Die Wellen schlugen in regelmäßigen Abständen gegen die Kaimauer und zogen sich schäumend zurück. Das salzige Geruch des Ozeans war allgegenwärtig. Mateo liebte es hin und wieder in die Bucht, die unweit des Hafens war, zurückzuziehen, ein Lagerfeuer zu machen und den langen Tag die Sonne hinter dem wässrigem Horizont verschwinden zu sehen. Er bedauerte diese Gelegenheit nicht immer nutzen zu können. Vor allem nicht nach Ereignissen wie in den letzten Tagen. Nach den Kämpfen mit den Dunklen, der Gefangenschaft und der
Befreiung der Prinzessin hatte er die einsame Ruhe in der Bucht bitter nötig. Da ihm die Befreiungsaktion keine Einnahme gebracht hatte und Tyson, sein wichtigster Lieferant für Pelze und Felle, ihm nur minderwertige Ware verkauft hatte, war er gezwungen einigen Nebentätigkeiten zu leisten, um seine Verluste zumindest ein klein wenig auszugleichen. So hatte er sich im alten Lagerhaus im Hafen wiedergefunden. Lehmar, der Geldverleiher, hatte ihm einige Dukaten angeboten um den Lageristen einen Besuch abzustatten, damit dieser dem Geldverleiher die Schulden zurückzahlt. Das einzige, was Mateo im Lagerhaus fand, waren
verwahrloste Kisten und Fässer mit verfaultem Essen und zerrissenen Lumpen, das einst Kleidung gewesen sein mochten. »Verdammt«, fluchte er vor sich hin, als er alle Räumlichkeiten durchsucht hatte.. »Schon wieder kein Gewinn.« Enttäuscht machte er sich auf dem Weg das Lagerhaus zu verlassen um dem Verleiher die schlechte Nachricht zu überbringen. Im Geiste legte er schon einmal die rechten Worte zurecht, die den alten Verleiher nicht allzu sehr erzürnen würden. Kaum hatte er den Ausgang des Lagerhauses erreicht, wurde er von zwei bulligen Hafenarbeiter in zerlumpten
Arbeitskleidung zurückgeschupst. »Du kleine Ratte«, beschimpfte einer der beiden drohend. »Was fällt dir ein uns minderwertige Waffen anzudrehen?« Irritiert sah er seine Gegenüber an und wusste nicht zu sagen, was er damit meinte. »Mit deinen Schwertern hatte der Schädelspalter ein leichtes Spiel mit uns«, half der Hafenarbeiter ihm auf die Sprünge. »Was erwartet ihr eigentlich für zehn Dukaten zu bekommen?«, fiel ihm wieder ein, wer diese Halunken waren. »Ihr hättet ihn noch nicht einmal mit hochwertigen Waffen nicht bezwingen können. Ihr seit und bleibt billige
Hinterhofschläger.« Wutentbrannt über diese Beleidigung schleuderte der Hafenarbeiter seine Faust mit voller Wucht in Richtung von Mateo's Gesicht, der elegant auswich, griff sogleich nach dem Arm seines Angreifers und zog sich zu ihm, um sein Knie in die Magengegend des Hafenarbeiters zu rammen. Zuckend und nach Luft ringend brach dieser dann zusammen. Der zweite Hafenarbeiter zog sein Schwert und schwang es demonstrativ in der Luft. Mateo griff nach dem Paddel, das auf einem der Fässer lag und zielte auf den Schwertarm seines Gegners, der die Klinge schmerzschreiend fallen ließ.
Mit dem restlichen Schwung donnerte Mateo den Paddel gegen den Kopf des Hafenarbeiters. Er glaubte das Brechen des Schädels gehört zu haben. »Wer nicht kämpfen kann, soll es seinlassen«, kommentierte Mateo zynisch, als er über die bewusstlosen Leiber stieg um endlich aus dem verdammten Lagerhaus zu kommen. Kaum hatte er das Tor erreicht, hörte er hinter sich ein Geräusch, das ihm nicht geheuer war. Es war ein Knistern und Knacken, das ihm einen Schauder über den Rücken laufen lies. Erst dachte er an ein ausbrechendes Feuer. Als er dann den Kopf nach hinten drehte um nach der Quelle des unheilvollem Geräusches zu
finden. Was er zu sehen bekam, war jedoch kein Feuer, sondern ein Kugelblitz, das rasch anwuchs, bis es eine Größe erreichte, in der er selbst ohne Probleme Platz gefunden hätte. Durch die bläulich schimmernde Membran, die sich aus den zuckenden Blitzen entwickelte, konnte er tatsächlich eine Silhouette eines menschlichen Körpers erkennen. Oder spielte ihm sein Verstand einen Streich? So plötzlich das Phänomen kam, verschwand es auch wieder. Für einen Augenblick glaubte Mateo die Sehkraft verloren hatte. Nach einigen Zwinkern gewöhnten sich seine Augen wieder an die eigentliche Helligkeit. Zunächst
glaubte er an eine Sinnestäuschung, als er an die Stelle sah, wo kurz zuvor der merkwürdige Kugelblitz war. Es schien ihm so, als sei die Gestallt, die er in der Kugel sah, auf dem Boden liegend zurück geblieben sei. Vorsichtig trat er näher und erstarrte, da ihm klar wurde, dass vor ihm tatsächlich der nackte Körper einer leblosen Frau vor ihm lag. Er kniete vor ihr nieder, legte den Zeige- und Mittelfinger an ihren Hals um nach dem Puls zu spüren. Unter ihrer kalten Haut spürte er ein kaum spürbares pulsieren, aber deutlich genug. »Hey, Madam«, rüttelte er dann an ihrer Schulter, in der Hoffnung, sie würde zu sich kommen. Als keine Reaktion kam,
drehte er sie auf den Rücken und ein Schock durchfuhr seinen ganzen Körper, als er die Frau wieder erkannte. »Grund Gütiger, sie lebt.« Obwohl die Waldläuferin schon seit Jahren kein Fuss mehr auf den Boden von Kap Ardea gesetzt hatte, kannte sie Wege um unerkannt in die Stadt zu gelangen. Die Kanalisation war die unangefochtene Herrscherin des sinnesraubenden Gestanks. Die meisten Menschen in der Stadt hatten schon lange vergessen dass es die Kanalisation überhaupt gibt, weshalb es nicht mehr wirklich genutzt wurde. Deshalb war der Gestank hier unten erträglicher, als zu der Zeit, als es
von jedem genutzt wurde. Für die Waldläuferin war es ein Gräuel diesen Weg zu nutzten, aber es war der sicherste Weg hinein. Sie hatte es damals entdeckt, als sie vor der Miliz flüchten musste. Als sie damals aus dem Drachenauge verbannt wurde, hatte sie nicht die leiseste Ahnung, dass sie auch in den Städten nicht mehr willkommen war. Und noch weniger wusste sie damals, dass ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt wurde, um sie von dem Drachenauge und von den Städten Kap Ardea und Kap Drago fern zu halten. Das Kopfgeld war nach wie vor in Kraft, weshalb sie sich in ganz Gotha nicht blicken konnte. Nur sehr wenigen
Menschen war es bekannt, dass sie sich nach wie vor in der Gegend befand. Bei diesen Leuten konnte sie ihr Leben verwetten, dass sie nichts sagen würden. Tyson Bennet war einer dieser Menschen, zu dem sie regelmäßigen Kontakt pflegte, auch wenn es ihn in gewisse Schwierigkeiten bringen würde, wenn jemand davon erfahren würde. Da sie zu ihm nicht durchdringen konnte, um ihn zu warnen, musste sie sich in die Stadt wagen, um mit jemand anderem in Kontakt zu treten. Es war der ehemalige Gardist aus der Ostküste und Händler Mateo Wilde. Er war der einzige, denn sie auf die schnelle aufsuchen konnte. Denn das, was sie wusste und gesehen
hatte, konnte sie nicht verschweigen.. Es musste sofort was dagegen unternommen werden. Sie hörte bereits das Wasser rauschen, was hieß, dass der Ausgang nicht mehr weit war. Direkt über der Stelle, an der sie sich befand, stand das alte Lagerhaus, aus dem sie Kampfgeräusche hörte. Sie erhöhte das Tempo ihrer Schritte um einschreiten zu können, falls es von Nöten sein sollte. Falls keine Miliz in der Nähe waren, versteht es sich. Am Ende des Tunnels befand sich ein vergittertes Loch und eine Treppe, die nach oben zu einer Tür führte. Sie nahm zwei bis drei Stufen auf einmal. Zu ihrer Überraschung war die morsche Tür
abgeschlossen. Mit ein paar wenigen, kräftig platzierten Tritten brach die durchnässte Tür auf. Nachdem sie aus der stinkenden Kanalisation eilte, musste sie über einen Fels klettern, um auf den Hafen blicken zu können. Just in dem Augenblick sah sie aus dem Lagerhaus, aus dem sie die Kampfgeräusche kamen, sah sie ein merkwürdig helles Licht erstrahlen, das im nächsten Moment schon erloschen war. Ihr Herz blieb für einen Moment stehen. Nachdem sie den Schock verdaut und die Besinnung wieder hatte, eilte sie im Schutze der Schatten hinab zu dem Lagerhaus. Für den Moment war ihre Neugierde über dieses merkwürdig Licht
größer als die Sorge über das Drachenauge. Es würde sicher niemanden schaden, wenn sie ein paar Minuten später Mateo aufsuchen würde. Als sie das Tor zur Lagerhalle erreichte, hörte sie aus dem Inneren eine vertraute Stimme vor sich murmeln: »Das kann doch nicht wahr sein.« Sie erkannte Mateo's Stimme wieder, weshalb sie ihre Deckung aufgab und sich zu ihm Gesellte. »Was kann nicht sein?«, fragte sie leise. Mateo drehte sich panisch um, die Hände zu Fäusten geballt und erkannte allmählich wer sich an ihn herangeschlichen hatte. Ungläubig strich er sich übers Gesicht, als würde er nicht
wissen, was er als nächstes machen sollte. Schließlich trat er zur Seite, um der Waldläuferin den Blick auf den leblosen Körper der Frau preis zu geben. »Haben die beiden versucht die Frau zu vergewaltigen?«, richtete die Waldläuferin ihren Blick auf die bewusstlosen Halunken. »Das sind nur Idioten, die bei mir zehn-Dukaten-Schwerter gekauft hatten.« »Warum bist du denn so aufgebracht?« »Komm näher. Ansonsten würdest du mir nicht glauben«, forderte Mateo sie auf. »Okay«, stieg sie gespannt über die Halunken hinweg um die Frau besser sehen zu können. Als sie schließlich das Gesicht sah, brauchte sie nicht lange um
ein bestürztes »Grund Gütiger«, herauszubringen. »Ist sie das wirklich?«, fragte sie ungläubig. »Ja, Azura, das ist die Fürstin Amidala Gomez.«