Ich habe alles so geschrieben, wie ich es erlebt/wahrgenommen habe. Den Weg in die geistige Welt bzw wieder zurück habe ich jedoch ausgelassen.
Ich komme auf eine Blumenwiese mit hüfthohem Gras, die am Rande eines Waldes liegt. Der Bär, der Rabe und der Wolf begrüßen mich, alte Freunde. Plötzlich stehe ich am Ufer eines kleinen Bergsees. Ein Samurai erwartet mich. Ich habe ihn schon einmal vor etlichen Monaten gesehen. Er hat wieder seine goldene Rüstung an. Plötzlich ist die Rüstung verschwunden. Stattdessen trägt er einen weißen Kimono mit
goldener Schleifen, der einen starken Kontrast zu seinem schwarzen Haar, das zu dem typischen Knoten gebunden ist, und dem ebenso schwarzen, perfekt gestutzten Vollbart. Alles an dem Mann strahlt Gelassenheit und Ordnung aus – Perfektion! Er steht nun auf einer niedrigen Plattform aus polierten Holzplatten. Mit einem einzigen Blick lässt er Bilder einer Teezeremonie vor meinen Augen aufblitzen. Als meine Sicht wieder klar wird, weist der Samurai auf den See. Nackt und in erstaunlichem Tempo durchquere ich den See – viel größer, als es zuerst den Anschein hatte. Am anderen Ende des Sees gehe ich ans Ufer. Nun wieder in
meine Hose gekleidet. Hier liegt Schnee. Ich befinde mich auf einem Gletscher, nur etwa zehn Meter unterhalb des Gipfels. Diesen versuche ich zu erreichen, was sich jedoch als unmöglich herausstellt. So sehr ich mich auch anstrenge, ich komme nicht voran. Nun stehe ich selbst neben mir. Besser gesagt, schräg hinter meiner menschlichen Form, zu deren Linken, steht meine Andersweltgestalt, ein humanuides Echsenwesen, dessen gelb glänzenden Schuppen bereits allmählich ins Braun wechseln. Aus dem Hinterkopf wachsen zu beiden Seiten etwa 20 cm lange Hörner nach hinten und leicht nach außen. Aus der Oberseite
meines langgezogenen Kopfes wachsen zwei weitere, dünnere, nur etwa halb so lange Hörner. An der Unterseite meines Kinns und an den Ecken meines Kiefers zu beiden Seiten befinden sich ebenfalls kleine, hornartige Auswüchse. Auch diese Gestalt meiner selbst ist lediglich in eine Hose gekleidet. Es handelt sich um die wahre Form meines Geistes, der auf dieser Ebene der Geister heimisch ist, während ich in menschlicher Gestalt lediglich eine geistige Projektion meines physischen Körpers darstelle, die sozusagen nur auf Besuch hier ist. Ich lege die Hand auf ihre Schulter, als würde ich abklatschen, und gehe an ihr vorbei. Mühelos erreiche ich den Gipfel.
Dort bleibe ich einen Moment stehen und betrachte das Tal, das sich vor mir erstreckt. Steinig und nur spärlich bewachsen ist es. Tief im Tal hängt eine riesige schwarze Wolke, die knapp über einem kleinen Teich schwebt. In der Wolke scheint es stellenweise rot zu leuchten. Ein kurzes, gelbliches aufblitzen auf dem Teich. Brennt er? Schwarze Flammen? Nein, die Wolke ergießt sich in einem Schwall schwarzer, klebriger Flüssigkeit in den Teich. Ich laufe den Hang hinunter. Ein Wunder, dass ich dabei nicht strauchle. Ich stürze mich in den Teich, der mittlerweile nur noch eine Pfütze ist – eine außergewöhnlich tiefe Pfütze, in die
ich bis zur Brust eintauche, während sich die Reste der Wolke über mich ergießen. Das Tal ist nun ganz ohne Vegetation. Für einen Moment drohe ich in der Brühe zu ertrinken. Wäre es lediglich Wasser, könnte ich darin in meiner jetzigen Gestalt atmen. Doch dann zieht sich die Flüssigkeit zurück und ich bleibe erschöpft liegen. Meine Schuppen haben zu ihrem alten Glanz zurückgefunden. Flackernd wechsle ich in meine menschliche Gestalt zurück. Meine Haare sind nun dünkler, beinahe schwarz. Der Samurai legt mir einen moosgrünen Mantel um. Am Rücken ist ein Herz aufgenäht. Die linke Seite ist golden, die rechte schwarz. Um das Herz
sind drei himmelblaue Tropfen angeordnet. Sie erinnern an ein halbes Yin-Yang Zeichen und sind mit einem Kreis in der selben Farbe verbunden. Ich versuche, aufzustehen, doch ehe ich es schaffe, auch nur einen Finger zu rühren, wächst in atemberaubender Geschwindigkeit ein Wald um mich herum. Der Samurai ist verschwunden. Ich stehe auf – nun bin ich bereits in den Mantel geschlüpft – und mache mich auf den Rückweg. Dabei komme ich an dem Samurai, dem Bären, dem Wolf und dem Raben vorbei und verabschiede mich fürs erste wieder von ihnen.