Wenn du sie betrachten würdest,
durch das blutrote Blätterdach,
wäre sie eher ein gedachter Schatten,
als eine wirkliche Stadt.
Einführung
Lass dir erzählen, lass dir berichten,
von einer Stadt hinter flüsternden Buchen,
zwischen Bracke und in tiefem Morast,
eine Stadt erbaut von Verfluchten.
Semianimis, so wird sie genannt und so ist sie beschrieben, eine Welt in drei Kreisen, einen Palast und alle Arten von Leben gibt es hier, hinab in die Abgründe aus Tod, Kloake, Morast, bis hinauf zu den Pforten der Götter in goldenen Wolken zuhaus'. Eine verfluchte Stadt, die lebt und gedeiht. Sie ist bunt und prächtig von außen, doch
innen zerfressen sie Unheil und Krankheit. Der Fluch, mit welchem sie errichtet wurde und die Legende, welche sie umrankt - ein ewiges Geheimnis, das es zu ergründen gilt.
Achte auf die Flut, achte auf den stetigen Feind, der kommt, wann immer die Sünde überhand nimmt, und alles Übel fort wäscht und jede Schande rein. Doch um welchen Preis? Und erreicht sie tatsächlich die Wurzeln der Fäulnis oder reißt sie nur ihre verdorrten Triebe in den Tod?
Was wirst du tun, Fremder, der du allein vor ihren dunklen, großen Toren stehst. Der du glaubst, alles zu wissen, was es
über sie zu wissen gibt?
Und was wird geschehen, wenn die Flut erneut erhebt und droht, alles mit sich zu reißen und hinfort zu spülen, was du liebst?
Sag uns Fremder, der du meinst, sie erschaffen zu haben, bist du der Held, der uns aus unserer halbtoten Welt in drei Kreisen befreien wird?
Wir wünschen dir Glück und Sege auf deiner Reise, mögen die Götter dich leiten, dein Schicksal dir deinen Weg weisen und du am Ende all deine Ziele erreichen.
Willkommen in Semianimis.
Beginn
Jeder Tag ist im Grunde nichts anderes, als ein weiterer Absatz im Buch deines Lebens.
Als mir damals die Idee zu diesem wundersamen Ort kam, hatte ich sie sofort festhalten müssen, so sehr hatte mich die Stadt vom ersten Augenblick an fasziniert und der Gedanke, sie verlieren zu können, war erschreckend schmerzhaft gewesen.
Mit der Zeit ist sie gewachsen und ein Teil von mir geworden. Die Stadt wurde größer, immer detailierter und ich tobte meinen schöpferischen Geist gänzlich an ihr aus.
Und je älter, größer und schöner sie wurde, desto besser lernte ich sie kennen und bald schon wünschte ich mir nichts sehnlicher, als sie mit meinen eigenen Augen betrachten zu können. Ich wollte alles von ihr sehen, wollte sie erfahren und erleben, wollte nichts mehr als ein Teil von ihr werden. Es war von Beginn an eine schreckliche, bösartige und verfluchte Stadt gewesen, aber keine abstoßende. Zumindest nicht gänzlich, denn von außen war sie bunt und lebte und sie lud zum Kommen und Bleiben ein, sofern man sie nicht näher betrachtete und nicht fragte, was unter diesem ersten Eindruck wirklich verborgen lag. Aber ich kannte sie ja, ich
hatte sie geschaffen und ich wusste um ihre dunkelsten, verderblichsten Geheimnisse, weshalb sollte ich sie also fürchten? Und natürlich würde sie mich als ihren Schöpfer Willkommen heißen, ich könnte frei in ihr wandeln, es gäbe keine Grenzen und so müsste ich auch die todbringende Flut nicht fürchten. Die Stadt wäre für mich der schönste und friedlichste Platz von allen.
Wäre ich nicht ganz so naiv und blauäugig gewesen, und hätte ich etwas von all den Fantasy Büchern, die ich in meinem bisherigen, noch recht kurzem, Leben gelesen hatte, gelernt, hätte ich diesen Wunsch verworfen, kaum dass er
in mir gekeimt wäre. Aber so schwelgte ich ahnungslos in meinen Träumen und hoffte mich Tag für Tag aufs Neue weit, weit fort von der Realität, in meine Stadt, meine erdachte Heimat, meine Welt in drei Kreisen.