Kapitel VI,
Rettung
Der Truppentransporter näherte sich langsam seinem Ziel.
Die Schubdüsen unter den dunkelblauen Heckflügeln des Transporters schalteten sich aus. Das weiße Schiff trieb langsam weiter. Es hatte zwei Heckflügeln mit jeweils einer Schubdüse und einem Geschütz zur Verteidigung. Zwischen den Flügeln befand sich ein Zylinder ähnliches Raumschiff. An der vorderen Spitze zierte ein blauer Löwenkopf die Front des Schiffes. Die Augen und die
Stirn dieses Kopfes wurden durch ein Sichtfenster ausgetauscht, von wo aus die Piloten ihren Zielpunkt im Auge behielten.
Der Allianztransporter bremste sich mithilfe einiger Navigationshilfen unterhalb des Cockpits. Die linke Antriebsschubdüse und die vordere rechte Navigationshilfe gaben einige kurze Stöße von sich und das Menschenschiff begann sich langsam um die eigene Achse zu drehen. Als das Schiff sich um 180 Grad gedreht hatte bremste es wieder mithilfe einiger Navigationshilfen bis es zum Stillstand kam. Auf der Hinterseite des Raumschiffes befand sich eine blaue
quadratische Tür. Links und rechts davon erleuchteten Scheinwerfer das Ziel.
Die Tür wurde geöffnet. In vier Teile spaltete sich diese und ermöglichte nun einen Ein- und Ausstieg in den Truppentransporter der Allianz.
Ein Mensch mit einem blauen Raumanzug kam heraus. Er hatte einen ebenfalls blauen Rucksack am Rücken und einen Beutel um die Hüfte geschnallt. Er befestigte noch kurz eine Sicherungsleine an seinen Gürtel und stieß sich vom Transporter ab.
Einige Sekunden glitt er lautlos durchs Weltall bis er dann schließlich das Ziel erreichte.
Einen karonischen Bomber.
Das feindliche Schiff hatte einige heftige Beulen. Das hintere Viertel des Schiffes wurde abgerissen und somit fehlten die Antriebe des Schiffes. Zu dem war der Innenraum des Bombers offen und der Inhalt wurde überall im All verteilt.
Es gab jedoch noch eine Chance auf Überlebende.
Die Cockpits karonischer Schiffe wurden fast immer separat abgedichtet. Leider konnte der Mann im Raumanzug durch kein Fenster in den Cockpit des Schiffes sehen, denn karonische Schiffe
hatten so etwas nicht.
Ihre Cockpits wurden durch eine schwarze Panzerung verdeckt. Lediglich drei rot leuchtende Linien welche aussahen wie die Kiemen eines Haifischs unterbrachen diese Panzerung. Durch diese Kiemen und die technologischen Apparate die damit verbunden waren hatte der Pilot eine fast ebenso freie Sicht wie mit einem Sichtfenster.
Der Mann im Raumanzug befestigte einen Haken an den Rumpf des Bombers und sicherte dort seine Sicherungsleine. Er stieß sich nun vorsichtig weiter entlang des dunkelrot schimmernden Rumpfes und platzierte einen
Sicherungshaken nach dem anderen. Er glitt dem ehemals ovalen Rumpf des Schiffes entlang, schlüpfte zwischen den Spalt von zwei der insgesamt sechs Backbordflügel und erreichte schließlich die Öffnung des Bombers.
Genauer gesagt die Stelle an der das Schiff entzwei gerissen wurde. Der Mann befestigte noch einen Haken und zog sich an einigen herausragenden Stangen ins Innere. Hier wurden normalerweise Bomben und anderes explosives Frachtgut aufbewahrt, doch der Inhalt war schon längst verloren gegangen. Der Mann zog sich weiter ins Innere, bis er die Tür erreichte, welche den Cockpit verschloss.
Dort drinnen könnte sich der junge Soldat befinden, der die Amk´Moharr in die Luft jagte. Er hatte dieses Schlachtfeld zugunsten der Menschheit entschieden und dabei sein Leben aufs Spiel gesetzt. Seit nun fast einer Stunde durchsuchten Rettungskräfte überall um die zerfetzte Amk´Moharr herum Schiffe nach Überlebenden.
Dieser karonische Bomber zählte zu den wenigen letzten Schiffen die noch nicht durchsucht wurden.
Ein weiterer Sicherheitshaken wurde direkt neben der Tür befestigt. Der hoffnungsvolle Retter klopfte so fest er konnte einige Male gegen die Tür. Er
wartete auf eine Antwort.
Man wusste, dass der gesuchte Soldat keinen Helm mehr hatte und somit auch keine Möglichkeit im Weltall zu überleben. Das Cockpit also einfach so zu öffnen kam nicht in Frage.
Keine Antwort.
Er klopfte noch einmal einige Male gegen die Tür.
Vielleicht war er Bewusstlos? Am Armband des Raumanzuges befand sich eine kleine Tastatur. Einer der Tasten stellte eine Funkverbindung mit dem Transporter her.
„Keine Antwort. Ich versuche nun den
Raum abzudichten und den Cockpit zu öffnen.“, berichtete der Mann dem Piloten des Transportschiffes. Er legte seinen Rucksack ab und befestigte diesen ebenfalls an einer Leine. Langsam wurde der Reißverschluss des Rucksacks geöffnet. Vorsichtig holte der Mann ein dreieckiges Gerät heraus. Er verschloss den Rucksack wieder und drehte sich vorsichtig um. An einem Eck es Innenraums platzierte er das Gerät und eine gelbe Lampe leuchtete auf. Er drehte sich wieder zu seinem Rucksack um. Langsam zog er den Rucksack zu sich heran und holte nun ein weiteres Gerät heraus. Es war das selbe wie vorher. Ein dreieckiges Gerät mit einem
kleinen Knopf und drei Kontrollleuchten darüber. Dieses platzierte er nun in dem diagonal gegenüber liegenden Eck des Raums. Eine gelbe Lampe leuchtete auf. Die Rettungskraft hielt sich an einigen leeren Bombenhalterungen fest und drückte auf den kleinen Knopf in der Mitte des Geräts.
Ein bläulich leuchtendes Kraftfeld wurde zwischen den beiden Geräten erzeugt und teilte den Innenraum nun in zwei Bereiche. Die eine Seite von der der Mann hereingekommen war und welche ein riesiges Loch hatte.
Und die andere Seite zwischen dem Kraftfeld und der Cockpittür. Die beiden
Gerätschaften begannen nun zu zischen und Sauerstoff wurde in den Raum zwischen dem Kraftfeld und der Tür geblasen. Der Mann wurde ein klein wenig umher geschüttelt. Nach einigen Minuten beendeten die Geräte ihre Arbeit und die Kontrollleuchten zeigten nun grünes Licht.
Der Mann vom Allianz Transporter drehte sich nun zur Tür. Es war nicht sicher, was ihn jetzt im Cockpit erwarten würde. Immerhin könnten auch einige Karoner überlebt haben.
Er holte noch einmal tief Luft und legte einen Hebel rechts neben der Tür um.
Die Tür öffnete
sich.
Nichts.
„Der Bomber ist leer. Ich wiederhole, Hier ist Niemand. Ich komme wieder zurück.“, berichtete der Mann enttäuscht.
Er ließ den Sauerstoff wieder entweichen und packte die Geräte zurück in seinen Rucksack. Zog sich von Haken zu Haken und entfernte diese wieder Stück für Stück. Nachdem er den letzten Haken abmontiert hatte stieß er sich wieder in Richtung des
Truppentransporters.
Wieder an Bord des Schiffes setzte er seinen Helm ab und fragte neugierig: „Hatten die anderen Erfolg?“
Der Pilot des Schiffes sah im traurig in die Augen und schüttelte den Kopf. Er betätigte gleich darauf einen Schalter und stellte eine Funkverbindung zum Kommando her.
„Hier Lion 217, wir haben nichts gefunden.“
„Hier Kommandoschiff an 217. Bestätige. Begeben sie sich zurück zur Harmony und tanken sie erst einmal auf.“
„Roger, Kommandoschiff. Sind auf dem Weg. 217
Ende.“
Der Mann im Raumanzug saß sich enttäuscht auf einen der Sitze im hinteren Bereich des Schiffes und blickte starr aus einen der kleinen Sichtfenster an der Seite des Transporters.
So viele Trümmer.
Er konnte Teile von Menschenschiffen sehen und Teile von karonischen Schiffen. Dort draußen trieb alles wild umher. Munitionskisten, Schiffsteile, Waffen, Regale, Tische. Auch leblose Körper konnte man überall erkennen. Der Körper von Jimmy Baldon konnte jedoch weder mit einem Scan noch mit einem dutzend Rettungskräften gefunden
werden.
„Stop! Halt sofort an!“, schrie der Mann im Anzug plötzlich.
Der weiße Transporter legte eine Vollbremsung hin und nach einigen Sekunden rührte es sich kein Stück mehr.
„Was ist los?“, fragte der Pilot verwundert.
„Da, auf der Steuerbordseite in der Nähe von diesem zerstörtem Lion.“, erklärte der Mann hektisch.
Der Pilot schwenkte das Schiff und zeigte mit der Spitze nun genau auf das Wrack eines Allianztransporters.
„Und?“, wollte der Pilot nun etwas leicht genervt
wissen.
Der Mann kam zum Piloten und deutete auf etwas. In der ferne konnte der Pilot es sehen. Es war ein toter Karoner im Raumanzug. Auf dem zweiten Blick erkannte der Pilot, dass es doch nur der Raumanzug eines Karoners war, denn die Ärmel und Beine des Anzuges schlängelten ein wenig schwerelos umher.
„Was soll da sein?“, fragte der Pilot nun etwas gereizt.
„Ich glaube er hat sich bewegt.“, flüsterte der Mann schon fast.
„Du GLAUBST, dass sich dieser Anzug bewegt hat?“, wiederholte der Pilot lautstark. „Du lässt mich hier Anhalten
damit wir zusehen wie ein leerer Raumanzug dahin treibt? Es ist doch ganz Normal, dass der sich bewegt. Warum sollte er das auch ...“
„Flieg näher ran.“, unterbrach ihn der Mann mit einem ruhigem Ton.
Der Pilot sah ihm unglaubwürdig ins Gesicht. Er schnaufte laut und änderte den Kurs.
„Du erklärst dass dem Captain, nicht ich.“, forderte der Pilot. Der andere Mann jedoch hörte gar nicht mehr zu. Zu sehr war er fixiert auf diesen Raumanzug.
Das Schiff näherte sich bis auf fünf Meter diesem Anzug und stoppte. Beide
sahen aus dem Sichtfenster des Cockpits. Vor ihnen trieb ein karonischer Raumanzug. Es gab nichts besonderes zu erkennen. Er war orange, rot gefärbt und um einiges größer als ein Anzug der Menschen. Immerhin waren die Karoner ja auch ein, ein halb mal so groß wie Menschen.
Der Pilot sah seinem Begleiter verwirrt an.
„Es ist nur ein leerer Anzug, Kevin. Der bewegt sich manchmal.“, erklärte der Pilot dem Mann, der da saß mit seinem Raumanzug ohne Helm und aus dem Fenster starrt als hätte er einen Geist gesehen. Kevin betätigte einen Schalter und die Scheinwerfer des Transporters
schalteten sich ein.
„Flieg noch ein wenig näher ran.“, fragte der Mann konzentriert.
„Kevin. Da ist nichts.“
Kevin sah dem Piloten in die Augen. „Bitte.“, fragte Kevin und betonte dabei jede Silbe.
Wiedereinmal schnaufte der Pilot genervt und brachte das Schiff mithilfe der Navigationshilfen näher an den Anzug.
Nun konnte man langsam alle Einzelheiten des Anzuges erkennen. Er schien keinen Kratzer zu haben.
Kevin begann zu grinsen.
„Ich hol ihn rein. Sag du dem Kommando
Bescheid.“, sagte er und ging bereits zu seinem Helm. Der Pilot glotzte ihm erstaunt hinterher als er den Cockpit verließ. Er kniff seine Augen zusammen und versuchte herauszufinden, was Kevin sah und ihm verborgen blieb.
Kevin öffnete bereits die Tür und befestigte wieder eine Sicherungsleine als der Pilot endlich erkannte was sein Begleiter gesehen hatte.
Hinter dem Visier des karonischen Anzuges war ein menschliches Gesicht zu sehen.
Es war das Gesicht von Jimmy Baldon.