|| DREI || 2|2
Blitzschnell hob ich mein Messer vom Boden auf und wollte Gahoff nach laufen. Als ich jedoch um die Ecke kam, war er wie vom Erdboden verschwunden. Verwundert blickte ich zu allen Seiten. Auf der Straße spazierten nur wenige Bewohner und diese sahen nicht so aus, als ob jemand überraschend aus der Gasse geflüchtet war. Hatte er nur gewollt mich davon abzuhalten seine Machenschaften den Anführer zu berichten? War er wirklich so ein Feigling und haute einfach ab? Hatte er Angst vor mir? Wo war er plötzlich hin?
Wollte er mich doch nicht in seinen Plan einweihen und machte sich darum einfach davon? Oder trieb ihn sein Blutrausch doch
noch etwas an und er suchte nach einem geeigneten Opfer, um seine Energie wieder los zu werden? Würde das Opfer diesen Rausch überleben?
Eine Sache hatte er allerdings geschafft. Ich würde dem ganzen noch etwas nachgehen bevor ich mich entscheiden würde, ob es wirklich Verrat war oder nicht. Wieso musste ich immer so voreilig handeln? Hatte ich nichts dazu gelernt?
Ich wusste nur, dass ich meinen Anführer beschützen musste. Das war meine Aufgabe und dafür tat ich alles und wenn es hieß dafür einen Valdir zu töten. Die nächste Gelegenheit Gahoff gegenüber zu treten würde schon kommen und dann würde es für den Feigling nicht so gut ausgehen.
Ich blickte suchend umher, um etwas zu finden, womit ich das mit Blut übersäte Messer abwischen konnte. Für dieses Mal musste das grüne Gras, das parallel zur Straße gepflanzt wurde, reichen. Nach der Reinigungsprozedur steckte ich den Dolch zurück in den Schaft und machte mich wieder in Richtung Trainingshalle auf den Weg.
Das Areal wirkte ziemlich verlassen und das irritierte mich sehr. Normalerweise trainierten immer Valdir auf dem Grundstück. Mit einem unguten Gefühl betrat ich den Raum und wurde auch im Inneren von der Leere überrascht. Wo waren alle hin?
Hatte ich etwas versäumt? War ich in Gefahr? War das vielleicht sogar ein
Hinterhalt?
Sofort schaltete ich meine Valdirinstinkte ein. Angewurzelt blieb ich auf der Stelle stehen und versuchte Vibrationen über den Boden wahrzunehmen. Da war etwas. Jedoch nicht in der Halle sondern außerhalb des Gebäudes. Kurze kleine Schritte, die immer näher kamen. Für mich keine Bedrohung, denn ich kannte sie ganz genau.
Diese kurzen kleinen Schritte.
„Xanya!“, hörte ich schon von Weitem den Jungen schreien, „Xanya, wo bist du?“
Anscheinend suchte er mich und das wiederum war kein gutes Zeichen. Der Junge hieß Kastan, war ein zierlich kleiner 10 Jahre alter Bursche mit aschblondem Haar, das immer zerzaust war. Warum er meinen Namen und
meinen Aufenthaltsort kannte? Da wir Valdir nicht aus der Stadt Karrori kamen, wurden wir in verschiedenen Familien einquartiert. Unser Leben bestand nur darin zu trainieren oder Aufträge auszuführen, deshalb lagen wir den Angehörigen des Hauses, in denen wir lebten, nicht allzu sehr an der Backe.
Kastan war der Sohn des Mannes, der mir ein Dach über den Kopf gab und dieser, mit den Namen Ohmar, war wiederum ein guter Freund des Anführers. Doch warum suchte mich der Zehnjährige?
Noch bevor ich aus dem Raum gehen konnte, hatte Kastan den Eingang erreicht.
„Da bist du ja, Xanya!“, strahlte er mich an.
Seine Backen waren noch rot vom Laufen und auf seiner Stirn bildeten sich kleine
Schweißperlen. Er trug eine zerrissene Hose, die noch dazu verdreckt war und ein einfaches Hemd, das auch Flecken aufwies. Wo sich dieser Junge immer umhertrieb, wollte ich gar nicht wissen, denn nur vom Spielen konnte er nicht so aussehen.
„Was willst du!“, schnauzte ich ihn an.
Ich war nicht so der Kinderfreund. Mir waren Kinder unheimlich. Kinder hatten ihre eigenen Instinkte. Sie kümmerten sich nicht darum was andere dachten. Sie lebten einfach. Vertrauten zu schnell. Machten was sie wollten. Waren trotzig und schwach.
„Mein Vater sucht dich schon überall.“
Obwohl er so schnell gelaufen war, blieb seine Stimme ruhig. Das bewunderte ich irgendwie. Auch die Tatsache, dass egal wie sehr ich in
anfahren würde, er immer freundlich blieb, als ob ich sein Vorbild wäre. Ich wollte niemandes Vorbild sein. Ich hatte keine Vorbildfunktion. Ich tötete.
„Was will er?“, fragte ich nach, würdigte noch ein letztes Mal der leeren Trainingshalle einen Blick und schloss dir Tür hinter mir.
Um das Problem, wo die ganzen Valdir steckten, musste ich mich später kümmern.
„Das wollte er mir nicht sagen. Er meinte nur das es dringend ist“, antwortete er mir wieder gleich gutherzig wie zuvor.
Ich überdrehte die Augen. Sah ich so aus, als ob man mich liebevoll behandeln musste. Ich war eine Valdir. Ich brauchte keine Freunde. Ich brauchte keine Liebe. Ich brauchte Tod. Verderben. Und Blut.
Ich liebte Blut so sehr. Intuitiv ließ ich meine Hand auf das Messer gleiten, dass ich zuvor wieder eingesteckt hatte und hoffte doch noch etwas Blut von Gahoff darauf zu finden.
Es machte mich einfach glücklich jemanden zu verletzen oder gar zu töten.
Ein Lächeln bildete sich auf meine Lippen und mir war es egal, wenn Kastan glaubte, dass es ihm galt.
„Dringend sind nur Treffen mit dem Anführer.“
„Soweit ich meine Spürnase hineingesteckt habe, war der auch bei uns zu Hause“, er tippte auf seine Nase und grinste mich an.
„Was?“, wollte ich verblüfft wissen und machte mich zielstrebig auf den Weg.
Der Anführer war niemals in den Quartieren
der Valdir zu finden. Die Quartiere waren irgendwie Zufluchtsorte, um den ganzen zu entfliehen. Warum wollte mich Ohmar und vielleicht der Anführer dort sehen?
Ich hatte Kastan einfach stehen gelassen. Er ließ sich das aber nicht gefallen und machte sich große Mühe mir nach zu kommen. Schon in der dritten Straße hatte ich ihn abgehängt. So kurze Füße konnten einfach nicht mit einer Valdir Schritt halten.
Konnte der Tag heute noch komischer werden? Zuerst meine Familie, dann Gahoff und jetzt Ohmar.