Immer öfter beschleicht einen das Gefühl, selbst wenn man keinen besonderen Einblick in diese Materie hat, dass deutsche Behörden und die Politik gehörig Mist gebaut haben. Die momentanen untragbaren Zustände im Nahen Osten und Nordafrika zwingen die Menschen einen besseren Ort zum Leben zu suchen. Dabei ist Europa das gelobte Land und natürlich auch Deutschland. Doch ein Empfang mit offenen Armen steht ihnen nicht immer bevor.
Ich möchte mich einmal mit der faktischen und rechtlichen Realität
auseinander setzen und somit aufzeigen, dass fast alles, was die Herrschaften vom braunen Rand und die Mitte der Gesellschaft über Flüchtlinge und Asylbewerber denken, falsch ist.
1992 war es, als bereits eine große Zahl an Asylbewerbern in Deutschland auftauchte. Seinerzeit bedingt durch ebenfalls mannigfaltige Krisen vor den Toren Europas. Der Ostblock war zusammengebrochen, in Jugoslawien herrschte Krieg und im Osten Deutschlands hatte die Treuhand gewütet, was dazu führte, dass eine Vielzahl der dort Ansässigen mit einem Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber den Kapitalisten aus dem sog.
Westen zurück blieben.
Statt zu deeskalieren kann man noch heute die Titelblätter namenhafter deutscher Magazine heranziehen, welche eine „Asylflut“ prognostizierten, wie es beispielsweise der seriöse Stern tat. Auch die Politik war unwillig, immer noch waren angeworbene Ausländer „Gastarbeiter“ und Deutschland kein Einwanderungsland. All dieses sich selbst belügen, die daraus resultierende geringe Fähigkeit auf die in jener Zeit rapide anschwellenden Konflikte zu reagieren und vor allem den Asylbewerbern wirklich Hilfe anzubieten, weil sie ja die Flut waren, führte dann zu den nie entschuldbaren
Gräueltaten wie in Rostock Lichtenhagen.
Wer heute die Bilder von damals in Dokumentationen betrachtet, der ist geschockt, wie in einem Land, wo das Ende der Shoa gerade einmal 47 Jahre zurück lag, es erneut zu hasserfüllten Taten kam, welche an die Untaten der Kristallnacht erinnerten.
23 Jahre später sieht die Situation freilich anders aus. Und trotzdem erneut Probleme an allen Ecken und Enden und erneut schlagen die bekannten Parolen herauf aus dem dunklen Schlund des Hasses. Da ruft die CSU dass man doch nicht das Sozialamt der Welt sei, übrigens ein Wahlkampfslogan der NPD.
Beschleunigtes Abschieben wird gefordert, als frommer Wunsch an den Weihnachtsmann. Haben wir nicht dazu gelernt?
Nach alledem wird man wohl fragen, was ich nun substantiell dazu zu sagen habe.
Das deutsche Ausländerrecht speist sich aus verschiedenen Quellen. Einmal kommen Vorgaben aus Europa, angesprochen ist die Dublin III VO. Wozu ist diese da? Dublin III ist ein Zuständigkeitsverteiler. Kommt unser Syrischer Flüchtling über den Landweg nach Österreich und wird dort von den Behörden erstmalig registriert, dann
bedeutet das für ihn Folgendes. Sollte er auf die Idee kommen dass er doch nach Stellung seines Antrages auf Asyl in Deutschland die besseren Bedingungen vorfindet um hier zu arbeiten, o.ä. dann werden die deutschen Behörden ihn zwar in ein Asylbewerberheim einquartieren jedoch wird er so schnell als möglich nach Österreich abgeschoben. Denn nach Dublin III ist Österreich für ihn verantwortlich.
Die einzige Durchbrechung dieses Mechanismus ist dann von Nöten, wenn eine Abschiebung aus humanitären Gründen in das Erstregistrierungsland in der EU nicht menschenwürdig ist, was aber nur für Griechenland momentan gilt
nach der Rechtssprechung des EGMR.
In Deutschland selbst gilt Art. 16 a GG (Recht auf Asyl politisch Verfolgter) jedoch kennt es gewaltige Ausnahmen. Wer aus einem sog. Sicheren Drittstaat kommt, also einem Staat in dem festgestellt wird, dass da keine politische Verfolgung droht (momentan wurde die Liste um ein paar Balkanstaaten erweitert insbesondere den Kosovo) so können sich die Ankommenden nicht darauf berufen, sie seien politisch Verfolgte. Solche Personen werden nach kurzer Zeit abgeschoben, sofern sie nicht einen anderen Grund geltend machen können, weshalb sie aufenthaltsberechtig in der
BRD sind.
Da wir schon einmal vom Aufenthalt sprechen so hat das deutsche Recht zentral das AufenthaltsG, in dem die wichtigsten Gründe geregelt sind, weshalb jemand als Antragssteller auf Asyl dieses auch bekommen kann und das AsylVfG, welches das Verfahren der Titelgewährung politisch Verfolgter und Flüchtlinge (nach der Genfer Flüchtlingskonvention §1 I Nr. 2 AsylVfG i.V.m. GFK) regelt. Daneben sind besonders wichtig das Asylbewerberleistungsgesetz und insbesondere das SGB XII, welche regeln, was für finanzielle Unterstützung Asylbewerber überhaupt
erhalten und in welcher Form.
Das gesamte Ausländerrecht ist also ein Konglomerat von Völker-, Europa- und nationalem Recht. Und dabei habe ich noch nicht einmal alle hier entscheidenden Gesetze und VO genannt, denn es gibt davon noch bedeutend mehr z.B. die Visa VO der EU oder das Schengener Abkommen. Es würde aber zu weit führen dies alles im Detail zu erklären.
Als ersten wichtigen Merkposten muss kam hier sagen, dass es in der Tat nicht so ist dass jeder, der zu uns kommt, dann auch bleiben darf. Wenn man nach aktuellen Zahlen geht (z.B. FAZ v. 04.03.2015) so wird man feststellen,
dass nur ein Überschuss von ungefähr 13% bleibt wenn man die Zahl derer vergleicht, die zu uns kommen und derer, die abgeschoben werden.
Weiterhin ist es Realität (erfahren von einer Sprecherin von Amnesty International anlässlich einer Veranstaltung zum Ausländerrecht in Gießen Mitte Dezember 2014) dass Personen, die Anträge in Deutschland stellen und aus sicheren Staaten kommen unter dem Generalverdacht stehen, dass sie allein da sind um Sozialhilfe abzugreifen. Die Anerkennungsquote dieser Personengruppe liegt z.T. unter 30% und die Verfahren werden dann auch
entsprechend schnell durchgezogen.
Angeblich würde den Asylbewerbern alles nachgeschmissen. Zumindest der rechte Rand behauptet dies mit Vehemenz. Aber stimmt das?
Fakt ist, dass §§3 ff. AsylbLG explizit regeln was man bekommt als Asylbewerber und das ist nicht mehr als man zum Überleben und zwar dem nackten Überleben braucht und das in Form von Naturalien. Die berüchtigten Essenszuteilungen sind damit gemeint. Zusätzlich kann geringfügig Geld bei Kindern dazu gegeben werden allerdings erfolgt die Auszahlung nicht in Bar, sondern in Wertmarken sogar, wenn die Betroffenen bereits außerhalb der
Aufnahmestelle leben (§3 II 1 AsylbLG). Natürlich ist an diese anstelle der Wertmarken auch die Auszahlung gleichwertigen Bargeldes möglich, jedoch ist das eine Prüfung im Einzelfall. Stigmatisierend dass man jemandem hier in der Regel nicht die Möglichkeit der freien Verfügung lässt, sondern ihm alles zuteilt. Oder wie fühlt man sich, wenn man Essensmarken erhält? Ist das ein gutes Gefühl? Der Leser kann sich das selbst beantworten. Außerdem bleibt festzuhalten dass die erhaltenen Werte mit Nichten gewaltig groß sind sondern noch deutlich unter dem liegen, was ein Hartz IV Empfänger monatlich zur Verfügung hat. Wundert es
uns da noch, wenn die Bewerber dann die reich gedeckten Warenlager unserer Supermärkte betrachten und dann ein wenig stehlen nur um mal Abwechslung zu haben oder um wirklich satt zu werden? Es ist ein selbstgemachtes Problem, dass in solchen Regionen die Kleinkriminalität ansteigt. Aber auch hier muss man wieder sagen, dass es sich hier nur um eine kleine Gruppe der Betroffenen handelt, einzelne Taten aber medial aufgebauscht werden.
Weiterhin sind die Erstaufnahmeeinrichtungen selten wirklich lebenswert. Da werden Familien auf engstem Raum zusammengequetscht, es ist dreckig und
man muss sich Dusche und WC mit anderen teilen. Beengtes Wohnen auf längere Zeit sorgt für Spannungen und Konflikte. Asylbewerber, die sich gegenseitig angreifen werden immer wieder durch die Medien getrieben, wie die Sau durchs bekannte Dorf. Aber man sollte sich vergegenwärtigen dass eine große Errungenschaft der Landesbauordungen die Abstandsflächenregelungen sind. Denn wenn man Abstand zum Nachbarn hat so ist die Gefahr des sozialen Konfliktes deutlich minimiert.
Jetzt haben wir jemanden, der nun endlich seinen Titel beantragt und erstmalig in Deutschland registriert
worden ist. Da muss er sich mit deutschen Behörden auseinander setzen. Anders als es die Politik suggeriert (zuletzt gesehen bei einer Hart aber Fair Folge im Februar 2015 die integrationspolitische Sprecherin der Grünen in BaWü, die kaum älter als Mitte 20 schien und immer etwas von den gut ausgebildeten BeamtInnen redete) sind die Behördenmenschen nicht willens sich wirklich mit Menschen auseinander zu setzen.
Oft erlebt man das als Deutscher selbst. Wie soll es erst einem Menschen gehen, der unfreiwillig in unser Land kam und möglichst die Sprache des Landes nicht spricht. Einige Flüchtlinge sprechen
Englisch oder Französisch, aber die Behördenmitarbeiter tun es nicht. Dann erfolgen Prüfungen wie z.B. bei der Feststellung der Glaubhaftmachung, dass die betroffene Frau tatsächlich ein Opfer sexueller Gewalt geworden ist (§§ 3 I Nr. 1, 3a II Nr. 1, 3b I Nr. 4b AsylVfG) indem die Beamten diese zweimal genauestens befragen, was man denn mit ihr angestellt hat in dem Land, wo sie herkommt. Und das sind alles keine Einzelfälle, sondern von Praktikern wird immer wieder angemahnt, dass die Behördenmitarbeiter das notwendige Verständnis für die andere Kultur und auch für die Situation der Bewerber
vollkommen vermissen lassen. Hilfe bei dieser Tour de Force erhalten die Betroffenen von spezialisierten Anwälten, sofern angerufen, oder von freiwilligen Organisationen. Wenigstens in diesem Bereich zeigt sich eine überragende Welle an Anteilnahme und Engagement, was einem sagen lassen kann, dass zumindest in diesem Bereich 23 Jahre nach dem GAU von Rostock sich etwas bedeutend getan hat. Die Gegner von Asylbewerberheimen sind lautstark aber meistens in der Minderheit.
Und dann können die Ausländer kein Deutsch! Ja, das können auch viele Deutsche nicht, aber sei es drum.
Sprachkurse, die notwendig wären, werden erst angeboten, sobald man einen Aufenthaltstitel erhält mit der Idee dahinter, dass man kein Geld investiert in Personen, die sowieso bald wieder verschwinden müssen. Aber für diejenigen, die dann bis zu 2 Jahre (!) und manchmal länger darauf warten, dass entschieden wird, ob sie bleiben dürfen oder nicht, die haben ja gar nicht das Geld um sich einen Sprachkurs zu leisten. Auch hier sieht man das selbst gemachte Problem, welches wir den Betroffenen nicht zum Vorwurf machen können.
Asyl, das ist vor allem ein Mentalitätsproblem. Lange Zeit hat man
„Gastarbeiter“ angeworben. Da log man sich noch an, dass die nach so 7 Jahren eh wieder verschwinden. Da spielte die Wirtschaft allerdings nicht mit, denn wenn man jemanden voll integriert im Betrieb ist, dann will ich eine gute Arbeitskraft nicht wieder wegschicken. Und so haben wir viele der ehemaligen Gastarbeiterfamilien aus Südeuropa, der Türkei oder Vietnam (letzteres meint die völkerrechtlichen Abkommen der DDR), deren Kinder in zweiter oder dritter Generation in Deutschland leben und genauso deutsch sind wie du und ich. Deutschland ist angewiesen auf einen permanenten Strom von Zuwanderern. Wie viele Kinder braucht man um die
Bevölkerung stabil zu halten? 3 ist die Antwort, das schaffen unsere kinderlieben Nachbarn jenseits des Rheins, aber wir Deutschen lange nicht. Demnach bedarf es des jährlichen Zuzuges von bis zu 300000 Menschen gerade für die Wirtschaft, wenn wir nicht bald ohne Arbeitskräfte dastehen wollen.
Und es kommen ja nicht einfach nur Krethi und Plethi. Meist haben wir es mit ausgebildeten Facharbeitern zu tun wie z.B. syrischen Konditoren. Menschen, die unsere Gesellschaft nicht nur bereichern, sondern auch beleben können gerade in Zweigen der Wirtschaft, wo händeringend um
ausbildungswillige junge Leute gerungen wird wie im Bäckereihandwerk. Solche Menschen sind dann schlechterdings keine Belastung sondern das Gegenteil.
Weiterhin kann von einem Armmachen der BRD keinesfalls gesprochen werden. Die Krisen im Nahen Osten sind nun schon seit mehr als 2 Jahren am Kochen und trotzdem steht die BRD wirtschaftlich so gut da wie wohl lange nicht. Gemessen an unserer Wirtschaftskraft kann man ablesen, dass wir kaum Verantwortung übernehmen. Gerade Italien ist da bedeutend großzügiger oder auch der Libanon, der mit Abstand die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Die Lage innerhalb der EU, die
für Deutschland besonders komfortabel ist, ist wohl in erster Linie ein Produkt insbesondere der Dublin III VO und Art. 16a GG.
Deutschland ist längst ein Einwanderungsland geworden und trotzdem denken wir noch immer nicht so. Im Gegenteil; unser Recht versteht sich in diesem Bereich immer noch als Gefahrenabwehrrecht. Asylbewerber sind Gefahren, die es zu minimieren gilt. Ein denken was sich scheinbar konserviert hat, denn bevor erstmalig Mitte der 60er das AufenthaltsG geschaffen worden ist, galt die alte GefahrenabwehrVO bzgl. Reichsfremder des Dritten Reiches fort.
So stelle ich am Ende fest dass die Mentalität eines Großteils der Menschen in Deutschland sich gewandelt hat. Man will den Asylbewerbern wirklich ernsthaft helfen. Diejenigen, die sich dem verschließen und nur Terroristen hinter denen vermuten sind eine Minderheit, jedoch befeuert die Presse auch weiterhin kräftig dieses Bild. Berichte, die sich damit differenziert auseinander setzen sind selten. Und wenn man dann den dünnbräsigen Hirnschiss rechter Arier liest, die von „zionistischer Propagande“ unter den entsprechenden Youtube Videos
schreiben, dann will man nur kotzen.
Natürlich gibt es auch kriminelle Asylbewerber und solche, die sich den hiesigen Gepflogenheiten nicht anpassen oder einfach dumme Arschgeigen sind. Aber das ist ein verschwindend geringer Anteil, den es ebenso bei uns Deutschen gibt. Schlechte Beispiele dürfen nicht einfach breitgetreten werden. Die Diskussion muss endlich differenziert geführt werden. Auch die Politik reagiert, der letzte Vorstoß von Thomas Oppermann (SPD) den Gemeinden mehr Geld zu geben, damit diese endlich in größerem Maße Asylbewerberunterkünfte bauen können ist zwar richtig, allerdings kommt er
reichlich spät. Und das ist der Vorwurf an die Politik. Man weiß, dass jeder Jahr ein kontinuierlicher Strom kommt und man kannte die Krisen im Nahen Osten und hat doch sehr lange nur passiv zugeschaut bis der Karren zwar nicht im Dreck stecken blieb, aber deutlich verlangsamt worden ist.
Den Hetzermedien (allen voran dem Springer Verlag) rufe ich zu, dass es hier um Menschen geht und um grundlegende Gebote der Menschlichkeit und Nächstenliebe. Jeder hat das Recht in Würde behandelt zu werden auch wenn man ihn dann wieder abschiebt. Der Schulterschluss mit dem rechten Rand, nur zur Auflagensteigerung ist
natürlich Meinungsfreiheit und eigenständige unternehmerische Gestaltung, jedoch sollte man sich fragen, ob man wirklich mit Lügen, die andere Menschen diskreditieren wirklich Kasse machen will.