Ich weiß, es ist eine seltsame Art einen Text zu beginnen, ich werde es aber trotzdem tun: Ich bin tot. Es ist gar nicht so schlimm wie ich immer dachte, aber ich möchte Ihnen eigentlich nicht zu viel verraten. Der Kerl, der gerade diesen Text für mich tippt, hat auch keine Ahnung was er da macht. Die Erkenntnis wird ihn, genau wie Sie, noch früh genug finden. Das Leben als Sterblicher ist einfach zu kurz, um sich über so etwas Abstraktes, wie ein ewiges Leben nach dem Tod Gedanken machen zu müssen. Aber jetzt erstmal zu meiner Geschichte, die einigen unter Ihnen vielleicht ein wenig Hoffnung machen wird.
Meine Frau war ein Biest, das war mir immer schon bewusst gewesen. Doch was für ein Biest sie war, fand ich erst heraus, als es bereits zu spät war. Sie vergiftete mich. Aus Habgier hat sie mich kaltblütig ermordet und mir sogar noch ins Gesicht gelacht, während ich meinen Pudding aß. Ich werde dieses Lachen niemals vergessen und bis in alle Ewigkeit in meinem Herzen tragen, um damit den Riss zu kitten, den sie mir dort zugefügt hat. Ich weiß nicht ob es der Wunsch nach Rache war, der mich nicht komplett verschwinden ließ, oder ob das ein Zustand ist, den wir alle einmal erreichen. Auch wenn ich nun vieles weiß, was ich nie für möglich gehalten hatte. Was das angeht, habe ich immer noch keine Ahnung. Ich erstickte ziemlich schnell am Gift in dem Pudding und es war nicht ganz so qualvoll wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Viel schlimmer war es, in ihr Gesicht zu blicken während sie mir beim Sterben zusah. In das Gesicht dieser Frau, die ich einmal geliebt hatte. Dann war ich tot und schwebte über meinem eigenen Körper, so wie es Leute mit Nahtoderfahrungen oft berichten. Ich habe diese Leute immer für realitätsferne Spinner gehalten. Es war nicht ganz so wie man es immer hörte, ich fühlte mich nicht körperlos, eher so als wäre mein Körper flüssig oder gasförmig. Als würde mein Körper sich durch den ganzen Raum verteilen, wie eine Rauchwolke. Es war ein ausgesprochen absurdes Gefühl, aber wie gesagt: Ich möchte Ihnen da nicht zu viel vorweg nehmen. Nur das noch: Auch wenn ich nun kein Gehirn mehr habe (was ja ein merkwürdiger Gedanke ist, wenn man noch fähig ist zu denken, zu sehen und zu fühlen…), vermisse ich es auch nicht, denn ich habe nun Zugriff auf etwas, was viel besser ist als ein einziges Gehirn. Ich blieb eine ganze Weile wo ich war und beobachtete meine Frau, wie sie mir ein Stück Knorpel vom Kotelett in den Rachen schob. Der Notarzt bezeichnete es später als den Grund für mein Ersticken, der arme Mann konnte es ja nicht besser wissen. Ich sah mir die ganze Prozedur an: Ihren Anruf beim Notarzt, die Feststellung meines Todes und natürlich ihre oskarreife Vorstellung während der ganzen Show. In diesem Moment wünschte ich mir toben zu können, wie die Poltergeister, die man so im Fernsehen sieht. Doch auf die materielle Welt habe ich nun keinen direkten Einfluss mehr, da ich ja keinen Körper mehr besitze (weder fest, noch flüssig, noch gasförmig). Aber ich habe etwas anderes, ich würde fast sagen besseres.
Ich freute mich fast auf meine Beerdigung, auch wenn es nicht so unterhaltsam wurde, wie ich erwartet hatte. Es war aber interessant in die Köpfe meiner „Lieben“ zu schauen und zu sehen, wessen Trauer gespielt und wessen echt war, während sie in stumm in der Kirche hockten und sich die Predigt anhörten. Fast niemand trauerte wirklich um mich, aber das war in Ordnung, das hatte ich auch nicht erwartet. Die meiste Zeit über beobachtete ich meine Frau. Sie hätte wirklich Schauspielerin werden sollen, dann wäre sie mit vielleicht reich geworden und ich wäre mit Sicherheit noch am Leben. Es sah so echt aus, wie sie weinte und am ganzen Körper bebte. Jeder sah in ihr die arme junge Witwe und niemand kam auf den Gedanken, dass sie nachgeholfen haben könnte, um diesen Zustand zu erreichen. Ich konnte jedoch ihre Gedanken sehen, es war erschreckend über was sie nachdachte, während sie weinte. Sie war ein Monster und ich war ein Idiot, dass ich es vorher nie bemerkt hatte.
Sie saß im Leichenwagen, als er sich auf dem Weg zum Friedhof befand (die Kirche war einen guten Kilometer entfernt). Selbst hier schluchzte sie noch, obwohl sonst nur der Fahrer anwesend war. Sie spielte ihre Rolle wirklich gewissenhaft, würde das aber nicht mehr lange tun. Ich hatte alles vorbereitet. Der Fahrer war ein Kerl namens Thomas. Ein junger Familienvater, der zwar ein bisschen pervers, ansonsten aber ein ganz guter Kerl zu sein schien. Ich konnte in seinen Gedanken sehen, dass er meine Frau während der Fährt permanent mit den Augen auszog und sich vorstellte, sie auf meinem Sarg zu ficken. Ihre offensichtliche Trauer schien ihm dabei nichts auszumachen. Wie ich das alles wissen konnte? Ich kann Ihnen genau sagen, was die Queen denkt, wenn sie auf dem Pott hockt (es ist äußerst amüsant…) und ich kann Ihnen auch sagen, welche Geheimnisse sich hinter der „Area 51“ verbergen, aber wenn Sie wissen wollen woher ich das weiß, wenden Sie sich an jemanden, der sich damit auskennt. Rufen Sie die Auskunft an, ich habe keine Ahnung. Was ich nun tun kann, tue ich instinktiv, so wie ein Fisch durch die Kiemen atmet, oder ein Gecko seine Augen mit der Zunge säubert. Ich denke nicht darüber nach. Ich weiß einfach, dass ich es kann und ich kann es auch. Der Wagen befand sich auf einer langen Gerade und bis zum Friedhof, der die letzte Ruhestätte meiner Überreste sein sollte, war es nicht mehr weit. Er lag direkt hinter einer letzten, scharfen Kurve. Ich brachte Thomas, den Fahrer, dazu, seine kleine Tochter mitten auf der Straße stehen zu sehen. Er wurde weiß wie ein Blatt Papier und machte augenblicklich eine Vollbremsung. Die Reifen quietschten. Zuvor, kurz nachdem mein Sarg verladen worden war, hatte ich schon dafür gesorgt, dass Thomas vergessen hatte, die Holzkiste ordnungsgemäß festzuschnallen. So rauschte das Ding nach vorne, rutschte über die Lehne des Beifahrersitzes und knallte meiner Frau in das Genick. Das Geräusch war ein Fest für mich. Ihr Genick brach, sie starb auf der Stelle und mit ihr alle ihren vergifteten Gedanken, ihre boshafte Scheinheiligkeit. Mein Sarg kippte zur Seite und sprang auf, so dass mein linker Arm herausrutschte, als wolle er meiner Frau ein letztes Mal winken. Nun hatte ich meine Genugtuung, meine Rache wenn Sie so wollen, auch wenn mir der Begriff nicht besonders zusagt. Ich werde mich aber hüten es Gerechtigkeit zu nennen, denn wissen Sie was? Ich bin nicht erlöst worden dadurch, im Gegenteil. Ich bin immer noch hier bei den Lebenden, aber das ist nicht weiter schlimm. Das Schlimme ist, dass nun auch meine Frau bei mir ist… Und sie ist nicht nur hier, sondern überall. War es letzten Endes vielleicht doch Gerechtigkeit?
ENDE