Herzklopfen III
Mit langsamen schleppenden Schritten stieg Britta die sechs Stufen zu ihrer kleinen Wohnung empor und schloss die Tür auf. Sie hängte die Jacke an den Kleiderhaken und ging zum Kühlschrank, wo sie noch eine geöffnete Flasche Wein wusste. Mit bebenden Händen goss sie sich rasch ein Glas Wein ein und kippte es hastig hinunter.
Eine Welt war für sie zusammen gebrochen. Wie schön hatte der Tag doch begonnen, und wie schön hätte er noch ausgehen können.
Aber sie war ja selber schuld. Wie hatte
sie sich so schnell blenden lassen können.
Hubert hatte sie pünktlich um 14.00 abgeholt, und sie mit einem zarten Küsschen begrüßt. So vertraut war er ihr schon in dieser kurzen Zeit geworden, dass sie es wie selbstverständlich hinnahm.
Er hakte sie ein und gemütlich schritten sie unter munterem Plaudern seiner Wohnung zu.
Die ganze Umgebung hier gefiel ihr ausnehmend gut. Viel Grün und sogar Blumenrabatte säumten die Straße. Die Wohnung großzügig mit vielen Bücher, was ihr natürlich sehr gefiel. Sie liebte Bücher über alle
Maßen.
Sehr geschmackvoll der Wohnraum mit angrenzendem Esszimmer. Alles sehr praktisch und ohne viel Schnickschnack . Hier fehlte doch die weibliche Hand, die alles etwas gemütlicher und schöner machte, wie er es augenzwinkernd sagte.
Und sie gefiel sich in dem Gedanken, hier zu wirken und mit ihm ihrer beider Reich zu gestalten.
Und als ob er ihre Gedanken erraten hatte, nahm er sie vorsichtig in den Arm
und fragte leise: „Könntest du dir vorstellen, mal hier mit mir zu leben?“
Eigentlich fand sie es etwas verfrüht, doch seine Nähe ließ sie erschauern und
sie blinzelte zu ihm hoch und flüsterte:“Wenn du es auch willst, ich würde es gerne versuchen“. Ein inniger Kuss besiegelte dieses Versprechen.
Das Kaffeetrinken zog sich bis zum Abendessen hin und auch hier hatte Hubert an alles gedacht. Anschließend kam noch die Idee für einen kleinen Verdauungsspaziergang. Er legte den Arm um sie , während seine Hand zärtlich ihre Schulter liebkoste.
Als sie an einem Sexshop vorbei kamen, funkelte er sie mit seinen großen braunen Augen belustigt an und fragte:“ Na, möchtest du hier irgend etwas kaufen?“ Doch es war solch eine Komik in dieser Situation, dass sie hell
auflachte. Bei jedem anderen hätte sie es als anzüglich empfunden, doch in diesem Moment war es einfach nur spaßig.
Überhaupt war alles, was er macht und sagte für sie wie ein wunderschöne Offenbarung. War es nun wirklich die große immer wieder besungene Liebe?
Sollte ihr das noch einmal beschieden sein?
Irgendwann hatten sie doch noch Appetit auf ein Gläschen Wein und sie beschlossen diesen bei Hubert zu trinken.
Kaum waren sie im Treppenhaus, ging eine Wohnungstür auf und der Kopf einer grell geschminkten ordinär
aussehenden Dame schaute hinaus , sah sie und Hubert an und machte eine unverschämte und unflätige Bemerkung, dass bei Britta keine Zweifel waren, dass Hubert diese Dame näher kannte.
Der ganze Zauber, der diesen Tag ausmachte, war für sie schlagartig dahin. Entsetzt sah sie ihn an.
In der Wohnung angekommen erklärte Hubert ihr, dass es nur seine Putzfrau wäre, die ihm hinterher laufen würde, und es keinen Grund zur Beunruhigung gäbe. Doch für Britta war dieser Abend gelaufen.
Mit verbissenem Gesicht bat sie ihn, sie wieder nach Hause zu bringen.
All seine Beteuerungen gingen ins Leere.
Was sollte für sie denn dieser Abend noch bringen!
Und nun saß sie unglücklich in ihrer Wohnung und überlegte, ob sie nicht doch sehr vorschnell gehandelt hatte. Aber nein! Die Worte dieser Dame waren so eindeutig „Zweideutig“ , dass für sie kein Zweifel blieb, diese Frau putzte nicht nur für ihn. Da war mehr im Spiel.
Leise schluchzte Britta vor sich hin und schenkte sich ihr Glas erneut voll.
Endlich hatte Morpheus ein Einsehen und umschlang sie gnädig. Sie schlief ein.
Ihr Schlaf war unruhig und
schweißgebadet erwachte sie am nächsten Morgen.
Zu allem Überfluss klingelte jetzt auch noch das Telefon. Ein Blick auf das Display verriet ihr, dass es Hubert war. Nein, noch war sie nicht in der Lage, mit ihm zu sprechen. Also ließ sie es klingeln. Als es aber gar nicht wieder aufhören wollte, drückte sie auf das Besetztzeichen und legte den Hörer beiseite.
Irgend etwas sollte sie jetzt tun um abgelenkt zu werden, und so verurteilte sie sich dazu, endlich die längst fällige Arbeit des Fensterputzens zu verrichten.
Aber auch das half nicht viel. Immer wieder gingen ihre Gedanken zu Hubert.
Gegen Mittag klingelte es an ihrer Haustür. Der Schreck fuhr ihr durch alle Glieder. War er es? Ein Blick aus dem Fenster sagte ihr, dass es nicht Hubert war. Ein fremder Mann stand dort unten. Sie öffnete und ein großer Strauß roter Rosen wurde ihr entgegen gestreckt.
Zögernd nahm sie ihn an und entdeckte einen Umschlag, den sie mit bebenden Händen öffnete.
„Sei mir wieder gut, es ist doch alles nur ein Missverständnis. Ich warte auf deinen Anruf. In Liebe Hubert“
Ein heißes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Sie drückte dem Boten rasch
ein Trinkgeld in die Hand, bevor es mit ihrer Beherrschung zu Ende ging. Dann überließ sie sich ihren heißen Tränen.
Irgendwann gab sie sich einen Ruck. Ist es ein Mann wert, sich so gehen zu lassen?
Sie ließ sich ein heißes, duftendes Bad ein, legte sich in die Wanne und versuchte sich zu entspannen. Meist hatte sie dabei die besten Ideen.
Eigentlich konnte hier nur Hubert helfen, den Karren wieder flott zu machen.
So lange diese Frau in seiner Wohnung putzte und die Fronten nicht geklärt waren, würde sie nie wieder Ruhe finden. Er musste sich für diese Zeit, wo
sie nicht dort wohnte eine andere Putzfrau suchen. Schon der Gedanke, dass diese Person vielleicht die Betten inspizierte, worin sie geschlafen hatte, war für sie ein grauenhafter Gedanke.
Sie stieg aus der Wanne, holte sich etwas Nettes aus dem Kleiderschrank und schminkte sich dezent. Diese letzte Nacht hatte doch ziemlich Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. So ging es jedenfalls nicht weiter. Etwas musste passieren.
Dann schlug sie den Weg zu Huberts Wohnung ein.