Der Roman "Jagd auf einen Engel ist abgeschlossen.
Hier findet ihr eine Leseprobe.
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Eure scrittura Xx
„Ich falle und schließe die Augen. Nur eines hätte ich vor dem Aufprall gerne noch gewusst: Habe ich das Spiel gewonnen?“
Eigentlich ist es ein ganz gewöhnlicher Sommertag.
Eigentlich hat der Mensch nichts mit diesem Spiel zu tun.
Aber dann fällt ein Engel auf die Erde und das verändert alles.
(c)Fiona Lewald aka scrittura - 2015
Prolog
So endet also alles.
Die schwarzen Stoffbahnen werden über den Kerker geworfen und festgebunden, bis ich nicht ein Bisschen Licht mehr sehen kann. Ich höre das Getuschel nicht mehr, aber ich kann mir ihre Gesichter genau vorstellen. Keiner von ihnen weint um mich. Morgen werden sie mich schon wieder vergessen haben, denn für sie ist es nur dasselbe alljährliche Schauspiel. Ich kann es ihnen nicht übel nehmen. Bis gestern habe ich genauso gedacht.
Der Geruch von Wind und Wolken verblasst im selben Moment, in dem der Himmel aufhört für mich zu existieren. Stattdessen kriecht eine nie gekannte Kälte in meine Arme und Beine. Ich zittere und versuche angestrengt mir das Gefühl von der Haut zu reiben. Es erinnert mich an Spinnenweben, die mich quälend langsam umgarnen, bis ich absolut keine Luft
mehr bekomme.
Mir wird klar, dass ich Angst habe, und dabei weiß ich doch, dass es sich nicht lohnt. Es gibt keinen Ausweg.
Meine Finger tasten über die Holzplatte, auf der ich sitze, als wollten sie sich vergewissern, ob ich mich nicht doch irre. Sie ist morsch und feucht, aber nie und nimmer mit bloßen Händen zu zerbrechen. Ich drehe den Kopf zur Seite und versuche in der Dunkelheit etwas zu erkennen, aber es gelingt mir nicht.
Es ist endgültig vorbei, denke ich wieder. Denselben Gedanken hatte ich schon einmal, aber das ist lange her. Damals habe ich mich geirrt; vielleicht irre ich mich wieder.
Ich muss lächeln.
Plötzlich fühle ich einen Schubs von links, und mein Kerker bewegt sich. Ohne Vorwarnung werde ich hochgerissen und in einer unmöglichen Geschwindigkeit Richtung Süden geschleppt. Vier Knochenmänner tragen mich an
den Seilen, die an den oberen Ecken festgeknotet wurden. Es wäre ein Leichtes, nur einem von ihnen die Aufgabe zu geben, mich fortzutragen, aber so will es nun mal der Brauch.
Ich seufze und schlinge die Arme um meine Knie.
Es wird meine letzte Reise sein, und sie wird nur wenige Minuten dauern.
Mein Körper entspannt sich unwillkürlich. Ich blinzle, reibe mir mit der rechten Faust über die geröteten Lider und versuche ruhiger zu atmen. Meine Augen schmerzen, aber ich traue mich nicht sie zu schließen, denn es könnte meine letzte Bewegung sein. Ich weiß nicht, ob ich mich morgen daran erinnern werde, wer ich bin, aber ich möchte mein Ende auf gar keinen Fall verpassen; also lehne ich mich zurück, bis die Eisenstangen gegen meine Wirbelsäule drücken, halte die Augen weit offen und lausche den Windböen, die an meinem Käfig
rütteln.
Dochplötzlich passiert etwas.
Die fließende Bewegung, mit der ich getragen werde, macht einen Ruck nach unten, und die Stoffbahnen werden fortgerissen. Licht flutet meinen Käfig, bis meine Augen davon aufleuchten. Entsetzt halte ich die Luft an.
Etwas passiert, was nie zuvor passiert ist.
Ich bin alleine. Die Knochenmänner sind über mir nicht mehr zu sehen, stattdessen rast ein Fleck Erde ungebremst auf mich zu. Ich falle tausende Meter. Die Landung wird zweifellos wehtun, aber ich werde wohl kaum noch einmal sterben. Im Gegenteil. Wenn ich es richtig anstelle, werde ich fliehen können.
Ich falle und schließe die Augen.
Nur eines hätte ich vor dem Aufprall gerne noch gwusst: Habe ich das Spiel gewonnen?
1] Ohnmacht
Pascal sah die Sternschnuppe als Erster. Sie fiel aus einer der bauschigen Wolken und strauchelte fast senkrecht auf die Dächer der Stadt zu.
Der Anblick hinterließ einen bitteren Nachgeschmack auf seiner Zunge.
Es hat nichts Gutes zu bedeuten, dachte er und blinzelte, aber Niemand sonst schien etwas zu bemerken, also vergaß er es. Die Musik drang wieder an seine Ohren, und er wippte beiläufig im Takt.
Der Gendarmenmarkt in Berlin wurde seit Stunden von Menschenmassen überrannt. Das Musikfestival war jedes Jahr ein gewaltiges Ereignis. Es wurde in den Medien davon berichtet, bis abertausende Menschen herbeiliefen und neugierig ihre Nasen ins Programmheft steckten. Die Hauptstraße waren links und rechts von Polizeiwagen abgesperrt
und wurde nur für Bierwagen und die abgedunkelten Busse der auftretenden Künstler hin und wieder freigeräumt. Ein Mann stand auf der Freilichtbühne, die erst am Vorabend aus Holzbalken und Stahlgerüsten aufgebaut worden war, und sang. Sie glänzte in goldbraun mit einem weinroten Vorhang und präsentierte voller Stolz die Stars und Sternchen des Tages. Zu Letzteren zählte wohl auch die Coverband, die gerade auftrat. Pascal kannte sie nicht und seiner Meinung nach, war weder der vollbärtige Sänger noch seine Band gut genug, um das Publikum noch viel länger bei Laune zu halten. Ein paar Leute in der ersten Reihe vor dem Bühnengraben klatschten im Takt und jaulten mit, allerdings mehr aus Mitleid, als vor Begeisterung; die meisten anderen blätterten im Programm bereits nach dem nächsten Auftritt.
„Gleich ist Pause. Danach tritt diese Tanzgruppe aus dem Fernsehen auf.“, kreischte
ein Mädchen.
Pascal schnappte ihre Worte, ihren Minirock und die viel zu hohen High Heels, auf denen sie nicht richtig laufen konnte, im Vorbeigehen auf und grinste. Er nickte Lukas und Christoph, mit denen er in einer kleinen Gruppe abseits der Bühne stand, zu und verschränkte amüsiert die Arme. Nur Adrian reagierte nicht. Der vierte Junge, der eine Hand gelangweilt in den Taschen seiner Jeans vergraben hatte, war Christophs älterer Bruder und eher zufällig an diesem Tag zu ihnen gestoßen. Er lehnte teilnahmslos am Absperrzaun, spielte an seinem Handy und gähnte.
Pascal seufzte. Er legte die Hand über die blonden Haare und starrte abermals hoch in den Himmel. Zumindest das Wetter war vielversprechend.
„Durst?“ Christoph deutete auf die Menschentraube vor dem Getränkewagen links von ihnen. Pascal zuckte mit den Schultern,
dachte einen Moment nach und nickte dann doch noch.
Adrian sah auf. „Ich brauche auch ein Bier. Sonst halte ich das nicht durch.“
Nach einer kurzen Diskussion gab Pascal sich geschlagen, und willigte um des Friedens willen ein, dass er die Getränke alleine holt. Vielleicht hätte er auf dem Weg wenigstens ein nettes Mädchen kennengelernt; vielleicht hätte er sich nach dem Bier auch von seinen Freunden verabschiedet, wäre gegangen und hätte sich anders die Zeit vertrieben, aber dazu kam es nicht.
Dunkelheit schlich in die Großstadt.
Pascal drehte gerade um und war im Begriff sich durch eine pöbelnde Teenagergruppe zu boxen, die ihn von links anrempelte, als Christoph umkippte.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Adrian und Lukas sich über Christoph beugten, Blicke wechselten, ihn rüttelten und vorsichtig
versuchten ihn zurück auf die Beine zu hieven. Erfolglos. Die Musik war verstummt, aber das nahm Pascal nicht wahr. Er stand vollkommen still. In seinem Inneren hatte sich ein absurdes Pfeifen ausgebreitet. Es kroch in seinen Körper und heftete seine Gedanken in einem dunklen Loch fest. Gleichzeitig flutete Licht seine Augen, als hätte plötzlich jemand eine Taschenlampe eingeschaltet.
Er schüttelte den Kopf, rieb sich über die Lider. Er schwankte.
Adrian hinter ihm fluchte, aber seine Stimme war seltsam hoch und klang weit entfernt. Pascal drehte sich um. Er hielt die Luft an. Kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder, aber das Gefühl wurde nicht besser. Es hat nichts Gutes zu bedeuten, hörte er sich denken, aber selbst seine eigene Stimme klang hohl und unwirklich. Ihm war schwindlig. Seine Beine wankten plötzlich zur Seite. Er versuchte sich festzuhalten, aber fand nichts,
wonach er greifen konnte.
Aus den vorderen Reihen drängten die Menschen über die Absperrung und rannten. Einige von ihnen hielten sich die Augen zu, andere hatten die Hände zum Gebet gefaltet. Jemand schrie, aber Pascal hörte von alle dem nichts mehr; und auch die pechschwarze Wolke, die sich gemütlich vor die Sonne schob, sah er nicht. Adrian und Lukas, die immer noch neben Christoph hockten, sahen gerade noch, wie er umfiel. Sie wollten ihm helfen, am liebsten wollten sie sich ihn und Christoph einfach schnappen und mit ihnen weglaufen, aber dann brachen auch sie zusammen.
Jemand lachte, während die Sonne Stück für Stück verschlungen wurde.
ENDE DER LESEPROBE
Text und Titelbild (c) Fiona Lewald, 2015
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