Kapitel VII,
Familie
Eine Träne fiel auf den weißen Fußboden.
Es war bereits spät geworden und die Sonne begann sich abzusetzen und ihrem Partner, dem Mond, den Himmel frei zu machen.
„Hier, bitteschön.“
Thomas hielt ihr ein Glas voll Wasser hin.
Sie blickte weiterhin starr auf den Fußboden. Wie hypnotisiert saß sie auf dieser Sitzbank vor dem Hendrix Museum und glotzte den Boden zwischen
ihren Füßen an. Thomas setzte sich mit dem Glas in der Hand neben sie auf die Bank. Er war ratlos. Er wusste einfach nicht wie er Miranda trösten konnte. Sie hatte immerhin das Raumschiff gesehen auf dem ihr eigener Vater vor fünf Jahren gestorben war.
Die Scarlet Dawn.
Dieses Schlachtschiff der Allianz hatte nicht ohne Grund einen Platz in einer Ausstellung für berühmte Raumschiffe erhalten.
Mirandas Vater war der Captain der Scarlet Dawn und das Schiff war in einen der ersten Kämpfe gegen die Karoner
verwickelt.
Damals, als man noch nicht genau wusste auf welchen Feind man trifft.
Die Flotte von Mirandas Vater stieß auf einen Hinterhalt bei der Verteidigung eines Planeten. Plötzlich waren die Menschen den Karonern zahlenmäßig unterlegen. Die einzige Fluchtmöglichkeit war durch den Hyperraum zu entkommen, doch die Scarlet Dawn hatte schwere Antriebsschäden. Der Hyperraumsprung war nicht mehr möglich. Mirandas Vater befahl den Rückzug und im selben Moment ließ er das Schlachtschiff evakuieren. Nur er und einige Freiwillige blieben zurück. Sie gaben
vollen Schub auf die Triebwerke und versuchten ein bestimmtes feindliches Schiff mit in den Untergang zu nehmen.
Das Flaggschiff des Feindes.
Wie durch ein Wunder hatte Mirandas Vater Erfolg und konnte das gegnerische Schiff vernichten.
Das Scharlachrote Opfer.
So nannte man diesen berühmten Vorfall. Der Scarlet Dawn war es nämlich somit gelungen den General der feindlichen Armee zu töten und der Vormarsch des Feindes wurde unterbrochen. Die Menschen hatten dank dieses Opfers ein halbes Jahr Zeit sich zu rüsten.
Doch für Miranda war es das schlimmste was ihr in ihrer Kindheit passiert ist. Als ihre beiden Brüder ins Militär gingen um in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten hatten sie dabei nur dem Feind ermöglicht Miranda weitere Familienmitglieder zu nehmen.
Immer wenn sie an ihren Vater erinnert wurde überkamen sie die Gefühle vergangener Zeiten wieder als der Admiral vor ihrer Tür stand und ihr erzählte, dass ihr Daddy nie mehr zurück kommen würde.
Thomas wusste nicht das dieses Schiff hier ausgestellt wurde. Er fühlte sich
schuldig sie hier her gebracht zu haben.
Er versuchte sie zu trösten und begann etwas zu flüstern: „Es tut mir Leid, Miranda. Ich wusste nicht, dass dieses Schiff...“
„Schon OK.“, unterbrach sie ihn mit zittriger Stimme.
„Kann ich … Irgendetwas tun um dir zu...“, wollte Thomas fragen, doch Miranda nahm ihm daraufhin das Glas mit dem Wasser aus der Hand und trank einige Male daraus.
Thomas sah ihr zu wie sie einen Schluck nach dem anderen nahm. Sie so traurig und verzweifelt zu sehen tat ihm weh. Sie trank das Glas aus und stellte es auf die Bank neben ihr.
Sie sah Thomas ins Gesicht und versuchte ihn anzulächeln, doch sie konnte ihre Trauer nicht überspielen. Thomas hatte solches Mitleid mit ihr. Er nahm sie in die Arme und drückte sie ganz fest an sich. Sie legte ihre Arme um seine Hüfte.
„Danke, dass du da bist.“, flüsterte Miranda leise in die Jacke von Thomas.
Er strich ihr über den Rücken.
„Willst du nach Hause, Miranda?“, fragte er sie mit beruhigender Stimme.
Sie nickte.
„Warte hier. Ich hole den Gleiter.“, antwortete Thomas und machte sich bereits auf den
Weg.
Miranda blickte zum Himmel hoch über dem Museum.
Die rote Abendsonne verwandelte die weißen Gebäude mit ihren Glasfassaden in ein sanftes Orange. Die tausenden von Fensterscheiben entlang jedes Hochhauses spiegelten das bunte Farbenspiel der Wolken wieder.
Miranda betrachtete einige der Wolken und versuchte dabei eine Form zu erkennen. Sie glaubte zu erkennen eine dieser Wolken sah aus wie eine Hand und musste dabei schmunzeln.
Sie hatte mit ihren Vater früher immer auf dem Dach des Hauses gelegen und die Wolken beobachtet.
Die Hand wurde zerfetzt. Ein Raumschiff flog hindurch.
Miranda sah wieder auf den Fußboden. Einige ihrer Tränen waren noch vor ihr zu erkennen.
Sie hörte den Gleiter neben ihr halten.
„Miranda!“, schrie Thomas sie plötzlich an.
Erschrocken fuhr sie herum und blickte ihn an. Er deutete Richtung Himmel und Miranda erkannte sofort was er sah.
Das Raumschiff welches dieses Wolke durchflog war nicht allein. Sie erkannte bereits auf den ersten Blick mindestens zehn Stück. Diese rot schimmernden
Raumschiffe hatten einen steilen Senkflug und kamen bedrohlich schnell näher.
„Schnell! Steig ein!“, drängte Thomas sie. Miranda rannte zur Tür um einzusteigen. Eine Alarmsirene ertönte und man konnte nun überall Menschen schreien hören, die das Grauen über ihnen erkannten.
Thomas startete den den Reaktor und raste los. Auf den großen Straßen Valians herrschte bereits Chaos. Überall gab es Unfälle und Explosionen. Fahrzeuge rasten ohne Vorwarnung in einander und verwandelten sich in Feuerbälle. Thomas versuchte sich durch dieses Durcheinander zu schlängeln,
doch bereits nach diesen wenigen Minuten wurden sie schon zwei mal von anderen Flüchtigen gerammt. Vor ihnen fuhr ein gelbes Gefährt. Der Fahrer dieses Gleiters versuchte ebenfalls sein Möglichstes um sich durch dieses Chaos zu steuern, doch von einem Moment auf dem anderen war er mit einem anderen Fahrzeug zusammen gekracht. Beide Gleiter überschlugen sich und um ein Haar hätte die Explosion Thomas und Miranda erwischt.
Sie konnten von Glück sagen, dass sie noch wohlauf waren. Wie lange hatten sie noch dieses Glück?
„Du musst sofort von der Straße runter!“, schrie Miranda
panisch.
„Ich Versuch´s ja schon! Ich Versuch´s!“, brüllte er gehetzt zurück. Er schlug den Steuerknüppel um und das Gefährt legte eine riskante Linkskurve hin.
Wie durch ein Wunder kamen sie lediglich mit einigen Schrammen von der Straße runter.
Die beiden atmeten tief durch. Angespannt sah Miranda zu ihrem Begleiter hinüber und bemerkte wie angespannt dieser den Steuerknüppel umklammerte.
„Wo hin jetzt?“, fragte Thomas und starrte dabei panisch aus dem
Sichtfenster.
Mirandas Augen weiteten sich plötzlich. Sie packte die Schulter ihres Freundes und flüsterte fast als sie sagte: „Wir müssen meine Mutter holen.“
„Orianna ist bestimmt schon auf dem Weg in einen der Notfallbunker unterhalb der Stadt. Wohin wir übrigens auch hinfahren sollten!“, betonte Thomas laut und deutlich.
Mirandas Hand krallte sich fester in die Schulter von Thomas.
Er sah sie verängstigt an und bemerkte erst jetzt ihr von Tränen überströmtes Gesicht. Voller Verzweiflung sah sie ihm in die Augen und jeder Muskel ihres Gesichtes bettelte darum, ihre Mutter zu
retten.
„Na gut.“, stimmte Thomas leise zu. Die besorgte Tochter lockerte ihre Hand und dankte ihm von ganzem Herzen.
„Aber schnall dich an! Wir haben es noch nicht geschafft. Noch lange nicht.“, befahl Thomas seiner Begleitung und lenkte den Gleiter auf eine Abzweigung zu.
Über ihnen spielte sich ein bedrohliches Szenario ab. Die feindlichen Raumschiffe kamen der Stadt nun immer näher. Riesige rote Spitzen reflektierten die letzten Sonnenstrahlen und kündeten nicht nur den Untergang des Sonne an.
Dies würde eine lange Nacht werden...