh Mutter ich bin so

aufgeregt. Er wird bald hier sein", keifte Helena. Helena war mit ihren sechsundzwanzig Jahren, ihre älteste Tochter und es wurde langsam höchste Zeit sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Nun war die Chance da. Nach drei gescheiterten Beziehungen, sollte es nun endlich so weit sein. "Jetzt beruhige dich Kind und werd bloß nicht hysterisch", sprach Elisabeth. "Ob ich ihm gefallen werde?", wollte Helena wissen. "Aber natürlich. Jetzt lass mich nur machen", sprach ihre Mutter sehr zuversichtlich. Helena nickte und versuchte sich zu beruhigen. Sie atmete einmal tief durch. " Du musst dich nur von deiner besten Seite zeigen, hörst du?

Gib dich charmant und umgänglich. Dann kann nichts passieren". "Du hast recht." Sie nickte atemlos. "Aber natürlich hab ich recht", betonte sie scharf. "Wie sehen denn nur deine Haare aus", ermahnte sie ihre Tochter. Haarsträhnen hatten sich, aus ihrer mühevoll hochgesteckten Frisur, gelöst. "Oh nein". Helena besah sich im Spiegel. Sie griff nach den losen Haarsträhnen und befestigte sie mit zittrigen Händen, vorsichtig hinter den Haarklemmen. Sie begutachtete sich im Spiegel und war sehr zufrieden. Plötzlich hörte sie wie ein Auto den Kiesweg entlang fuhr. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in den

Spiegel und atmete einmal tief durch. Sie war bereit.

Kapitel 2

Elisabeth rief den Rest der Familie zusammen und gemeinsam versammelten sie sich im Flur. Als es klingelte, öffnete Elisabeth die Tür und gab sich freundlicher denn je. Richard, ihr Mann stand neben sie.

>>Marita...Frank, wie schön euch zu sehen, tönte Elisabeth.<<

>>Hallo Elisabeth...Richard, so Marita.<< Sie gaben sich die Hände. Frank und Richard waren Partner und leiteten gemeinsam ein Bauunternehmen. Elisabeth war Hausfrau. Richard lernte Elisabeth mit sechzehn kennen. Als sie mit achtzehn schwanger wurde,

heirateten die beiden schließlich. Elisabeth blieb zu hause um die Kinder groß zu ziehen. Sie wollte ursprünglich studieren, konnte es aber nicht, durch die frühe und nicht geplante Schwangerschaft.  

>>Sie müssen Paul sein, lächelte Elisabeth.<< Ihre Stimme war ungewöhnlich hoch.  

>>Wir freuen uns, sie endlich mal kennen zu lernen<<, meinte Elisabeth, mit einem charmanten Lächeln. Paul war sechsundzwanzig und hatte braune Haare, die so lang waren, dass sie ihm in die Stirn fielen. Seine Augen leuchteten smaragdgrün.

>>Ich freue mich auch, ihre

Bekanntschaft zu machen<<, meinte Paul aufrichtig.

>>Oh bitte...wollen wir nicht du zu einander sagen?<<, schlug Elisabeth vor.

>>Gerne<<, so Paul.

>>Also ich bin Elisabeth und das ist Richard.<< Sie gaben sich erneut die Hand.  

>>Oh bitte, tretet doch ein, sprach Elisabeth.<< Es wurde genickt und sie ließen sie eintreten. Elisabeth zog  sofort Helena an ihre Seite und machte sie mit Paul bekannt. Sie gaben sich die Hand und lächelten sich an. Helena setzte ihr strahlendstes  lächeln auf. Sie war hin und weg von seinen grünen Augen. Es hatte beinahe etwas

verwegenes, wie ihm so die Haare in die Stirn fielen. Anschließend machte Elisabeth ihre anderen Töchter, mit der Familie Berger bekannt. Sophia war mit ihren langen blond gefärbten Haaren die zweit älteste. Sie war einundzwanzig. Wanda, die langes dunkelbraunes Haar hatte, war sechzehn und die jüngste war Luisa. Sie war fünf, hatte dunkelblonde Locken und war das Nesthäkchen der Familie. Wanda hatte sich während dem Begrüßungszeremoniell im Hintergrund gehalten.

Man konnte auch sagen, dass sie im Hintergrund gehalten wurde. Helena und Sophia hatten immer den Vorrang.

>>Hallo, ich bin Paul, begrüßte er jetzt

Wanda, die immer noch im Hintergrund stand, er hatte sie dennoch erblickt.<< Die anderen traten, eher wiederwillig, zur Seite. Sie mochten es gar nicht im Hintergrund zu stehen. Sie waren gierig nach permanenter Aufmerksamkeit.

>>Hallo, ich bin Wanda.<< Sie lächelten sich an. Wanda war zwar schon sechzehn, hatte aber dennoch eher etwas kindliches an sich. Sie war nicht sehr groß, kleiner wie Helena und Sophia. Er schätzte sie auf etwa ein Meter sechzig. Marita, Frank und Paul wurden nun ins Wohnzimmer geführt. Helena wich Paul nicht von der Seite. Als sie sich auf das Sofa setzten, ließ sich Helena neben Paul nieder. Sophia setzte sich neben

Helena und Luisa lag auf dem Bauch vor der Schrankwand und puzzelte.  

>>Wenn ihr mich bitte entschuldigen würdet. Ich werde jetzt den Kaffee zubereiten. Für das Sommerhaus ist es wohl zu spät. Die Sonne geht bald unter, erklärte Elisabeth.<<

>>Ja, du hast Recht. Sobald die Sonne untergeht, wird es recht kühl, gab Marita ihr recht.<< Wanda folgte Elisabeth in die Küche, um ihr zu helfen. Sie nahm das Kaffeegeschirr und lief auf Socken über die gemusterten Fliesen des Flurs, wieder zurück in das Wohnzimmer.

Die Unterhaltung der anderen, verlief etwas steif, wie Wanda fand. Sie stellte

das Geschirr auf den Tisch und richtete die Kaffeetafel an. Paul wollte ihr helfen, doch Marita hielt ihn zurück. Wanda bekam dies mit, sah einmal kurz auf, überrascht über seine Hilfsbereitschaft und wandte sich dann wieder, nachdem er von Marita zurück gehalten wurde, der Kaffeetafel zu.    

>>Der Kaffee ist in zwei Minuten fertig. Das Wasser kocht bereits.<< Marita und Frank nickten lächelnd. Es folgte Stille. Das Gespräch schien zu stocken. Wanda lief zurück in die Küche und kam gemeinsam mit Elisabeth und dem Kaffee zurück. Nachdem sie sich auf dem Sofa niedergelassen hatten, schenkte Elisabeth allen Kaffee ein und

bot Gebäck an. Im Gespräch kamen sie natürlich auch auf Helena zu sprechen und sie gab sich unglaublich charmant, interessiert und umgänglich. Später sah man Helena und Paul dann auf der Veranda stehen. Der Himmel verdunkelte sich langsam. In der Ferne sah man einige Sterne leuchten.

Helena und Paul unterhielten sich eine Weile und lächelten sich hin und wieder an. Elisabeth und Marita schauten neugierig aus dem Fenster und beobachteten sie ruhelos. Sie platzten vor Neugierde. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sahen, das die beiden sich anlächelten.

>>Es scheint ganz gut zu laufen<<,

meinte Elisabeth nach einer Weile.

>>Ja. Ich finde, sie passen einfach perfekt zusammen<<, so Marita.

>>Das finde ich auch<<, stimmte Elisabeth ihr zu. Die beiden Frauen zwinkerten sich zu.

Da es Helena und Paul langsam zu kühl wurde, verließen sie wieder die Veranda. Augenblicklich klingelte das Telefon. Elisabeth hob den Hörer ab.

>>Ja? Ja, sie ist da. Ich hole sie ans Telefon.<< Paul rieb sich die Hände. Sie waren kalt.

>>Helena...Telefon für dich, rief sie ihr entgegen. Es ist Katja.<< Katja war eine gute Freundin und Kollegin. Sie arbeiteten beide als Verkäuferin in einer

Boutique. Helena lief ans Telefon. Richard und Frank besprachen geschäftliches und Elisabeth und Marita tauschten neue Rezepte aus.

Paul sah sich währenddessen im Haus um. Er lief die Treppenstufen nach oben und unter seinen Füßen, knarrten die Holzleisten des Fußbodens. Am hinteren Ende des Flurs, sah er eine Tür offen stehen und Licht brennen. Er lief bis ans Ende des Flurs und klopfte an die offenstehende Tür.

>>Ja, bitte.<< Wanda legte ihr Buch beiseite und blickte zur Tür.  

>>Darf ich?<<

>>Natürlich.<< Er betrat Wandas Zimmer.

>>Hab ich dich beim Lesen gestört?<<

>>Aber nein. Ich kann später weiter lesen.<< Paul lächelte. Er schaute sich ein wenig im Zimmer um.

Sein Blick fiel auf das Bücherregal.

>>Du liest sehr viel, stellte er fest.<<

>>Ja, lächelte sie.<<

>>Darf ich?<< Er deutete auf das Sofa.

>>Aber natürlich.<< Wanda war überrascht über seine Höflichkeit. Beide waren zunächst etwas befangen und es herrschte einen Augenblick Stille. Paul machte den Anfang und es dauerte nicht lang, bis sie ganz unbefangen, miteinander plauderten. Sie unterhielten sich unter anderem über Pauls Arbeit. Er war freier Übersetzer, hauptsächlich von

Romanen. Wanda erzählte ihm von ihren Zukunftsplänen und das sie nach ihrem Abitur Journalismus studieren wollte. Es gefiel ihm, das sie so ehrgeizig und zielstrebig war.

>>Magst du einen Tee trinken?<<

>>Gerne.<<

>>Oder magst du lieber Kaffee?<<

>>Nein, ich trinke lieber Tee. Ich trinke sehr gerne Tee.<<

>>Ich auch.<< Sie lächelten sich an.

>>Lass uns in die Küche gehen. Ich setze Teewasser auf<<, so Wanda. Paul nickte. Sie liefen in die Küche.

Während sie das Teewasser aufsetzte, holte sie die Teetassen aus dem Schrank und stellte sie auf die Anrichte. Sie sah

zu Paul.

>>Magst du lieber Pfefferminztee, Schwarztee, Früchtetee oder Hagebuttentee?<<

>>Was trinkst du?<<

>>Mir wäre nach einem Schwarztee.<<

>>Dann ist mir auch danach.<<

>>Okay.<< Sie streckte sich und griff nach der Dose mit dem Schwarztee. Der Wasserkessel fing an zu pfeifen.

Paul sah sich in der Küche um. Die Schränke waren aus Holz, sowie auch der Tisch und die Stühle. Die Vorhänge am Fenster waren bestickt mit roten Blumen. Die gelbe Blümchentapete, passte gut zu den Vorhängen. Sie musste aber schon alt sein, denn sie war schon

etwas verblasst.

Wanda goss das Wasser in die Tassen und setzte sich zu Paul an den Küchentisch.

>>Zucker?<<

>>Ja, bitte.<< Wanda holte die Zuckerdose aus dem Schrank und setzte sich wieder zu Paul.

>>Wie viele Zuckerstückchen dürfen es sein?<<

>>Zwei bitte, bat er.<< Wanda ließ zwei Zuckerstückchen in seine und ihre Tasse plumpsen und sie begannen sich langsam aufzulösen.

>>Danke.<< Die Küchentür wurde langsam geöffnet und Luisa trat, nachdem sie Wandas Stimme hörte,

herein. Ihre Augen waren gerötet, da sie geweint hatte.

>>Hey, mein Schatz. Was ist denn passiert? Warum hast du denn geweint?<< Luisa sah mit traurigen Augen zu Wanda hinauf. Wanda stand sofort von ihrem Stuhl auf und kniete sich vor Luisa. Sie nahm sie in den Arm und Luisa vergrub ihr Gesicht in ihren Haaren.  

>>Keiner spielt mit mir, sprach sie bekümmert. Immer schicken sie mich weg. Haben sie mich denn nicht lieb?<<

>>Oh, natürlich haben sie dich lieb. Es ist nur so. Wir haben doch heute Besuch.<< Wanda hoffte, dass sich Luisa damit zufrieden geben würde.

>>Ja.<<

>>Ich spiele mit dir.<<

>>Ja, lächelte Luisa.<< Wanda trocknete ihre Tränen.

>>Ich hab dich lieb.<< Sie umarmte Wanda fest und vergrub ihr Gesicht in ihren Haaren.

>>Ich hab dich auch lieb.<< Paul beobachtete gerührt die Szene.

>>Was ist denn hier los<<, tönte Helena, die in die Küche gelaufen kam, nachdem sie Stimmen gehört hatte.

>>Luisa war traurig, weil niemand mit ihr spielen wollte, erklärte Paul.<< Er nahm einen Schluck von seinem Tee.

>>Oh nein.<< Helena eilte zu Luisa und drängte sich an Wanda vorbei. Diese

wich zur Seite.

>>Ich habe telefoniert. Das Telefonat war sehr wichtig. Aber jetzt habe ich Zeit. Was magst du denn spielen?<<

>>Das Spiel von der Raupe Nimmersatt, stammelte Luisa.<< Sie war irritiert über das plötzliche Interesse ihrer Schwester, war aber glücklich über die Zuneigung die sie bekam.

>>In Ordnung. Dann spielen wir das. Möchtest du das Paul mitspielt?<< Luisa sah zu Paul und nickte.

>>Wanda soll auch mitspielen.<< Sie blickte zu Wanda.

>>Oh nein, spielt ihr nur. Wir spielen morgen, ja Luisa? Ich muss noch ein wenig lernen, redete sie sich heraus.

Morgen ist wieder Schule.<< Luisa nickte. Wanda wollte Helena und Paul nicht stören. Helena wollte sicher nicht, dass sie ständig dabei war und sie störte. Sie zog es lieber vor, sich diskret zurück zu ziehen, aus Anstand. Helena nahm Luisa an die Hand und zu dritt schlenderten sie ins Wohnzimmer.

Später am Abend verabschiedeten sich dann, Marita, Frank und Paul und gemeinsam fuhren sie nach Hause.

Helena und Paul hatten sich für das nächste Wochenende verabredet.


Zur großen Enttäuschung ihrer Mutter, hatte Wanda seit jeher große Ähnlichkeit mit ihrem Vater - ganz anders wie Helena

und Sophia. Luisa schien ebenfalls nach ihrem Vater zu kommen.

Schon als Kind trug Wanda lieber Overalls und Hosen, als Röcke und kletterte für ihr Leben gern auf Bäumen. Sie hatte stundenlang im Garten gespielt, bis sie völlig schmutzig war. Hin und wieder durfte sie ihrem Vater auch auf eine Baustelle begleiten, und sie ahmte ihn begeistert nach, wenn er kontrollierte, ob die neu eingesetzten Fenster richtig abgedichtet waren, oder wenn er in irgendwelche Kartons spähte, wenn vom Eisenwarengeschäft etwas geliefert wurde.

Pferchtal, 2006

Elisabeth zeigte sich zunächst, überraschend freundlich, jedoch spürte Wanda dass es nur gespielt war. Richard saß einfach nur da und sprach nur wenige Worte mit ihr. Helena und Sophia unterhielten sich schon bald, nur noch zu zweit. So hatte sie sich das Wiedersehen  nicht vorgestellt. Luisa hingegen wich ihr nicht von der Seite. Sie hielt sie, die ganze Zeit fest umschlungen und lehnte ihren Kopf an ihre Schulter.  

Den anderen interessierte es nicht wirklich, was sie in den letzten Jahren erlebt hatte, sie erkundigten sich auch nicht danach, wie ihre beruflichen und privaten Zukunftspläne aussahen. Was

sie aber am meisten verletzte war, das sie sich kaum für sie, als Mensch, zu interessieren schienen. Die anfänglich, gespielte Höflichkeit und das geheuchelte Interesse machten Wanda traurig. Paul sah die Enttäuschung in Wandas Augen. Er konnte sie verstehen.

Elisabeth begegnete Wanda, missbilligend und abweisend. Er hatte eine Vermutung, woran dies liegen könnte. Erst vor kurzem hatte er von Helena erfahren, dass Elisabeth damals, nach dem Abitur eigentlich studieren wollte. Und zwar Journalismus. Aber es wurde nichts daraus, da sie sehr früh schwanger wurde. Er hatte das Gefühl, das sie auf Wanda eifersüchtig war, da

diese genau das studierte, was sie damals gerne studiert hätte. Wanda lebte nun ihren Traum, während Elisabeth ihn begraben musste. Helena und Sophia schienen ebenso auf Wanda eifersüchtig zu sein. Wanda hatte Ziele, war intelligent, bereiste während ihres Studiums Afrika und lernte das Land und die Menschen dort kennen, während Helena und Sophia nur einfache Berufe ausübten. Ihm fiel jedoch ein, das Sophia auch sehr intelligent war. Sie hätte auch studieren und mehr aus ihrem Leben machen können, doch sie besaß nicht den Ehrgeiz wie Wanda ihn besaß.

Obwohl Wanda sehr intelligent war, bildete sie sich nicht im Geringsten

etwas darauf ein. Sie war diejenige, die bodenständig geblieben war. Sie war umgänglich, nett, bescheiden und einfach sympathisch. Sie besaß Humor, ein gesundes Selbstbewusstsein und eine niedliche Schüchternheit. Er war stolz auf sie, da sie ihren Weg gegangen war und sich nicht von ihrer Familie hat beeinflussen lassen.

Die Stimmung war ziemlich angespannt. Das Gespräch verlief sehr schleppend und bald schon unterhielten sich nur noch die anderen miteinander. Wanda wurde in kein Gespräch mit einbezogen. Sie entschuldigte sich bei ihrer Familie und lief nach oben in ihr Zimmer. Luisa folgte ihr. Während sie die Treppe nach

oben stieg, hielt sie einmal kurz inne und wandte sich um. Luisa trat ein wenig zur Seite und folgte ihrem Blick. Sie schien in die Küche zu sehen, aber warum? Was war denn, so besonderes an der Küche? Wanda blickte direkt in das Innere der Küche. Sie lächelte. Luisa sah sie erneut an. Ihre Schwester schien in Gedanken zu sein. Es musste ein schöner Gedanke sein, da sie lächelte. Vielleicht hatte die Küche, ja eine ganz besondere Bedeutung für sie. Ja, so musste es sein. Luisa dachte nach, doch sie hatte keine Antwort darauf, was es sein könnte.


Wanda wandte sich wieder um und stieg

weiter die Treppenstufen hinauf.

>>Darf ich mit in dein Zimmer kommen?<<

>>Aber natürlich.<< In ihrem Zimmer angekommen, setzten sie sich auf das Bett und sie unterhielten sich. Der Himmel war strahlend blau. Das helle Licht der Sonne schien durch das Fenster und wärmte ihren Rücken. In dem Zimmer hatte sich nichts verändert. Es sah noch genauso aus wie früher. Es klopfte an der Tür.

>>Ja, bitte?<<, sprach Wanda. Sie und Luisa sahen zur Tür.

>>Ich bin es. Darf ich?<< Paul stand in der Tür.

>>Aber natürlich.<< Er setzte sich zu ihr

auf das Bett.

>>Ich lass euch dann mal alleine. Wir reden später weiter, ja?<<, so Luisa.

>>Ja<<, lächelte sie. Luisa machte die Tür hinter sich zu und lief in ihr Zimmer.

>>Deine Rückkehr hast du dir sicher anders vorgestellt, was?<<

>>Hm.<< Er nahm sie in den Arm und ihre Traurigkeit war wie weggeflogen. Er löste sich wieder von ihr.

>>War diese Familie früher auch schon so schlimm? War mir das vielleicht nur nicht aufgefallen?<<

>>Willst du hören, wie ich darüber denke?<< Paul nickte.

>>Ich möchte wirklich nicht schlecht über meine Familie reden, aber ich

denke, dass sie damals mit ihrer gespielt lockeren und unkomplizierten Art, einen guten Eindruck hinterlassen wollten. Sie wollten sich von ihrer besten Seite zeigen.<< Paul nickte gedankenverloren.

>>Ich glaube ich habe mich ganz schön einwickeln lassen.<< Wanda sah ihn überrascht und schließlich mitfühlend an.

>>Ich glaube Elisabeth ist eifersüchtig auf dich<<, sprach er ganz offen.

>>Was?<< Ihre Stirn lag in Falten.

>>Ja. Helena hat mir erzählt, dass sie früher, Journalistin werden wollte. Wusstest du das?<<

>>Nein.<< Wanda hatte keine Ahnung.

>>Es wurde nichts daraus, weil sie mit

Helena schwanger wurde. Sie trauert wohl noch heute, ihrem verlorenen Traum hinterher.<< Diese Erkenntnis traf Wanda wie ein Schlag.

>>Vielleicht sollte ich mal mit ihr darüber reden<<, meinte sie.

>>Ja. Es wäre schön, wenn ihr wieder zueinander finden würdet.<<

>>Ja.<<

>>Es verletzt dich sehr, dass sie so kühl zu dir ist, stimmts?<< Sie nickte stumm.  

Sie unterhielten sich noch eine Weile, bis Paul dann wieder nach unten lief, um sich seiner Frau zu widmen.

Wanda ging zu Luisa ins Zimmer. Sie war immer noch ganz überrascht, dass

ihre Eltern und vor allem Elisabeth, damit einverstanden war, dass sie zunächst hier wohnen durfte, bis sie eine Arbeit gefunden hatte. Sobald, sie eine Zusage einer Zeitung erhielt, würde sie sich auch eine Wohnung suchen. Wanda wusste nicht, dass ihr Vater, sich dafür eingesetzt hatte. Er hatte lange mit seiner Frau darüber diskutiert. Er hatte sonst nicht viel zu melden, aber sie war auch seine Tochter und es war sein Haus. Sie sollte hier wohnen. Dieses Mal hatte er ein Wörtchen mitzureden. Elisabeth fing zwar an zu nörgeln, war aber schließlich einverstanden.

Kapitel 3

Wanda stieg die Treppe nach unten und sah Paul in der Küche sitzen.

>>Was machst du denn hier, so ganz allein?<< Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und kniff ein wenig die Augen zu, da sie von der Sonne geblendet wurde, die durch das Küchenfenster schien.

>>Ich warte auf Helena. Sie muss noch was an den Haaren machen. Warum trägt sie, sie nicht einfach offen oder im Zopf zusammen gebunden? Ich finde, das sieht am natürlichsten aus.<<

>>Ja, das finde ich auch.<<, so Wanda.  

>>Mir gefällt wie du dein Haar trägst<<,

sprach er ganz offen.

>>Oh, danke.<< Sie errötete ein wenig. Paul musste schmunzeln.

>>Magst du einen Tee trinken? Das mit Helena kann noch dauern.<<

>>Ja. Sehr gerne.<< Sie stellte den Wasserkessel auf den Herd und holte zwei Teetassen aus dem Schrank. Sophia stürmte zur Tür herein und rannte die Treppenstufen hinauf. Paul erschrak und sah ihr entgeistert nach.

>>Was ist denn mit Sophia?<<

>>Sie hat bestimmt wieder eine spontane Einladung bekommen und muss sich noch zurecht machen.<<

>>Sie sah doch schon gut aus. Was will sie denn noch machen?<< Der

Wasserkessel fing an zu pfeifen.

>>Das frag ich mich auch.<< Sie wollte nicht näher darauf eingehen und ihre Schwester schlecht machen.

Sie lief mit dem Tee an den Küchentisch und beide nippten an der Teetasse.  

>>Was macht die Schule?<<

>>Es läuft ganz gut. Ich hoffe nur, dass ich am Ende einen guten Durchschnitt habe. Den brauche ich, um studieren zu können. Desto besser der Durchschnitt, desto größer die Chancen auf ein Stipendium.<<

>>Ich bin mir sicher, dass du einen fantastischen Durchschnitt haben wirst. Du schaffst das. Da bin ich fest von überzeugt.<<

>>Danke.<<

>>Wofür?<<

>>Na, für deine lieben Worte.<<

>>O, gern geschehen. Ich meine das auch wirklich ganz ehrlich.<<

>>Ich weiß<<, lächelte sie.

>>Du musst mir versprechen, das du das machst, was du möchtest. Wenn du Journalistin werden möchtest, dann mach´s. Wenn es dein Traum ist, dann lebe ihn. Egal, was andere davon halten oder dazu meinen.<<

>>Ich verspreche es<<, versprach sie lächelnd. In letzter Zeit kamen ihr hin und wieder Zweifel, ob sie nicht doch etwas anderes studieren sollte, mit dem ihre Mutter einverstanden war, doch

sollte ihre Mutter, sie nicht eigentlich unterstützen? Warum, hatte sie etwas dagegen? Warum respektierte sie es nicht, dass sie Journalistin werden wollte? Ihrem Vater schien es egal zu sein. Er hielt sich ja sowieso immer aus allem heraus. Auf die Unterstützung ihres Vaters, musste sie verzichten. Sie wusste nicht einmal, wie er darüber dachte. Er machte den Eindruck, als sei es ihm egal, was sie studierte. Einmal hatte sie jedoch das Gefühl, das er stolz auf sie war, das sie so ehrgeizig und zielstrebig war. Sie hatte ihn im Augenwinkel, als sie ihm davon erzählte, lächeln sehen. Warum war er sonst eigentlich immer so still? Sie hatte

das Gefühl, das ihr Vater, in der Ehe, nicht viel zu melden hatte. Wanda bekam nicht mit, dass Paul, ihr eine Frage gestellt hatte. Sie nahm gedankenverloren, einen Schluck von ihrem Tee.

>>Wanda?<< Sie wurden aus ihren Gedanken gerissen.

>>Ja?<<

>>Alles in Ordnung?<<

>>Ja, ja. Ich war nur gerade in Gedanken.<<

>>Ach so.<< Helena kam die Treppe hinunter. Sie hielt sich am Geländer fest, um nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, mit ihren gefährlich hohen Absatzschuhen, zu stürzen.

>>Ich bin fertig<<, tönte sie.

>>Dann können wir jetzt?<<

>>Ja.<< Helena lief in den Flur, um ihren Mantel zu holen. Paul wandte sich an Wanda.

>>Vielen Dank für den Tee.<<

>>Bitte schön.<< Er nahm die Tasse und stand auf.

>>O, lass nur. Ich mach das schon.<< Sie nahm ihm die Tasse ab.

>>Danke.<< Helena rief nach ihm.

>>Nun geh schon. Helena wartet auf dich.<<

>>Wird gemacht. Tschüß.<<

>>Tschüß.<< Paul lief zu Helena und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu Martin und Lydia.

Martin war ein sehr guter Freund von Paul. Er und seine Frau Lydia, waren jetzt seit zwei Jahren verheiratet. Paul wollte unbedingt, dass sie Helena kennenlernten. Später, als Paul, Helena wieder nach Hause fuhr, machten sie noch einen Spaziergang. Paul nahm Helenas Hand und sie liefen in Richtung Wald. Nachdem sie in den Wald hinein kamen, dauerte es nicht lang, bis sie am Entenweiher ankamen. Es war jedoch keine Ente zu sehen. Sie mussten wohl in dem kleinen Entenhaus sein. Der Himmel über ihnen, verdunkelte sich langsam. Das helle Licht des Mondes, schien durch die Bäume hindurch. Sie wandten sich wieder vom Weiher ab und

spazierten, Hand in Hand weiter den Waldweg entlang. Helena begann zu frösteln. Paul bemerkte es und legte seinen Arm um sie.

>>Du frierst. Lass uns zurück gehen.<< Helena nickte stumm. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und gemeinsam liefen sie wieder zum Haus zurück. Die Straßen waren, außer ihnen, menschenleer und kein Auto fuhr auf der Straße. Die Umgebung wurde von Straßenlaternen erleuchtet.  

>>Ich bin so froh, das deinem Vater nichts passiert ist<<, meinte Paul.

>>Ja. Das war ein ganz schöner Schock. Ein Glück ist nichts Schlimmeres passiert, außer der leichten

Gehirnerschütterung<<, so Helena.

>>Ja. Heut zu Tage muss man ganz schön aufpassen, im Straßenverkehr.<<

>>Ja. Er muss jetzt noch zwei Wochen zu Hause bleiben, dann kann er wieder arbeiten.<< Sie liefen nun den Kiesweg zum Haus hinauf. Der Mond stand jetzt direkt über dem Haus. Sie hörten Grillen zirpen und im Licht einer Laterne, sahen sie eine Schar von Mücken, herum schwirren. Helena war froh wieder zu Hause zu sein. Ihr war kalt und sie hoffte, dass sie sich keine Erkältung zugezogen hatte.

Pferchtal, 2006

Der Wasserkessel fing an zu pfeifen. Wanda nahm ihn vom Herd und goss das heiße Wasser in die Tasse. Sie ließ zwei Zuckerstückchen in die Tasse sinken und stellte sich damit an das Küchenfenster.

Der Himmel war klar und wolkenlos. Der Apfelbaum in der Hecke gegenüber, war schwer behangen, mit den noch unreifen Früchten. Bald schon, würden sie reif werden. Die Äpfel schmeckten immer besonders gut. Sie erinnerte sich daran, wie sie immer, im Herbst die Äpfel vom Baum gepflückt hatten und sie für den Apfelkuchen verwendeten.

Wanda hörte Schritte hinter sich. Sie wandte sich um und sah Sophia die Treppe hinunter schreiten.    

Wie immer, fiel Sophia sofort mit der Tür ins Haus. Ohne Umschweife, kam sie sofort auf das zu sprechen, was sie interessierte.

>>Mutter hat erzählt, das du da vor einer Weile so einen Typen kennen gelernt hast. Bist du noch mit ihm zusammen?<<, sprach Sophia. Sie lehnte sich an den Türrahmen und feilte sich dabei die Nägel.

>>Nein<<, antworte Wanda knapp.

>>Wie lange wart ihr eigentlich zusammen?<<   

>>Wir waren etwa anderthalb Jahre zusammen.<<

>>Und wie war er so?<<, griente sie.

>>Er war sehr nett.<<

>>Das meine ich nicht. Ich meine, wie war er so als Liebhaber?<< Wanda fiel die Kinnlade herunter. Beinahe wäre ihr, die Tasse aus der Hand gerutscht. Wie konnte man nur so eine intime Frage stellen und dann noch auf so plumpe Art und Weise. Auf diese Art von Gespräch, konnte sie verzichten.   

>>Das ist eine sehr intime Frage.<<

>>Was ist denn mit dir los? Jetzt sei doch nicht so verklemmt. Na ja, kann ja so prickelnd nicht gewesen sein, wenn es keiner Erwähnung wert ist.<<

>>Das hat damit nichts zu tun. Ich möchte einfach nicht darüber reden, weil es sehr privat ist. Ich finde, über so etwas redet man nicht und in der Art und

Weise, wie du das Thema angesprochen hast, schon mal gar nicht.<<

>>Jetzt reg dich doch nicht gleich so auf<<, sprach sie patzig. >>Meine Güte<<, sprach sie mit herunter gezogenen Mundwinkeln.

>>Wenn du meinst.<< Sophia musterte sie mit einem niederträchtigen Blick und lief schließlich aus der Küche.

>>Also lange hat er es ja nicht mit dir ausgehalten. Aber wundert mich nicht, bei so einer Langweilerin<<, sprach sie, ohne sich umzusehen. Das ist deine Meinung, umfassten ihre Gedanken. Sophia hatte keine Ahnung, wie das mit Simon damals ablief und was der Grund ihrer Trennung war. Was Sophia von sich

gab, war einfach nur einfältig. Elisabeth trat, mit einem Stapel Wäsche in der Hand, aus dem Wohnzimmer und stieg die Treppenstufen nach oben, ohne Wanda eines Blickes zu würdigen.   

Pferchtal, 1998


Paul und Helena trafen sich fast täglich. Sie verbrachten viel Zeit miteinander und schließlich verliebten sie sich ineinander. Nach zwei Jahren, machte Paul ihr einen Heiratsantrag. Helena nahm ihn natürlich an und es wurde ein rauschendes Fest gefeiert.

Die Zeremonie und Feier fand an einem wunderschönen Sommertag, im Garten

hinter dem Haus von Helenas Eltern statt. Es wurde getanzt, gelacht und alle schienen glücklich zu sein, bis auf Wanda.

Helena war nun mit dem Mann verheiratet, in den sie sich zu verlieben begann.  

 

Pferchtal, 2000


Helena und Paul bekamen als Hochzeitsgeschenk von ihren Eltern ein Haus geschenkt. Es stand in einer Wohnsiedlung in Schwarzenbach, einem Stadtteil von Homburg. Nach ihren Flitterwochen, bereiteten sie alles, für den Einzug in ihr Haus vor. Alle hatten

mit angepackt. Möbel und Kartons wurden geschleppt und während die Männer die Möbel aufstellten, kümmerten sich die Frauen um die Dekoration. Es war an diesem Wochenende sehr warm und die Männer waren nach nur wenigen Minuten, völlig ermattet und abgespannt.

Richard und Frank stellten im Schlafzimmer gerade die Schrankwand auf, während sich die Frauen im Wohnzimmer aufhielten. Luisa lag mit dem Bauch auf dem Teppich und schaute sich ein Buch an.  

Wanda entfernte sich genervt von Elisabeth, Helena und Sophia, die gerade eine Diskussion darüber führten,

an welchem Ort, die Stehlampe am besten zur Geltung kam. Sie lief in die Küche und hörte Paul stöhnen.

Er lag unter der Spüle und kämpfte mit den Rohren. Er war solch körperliche Anstrengung gar nicht gewohnt. Sein Kopf war vor Anstrengung gerötet.

Als sie Paul sah, fing sie an zu kichern. Paul hörte sie kichern und blickte zur Tür. Wanda hatte sich an den Türrahmen gelehnt und grinste ihn an.

>>Ja, grins du nur. Ich möchte dich mal sehen.<<

>>Du siehst furchtbar aus.<<

>>Ach wirklich?<<, brummte er. Wanda nickte. Paul fuhr sich mit der Hand durch sein Haar und zupfte sich sein

T-Shirt vom Körper. Es war klitsch nass.

>>Warte.<< Sie griff nach einer Limonade, die auf dem Küchenschrank stand und goss ihm etwas davon ins Glas.

Sie trat näher an Paul heran und reichte ihm das Glas.

>>Hier.Trink.<< Paul entfernte sich von der Spüle und setzte sich auf den Küchenboden.

>>Danke. Das ist nett.<< Er nahm ihr das Glas dankbar ab und leerte den Inhalt in einem Zug.

>>Noch mehr?<< Paul nickte, noch völlig außer Atmen.

>>Du bist so gut zu mir.<< Sie reichte ihm ein zweites Glas und sie lächelten sich an. Paul hörte Elisabeth, Helena und

Sophie diskutieren. Ihre schrillen Stimmen schallten im ganzen Haus.

>>Sag nichts. Du hattest die Nase voll von dem Gekeife, stimmts?<<

>>Ja. Ich hab es einfach nicht mehr länger ausgehalten.<<

>>Ich kann dich verstehen.<< Beide fingen an zu lachen. Es wurde ein langer Abend. Am späten Abend fuhren dann alle nach Hause. Paul und Helena legten sich erschöpft aufs Bett und schliefen sofort ein.

 

Nachdem sie sich in ihrem Haus, gemütlich eingerichtet hatten, schrieb Paul an der Übersetzung weiter. Er nippte an seinem Tee, stellte die Tasse

wieder beiseite und tippte weiter. Er war mit der Ãœbersetzung fast fertig. Das Telefon klingelte. Er speicherte seine Daten und lief ins Wohnzimmer.

Es war seine Agentur. Er hatte einen neuen Auftrag erhalten. Er freute sich.

Er wurde auf der Basis der übersetzten Textmenge bezahlt und desto mehr Aufträge er erhielt, desto mehr verdiente er. Wenn er über mehrere Monate keinen Auftrag erhalten würde, wäre er ohne Einkommen.

Dies war das Risiko, eines freiberuflichen Übersetzers, doch machte er sich darüber keine allzu großen Sorgen. Er wusste, dass er ein guter Übersetzer war und seine Agentur,

war eine der Besten.   

Als er aufgelegt hatte, hörte er, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Er trat in den Flur.

Sie schien gut gelaunt zu sein. Helena hängte ihren Mantel in die Garderobe.

>>Hallo, mein Schatz.<<

>>Hallo. Warst du einkaufen?<< Er sah auf die Einkaufstüten.

>>Ja. Willst du sehen, was ich hier drin habe?<< Sie hielt die Tüten nach oben.

>>Klar.<<

>>Setz dich auf´s Sofa. Ich gehe ins Schlafzimmer und ziehe mich um. Ich bin gleich wieder da. Du wirst Augen machen.<<

>>Mit Sicherheit. Bestimmt, auch über

den Preis<<, rief er. Er war wirklich froh, den Auftrag erhalten zu haben. Paul holte seine Tasse aus dem Arbeitszimmer und nippte an dem Tee. Helena trat ins Wohnzimmer. Sie trug rote Spitzenunterwäsche. Paul riss die Augen auf. Mit so einem Auftritt hatte er gar nicht gerechnet.

>>Wie sehe ich aus?<<

>>Donnerwetter.<<

>>Dem entnehme ich, dass es dir gefällt?<< Ihre Augen blitzten und sie sah ihn verführerisch an.

Paul nickte stumm.

>>Ich bin gleich wieder da. Ich hab noch mehr.<< Sie war wieder verschwunden. Paul wartete ungeduldig.

Er bekam umgehend, die sinnlichste Modenschau präsentiert, die er je gesehen hatte.  

Helena kam zurück ins Wohnzimmer und zeigte sich nun, in schwarzer bestickter Unterwäsche.

Sie trat näher an Paul heran und drehte sich ein paar Mal, vor ihm im Kreis. Paul wollte sie sich packen, doch sie reagierte blitzschnell und rannte vor ihm davon. Er sprang vom Sofa hoch um hinter ihr herzujagen. Sie rannte lachend und keifend durchs Haus. Im Schlafzimmer hatte er sie schließlich eingeholt.  

Sie ließen sich aufs Bett fallen, küssten sich und liebten sich.

Sie war fast zum Gehen bereit, stand im Flur vor dem Spiegel und setzte ihren Hut auf, während er, am Türrahmen lehnte und gottergeben wartete, wie der Heilige Sebastian, das der Pfeil ihn durchbohren möge. Der Hut war neu und hatte sie zweihundert Euro gekostet. >>Vielleicht hätte ich ihn nicht kaufen sollen. Was meinst du? Nun sag doch auch mal was. Nein, ich hätte es besser nicht getan. Ich hätte den anderen nehmen sollen, der hätte besser zu dem Kostüm gepasst! Ich nehme ihn jetzt ab und bringe ihn morgen zurück!<<

Er hob den Blick gen Himmel und stieß den Atem hörbar aus.

>>Nun sag, doch auch mal was!<<

>>Doch, du hättest ihn kaufen sollen<<, sagte er und bemühte sich, dabei so ehrlich wie möglich zu klingen. >>Nun setzt ihn wieder auf und lass uns gehen. Wir sind spät dran.<<

Es war ein abscheulicher Hut. Auf der einen Seite war die rote Samtkrempe heruntergeklapp und auf der anderen Seite ragte sie nach oben. Es sah aus wie ein Kissen ohne Füllung. Alles was ihr Vergnügen bereitete, kam ihm klein und lächerlich vor. Sie hob den Kopf, schaute in den Spiegel und setzte den Hut nochmals auf.

>>In Ordnung. Lass uns gehen, meinte sie fröhlich.<<

Paul lief nach oben. In ihrem Zimmer brannte Licht. Er klopfte an die Tür und sie bat ihn herein. Sie ahnte, dass er es war. Sie stand am offenen Fenster und schaute in den Himmel.

>>Magst du einen Tee trinken?<<, so Paul.

>>So wie früher?<< Er nickte. >>Aber gerne doch<<, lächelte sie. Gemeinsam gingen sie die Treppe hinunter. Unter ihren Füßen knarrte der Holzfußboden. Sie fühlten sich federleicht und hatten Lust zu lachen.  

Durch das Fenster schien das helle Licht der Sonne. Der helle Glanz überflutete den dunklen Flur und ließ alles ein wenig freundlicher aussehen.

Sonnenstäubchen fingen an zu tanzen. Wanda öffnete die Küchentür und während sie den Wasserkessel auf den Herd stellte, lief Paul zum Fenster um es zu öffnen.

>>Schade, das Helena schon nach Hause fahren musste, so Wanda.<<

>>Ja. Sie muss für eine Kollegin einspringen die krank geworden ist, sprach er gedankenverloren. Das Wetter ist herrlich. Wir haben gerade mal Anfang März und es ist schon so warm.<<

>>Ja. Überall blühen schon Krokusse und Tulpen. Das sieht wunderschön aus.<<

>>Hm.<< Paul hatte die Augen

geschlossen und er lächelte zufrieden.

>>Wie kommst du denn mit dem Buch voran? Hast du es schon übersetzt?<<

>>Ich bin fast fertig damit. Nächste Woche ist der Abgabetermin.<< Wanda streckte sich und nahm die Dose mit dem Pfefferminztee aus dem Regal.

>>Bist du mit Pfefferminztee einverstanden?<<

>>Ich trinke das, was du trinkst.<< Wanda lächelte ohne sich zu ihm umzudrehen.

>>Es gibt sicher aufregenderes, als ein Physikbuch zu übersetzen, oder?<< Der Wasserkessel fing an zu pfeifen. Sie nahm ihn vom Herd und goss das heiße Wasser in die Tassen. Er beobachtete sie.

Ihre Bewegungen hatten beinahe etwas Anziehendes. Er ertappte sich dabei, wie er auf ihre Hüften starrte. Wanda trug eine schwarze Stoffhose und eine hellgrüne Bluse. Beides betonte die Figur. Paul war verwirrt und musste sich eingestehen, dass er sie auf einmal, mit ganz anderen Augen sah. Oder bildete er sich das nur ein? Machte er sich im Grunde, nur etwas vor? Er beruhigte sich selber, mit dem Gedanken, dass er einfach nur verwirrt war, weil sie sich so lange nicht gesehen hatten und sie sich verändert hatte. Sie war kein kleines Mädchen mehr, sondern eine Frau. Er musste sich wahrscheinlich, erst noch daran gewöhnen. Genau, das

war´s.  

>>Allerdings.<<

>>Wie sieht denn die Auftragslage momentan aus?<< Paul kehrte in die Realität zurück.

>>Na ja, die Auftragslage für das Übersetzen von Romanen ist momentan etwas schwierig, deshalb übersetze ich jetzt auch Sachbücher.<<

>>Aha.<< Sie drehte sich zu ihm herum. Er stand direkt hinter hier. Wanda erschrak ein wenig.  

>>Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.<< Wandas Augen blitzten auf und sie stemmte augenblicklich die Hände in die Hüften. Paul sah sie zunächst überrascht und dann

schmunzelnd an.

>>Also wirklich. Ich wäre vor Schreck beinahe umgefallen, grinste sie.<<

>>Dann hätte ich dich aufgefangen.<<

>>Wirklich?<<

>>Aber natürlich, grinste er.<< Sie setzten sich mit der Teetasse an den Tisch. Es folgte Stille und sie genossen sie beide. Sie verstanden sich auch ohne Worte. Wanda nahm einen Schluck von ihrem Tee. Sie fing an, an einer Haarsträhne zu spielen und sah dabei kurz aus dem Fenster. Ein Schmetterling flatterte, mit heftigem Flügelschlag, vor der Fensterscheibe umher und ließ sich schließlich auf dem Blumenkübel nieder. Paul beobachtete sie. Als sie sich wieder

umdrehte, wandte er seinen Blick rasch ab und nahm einen Schluck von seinem Tee. Plötzlich ging die Küchentür auf und Elisabeth trat herein.    

>>Warum sitzt ihr denn hier in der Küche? Kommt doch zu uns in den Salon, donnerte sie.<< Sie war beleidigt, das Wanda sich hier in die Küche verzog und auch noch Paul mit einspannte. Er hatte sicher keine Lust, hier in der Küche zu sitzen.

>>Wir haben Tee getrunken, so wie früher.<<

>>Wieso, wie früher?<< Elisabeth verstand nicht.

>>Wir haben früher, oft in der Küche gesessen und Tee getrunken, erklärte

Paul.<<

>>Aha.<< Elisabeth hatte keine Ahnung davon und zeigte sich überrascht.

>>Na ja, was auch immer, sprach sie abfällig. Es wäre schön Kind, wenn du uns auch noch ein wenig Aufmerksamkeit entgegenbringen würdest, sprach sie vorwurfsvoll und mit unterkühlter Stimme. Wir haben uns lange nicht gesehen.<<

>>Aber natürlich, lächelte sie gespielt.<< Paul musste sich ein grinsen verkneifen. Sie waren es doch, die kaum Interesse an ihrer Tochter zeigten und jetzt machten sie das Desinteresse ihrer Tochter zu ihrer Familie, ihr zum Vorwurf. Paul war wirklich fassungslos,

aber in dieser Familie, wunderte ihn gar nichts mehr. Nachdem Elisabeth die Küche verlassen hatte, grinsten sich Paul und Wanda einfach nur an. Wanda trat näher an Paul heran.

>>Komm, lass uns in den Salon gehen. Nicht das sie noch eingehen, vor unerfüllter Aufmerksamkeit. Das könnte ich nicht ertragen. Ehrlich.<< Paul musste lachen und es war ihm egal, ob Elisabeth noch etwas davon mitbekam.

  

Luisa und Wanda liefen nach draußen, in den Garten und steuerten direkt auf das Erdbeerfeld zu. Die Erdbeersträucher hingen voller reifer Früchte. Sie hockten

sich vor die Pflanzen und pflückten die süßen und reifen Früchte schließlich von den Pflanzen. Sie aßen sie direkt vom Strauch.

>>Hm, lecker<<, sprach Wanda mit vollem Mund. Sie schlang die Erdbeeren nur so hinunter. So lange, hatte sie darauf verzichten müssen. Sie nahm sich eine weitere Erdbeere und schob sie gierig in den Mund.

Luisa steckte sich ebenso eine nach der anderen in den Mund und fing an laut zu schmatzten.

>>Hm, lecker<<, sprach sie genüsslich. Während sie von den Erdbeeren naschten, unterhielten sie sich, lachten und scherzten miteinander. Luisa war

glücklich, das Wanda wieder hier war. Sie hatte sie furchtbar vermisst. Ohne sie, hatte sie sich sehr allein gefühlt. Die Verandatür wurde geöffnet.  

Elisabeth trat auf die Veranda, nachdem sie die beiden im Erdbeerfeld herum kriechen sah. Sie gestikulierte wild mit den Händen, um ihrer Rede, noch mehr Ausdruck zu verleihen.

>>Was soll das? Aber sofort raus da. Ich brauche die Erdbeeren für den Kuchen<<, rief sie ihnen streng entgegen.

Luisa und Wanda fuhren erschrocken zusammen und verließen schließlich das Feld.   

>>Es hängen doch noch genug Früchte an

den Sträuchern<<, meinte Wanda.

>>Ich wollte auch noch Kompott machen<<, meinte sie des weiteren. Elisabeth konnte einem wirklich jegliche Freude nehmen. Nicht einmal von den Erdbeersträuchern durften sie naschen, dabei liebten sie Erdbeeren. Elisabeth schaute den beiden lange nach und etwas in ihr wurde immer schwerer und schien sie zu erdrücken. Sie wusste was es war, aber sie schob diesen Gedanken, dieses Gefühl von sich, denn sie wollte sich nicht daran erinnern. Es sollte der Vergangenheit angehören, doch es gelang ihr nicht diese Tatasache abzuschließen und Frieden zu finden.

 

Elisabeth machte Hackbraten an diesem Abend. Die Familie saß im Salon am Esstisch.

Luisa warf, gerade damit beschäftigt, das zähe Fleisch zu zerschneiden, ein Glas um. Paul und Wanda blickten sie amüsiert an. Es sah lustig aus. Der Inhalt in ihrem Glas, lief in die Schüssel mit dem Gemüse.

Elisabeths Miene wurde schlagartig ernst und sie fing an loszuschimpfen.

>>Pass doch auf Luisa, herrschte Elisabeth sie an.<< Paul und Wanda fuhren erschrocken zusammen. Luisa saß wie vom Donner gerührt, still auf ihrem Stuhl und regte sich nicht. Paul und Wanda blickten Luisa mitfühlend an, die

den Tränen nahe war.

>>Vielleicht sollte Luisa besser in der Küche essen, wenn sie nicht weiß wie man sich hier benimmt<<, meinte Helena. Paul sah wütend zu seine Frau.

>>Was denn? stimmt doch<<, war sie der festen Ãœberzeugung.

>>Sie hat es doch nicht mit Absicht gemacht<<, mischte Paul sich ein.

>>Trotzdem, tönte Elisabeth.<<

>>Jetzt können wir das Gemüse wegschütten<<, so Sophia.

>>Es ist doch bloß Gemüse<<, schaltete Wanda sich jetzt auch ein.

>>Was mischst du dich denn da ein<<, kam es bissig von Sophia.

>>Jetzt hört endlich auf<<, brummte

Richard. Seine dünne Stimme ging völlig unter.

>>Bloß Gemüse?<<, keifte Elisabeth. Sie war entsetzt und fühlte sich getreten.

>>Ja. Sie hat es doch nicht mit Absicht gemacht. Warum seit ihr so streng?<<, fuhr Wanda fort.

>>Wir sind so streng zu ihr, wie sie es verdient<<, sprach Elisabeth finster.

>>Nein, das hat sie nicht verdient<<, so Wanda. Es war ihr egal, ob sie es auf die Spitze trieb. Sie waren zu streng, zu Luisa gewesen. So etwas konnte doch jedem mal passieren. Sie konnte nicht verstehen, wie man deshalb, so einen Aufstand machen konnte.

>>Wie bitte?<<, krakelte Elisabeth. Die

Stimmung war dahin.

>>Als ob du das beurteilen könntest<<, meinte Helena bissig.

>>Und du kannst es beurteilen?<<, meinte Paul zu seiner Frau.

>>Bist du etwa auf ihrer Seite?<< Helenas Kopf war dunkelrot.

>>Was soll denn das? Das ist doch albern<<, so Wanda. Luisa fing an zu schluchzen.

>>Jetzt hört endlich auf, schrie Wanda.<< Sie stand ruckartig vom Stuhl auf und lief um den Tisch herum, zu Luisa. Sie nahm sie in den Arm und Luisa vergrub ihr Gesicht in ihren Haaren. Paul stand ebenso auf und trat zu Luisa.

>>War ja klar, das du auf ihrer Seite bist<<, so Helena.

>>Ich bin einfach nur der selben Meinung, wie sie.<<

>>Wunderbar<<, sprach Helena beleidigt. Wanda fühlte sich elendig.

>>Mir ist der Appetit vergangen, so Richard.<< Er stand auf und lief ins Wohnzimmer. Helena, Sophia und Elisabeth folgten ihm. Der Abend war gelaufen.

 

kapitel 4

Pferchtal, 2001


Wanda eilte, nachdem sie den Brief öffnete und die Zeilen hastig überflog, zum Telefon und rief Paul an. Dieser saß gerade vor dem Computer und tippte eifrig im Zweifingersystem auf die Tasten. Als es klingelte, hielt er inne und lief zum Telefon.

>>Hier bei Berger, ja bitte?<<

>>Ich bin es. Wanda, sprach sie mit bebender Stimme.<< Ihr Herz klopfte vor Aufregung.

>>Ich hab das Stipendium in Leipzig bekommen.<<

>>Oh Wanda, das ist ja wundervoll. Ich freu mich so für dich.<< Paul hatte sich auf der Sitzbank im Flur gesetzt.

>>Ich kann es noch gar nicht fassen. Ich glaube ich werde es erst später so richtig realisieren können.<<

>>Das glaub ich. Ach Wanda, das ist so wundervoll. Ich hab dir ganz fest die Daumen gedrückt.<<

>>Es hat geholfen. Danke.<<

>>Der Ruf der Leipziger Universität soll ja außerordentlich gut sein.<<

>>Ja. Ich bin froh, dass ich dort studieren darf.<<

>>Wann beginnt denn das Semester?<<

>>Im Sommer. Also in wenigen Monaten. Ich muss mir deshalb so

schnell wie möglich eine Wohnung suchen, damit ich eine Unterkunft habe, wenn ich dort anfange.<<

>>Ja. Ich kann mich ja mal im Internet nach einer Wohnung umsehen.<<

>>Das würdest du tun?<<

>>Aber natürlich.<<

>>Ich werde mit Helena heute Abend bei euch vorbeikommen. Das muss gefeiert werden. Ich bringe eine Flasche Sekt mit.<<

>>Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr kommt.<<

>>Aber natürlich.<<

>>Also bis heute Abend dann, ja?<<

>>Ja. Bis dann.<< Sie legten auf. Wanda war immer noch ganz aus dem Häuschen.

Sie fing an durch das Wohnzimmer zu tanzen und wirbelte herum. Sie war glücklich. Sophia kam die Treppe hinunter und lief ins Wohnzimmer. Ihre hohen Schuhe klapperten auf dem Laminatboden. Wanda bemerkte sie nicht. Sie tanzte immer noch.

>>Was ist denn mit dir los?<< Sie blieb an die Tür gelehnt stehen und schüttelte verständnislos mit dem Kopf. >>Wie kann man sich nur so albern benehmen.<< Wanda erschrak. Die Stimme ihrer Schwester traf sie unangenehm im Nacken. Sie wandte sich zu Sophia um.

>>Ich habe ein Stipendium in Leipzig bekommen.<<

>>Aha.<< Aha? Mehr hatte sie dazu nicht zu sagen?

>>Musst du dich deshalb so albern aufführen?<<

>>Ich finde es nicht albern. Ich hab mich gefreut und hatte Lust zu tanzen.<<

>>Hm. Jeder wie er es braucht. So, ich muss los. Ich hab gleich eine Verabredung mit einem ziemlich gutaussehenden Typen. Ihre Augen funkelten und ein süffisantes Lächeln umspielte ihre Lippen. Bis dann, verabschiedete sie sich und schon war sie auch verschwunden.<< Die Tür sprang auf und als sie das Haus verließ, kamen ihr Elisabeth und Luisa entgegen. Elisabeth hatte Luisa gerade von der

Schule abgeholt.

>>Du hast es aber eilig, Kind.<< Sophia stolperte über die Stufen vor dem Hauseingang. Sie hatte sich gerade noch aufrecht halten können. Sie erschrak furchtbar.

>>Ja, ich hab eine Verabredung<<, sprach sie atemlos.

>>Oh, na dann viel Spaß.<< Sophia stieg in ihr Auto und fuhr davon. Sie hinterließ eine riesige Staubwolke.

>>Aber sie hat mir doch versprochen, dass wir was spielen, murmelte Luisa enttäuscht vor sich hin.<< Elisabeth hörte es nicht. Sie lief mit Luisa ins Haus. Wanda kam ihnen entgegen.

>>Ich hab das Stipendium in Leipzig

bekommen, Mutter.<<

>>Ach wirklich<<, kam es bissig. Elisabeth wandte sich zu ihrer Tochter um und ihr Blick verfinsterte sich. Wanda kam sich töricht vor, weil sie glaubte, dass ihre Mutter sich für sie freuen würde.

>>Ja.<<

>>Na dann, herzlichen Glückwunsch<<, sprach sie abfällig. Elisabeth verschwand in die Küche.  

>>Spielst du mit mir Wanda?<< Luisa schaute mit lächelnden Augen, zu Wanda hinauf. Mit ihren blonden Locken, sah sie aus wie ein Engel.     

>>Hast du denn schon deine Hausaufgaben gemacht?<<

>>Ja.<<  

>>Gut. Dann können wir etwas spielen.<< Luisa freute sich, fing an zu tanzen und wirbelte herum. Wanda lächelte. Luisa musste es sich bei ihr abgeschaut haben. Während sie die Treppen nach oben stiegen, trat Elisabeth aus der Küche, darauf wartend dass der Wasserkessel anfing zu pfeifen und blickte zur Treppe hinauf. Sie zog ihre Stirn in Falten und ihr Blick verfinsterte sich. Später am Abend, kamen Helena und Paul vorbei um auf das Stipendium von Wanda anzustoßen. Paul war der Einzige, der sich für sie freute. Die anderen zeigten sich weniger enthusiastisch und standen einfach nur

reglos da. Hin und wieder lächelten sie, doch Wanda wusste, dass es keine ehrlich gemeinte Freude war. Doch es war ihr egal, was sie dachten. Paul und ihre bereits verstorbene Oma standen hinter sie. Sie hatten sie ermutigt ihren Weg zu gehen, egal was andere darüber denken würden. Später am Abend fuhren Helena und Paul wieder nach Hause.     

Am nächsten Tag, holte Wanda, Luisa von der Schule ab und nach dem sie etwas zusammen gespielt hatten, half Wanda ihr bei den Hausaufgaben. Elisabeth war im Wohnzimmer und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Der Himmel war mit riesigen

Wolkendecken behangen. Die kraftvollen Strahlen der Sonne, drangen durch die dicken Wolkendecken, die jedoch ihre liebe Mühe dabei hatten, es aber dennoch hin und wieder erfolgreich schafften. Elisabeth musste, nachdem die Sonnenstrahlen sie erfassten, blinzeln und nahm ihren Blick von der Sonne. Ihre Haltung war angespannt und ihre Stirn lag in Falten. Sie verstärkte den Griff, um ihre Tasse, die sie die ganze Zeit krampfhaft in der Hand hielt. Alles, kam wieder in ihr hoch. Sie wollte damals so gerne Journalistin werden. Es war ihr Traum. Ihr Traum und sie konnte ihn nie leben. Es machte sie wütend, dass Wanda, auch

Journalistin werden wollte. Sie hatte denselben Traum, wie sie damals. Nur sie konnte ihn leben. Dies war der entscheidende Punkt. In zwei Monaten würde sie in Leipzig ihr Studium beginnen. Sie ärgerte sich, dass sie ein Stipendium erhalten hat.  Als sie davon erfuhr, stieg Wut, Neid und Eifersucht in ihr auf. Sie gönnte es ihr nicht. Sie wollte nicht, dass sie ihren Traum lebte, während sie ihn begraben musste. Sie trank ihren Kaffee, der inzwischen kalt geworden war, aus und verzog dabei das Gesicht. So wie er schmeckte, fühlte sie sich auch.  

 

Pferchtal, 2006


>>Pfefferminztee?<<, rief Paul über den Flur hinweg.

>>Ich trinke das was du trinkst<<, meinte sie. Paul lächelte. Während er Teewasser aufsetzte, öffnete Wanda das Fenster im Wohnzimmer. Es war ein herrlicher Sommertag. Die Sonne schien hell vom Himmel herab und brachte die Blumen im Garten, zum Leuchten. Die Kinder der Nachbarn planschten im Schwimmbecken und quiekten vergnügt. Wanda lächelte. Paul kam mit zwei Tassen in der Hand, wieder zurück ins Wohnzimmer.  Er hörte die Kinder lachen und keifen.

>>Die Kinder haben viel Spaß<<, meinte

er. Sie setzten sich auf das Sofa und Paul reichte ihr eine Tasse.

>>Ja. Im Wasser zu plantschen ist etwas wunderbares<<, meinte sie lächelnd.

>>Ich weiß noch, als ich klein war, da wollte ich jeden Tag im Schwimmbecken planschen. Ich war oft stundenlang im Wasser, bis meine Lippen schon ganz blau waren. Ich wollte nie raus aus dem Wasser.<<

>>Das glaub ich. Ich kann mir das auch richtig gut vorstellen, wie du als kleiner Lausbub, wild im Becken mit dem Wasser umher gespritzt und alle anderen nass gemacht hast.<< >>Was? Lausbub? Ich war kein Lausbub. Ich war immer ganz lieb und brav.<<

>>Das soll ich dir glauben? Du hast bestimmt auch jede Menge Streiche gespielt, oder?<<

>>Kann sein, grinste er.<< Sie stieß ihn in die Rippen. >>Ah.<< Er zuckte zusammen und grinste.

>>Ich wusste es.<<

>>Das gehört dazu. Ich meine, ich bin deshalb ja nicht missraten oder?<<

>>Nein, das stimmt. Ich finde, das du ganz gelungen bist<<, meinte sie mit hochgezogener Augenbraue.

>>Vielen Dank. Ich gebe das gerne zurück, liebe Schwägerin.<<

>>Vielen Dank, lieber Schwager<<, grinste sie. Es folgte eine angenehme Stille. Paul trank einen Schluck von

seinem Tee.  

>>Es tut mir leid, das der Abend so aus dem Ruder gelaufen ist<<, entschuldigte sie sich. Paul sah sie direkt an.

>>Aber dafür kannst du doch nichts. Es war richtig, was du getan hast. Du hast Luisa in Schutz genommen, völlig zu Recht<<, meinte er aufrichtig. Wanda lächelte zaghaft.

Sie unterhielten sich noch lange und waren sich so vertraut, wie früher. Paul stellte seine Tasse auf dem Tisch ab. Er sah zu Wanda, berührte ihre Hand und lächelte sie an.

>>Du bist wieder da.<< Seine Augen leuchteten.

>>Ja<<, lächelte sie.    

>>Ich hab dich vermisst.<< Er berührte ihre Wange, so zärtlich und liebevoll. Wanda bekam Herzklopfen.

>>Ich dich auch.<< Es folgte Stille.

>>Ich meine wir haben zwar viel telefoniert, aber mir hat die Nähe gefehlt. Verstehst du was ich meine?<< Wanda nickte. Sie fürchtete, dass ihre Stimme sie verraten hätte. Sie unterhielten sich noch eine Weile, bis Wanda schließlich nach Hause fuhr. Es dauerte nicht lang und Helena kam zur Tür hereingeschneit. Paul saß auf dem Sofa und sah fern. Helena trat ins Wohnzimmer und sprang mit einem Satz, auf seinen Schoß.

>>Oh.<< Paul war überrascht, über ihr

stürmisches Auftreten.

>>Hallo, Schatz.<<

>>Hallo.<< Sie küsste seinen Hals und kraulte sein Haar. Helena knöpfte sein Hemd auf und sah ihn mit gierigen Augen an.   

Pferchtal, 2001

Wanda warf einen Blick ins Wohnzimmer. Ihre Mutter stand vor dem Bügelbrett. Auf dem Sofa lag ein Stapel, frisch gewaschener Wäsche.

>>Mutter?<<

>>Hm.<<

>>Hast du Zeit? Ich möchte gerne mit dir, über etwas reden.<< Sie trat näher an

ihrer Mutter heran.

>>Was gibts denn?<< Ihre Stimme klang genervt. Wanda atmete einmal tief durch.

>>Du wolltest früher auch mal Journalistin werden?<<

>>Wer hat dir das erzählt?<<

>>Paul. Helena hat ihm davon erzählt.<< Elisabeth stieß hörbar die Luft aus.

>>Ja, es stimmt. Und?<< Sie verstärkte den Griff, um das Bügeleisen.

>>Na ja, ich hatte immer das Gefühl, das es dir nicht recht ist, das ich Journalistin werden will. Ich meine, kann es sein, das du nicht wolltest, das ich Journalistin werde, weil du deinen Traum damals begraben musstest?<<

>>Was bildest du dir eigentlich ein? Mir so etwas zu unterstellen.>> Wanda sah sie betreten an.

>>Ich möchte einfach nur gerne wissen, warum du dich so distanziert und abweisend mir gegenüber verhältst.<<

Elisabeth blieb stumm. >>Das verletzt mich<<, murmelte Wanda.

>>Ich kann nicht fassen, das du mir so eine Szene hier machst. Du unterstellst mir Dinge, die gar nicht existieren<<, donnerte sie. So wie Elisabeth aussah, schien sie am liebsten, mit dem Bügeleisen auf sie losgehen zu wollen. Wanda trat augenblicklich einen Schritt zurück.  

>>Dann bilde ich mir das nur ein, das ich

das Gefühl habe, das du eifersüchtig bist, weil ich studiert habe?<<

>>So ist es. Warum sollte ich eifersüchtig sein? So toll ist der Job nun auch wieder nicht<<, lachte sie schrill. Sie wusste, dass ihre Mutter es nicht so meinte.

>>Ich will nicht darüber reden und jetzt lass mich in Ruhe. Das Gespräch ist beendet.<<

>>Aber...<<

>>Nichts aber. Ich habe genug. Ich will nie wieder etwas darüber hören. Verstanden?<< Elisabeths Kopf war hochrot.

>>Ja<<, sprach sie geknickt. Sie ließ ihre Mutter allein zurück.

>>Das sind doch Hirngespinste. Einfach lächerlich<<, murmelte Elisabeth vor sich hin. Wanda lief nach draußen und machte einen Spaziergang. Sie musste jetzt einfach an die frische Luft. Sie lief gedankenverloren den Kiesweg entlang und kämpfte mit den Tränen.

Pferchtal, 2006

Wanda fuhr am nächsten Tag, nach Saarbrücken, um sich mit ihrer Freundin Jennifer zu treffen. Sie parkte ihr Auto, in der Nähe des Marktplatzes und lief in das Caféhaus am Marktplatz. Jennifer wartete bereits vor dem Café auf sie. Als sie ihre Freundin, sah, winkte sie ihr

freudestrahlend entgegen. Sie rannten aufeinander zu und umarmten sich stürmisch. Die Leute, sahen sie verwundert an.

>>O Wanda. Ich hab dich so vermisst. Wie geht es dir?<< Jennifer gab ihr einen Kuss auf die Wange.

>>Mir gehts gut. So wie du strahlst, gehts dir wohl auch gut.<<

>>Es liegt an dir. Ich hab dich endlich wieder.<<

>>Ja<<, lachte sie. Sie lösten sich wieder voneinander.

>>Du siehst fanstatisch aus, nur mal so bemerkt.<<

>>Das gebe ich gerne zurück.<< Jennifer hatte jetzt kurze Haare und sie

waren dunkelbraun gefärbt. Es stand ihr.

>>Wie schön, dass du nicht mehr blond bist.<<, grinste sie.

>>Ich kann nichts dafür, blond ist nun mal meine Naturhaarfarbe.<<

>>Ich weiß, aber bei mir zu Hause, sind auch schon alle blond. Eine andere Farbe zu sehen, ist mal ganz nett.<<

>>Ja, ich verstehe was du meinst. Ich hatte dieses blond einfach über und dachte mir, das es langsam Zeit wird, für eine kleine Typveränderung.<<

>>Also, ich finde, das dir braun sehr gut steht.<<

>>Danke. Komm, lass uns ins Café gehen, bevor wir keinen Tisch mehr abbekommen.<<

>>Du hast Recht.<< Sie liefen gemeinsam ins Café Kuhn. Sie redeten und lachten und bemerkten nicht wie schnell die Zeit verging. Der Himmel verdunkelte sich bereits. Anschließend bummelten sie, mit eingehakten Armen, die Gassen entlang und holten sich später noch einen leckeren Crepe mit Puderzucker.   

Eine Woche später, rief Elisabeth bei Helena und Paul an. Sie hatte die beiden zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Da sie nichts weiter vorhatten, nahmen sie die Einladung an. Nachdem Helena geduscht hatte, zog sie sich eine schicke schwarze Hose an und dazu eine

zweifarbige Bluse mit grünen und schwarzen Streifen.

Helena saß gerade vor dem Kosmetikspiegel im Schlafzimmer und puderte sich das Gesicht, während sich Paul im Bad rasierte. Nachdem Helena mit dem Make-up fertig war, tat sie einige Spritzer vom Parfum an den Hals und auf das Handgelenk. Etwa eine halbe Stunde später hatten sie die Wohnung verlassen. Sie stiegen in das Auto und Paul startete den Motor. Helena hatte die Sonnenblende herunter geklappt und überprüfte ihr Make-up.

Nach etwa fünfzehn Minuten waren sie dort. Sie klingelten und Elisabeth ließ sie mit einem Lächeln eintreten.

>>Das Wetter ist herrlich heute. Ich habe im Sommerhaus, schon alles angerichtet.<<

>>Wie schön<<, so Helena. Richard, Luisa und Wanda saßen bereits am Tisch. Der Ausblick auf den Garten war wunderschön. Inmitten der vielen Blumen tanzten Schmetterlinge und eine Horde Spatzen tummelte sich auf der Wiese. Die Sonne schien hell und freundlich. Helena und Paul betraten nun das Sommerhaus und setzten sich an den Tisch. Paul konnte einen momentlang, nicht die Augen von Wanda nehmen. Sie trug ein kurzen geblümtes Sommerkleid, ohne Träger. Sie sah toll darin aus. Noch bevor es auffallen

konnte, wandte er seine Augen wieder von ihr ab. Sophia war mit einer Freundin verabredet und deshalb nicht anwesend.  

Elisabeth hatte eine Erdbeertorte gemacht, die mit den Erdbeeren aus dem Garten, immer besonders gut schmeckte. Während sie von dem Kuchen aßen, unterhielten sie sich nebenbei, wobei Helena und Elisabeth am meisten redeten.

Nach dem Kaffee trinken, lief Wanda in die Küche. Paul folgte ihr kurz darauf. Helena unterhielt sich gerade mit Elisabeth, wobei es um die neuesten Modetrends ging und Richard telefonierte. Luisa bekam Besuch von

ihrer Freundin Lucy und sie verschwanden in ihr Zimmer. Paul lief über die gemusterten Fliesen des Fußbodens und betrat die Küche. Sie lächelten sich an. Paul setzte sich wortlos an den Küchentisch. Er wirkte sehr nachdenklich. Der Wasserkessel fing an zu pfeifen.

Wanda nahm ihn vom Herd und goss das heiße Wasser in die Teetassen. In beide Tassen tat sie jeweils zwei Zuckerstückchen. Sie nahm die Tassen und setzte sich zu Paul an den Küchentisch.

Sie hörten Elisabeth und Helena reden.   

>>Hast du schon eine Antwort von den Redaktionen erhalten?<<, unterbrach

Paul die Stimme.

>>Nein. Ich habe noch keine Antwort erhalten.<< Wanda hatte sich bei der Hamburger und Berliner Morgenpost beworben, sowie bei der Hildesheimer und Saarbrücker Zeitung. Dies waren die Redaktionen, die eine freie Stelle zu vergeben hatten.

>>Es wäre schön, wenn du bei der Saarbrücker Zeitung anfangen könntest.<< Paul hoffte es so sehr. Er wollte das sie hier blieb und nicht wieder fort ging. Sie würden sich nur selten sehen und dies könnte er nicht ertragen. Ihm würden die Gespräche und die Nähe zu ihr fehlen.

>>Ja, das wäre wirklich schön.<< Sie

trank einen Schluck von ihrem Tee.

>>Du hättest deine Familie um dich herum<<, meinte Paul

>>Ja.<< Paul nippte an seinen Tee. Es folgte Stille und sie genossen es beide.

>>Hast du schon mit ihr geredet?<<, wollte Paul wissen.

>>Ja. Sie fiel aus allen Wolken, wie ich ihr nur unterstellen konnte, dass ich das Gefühl habe, das sie auf mich eifersüchtig ist. Sie wurde sehr wütend und hat gelacht.<<

>>Willst du es noch einmal versuchen?<<

>>Ich weiß nicht. Du hättest sie erleben sollen. Ihr Kopf war rot vor Zorn. Sie will nicht darüber reden. Ich soll, sie nie

wieder darauf ansprechen. Sie meinte nur, das ich mir das bloß einbilden würde.<<

>>O man. Das ging wohl voll in die Hose.<<

>>Kann man wohl sagen<<, sprach sie betrübt.

>>Das da etwas ist, zeigt ihre Reaktion. Sie reagiert sehr empfindlich auf dieses Thema.<<

>>Ja. Vielleicht spreche ich sie später noch einmal darauf an. Ich will das geklärt haben und endlich wissen, was los ist. Aber ich werde noch warten. Ich lasse sie erst einmal in Ruhe in den nächsten Wochen.<<

>>Ja.<< Die Sonne war bereits

untergegangen und tauchte den Himmel in ein wunderschönes blau.    

      

Der Himmel war dunkel und der Mond leuchtete am Himmel. Ein leichter Wind, ließ die Blätter an den Bäumen und Sträuchern tanzen. Paul legte seinen Arm um Helena.

>>Lass und wegfahren, Helena<<, schlug er vor.

>>Wohin denn?<<

>>Wir könnten doch am Sonntag einen Ausflug machen. Wir fahren nach Frankreich und machen dort auf einer Wiese Picknick. Wie hört sich das an?<<

>>Das hört sich gut an, aber deine Eltern

haben uns am Sonntag zu Kaffee und Kuchen eingeladen.<<

>>Ich weiß, aber wenn wir früh losfahren, dann sind wir bis zum Nachmittag wieder zurück.<<

>>Also gut.<< Helena sprühte zwar nicht vor Begeisterung, war aber immerhin einverstanden.

Paul küsste sie auf die Wange. Es wurde windiger. Helena begann zu frösteln.

>>Wir sollten nach Hause gehen. Es ist ziemlich kalt geworden<<, meinte Helena.

Paul zog seine Jacke aus und legte sie ihr über die Schulter. Sie lächelte.

Als sie wieder zu Hause waren, lief Paul in die Küche und stellte den

Wasserkocher an. Helena war ihm gefolgt.

>>Trinkst du auch einen Tee?<<, fragte Paul.

>>Nein. Ich trinke lieber einen Cappuccino.<<

>>Ist gut.<< Paul legte einen Beutel vom Pfefferminztee in seine Tasse und gab ein paar Teelöffel von dem Pulver in Helenas Tasse. Helena wandte sich ab und lief in den Flur. Sie stellte sich vor den Spiegel und kämmte sich ihr Haar. Anschließend puderte sie ihr Gesicht. Das Wasser begann zu kochen. Paul goss das heiße Wasser in die Tassen und lief damit ins Wohnzimmer. Helena saß auf dem Sofa und blätterte in einer

Modezeitschrift. Paul stellte die Tassen auf den Tisch. Helena legte die Zeitschrift beiseite.  

Sie unterhielten sich ein wenig, doch Helena schien mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein.         

>>Wir haben einen langen Spaziergang hinter uns und ich bin am Verhungern. Also, was möchtest du Essen?<<

>>Wie wäre es mit Pizza?<<, schlug Helena vor.

>>Ich werde mal nachschauen, ob wir noch eine im Tiefkühlfach haben.<< Paul lief in die Küche und sah nach.

>>Wir haben noch eine<<, rief er über den Flur hinweg.

>>Prima<<, rief Helena zurück.

Pferchtal, 2001


Wanda war sehr erleichtert, dass sie nun endlich eine Wohnung hatte. Sie freute sich, denn diese war schon komplett eingerichtet, mit Küche, Sofa, Tisch und Schrankwand. In zwei Wochen war es soweit. Dann würde sie nach Leipzig aufbrechen. Wand legte sich zu Bett, fest entschlossen, den Rat von Paul und ihrer Oma Hilda zu beherzigen.  Sie vermisste ihre Oma Hilda. Sie war immer so gut zu ihr und bei ihr konnte sie immer ihr Herz ausschütten. Sie erinnerte sich noch so gern an die Zeit zurück, wo ihre Oma noch lebte. Sie starb vor drei Jahren, an ihrem

schwachen Herz. Sie wurde vierundachtzig Jahre alt. Sie hatte ihr immer halt gegeben. Helena und Sophia hatten mit ihr damals nicht viel anfangen können. Helena war immer Sophias Vorbild gewesen. Sie hatte immer zu ihr aufgeschaut. Sie verbrachten sehr viel Zeit miteinander und betrachten Wanda damals wie einen  Eindringling, die sich zwischen ihnen drängen wollte. Helena und Sophia  wollten unter sich sein und nicht von ihrer kleinen Schwester permanent  belästigt werden. Wanda fühlte sich oft wie das dritte Rad am Wagen. Helena und Sophia hatten viele gemeinsame Interessen. Sie trafen sich mit Jungs,

kauften gemeinsam Kleider ein und schminkten sich gegenseitig. Wanda, die damals noch zu klein dafür war, schien immer außen vor zu sein. Sie konnten nichts mit ihr anfangen. Wanda war froh, als sie noch eine kleine Schwester bekam. Sie war zwar damals schon elf, als Luisa geboren wurde, aber sie freute sich riesig, auf ihr Schwesterchen. Sie wollte nicht, dass es Luisa genauso erging, wie ihr damals. Sie nahm sich Zeit für Luisa. Sie spielten, tanzten, lachten und tollten im Garten herum. Als Wanda älter wurde, schien das Interesse ihrer Schwestern zu wachsen. Sie wollten sie schminken, ihr die Haare machen, sie mitnehmen, wenn sie sich

mit ihren Freunden trafen. Doch Wanda wollte es nicht. Das Interesse kam ihr nicht ehrlich vor. Helena und Sophia lebten in einer Welt, mit der sie nichts zu tun haben wollte. Es war eine oberflächliche Welt. In diese wollte sie nie eintreten. Sie erinnerte sich an die Worte ihrer Oma, die oft zu ihr sagte, bewahre dir deinen guten Charakter, lasse dich nicht von einer Welt blenden, die da oberflächlich und vergänglich ist. Wichtig ist, wie es im Herzen aussieht. Es ist das Bescheidene und Einfache Leben, was glücklich macht.     

Das Studium finanzierte sie von dem Geld auf ihrem Konto.

Ihre Oma hatte ihr und auch ihren

anderen Enkelkindern früher regelmäßig Geld überwiesen. Dies sollte ihnen später einmal für ein Studium zur Verfügung stehen oder wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten würden. Während Wanda das Geld fürs Studium und die Wohnung gebrauchte, gaben es Helena und Sophia für Designerklamotten und teure Beautycremes aus. Mehrmals im Jahr ließen sie sich in einem Kosmetikstudio maniküren und pediküren.    

Es war früher Morgen, als sie sich auf den Weg nach Leipzig machten. Am Abend zuvor, hatten sie bereits die Kartons und Möbel in die Autos

verfrachtet. Wanda verabschiedete sich noch am Abend von Helena und Sophia.

Helena musste am nächsten Tag arbeiten und begleitete sie nicht nach Leipzig. Sophia war mit ihrem Freund verabredet. Elisabeth, Richard und Luisa fuhren voraus. Paul und Wanda fuhren hinter ihnen her. Es war halb sieben.

Als sie die Auffahrt hinunter fuhren, schaute Wanda in den Seitenspiegel, um sich ein letztes Mal das Haus anzuschauen, in dem sie aufgewachsen war.

>>Hast du was dagegen, wenn ich das Fenster ein wenig öffne?<<

>>Nein, überhaupt nicht. Mir kam die Idee auch schon. Am frühen Morgen ist

die Luft sehr angenehm, so frisch und klar.

>>Genau.<< Wanda kurbelte die Fensterscheibe bis zur Mitte hinunter. Wanda sog die klare Luft ein und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Vor ihnen lag eine fünfstündige Fahrt.

Sie waren gegen Mittag mit dem Vermieter verabredet, zur Schlüsselübergabe. Sie fuhren über flaches Land und kamen südöstlich, am Kohrener Land vorbei, einer hügeligen Region mit romantischen Dörfern und herrischen Burgen. Wanda und Paul betrachteten alles mit Staunen. Sie fuhren weiter über üppig bewachsene Mischwälder entlang der Elster und

Pleiße. Wanda schaute während der gesamten Fahrt aus dem Fenster und besah sich die Landschaft. Es dauerte nicht lang bis sie schließlich in der Innenstadt angekommen waren. Dank ihres Navigationssystems hatten sie das Ziel schnell und ohne Umwege erreicht. Sie kamen an Straßencafés vorbei und an die verhüllenden Planen zahlloser Baustellen. Die Stadt erschien dynamisch, reizvoll und sehr lebhaft. Es waren viele Leute unterwegs. Sie bogen zunächst in die Klostergasse ein, fuhren an der Petersstraße vorbei und bei der nächsten Biegung waren sie auch schon in der Schillerstraße angekommen. Sie parkten die Autos am Straßenrand.  

Am späten Abend machte Wanda etwas zu essen. Elisabeth und Richard fuhren wieder zurück nach Hause. Paul und Luisa blieben über Nacht. Sie wollten Wanda am nächsten Tag noch beim Einrichten helfen.

>>Wir werden dich vermissen, tönte Elisabeth.<< Wanda glaubte nicht daran. Sie umarmten sich und Wanda schloss die Tür hinter sich. Sie lief zu Paul und Luisa. Später am Abend, machten sie sich etwas zu Essen und tranken dazu einen Tee.

Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, richteten sie die Wohnung weiter ein. Als die Stunde des Abschieds nahte, machten die drei betrübte

Gesichter.

Wanda und Paul umarmten sich lange. Luisa warf sich noch einmal in Wandas Arme. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Haaren. Wanda streichelte ihr Haar und küsste sie.

>>Ich hab dich lieb.<< Ihre Stimme bebte.

>>Ich hab dich auch lieb>>, schluchzte Luisa. Wanda begleitete sie zum Auto. Sie umarmten sich ein letztes Mal, dann stiegen Paul und Luisa ins Auto.

Der Motor heulte auf und als sich das Auto langsam in Bewegung setzte, sah Wanda ihnen hinterher und winkte den beiden mit Tränen in den Augen. Luisa winkte durch die Fensterscheibe und Paul

durch das offene Seitenfenster.  Wanda blieb so lange stehen, bis das Auto nicht mehr zu sehen war.   

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Über den Autor

Kleene_Leni29

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Tintenklecks interessant, was zählt, ist nur ein Augenblick? Der Oberflächliche, der erhaschte, der in den Spiegel?
Deine Geschichte lässt viel Raum in ihr spazieren zu gehen und die Geheimnisse weiterzuspinnen. Danke, hat mir Freude bereitet
sagt der Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
Kleene_Leni29 Hallo. Ich bedanke mich für dein Feedback. Es freut mich, das dir meine Story gefällt. Es ist die Nähe eines Augenblicks zwischen zweier Menschen, die sich lieben aber die Umstände es nicht zulassen zusammen sein zu könnte. Es entsteht im Handlungsverlauf viel Drama, Verzweiflung, Hass und Sehnsucht. Liebe Grüße :-) Und vielen Dank fürs Lesen.
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